Editorial 10. November 2006

Noch ist Marathon Sport – oder bin ich von gestern?

Der Fall Brandenburger wirbelt eine Menge Staub auf. Wie beruhigend, es gibt also noch die am Sport Interessierten in den Läuferreihen, denen das fair erzielte Ergebnis über alles geht und die sich gegen Schwindler wehren. Dass wir soviel Aufhebens um seine Lauferei machen, begegnete Roland Brandenburger verwundert unserer Reporterin, die nicht locker ließ. Mit seinem Unverständnis steht der Aspirant nicht allein da. Mit Ungereimtheiten behaftete Ergebnisse nehmen zu. Einwände der vermeintlich Unterlegenen werden nur ungern oder gar nicht verfolgt, sind bei Veranstaltern unerwünscht und, sofern er sich um die höheren Altersklassen handelt, bei Großveranstaltungen kaum zu kontrollieren. Der Leitgedanke ist „lasst uns ein schönes Lauffest feiern“. Konträr dazu treten diejenigen auf, die nach der Einhaltung des Regelwerkes rufen und ihr persönliches Schicksal nicht unterordnen.

Markus Frisch von der Kölner Marathon Organisation hat nach Kenntnis unseres Beitrages „Roland Brandenburger – M65 Weltklasse?“ am 9. November LaufReport mitgeteilt: ‚Wir akzeptieren die Leistung von Herrn Brandenburger. Unsere Ergebnisliste ist geschlossen.’ Untadelige Sportler wie Walter Koch oder Peter Lessing werden zum Bauernopfer, rutschen gegebenenfalls in der Rangliste etwas ab. Wäre in den Reihen der Kölner nicht ein hoher Verbandsfunktionär, man wäre gewillt den DLV einzuschalten. So bleibt den ernsthaften Läufern wohl nur, sich mit den neuen Gegebenheiten abzufinden, dass bei einem City-Marathon jeder machen kann, was er will. In einem anderen der LaufReport Redaktion zugetragenen Fall bemühte sich ein Läufer über Wochen erfolglos seinen „AK-Podiumsplatz“ wieder loszuwerden. Bei einem der großen deutschen Stadtmarathons hatte er den Lauf abgebrochen und löste versehentlich mit seinem Chip im Ziel die Zeiterfassung aus. Er steht noch nach Monaten als AK-Zweiter in der Liste und wird dort wohl auch bleiben.

Mit der Erfahrung aus mehreren Fällen kann ich behaupten, es ist eine Viecherei als Journalist einem Laufbetrüger seine Machenschaften nachzuweisen. Für diese arbeits- und zeitintensive Arbeit bekommt man weder Unterstützung noch Dank, man macht sich schlicht unbeliebt. Warum also dieses heiße Eisen anpacken? Um ehrlich zu sein, nach diesem Fall werden wir wohl wieder ein paar Jahre pausieren. Obwohl die Beweislage im Fall Brandenburger erdrückend ist und im Nachhinein betrachtet so simpel aufzudecken war, ist die Mitteilung aus Köln doch ein schmerzlicher Schlag ins Gesicht: ‚Respekt für Ihre Hartnäckigkeit, aber wir können Herrn Brandenburger nichts nachweisen’, heißt es dort weiter.

Wieso schauen die Kölner nicht wenigstens für fünf Minuten in ihre eigenen Ergebnislisten? Herr Frisch, und das ist einfach zuviel des Guten, verlässt sich da ganz auf die Zukunft: ‚Herr Brandenburger stünde jetzt ja unter der Aufsicht der Laufszene und der Presse.’ Wie wahr, unter der des Veranstalters sicher nicht, denn den treibt mehr die Sorge, Herrn Brandenburgers Sportbegeisterung sei von LaufReport nachhaltig geschädigt worden und ein Stammgast könne den Kölnern verloren gegangen sein. Wörtlich: ‚Ich glaube, dass Herr Brandenburger in Zukunft so unter Beobachtung der Laufszene und der Presse stehen wird, dass sich in den nächsten Wettkämpfen, die er bestreitet (wenn er noch welche bestreitet), zeigen wird, ob er tatsächlich im Stande ist, diese Leistung zu vollbringen.“

‚Grundsätzlich gäbe es in Köln viele Punkte die sich zum Abkürzen eignen und selbst abschnittsweise die Bahn zu nehmen böte sich an. Alle drei Kilometer müssten Matten ausgelegt werden um sicher zu gehen, dass nicht betrogen wird’, heißt es im Schreiben aus Köln. Auch eine flächendeckende Überwachung ist überwindbar. Man denke an die Zwillinge in Südafrika, die sich die Strecke des Comrades Marathons teilten, um mit dem Preisgeld aus dem Ärgsten zu kommen. Diese waren nur deshalb aufgeflogen, weil einer die Armbanduhr links, der andere rechts trug. Es geht um etwas anderes und die Kölner legen das Dilemma offen. Die ausgelegten Matten würden ausreichen, um so manchen faulen Kunden zu erkennen, nur die Kontrolle ist offenbar gar kein Bestandteil des Geschäfts und findet deshalb überhaupt nicht statt.

Was einst der Laufszene als Vorteil der Chipmessung angepriesen wurde, und so mancher wird sich noch an die Zeiten erinnern, wo Mess-Schleifen überraschend auf der Strecke auftauchten, ist längst Geschichte. Eine Kontrollfunktion kann eine Matte bei Kilometer 10, 20, HM, 30 und 40 kaum haben und richtig, dient diese Platzierung der Bereitstellung von Zwischenzeiten. Doch Betrug wird selbst dadurch erschwert, ist das zeitnahe Passieren der Matten doch erforderlich. Bleibt die Frage der Beweiskraft einer Zwischenzeit. Ist die Erfassung verlässlich? Kann sie zur Disqualifikation herangezogen werden? Was passiert, wenn Zwischenzeitmessungen nicht ausgelöst wurden? - Ach ja, die Pressevertreter sollen ja die Überwachung übernehmen. Wahrscheinlich an Stelle ihrer beschreibenden Tätigkeit, die ist doch sowieso lästig und störend. Und alle Teilnehmer werden zu verdeckten Ermittlern. Herr Frisch, ich darf doch bitten. Ihr Roland Brandenburger war mehrmals in Köln dabei und seine Spuren sind eindrucksvoll. Die Ungereimtheiten sind nicht zu übersehen. Man muss sich quasi abwenden.

