Editorial 14. November 2008

Risikomanagement gefordert?

Nun kam die Staatsanwaltschaft München II nach Prüfung der Vorfälle beim Zugspitz-Extremberglauf wohl zu dem Schluss, der Veranstalter habe sich der zweifachen fahrlässigen Tötung sowie fahrlässiger Körperverletzung in neun Fällen schuldig gemacht. Eine Geldstrafe ist angedacht. Peter Krinninger gälte, sollte es zu einer Verurteilung kommen, nicht als vorbestraft. Ob er den Lauf dann wieder veranstalten kann und wird, ist eher unwahrscheinlich. Allein die Unterstützung der Sponsoren dürfte kaum mehr zu bekommen sein. Doch das ist ein regionales Problem. Die ganze Veranstalterszene beträfe das Urteil, bliebe es bei der Begründung, der Veranstalter habe den Lauf gestartet, obwohl eine ganze Reihe von Teilnehmern unzureichend ausgerüstet gewesen seien. Dass die Staatsanwaltschaft den Umstand erwähnt, schlechte Wetterbedingungen seien im Vorfeld bekannt gewesen und die aufkommende gefährliche Situation hätte zum sofortigen Rennabbruch bzw. Verlegung des Ziels nach Sonnalpin führen müssen, relativiert nicht gleichzeitig die auferlegte Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Ausrüstung.

 

Kommt es zu einer Verurteilung mit dieser Begründung, können sich Veranstalter zukünftig nicht mehr auf einen Gefahrenhinweis beschränken. Die Forderung wäre dann klar vorgegeben, jeden einzelnen Teilnehmer vor dem Start zu überprüfen und im Zweifel von der Teilnahme auszuschließen. Nun gibt es Veranstaltungen, wo dies längst so gehandhabt wird. Doch schaut man genauer hin, fehlt es mitunter doch an der Genauigkeit das Reglement durchzusetzen. Auch gibt es Teilnehmer, die nach erfolgter Prüfung "umrüsten". Nun gut, der Veranstalter wäre wohl dennoch aus dem Schneider. Leichtsinn und Selbstüberschätzung sind Lebensalltag, man erlebt dies tagtäglich auf den Autostraßen. Auch im Sport und in der Freizeit passieren dadurch zahlreiche Unfälle, nicht selten mit tödlichem Ausgang.

Sport im Gelände ist mit Gefahr verbunden. Mal kracht ein Ast vom Baum, mal schlägt ein Blitz ein. Manches Risiko nimmt man gar bewusst auf sich. Selbstverständlich nicht mit der Absicht Opfer zu werden, gar das Leben zu verlieren, sondern im Glauben, es wird schon gut gehen. Ein Beispiel ist die Laufteilnahme im alpinen Hochgebirge. Das gute Gefühl am Gipfel, ich habe es geschafft, ist Beleg eine Herausforderung bestanden zu haben. Dass dies in den Alpen auch mit ernsten Gefahren für Leib und Leben einhergehen kann, war meines Wissens bisher allgemein bekannt. Die Notfallstatistiken der Alpenregionen sprechen davon Bände. Wanderer sind dabei zahlenmäßig an der Spitze, eine sich vom Berglauf kaum unterscheidende Aktivität. Blockaden aufgrund von Wetterumschlag sind ebenfalls alles andere als eine Seltenheit.

Wie immer das Gericht entscheiden wird, aus meiner Sicht bleibt der einzelne Teilnehmer gefordert, sich ein Maß an Vernunft aufzuerlegen. In der Alpenregion heißt dies, sich über die Wetterprognose genau zu informieren und darüber hinaus für Unvorhergesehenes gewappnet zu sein. Das Wetter beim Zugspitz Extrem-Berglauf war im Übrigen genauso vorhergesagt, wie es kam. Von der Selbstverantwortung darf uns die Justiz nicht befreien. Mir ist unwohl bei dem Gedanken, dass ein Unbekannter, nur weil er einen Lauf ausrichtet, die Verantwortung meiner Bergbegehung tragen soll. Mir ist auch unwohl bei dem Gedanken, dass er mir vorschreibt, wie ich mich auszurüsten und