Doch dem geneigten Leser soll auch die Mühe nicht verborgen bleiben, die ein solcher Fall macht, bevor der Ballon platzt. Laufbetrüger sind zu bedauern. Um zu betrügen müssen sie fähig sein, sich der Realität zu entziehen. Wie Dopingsünder, denen die Überzeugung nicht zu dopen so in Fleisch und Blut übergeht, dass sie von ihrer Unschuld überzeugt und dank Veränderung des eigenen Bewusstseins in der Lage sind, selbst einem eindeutig positiven Befund mit überzeugenden Dementis zu begegnen. Diejenigen, die beim Laufen abkürzen, reagieren auf Vorwürfe ähnlich überzeugend, sodass man verunsichert die Haltung „im Zweifel für den Angeklagten“ einnimmt. Nun hat ein Läufer auch ein soziales Umfeld: Trainingspartner, Familie, Sportverein. Ein Verein hält zu seinem Mitglied, das war auch dieses Mal so, und bricht für den Kameraden eine Lanze. Erst spät lenkten dort die Zweifel zum Umdenken. Ein in der Region als Sub-3h-Marathonmann bekannter Läufer berichtete, dass er bei Tempoeinheiten mit Brandenburger nicht mithalten könne. Erst Wochen später wird klar, es handelt sich schlicht um eine Verwechslung, unseren Weltklasse-Senior kennt er gar nicht.

Zwischenzeitlich schien der Fall erledigt. Roland Brandenburger war mir ja bereits wegen seiner Vorleistungen aufgefallen. Dann wurde die Disqualifikation von Köln bekannt. Wenn auch nur vorübergehend und ohne Begründung ausgesprochen, brachte diese im Badischen die Läufer dermaßen auf die Palme, dass sich das LaufReport-Team für den Beschuldigten stark machen wollte, der übelsten Verbalattacken ausgesetzt war, obwohl sein Name längst in die Ergebnisliste zurückgefunden hatte. Der Bitte um Bekanntgabe der Zwischenzeiten folgten die Kölner nicht. Herr Frisch verwies darauf, dass diese geprüft und plausibel seien. LaufReporterin Dr. Birgit Schillinger musste sich auf diese Aussage stützen. Ihre Glosse war fast im Netz, als LaufReporter Ralf Klink davor warnte, sich für den badischen Laufkollegen all zu weit aus dem Fenster zu lehnen, würden dessen Zwischenzeiten, die von der Kölner Marathon-Organisation für plausibel gehalten wurden, jetzt endlich im Netz abrufbar sein und doch mehr als Zweifel aufkommen lassen.

Birgit Schillinger besuchte also erneut in der „schusssicheren LaufReport-Jacke“ den Sportsfreund, bewaffnet mit der Zwischenzeiten-Tabelle aus dem Internet. In petto einen mittlerweile mit Hilfe des Fotoservices recherchierten Beweis, dass die Laufkameraden, mit denen unser Rekordläufer bei Kilometer 35 abgelichtet wurde, bei Kilometer 30 noch 15 Minuten vor ihm lagen. Für Brandenburger ergab sich daraus, dass er diesen Abschnitt von etwa fünf Kilometer Länge in neun Minuten absolviert hatte. Nun war der ältere Herr doch aus der Fassung und erbat sich Bedenkzeit. Wie versprochen löste er noch am Abend telefonisch das Rätsel: eine Abweichung der offiziellen Zeiterfassung bei Kilometer 30. Er habe dort eine andere Zeit gestoppt. Ein Messfehler also, wie er beim Chip in bestimmten Personenkreisen häufig vorkommt. Keinesfalls ein Beweis - oder? Nur, was hat die Kölner Marathon-Organisation denn dann geprüft? Wie rechtfertigen diese die Auffassung „plausibel“?

LaufReporter Michael Krüger trägt zur Geschichte bei: Wenn man sich ein bisschen umschaut, stellt man fest, die Chipzeitnahme funktioniert bei Herrn Brandenburger notorisch nicht. Auf der Homepage des Köln-Marathons lassen sich Brandenburgers Leistungen von 2002, 2004 und 2005 einsehen.

2002:
Endzeit (netto): 03:28:27
Endzeit (brutto): 03:36:59

 

Zwischenzeiten:
  0-10 km: 00:45:32
10-21 km: 00:51:37
21-30 km: 00:00:00
30-42 km: 00:00:00
Halb1: 01:37:09
Halb2: 01:51:18
nach 30 km: 00:00:00

Bei km 30 nicht erfasst, dennoch sieht das einigermaßen plausibel aus. 2. Hälfte ziemlich eingebrochen.

2004:
Endzeit (netto): 03:22:36
Endzeit (brutto): 03:30:11

 

Zwischenzeiten:
  0-10 km: 00:49:15
10-21 km: 00:56:38
21-30 km: 00:00:00
30-42 km: 00:00:00
Halb1: 01:45:54
Halb2: 01:36:42
nach 30 km: 00:00:00

Wieder fehlt die 30km Zeit! Dafür diesmal 9 Minuten schneller auf der 2. Hälfte. Respekt!

2005 dann der Hammer:
Endzeit (netto): 02:55:31
Endzeit (brutto): 02:58:10

 

Zwischenzeiten:
  0-10 km: 00:39:51
10-21 km: 00:42:41
21-30 km: 00:31:51 (!!!)
30-42 km: 01:01:06
Halb1: 01:22:32
Halb2: 01:32:58
nach 30 km: 01:54:24

Damit ergeben sich folgende Kilometerzeiten für die obigen Abschnitte: 3:59 - 3:51 - 3:35 - 5:00

Nachdem er die erste Hälfte in 1h22 gerannt ist (fast so schnell wie seine Halbmarathonzeit von 1h21 beim Baden-Marathon in Karlsruhe), hat er also auf 3:35 min/km beschleunigt. Nicht schlampig. Bei einer 1h21 HM ist nach dem Steffny-Faktor auf 10 Kilometern eine 36:42 drin, das ist ein 3:40er Schnitt. Der Mann scheint seine Bestleistungen zwischen Kilometer 20 und 30 zu erzielen.

Lieber Michael, auch Dir vielen Dank sowie Ralf und vorneweg natürlich Birgit. Den Hammer hängte der Wunderläufer ja 2006 bekanntlich noch deutlich höher und sollte die Läuferschar nicht auf die Barrikaden gehen, wird er den Kölnern 2007 im Schatten des Doms den diesmal knapp verpassten Weltrekord schenken.

2006
Endzeit 2:47:48

Zwischenzeiten:
  0-10 km: 00:37:11 (das sind 3:43 min pro km)
10-21 km: 00:44:22 (das sind genau 4:00min/km für den Abschnitt)
21-30 km: 00:45:22 (5:06 min/km)
30-42 km: 00:40:53 (das würde 3:21 min/km bedeuten)
Halb1: 01:21:33
Halb2: 01:26:15

Doch halt, Herr Brandenburger hat ja seit Jahren das Messproblem in Köln bei Kilometer 30, was der Organisation sicher leid tut, macht es doch dem Sportsfreund diesen vielen Ärger. Richtig, diesmal ist er - seine Korrektur eingerechnet - sauber im 4:06er km/min-Schnitt durchgekommen und damit ist das ja wieder plausibel.

Mal ehrlich, dem Großteil der Teilnehmer ist das total egal. Es sind nur wir ewig Gestrigen, die darauf bestehen, dass ein Marathon eine sportliche Prüfung sei. Doch der Marathon läuft an vielen Fronten mit wehenden Fahnen über, ob zum Karneval, zum Heldenaufmarsch und ähnlichen pathetischen Massenbewegungen. Die Entfernung vom Sport fördert dabei das Geschäft. Der reine Sportler wird zur unbequemen Altlast. Die vermeintlich offene Frage kann beantwortet werden:

Wer überprüft in Zukunft beim Marathon die Leistungen? - NIEMAND !

Walter Wagner

Editorial 21. Juni 2006

Wo ist Biel?

Ein Leserbrief als Editorial? Der Inhalt macht´s und die Antwort war längst überfällig. Wo wart ihr, LaufReport?

Hallo Walter, hallo Constanze,
ich war dieses Jahr das erste Mal in Biel, war toll, wenngleich ich die angestrebten 8 Stunden bei weitem nicht erreicht habe. Ich trat aber trotzdem mit 8:36h und dem Finisher-Shirt im Gepäck stolz die Heimreise an.

Ich bin begeisterter LaufReport-Leser und bewundere Eure Innovationsfreudigkeit mit der Ihr dafür sorgt, dass es niemals langweilig wird.

Überrascht hat mich jetzt aber, dass ihr dieses Jahr nicht mehr über Biel berichtet habt, zumal mir schien, dass Euch Biel besonders am Herzen liegt und Constanze einige Ihrer größten Erfolge dort feiern durfte und schließlich ist Eure exzellente Biel-Beratung mit dem 100km-Trainingsplan eine besondere Sache auf der LaufReport-Seite.

Mich interessiert es sehr, an was es lag, dass kein Laufreporter nach Biel entsandt wurde. Biel durfte nach meinem Gefühl immer noch der 100-er sein, wo die deutsche Beteiligung, trotz des allgemeinen Teilnehmerrückgangs, am höchsten ist. Steigt ihr nächstes Jahr wieder in die Berichterstattung ein, um so einige Läufer für das 50. Jubiläum im Jahr 2008 anzustacheln? Ich würde es mir für diesen besonderen 100-er, die "Mutter der Ultramarathone", wünschen, wenngleich ich natürlich auch sehe, dass ihr diese Seite nicht mehr aus purem Idealismus betreiben könnt und ihr vom Veranstalter auch unterstützt werden müsst.

Mit den besten Grüßen
Andreas Baier

Hallo Andreas,

besten Dank für Dein Schreiben, das ich gerne aufgreife, da Deine Eingangsfrage mehrmals gestellt wurde. Dass wir dieses Mal nicht bei den Bieler Lauftagen vertreten waren, hat keinen besonderen Anlass. Wilde Spekulationen sind völlig unbegründet. Es hat sich einfach nicht ergeben. Vier Mal in Folge hatten wir seit 2002 ausführlich im LaufReport über Biel berichtet und wir werden das in Zukunft auch wieder tun. Verletzungen und Urlaubsreisen waren zu kompensieren, aber das wir niemand im Team für den Termin haben würden, wurde uns erst spät klar. Sonst waren wir in Biel immer überbesetzt, diesmal war nichts mehr zu löten.

Dennoch sprichst Du ein Problem an, das uns beschäftigt. Da wir so viele Veranstaltungen im Programm haben, wächst das Verlangen auf einen Beitrag im LaufReport. Würden wir nicht über mehr als 300 Veranstaltungen in der Saison berichten, sondern wie andere Magazine nur über zwei Dutzend, wäre die Akzeptanz bei Veranstaltern und Teilnehmern größer, dass wir auch mal neue Pfade einschlagen. Verständlicherweise beachten wir weiterhin die Veranstaltungen mehr, die mit ihren Werbemaßnahmen im LaufReport unsere Arbeit finanziell ermöglichen und tatsächlich haben wir über die Jahre betrachtet, über rund 90 Prozent der im LaufReport beworbenen Läufe auch berichtet. Den restlichen 10 Prozent gehört unsere Aufmerksamkeit für das Folgejahr, denn der Anspruch zur Zusammenarbeit ist bei uns durchaus vorhanden.

Reportagen zählen aber nicht zum Leistungsumfang unserer Veranstalterwerbung. Wir können nur hoffen, dass unsere Partner tolerieren, wenn wir in der Redaktion auch mal einer anderen Laufveranstaltung den Vorzug geben und dass sie nach mehrjähriger Berichtsfolge eine einmalige Pause hinnehmen, ohne uns gleich das Budget zu kürzen. Schließlich gilt es auch das Leserinteresse nicht bis zum „Burn-out“ zu strapazieren, mit immer gleichem Programm.

Die direkte Unterstützung einer Reportage von Veranstalterseite ist problematisch, erwächst daraus doch ein Hemmnis, ungeschönt zu berichten. Anders als einige unserer Wettbewerber bieten wir deshalb auch nicht unter der Hand Reportagen als Dienstleistung an, obwohl gerade dies gewünscht ist, wie uns immer wieder Veranstalter mitteilen. Auch die Praxis, vom Veranstalter bereitgestellte Fotos mit einem Text auf der Grundlage gelieferter Veranstalteraussagen etwa zur Teilnehmerzufriedenheit zu veröffentlichen, ist für LaufReport ein Tabu. Dass es allerdings auch ein gesundes Miteinander gibt, zeigt die Praxis. Ein unmissverständlich geäußertes Interesse im Vorfeld an einem LaufReporter vor Ort ist auch Unterstützung, die wir nicht selten gerade bei unseren heimischen Veranstaltern vermissen. “Wo wart ihr?“, hinterher vorwurfsvoll vorgetragen, ist die Realität hier vollständig wiedergegebener Kommunikation.

Diese Aussagen beziehen sich ausdrücklich nicht auf Biel. Constanze hatte eine Einladung des Bieler OK zur Teilnahme erhalten, in der speziell ihre Verdienste um die Bieler Lauftage hervorgehoben waren. Allein ihr Trainingsdefizit nach langer Verletzung ließ es nicht zu, 100 Kilometer zu laufen, weshalb wir den alpinen Berglauf vom italienischen Lanzada ins schweizerische Poschiavo besuchten. Das Interesse an den Bieler Lauftagen ist im LaufReport-Team ungebrochen groß und ich bin sicher, dass wir 2007 wieder berichten werden. Über den 50. 100km-Lauf von Biel im darauffolgenden Jahr mache ich mir schon jetzt Gedanken, denn da ist ja Mitlaufen Pflicht, nicht nur für LaufReporter.

Walter Wagner

Editorial 25. März 2006

Hauptsache Erlebnis - schei... aufs Ergebnis !

Es ist ein Interview, welches Ewald Walker mit dem DLV Volkslauf-Berater Claus Baumann machte, das mich nachdenklich stimmt. „Bald überholt uns der Kommerz und die Volkslaufszene verselbständigt sich“, sorgt sich der Verbandsvertreter und er weiß: „Alle wollen mit der Volkslaufszene Profit machen.“ Richtig, fast alle hoffen auf einen Gewinn und sei es für die Kassen der Vereine. Gemeint sind diese aber wohl nicht. Es geht hier sicher um Geld, welches Event-Agenturen und andere private Unternehmer vereinnahmen. Die tauchen aber nur bei einem kleinen Teil der verbandsgenehmigten Laufveranstaltungen auf. Zugegeben bei den lukrativen Großveranstaltungen, die jedoch aufgrund ihrer Ausmaße mit organisatorischen Aufgaben und wirtschaftlichen Risiken behaftet sind, die von Sportvereinen kaum mehr getragen werden können.

Dass sich Teile des Laufklientels nicht mehr in den Mitgliederlisten der Sportvereine einfinden, sondern sich immer zahlreicher einer kommerziellen Laufbetreuung anschließen hat Gründe. 80 bis 100 Prozent Kostenerstattung der Krankenkassen für professionelle Lauf- und Walkingkurse auf der einen Seite, ein paar Bonuspunkte für die Vereinszugehörigkeit mit oft hohen Mitgliedsbeiträgen vor allem in den Städten auf der anderen. Ein festumrissenes und einforderbares Leistungspaket bei der privaten Laufschule findet mehr Beifall, als ein bloßer Übungsstundentermin im Verein, womöglich noch verbunden mit der Nötigung zu Helferdiensten und weiteren Pflichten.

Das Bestreben der alteingesessenen Verbandsstruktur kann nun nicht sein, Laufen quasi mit einem Patent zu belegen und über Lizenzgebühren an allem zu partizipieren, was man vermeintlich in vier Jahrzehnten Vereins- und Verbandsarbeit aufgebaut hat. Vereine und Verband müssen sich dem freien Wettbewerb stellen. Noch genießen Sportverbände und Sportvereine hohes Ansehen. Die Leichtathleten haben zudem mit dem Schulsport einen Bewerbervorteil. Und die geschützte, öffentlich geförderte Vormachtstellung eines Verbandes ist ein weiterer Trumpf zu Ungunsten der freien Unternehmer im Laufsport. Dieser Vorsprung muss genügen und sollte genutzt werden, um mit attraktiven, zeitgemäßen Programmen die Freizeitsportler an die Vereine zu binden. Zwangsabgaben bedürfen adäquater Gegenleistungen, die man heutzutage offen legen sollte. Alleine dass man bei irgendwas von Beginn an dabei war, kann keine Rechtfertigung sein.

Die Verbandsaufgaben sind unmissverständlich festgeschrieben. Doch nicht wenige aus der Masse der Läuferinnen und Läufer sehen im Verband nicht ihre Interessensvertretung. Ob die Ursache darin liegt, dass Straßen- und Volkslauf außerhalb der Stadien eine Nebenrolle spielen? Wie auch immer, wer die Zügel in der Hand hält, trägt die Verantwortung und die ist mit Arbeit verbunden. Doch bei der Übernahme und Ausführung von Aufgaben klemmt es. Selbst das Regelwerk geht den Bach runter, weil die Einhaltung von den wenigen Verbandshelfern gar nicht überwacht und durchgesetzt werden kann. Veranstalter und Serviceleister im Laufsport fühlen sich allein gelassen und Ungereimtheiten nehmen zu. Mit dem vermuteten Regelverstoß beim 25 Kilometer Weltrekord von Haile Gebrselassie am 12. März 2006 in 1:11:37 h ist eine weitere „Baustelle“ ins Bewusstsein gerückt, die sich schon lange aufgetan hat.

Eine eindeutige Weisung des Verbandes ist nicht zu hören, wenn bei genehmigten Läufen, nicht die Zieleinlauffolge für die Platzierung herangezogen wird, sondern diese aufgrund der Nettozeiterfassung erfolgt. Laufveranstalter geraten durch diese regelwidrige Praxis ihrer Konkurrenten verstärkt unter Druck es ebenso zu handhaben. Aber schon mit der Chipmessung am Fuß ist man außerhalb der Vorschrift, denn die Brust ist immer noch der entscheidende Körperteil, obwohl der Messvorgang am Fuß nunmehr seit Jahrzehnten Usus ist. Beim erwähnten Weltrekord Gebrselassies war der 25 Kilometerlauf zeitlich so in ein weiteres Rennen eingebunden, dass ein Tempomacherdienst später gestarteter frischer Läufer unterstellt, zumindest nicht ausgeschlossen werden kann.

Führt das nun zu einer Nichtanerkennung des Rekords, dann müssen sehr viele Laufveranstalter um die Bestätigung bei Ihnen gelaufener Leistungen bangen. Ein in einen Marathon integrierten kürzeren Lauf kann man gleichzeitig oder zeitlich so versetzt starten, dass das Problem nicht auftritt. Doch viele Stadtmarathons sind finanziell auf den Einschluss von Team-Staffeln und, gerade in Mode gekommen, Duo-Bewerben angewiesen. Diese führen unausweichlich genau diese Tempomachersituationen herbei und sind oft gar als zusätzlicher attraktiver übergreifender Zweikampf erwünscht. Im Rahmen der letzten Hessischen Marathonmeisterschaften konnten schon bewusst herbeigeführte Schrittmacherdienste beobachtet werden. Und wer sollte diese auch auf 42 Kilometern durch Überwachung unterbinden?

Staffelläufer unterstützt Marathonläufer. Der Titel ging dennoch knapp an den enteilten Tobias van Ghemen

Das Regelwerk ist in allen drei Fällen eindeutig, aber von der Entwicklung überholt. Das Reglement darf den Fortschritt nicht aufhalten und sollte ständig angepasst werden. Die verantwortlichen, nationalen und internationalen Funktionäre sind gefordert Richtlinien festzulegen, die einheitliche Voraussetzungen garantieren und die umsetzbar sind. Was nicht akzeptiert werden kann, ist ein wachsender Graubereich auf Kosten des Leistungssportgedankens im Laufsport, der allein vom wirtschaftlichen Interesse des Breitensports gelenkt wird. Verbindliche Lösungen für ein funktionierendes Miteinander, die das allwöchentliche Geschehen auf unseren Laufstrecken nicht nur duldet, sondern auf legalen Boden stellt, ist eine schwierige Aufgabe, mit der sich der Verband profilieren und seine Existenzberechtigung in der Volks- und Straßenlaufszene über die Reihen der Organisierten hinaus demonstrieren kann.

Walter Wagner

Editorial 7. Februar 2006

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Beste im Land ?

Es ist ein erstaunlicher Streich, der Klaus Duwe gelungen ist, aus kaufmännischer Sicht. Mit einer Umfrage hat er die Beliebtheit der Marathons unter seinen „Lesern“ ermittelt. Aus den Angaben von 6595 Teilnehmern wurde eine 108 Veranstaltungen umfassende Hitliste erstellt. Mit der Variante, diese auch nach Regionen aufgegliedert zu präsentieren, genießen nun neun Marathons den Siegerstatus. Viele weitere Gutplatzierte werden nicht müde Pressemitteilungen zu versenden sowie auf ihren Internetseiten ihr gutes Abschneiden werbewirksam zu verbreiten. Große Marathonveranstalter der Nation senden in E-Mail-Rundschreiben an Tausende die gute Neuigkeit ihres Abschneidens mit Hinweis auf das Internetportal marathon4you.

Bedauerlich – wenn auch verständlich - ist, dass die Sieger und Platzierten keinerlei Zweifel am Wert der Erhebung aufkommen lassen. Aus den Reihen derer, die nicht „mitgemacht“ haben, wird bereits signalisiert, nächstes Mal dabei zu sein. Nun was ist damit gemeint? Es haben schätzungsweise 30 Stimmen gereicht, um einen guten Mittelfeldplatz einzunehmen. Das lässt sich leicht organisieren und auch übertreffen. Die Umfrage wird sich also beim nächsten Mal einer weitaus größeren Beteiligung erfreuen, denn eine saubere Abstimmung ist nicht zu gewährleisten. Eine gesteuerte Teilnahme liegt zudem zwangsläufig im Sinne des Betreibers, der Veranstalter bereits diesmal im Vorfeld auf die Abstimmung aufmerksam machte.

Das Ergebnis dieser Erhebung gar als Qualitätsnachweis aufzuführen, gibt mir Anlass, die verantwortlichen Marathonorganisatoren und deren Presseinformanten zu mehr Sorgfalt im Umgang mit ihren Meldungen aufzurufen. Nicht nur bedenkliche Hinweise werden versandt, auch Pressemitteilungen, deren Inhalte sich schlicht als falsch herausstellen, treffen in unserer Redaktion ein. Mag sein, dass die Daumenschrauben den Marathonveranstaltern immer fester angezogen werden. Die Premierenflut reißt nicht ab und schon kommt mit den Reiseveranstalter-organisierten „deutschen“ Auslandsmarathons eine ganz neue starke Konkurrenz auf den Markt. Das darf aber nicht dazu führen, dass man bildlich gesprochen wild um sich schlägt. Hier der dringende Appell an die Verantwortlichen, bleibt auf dem Teppich und vor allem fair. Ich bitte die dem LaufReport nahestehenden Veranstalter um Verständnis, dass wir ihre Mitteilungen, die sich auf die erwähnte Hitliste beziehen, nicht veröffentlichen. Nachfolgend noch ein paar Argumente, die den Unsinn solcher Ranglisten herausstellen.

Wir rechnen mit etwa 100.000 deutschen Marathonläufern. In der genannten Umfrage waren auch Marathons im angrenzenden Ausland einbezogen, entsprechend sind unter den knapp 7000 abgegebenen Stimmen auch ausländische. Weiter ist überhaupt nicht gewährleistet, dass es Mehrfachteilnehmer gab und Stimmabgaben von Nichtläufern erfolgten. Auch bei überprüfter persönlicher Befragung wäre zu klären, wie viele Veranstaltungen der Stimmberichtigte kennt und wie aktuell diese Kenntnisse sind. Grundsätzlich haben die Großen einen uneinholbaren Vorteil bei solchen Befragungen. Egal ob es um Marathons geht oder etwa um Laufschuhe, wo immer Asics gewinnt, da nun mal die Hälfte der Läufer Schuhe anderer Marken gar nicht kennen.

Ein Hornisgrinde Marathon hat keine Chance vorne abzuschneiden. Ist aber auch nicht wichtig, denn obwohl auf Platz 93 geführt, wird der Bühlertaler Lauf in der Baden-Württemberg-Aufstellung gar nicht mehr erwähnt, wie weitere. Auch dies ein Beleg auf die angewandte mangelhafte Sorgfalt. Nach dem Appell an die Veranstalter deshalb auch noch hier einer an die „Umfragenersteller“. Bitte lasst diesen Unfug in Zukunft einfach bleiben und denkt auch mal an die, denen damit wirtschaftlicher Schaden zugefügt wird, weil sie unaktiv den Ausgang der Erhebung abwarten. Denn mal ehrlich, die eine und andere Positionierung muss doch selbst einem, der nur auf wenige Jahre Marathonerfahrung zurückblicken kann, spanisch vorkommen.

Walter Wagner

Editorial 12. Januar 2006

Fußball interessiert mich nicht - interessiert den Fußball nicht!

Das Laufjahr 2006 wird spannend wegen der Fußball-WM. „Da gibt es keine Überschneidungen?“ – Falsch, absolut falsch. Der „Kaiser“ absorbiert mit seinem Fußvolk so viel Sauerstoff, dass für den Rest die Atemluft knapp wird. Mag so mancher denken: „Ist mir vollkommen egal, was die FIFA da treibt, ich zähle nicht zu dieser Sorte „Distanzsportler“, die Sport aus der Zuschauerdistanz passiv betreiben, ich laufe auch 2006 meine Distanzen.“ Doch unbeschadet kommt keiner durch das WM-Jahr. Dies vorauszusehen, bedarf es keines Propheten.

Je nach Abschneiden unserer Elf wird in den Medien für zwei bis vier Monate die Welt aus Fußball bestehen. „Das ist doch jetzt schon so?“ – Fast richtig, aber lassen wir uns mal überraschen. Fußball bewegt Superlative. „Ist mir als Hobbyläufer völlig egal!“ – Kann man so sehen, geht es doch um die Freizeit und den Spaß dabei. Wieso sollte der „Kunde Läufer“ auch die Kopfarbeit eines Veranstalters machen, dessen Kümmernisse sicher in der Startgebühr eingerechnet sind?

Geld kann bekanntlich nur einmal ausgegeben werden und die horrenden Sponsoren-Ausgaben bei der Kick-WM werden zum Teil anderswo eingespart. Verliert man Medienaufmerksamkeit, brechen zudem Sponsoren weg. Geschenke werden auch in der Branche Sport nicht gemacht. „Das betrifft, wenn überhaupt, doch nur die ganz Großen.“ - Mag sein.

Sicherheits- und Rettungskräfte sind voll verplant. Der Fußball-Fan ist ein Rund-um-die-Uhr-Pflegefall, auch außerhalb der Stadien. Es soll ja niemand zu Schaden kommen „bei Freunden“. Beispiele: Stellt ein Fan fest, dass er drei Flaschen Schnaps nicht verträgt, wird ihm beigestanden. Gerät er versehentlich oder enthemmt zu nah ans Fan-Domizil einer anderen Nation, wird die Schutzmacht für ihn aktiv. An Terroristen ist da noch gar kein Gedanke verschwendet. Der Laufveranstalter auf der Suche nach Ordnungshütern wird mitunter empfangen werden mit: „Auf euch haben wir gerade noch gewartet.“

Aber blicken wir ins eigene Lager. Die Straßen werden zeitweise wie leergefegt sein, auch von Joggern. Viele werden für mehrere Wochen aktiv gar keinen Sport mehr treiben, Gefangene der Dauerberieselung Fußball-WM werden. Da werden lange Gesichter über kleine Startfelder blicken, auch noch Wochen nach dem Show-down. „Alles Schwarzmalerei!“ – Ich hätte nichts dagegen, von der Realität eines Besseren belehrt zu werden.

Noch blinken sie auf wie Sterne am Himmel, die Neuen. An Startmöglichkeiten wird es 2006 also nicht mangeln. Die Königsdisziplin muss weiterhin als Türöffner herhalten, denn ohne das Zauberwort „Marathon“ geht nichts. Selbst dem blutigen Anfänger in der „Event-Branche“ gelingt es, Kommunalpolitiker von der internationalen Beachtung zu überzeugen, die ein Marathon mit sich bringt. Nur, mit Marathon allein geht nichts mehr, da können sich die Sammler noch so ins Zeug legen. Es muss unterfüttert werden, mit immer kürzeren Minidistanzen und mit Fremdsportarten.

Wie viele Marathons verkraftet die Laufszene? Wann bricht der Krug auf dem Weg zum Brunnen? Nürnberg hat bereits das Handtuch geworfen. Dem großen Ruhr-Marathon droht, noch ohne Termin und Karstadt-Nachfolger, das Aus. Köln reagierte mit neuerlichem Terminwechsel und der Hinzunahme eines Halbmarathons auf die schwindende Resonanz. Noch übertrifft die Zahl der Premieren die der Aussteiger und von einem Ende des Booms ist so rasch nicht auszugehen. Ein paar rückläufige Meldedaten geben allenfalls Raum für Spekulationen. Vielleicht modische Schwankungen in Bezug auf die Streckenlänge oder das Terrain? Noch können sich Neuveranstalter Eskapaden leisten, ohne abgestraft zu werden. Noch steigt das Barometer und ein Tief ist außer Sicht. Also, auf ein Neues!

Und wenn die Nadel wirklich sinkt, dann muss dies eben richtig „interpretiert“ werden. Was mit dieser Wunderwaffe alles angestellt werden kann, zeigen die beliebten Hitlisten zum Jahreswechsel. Hut ab, kann man da nur sagen, wenn ein deutsches Laufmagazin gar nicht zögerlich den Wachau Marathon zum größten Marathon Österreichs erklärt. Die einen verfrachten das Schilthorn-Inferno von Lauterbrunnen nach Österreich und den anderen rutscht Wien auf Platz zwei. Richtig, alles Interpretation.

Walter Wagner

Editorial 10. November 2005

Jack Lemmon sagte: „Ein Erfolgsrezept gibt es nicht, aber eins für Misserfolg - versuche allen zu gefallen.“

Auch im Laufsport kann man es nie allen Recht machen. Deshalb ist eine klare Linie mit einer deutlichen Absage mehr, als ein Herumlamentieren, ein Eiertanz mit dem Versuch alle unter den Hut zu bekommen. Eine nationale oder gar regionale Meisterschaft, integriert in einen internationalen Stadtlauf gewinnt mehr Teilnehmer und somit auch an Gewicht. Doch die Medaille hat auch eine Schattenseite. Die Titelgewinner, die für gewöhnlich im Gesamteinlauf nicht ganz vorne liegen, spielen eine untergeordnete Rolle. Schwierig ist es mitunter zeitnah die Schnellsten höherer Altersklassen überhaupt auszumachen, Mannschaftsergebnisse bleiben lange im Bereich des Diffusen. Einspruchsfristen und Einsprüche müssen nach Vorschrift behandelt werden. „Auf dem Dorflauf geht es übersichtlicher zu und mir ist es lieber, wenn ich meine Kontrahentinnen immer im Auge habe“, wird mir ein Argument vorgetragen. Richtig, übersichtlich ist es geworden. Bei nicht wenigen regionalen Meisterschaften sogar einsam.

Dabei ist Kontrollverlust in Mode gekommen. Nicht mehr der Zieleinlauf zählt, nein die reine Laufzeit wurde nun auch beim Röntgenlauf als Wert der Platzierung herangezogen. Was in hinteren Rängen mitunter bei Großveranstaltungen dezent schon so gehandhabt wird, schien man in Remscheid auch den Erstplatzierten schuldig zu sein und stellte nicht die aufs Siegerpodest, die als Erste ins Ziel kamen. „Wir haben vorab darauf hingewiesen“, wehrte sich der Veranstalter mit Hinweis gegen Proteste. In der mehrseitigen Ausschreibung findet sich in Klammern (Nettozeitmessung). Nun ist der Röntgenlauf ein angemeldeter Volkslauf, bei dem eine Einhaltung des Regelwerks vorausgesetzt werden darf. Der in Klammern genannte Service war doch eher als Zusatzleistung zu verstehen. Doch der Veranstalter dieses Landschaftslaufs weiter: „Bei uns steht der Wettkampfcharakter nicht im Vordergrund. Der Spaß an der Teilnahme sollte an erster Stelle stehen.“ Jetzt kommt Butter zum Fisch. Warum in aller Welt braucht es dann eine aufwendige kostenintensive Zeiterfassung, wenn es doch gar kein Wettbewerb sein soll? Das Austreten aus dem DLV teilt der Vertreter der Organisation auch gleich mit, denn das wäre zu teuer und den Teilnehmern nicht mehr zuzumuten. Wie ein solcher Lauf aussieht, der den Verantwortlichen in Remscheid anscheinend vorschwebt, kann Rudolf Mahlburg vermitteln. Dessen Laufveranstaltungen sind unter dem Motto laufendhelfen.de auf der gleichnamigen Internetseite ausgeschrieben. Selbstverständlich steht dort der Spaß an erster Stelle und die Zeit nimmt sich jeder selbst – netto!

Dank Internet hat jeder Zugang zu beinahe unerschöpflichen Informationsquellen. Das Problem ist, den Gehalt an Wahrheit ausfindig zu machen. Es gibt so gut wie keine Einschränkungen, veröffentlichen kann im Internet jeder und beinahe alles. Eine Prüfung der Qualität findet nicht statt. Was einst Journalisten erledigten, bleibt nun Aufgabe des Lesers oder Betrachters. Man muss selbst herausfinden was stimmt und was unrichtig ist. Eine Tatsache, die es zunehmend zu beachten gilt. Die Grenzen sind fließend. Hersteller- und Veranstaltermitteilungen haben einen steil ansteigenden Anteil am Informationsfluss und sind als solche kaum mehr zu erkennen. Dagegen mag man wettern, aufhalten kann man diese Entwicklung nicht. Es liegt an jedem Einzelnen zu entscheiden, woher er Informationen bezieht und welche Mühe er aufwendet um die Wahrheit zu prüfen.

Ein Trost: Dass Wahrheiten ans Licht kommen, ist auch nicht selten dem Internet zu verdanken.

 
Walter Wagner interviewte für seine LaufReport Leser auch den leibhaftigen Teufel (Didi Senft). "Wenn es der Wahrheitsfindung dient!"

Walter Wagner

Editorial 30. März 2005

LaufReport.de ist Partnerseite von LaufTreff.de

Längst fällig war ein neues Editorial. Es fehlte nicht an Themen, allein an der Zeit. Dass mit dem Freiburg und dem München Marathon erstmals sehr große kommerzielle Laufveranstaltungen sich der Verbandsorganisation widersetzen und einen „schwarzen“ Lauf veranstalten, was dies für Auswirkungen zur Folge hat und die Reaktionen der Läufer sowie des Badischen Leichtathletikverbandes, wäre auch wiederholt eine Betrachtung wert gewesen. Welche Früchte der Gesundheitssport treibt, wie die gewaltige Kaufkraft des potentiellen Kundenkreises der global gesteuerten Branche Sport und Freizeit die Planer und Strategen schwindelig macht, die ungebremst nach Umsatz und Profiten streben, welche Unternehmen und Interessenverbände in Anbetracht der Marktchancen zusammen finden und angesichts der Dollarzeichen in den Augen eine Zusammengehörigkeit entdecken, auch in diesem Ressort wäre ein Bohren ergiebig.

Aber die eigene Sache ist mir doch mehr ans Herz gewachsen, weshalb ich dem Online-Magazin LaufReport einige Zeilen widme. Im 1. Quartal 2005 stieg das Leserinteresse um über 30 Prozent, verglichen mit den Besuchen des Zeitraums 2004. Als Ziel für 2005 hatte ich 600.000 Besuche gesetzt, was wir wohl locker übertreffen werden. LaufReport ist eine elektronisch dargebotene Laufzeitschrift, im Wesentlichen zusammengestellt aus Beiträgen des eigenen Teams. Unseren Lesern ein bequemes Navigieren in der Infoquelle Internet zu ermöglichen, haben ich nie als Aufgabe betrachtet, gab es diesen Service doch längst, noch dazu auf hohem technischen Standard, extrem aktuell und umfassend bei „Lauftreff.de“. Bestehende Angebote ergänzen, das war meine Prämisse. Kreativität war gefragt.

Sicher lag es auch an diesem erkennbaren Vorsatz, dass LaufReport sich vom Beginn an der Beratung und Unterstützung des Lauftreff.de-Machers Helge Schroeter-Janßen erfreute. Nun habe ich die Freude zu verkünden, dass unser Wirken in eine offen ausgesprochene Partnerschaft mündet, ohne dass die jeweiligen Internet-Aktivitäten dabei ihre Unabhängigkeit beschädigen. Den LaufReport-Lesern werden Links zur Partnerseite neue Möglichkeiten per Mausklick bescheren.

laufreport.de meets lauftreff.de

Ob bei der Laufsuche, die bei Lauftreff.de mit raffinierten Selektionen aus einer Datenbank mit über 4200 Veranstaltungen der Wahl die Qual nimmt, ob beim Ergebnisstudium - eindrucksvoll umfangreich und hochaktuell präsentiert - oder bei der Verfolgung tagesaktueller Pressemeldungen rund ums Laufen. Ziel ist es, LaufReport an den verlässlichen Informationspool Lauftreff.de auf breitem Band anzudocken.

An dieser Stelle sei noch deutlich darauf hingewiesen, dass Meinungen und Ansichten in einer Partnerschaft nicht übereinstimmen müssen. In jüngster Vergangenheit habe ich erfahren, dass Webseiten-Verantwortliche aufgefordert wurden, den Link zu LaufReport zu überdenken, oder schärfer formuliert, diesen zu entfernen. LaufReport lässt sich von Marktvorgaben nicht kastrieren und auch in Zukunft werde ich vor unbequemen Stellungnahmen nicht kneifen. Standpunkte werden nicht selten schon innerhalb des LaufReport-Teams kontrovers diskutiert und ein Konsens ist nicht immer zu erzielen. Meinungsvielfalt ist erwünscht und wird dank Diskussionsfähigkeit oft lohnend. Der Partner lässt sich nicht, und wir wollen ihm auch nicht, unseren Redaktionsalltag aufbürden. Ich bitte dies bei kritischen Beiträgen zu bedenken und sich der nicht übergreifenden Verantwortung bewusst zu sein.

LaufReport kommt die Partnerschaft sehr gelegen, stärkt sie doch das eigene Vorhaben just in dem Moment, wo Laufen im Internet in Bewegung geraten ist. Selbstverständlich bedarf es keines Bestandsschutzes, aber wenn Bewährtes immer noch einmal und noch einmal nur neu verpackt angeboten wird, dann fragt man sich schon, ob man den Ideenlosen den Rat erteilen sollte, dies wenigstens mit Fleiß zu kaschieren, an dem es oft zusätzlich mangelt. Mit unseren konträren Arbeitsweisen, LaufReport bis morgens um fünf Uhr und Lauftreff.de ab morgens um fünf, erreichen wir im Partnerprogramm einen sich überschneidenden 24 h Service in einer 7-Tagewoche. Für LaufReport will ich an dieser Stelle ausdrücklich mal wieder den Mitwirkenden danken, die unermüdlich für die vielen exklusiven Beiträge sorgen.

Walter Wagner

Editorial 5. Januar 2005

Zeitgeschmäcke und Gepflogenheiten

Am 27. November 2004 starb Gunder Hägg. Nie von gehört? Der 1918 geborene Schwede stellte zwischen 1940 und 1945 allein 15 Weltrekorde auf und lief schon damals die 5.000 m unter 14 Minuten. Der Bauernsohn sah im Laufsport auch eine Chance für ein besseres Leben, was ihm letztendlich zum Verhängnis wurde. 1946 wurde er wegen Verstoßes gegen die Amateurstatuten lebenslang gesperrt, er hatte auf einer Wettkampfreise durch die USA Geld angenommen.

„Es ist wie es ist und bleibt nicht so!“ Eine Volksweisheit, die man besser immer mit in die Waagschale wirft. Vorschriften von einst, betrachten wir heute misstrauisch, mit dem Wissen um deren Wurzeln. So waren die Amateurregeln ursprünglich deshalb eingeführt worden, um genau solche körperlich der gehobenen Klasse überlegene Holzhackertypen wie Wunder-Gunder vom Sport fernzuhalten. Sauberen Sport sollte es geben. Ein Argument, das im Zeitalter von Kommerz im Sport, der Lug und Trug Tür und Tor weit geöffnet hat, durchaus noch seinen Reiz hat und für verschiedenste Einflussnahmen herhalten muss. Längst haben sich die Verbände mit den Professionellen arrangiert. Unstimmigkeiten gibt es vielleicht noch in der Feinabstimmung der Geldflüsse. Ein Thema, von dem auch Veranstalter ihr Liedchen trällern, denn noch wird am Eisen „Verbandsabgaben“ geschmiedet, wenn auch eine Art Burgfrieden signalisiert wurde.

Zufriedenheit signalisieren Lauf-Organisatoren, wenn sie sich am gewünschten Platz oder überhaupt in den allseits beliebten Hitlisten zum Jahreswechsel in den Fachgazetten wieder finden. In Fachkreisen gelten diese Top-x-Listen aber als obsolet. Stadtmarathons und viele weitere Großveranstaltungen bieten im Allgemeinen einen sehr hohen Standard. Für das Ranking auf den vorderen Plätzen gewinnen deshalb marginale Gesichtspunkte zu viel an Gewicht. Entscheidend werden damit sehr persönliche Vorlieben des Statistikers. Geht das Ganze über die Top-Events hinaus, wird es richtig nebulös, denn es stehen nicht nur die rund 3.500 angemeldeten Volksläufe zur Wahl. Wer gelistet wird oder eben nicht gibt die Liste wieder, das Warum jedoch nicht. Mögen sich die Genannten freuen, so mancher Unbedachte fühlt sich betrogen.

Qualität ist unbeschadet durch die Rechtschreibreform gerutscht. Eigentlich sollten wir sie klein schreiben, denn wer fragt schon noch danach. Im Internet zählen nur Klicks, aber auch in anderen Bereichen löst man mit dem Hinweis auf Qualität nur Achselzucken aus.

 

Ob ein Reporter vor Ort war und eine ausführliche Arbeit präsentiert oder ob ein paar Zeilen kalt (also aus der Ferne etwa nach einem Telefonat) verfasst wurden, mit einem Archiv-Foto kredenzt, oder einfach gleich die Pressemitteilung übernommen wurde, ist für den Anzeigenkunden ohne Belang. Ein paar Leser mag dies stören, was zählt ist sowieso, wie oft die eingewebte Werbung gezogen wird. Doch der mit den Beiträgen ohne Tiefe ausgelöste Abstumpfungsprozess trägt seltsame Früchte. Nicht selten wirft man uns unsere Ausführlichkeit vor, verlangt nach kürzeren Beiträgen. „Ich hatte den Text erst beim zweiten Mal lesen verstanden“, ist eine andere, gerade erhaltene Kritik, die ich dem Autor ersparte und nicht weiterleitete. Nun sind wir ein Freizeitmagazin und wollen das Niveau nicht überbewerten, aber so manche Zuschrift reißt mich dann doch vom Hocker.

Beim Lichtwiesen Cross Darmstadt: Katharina Heinig gibt Auskunft, exklusiv für die LAUFREPORT Leser. Foto: Katrin Dörre-Heinig

Nachdem eine LAUFREPORTerin über ihre Begegnung mit dem Fernsehspektakel „von-Null-auf-42“ schrieb, nahm ich allerdings vorüber gehend gar nicht mehr Platz. Was da für verbalisierter Dreck angeflogen kam, war eindrucksvoll. An eine fruchtbare Auseinandersetzung nicht zu denken. Ähnlich verhärtete Fronten gab es auch vor wenigen Jahren, als man sich für oder gegen Dieter Baumann zu entscheiden hatte, wenn man nicht aus beiden Lagern Prügel beziehen wollte. Dabei erfordert auch die „Neue Welle“ des Laufens keinen Schwarz-Weiß-Blick. Just als man von Lauftreffs vermehrt Klagen hörte, dass das Klientel zum Walking abwandere, fand das SWF-Angebot einen überwältigenden Zuspruch. Das sollte nachdenklich machen. Für die althergebrachten Laufschulen, ob vereinsgebunden oder frei, ist es an der Zeit, ihre Attraktivität zu erhöhen. Wo man ansetzten sollte, ist leicht zu ermitteln. Beim nächsten Treffen mit „von-Null-auf-42“ nicht hinüber giften, sondern fragen. Freuen wir uns über den Zuwachs und lernen wir voneinander. Und nach Mainz sollten sich die Gelbjacken in den Mitgliederlisten der Laufvereine finden lassen. - Genau, Zeiten ändern sich und kein Schaden ohne Nutzen!

Walter Wagner

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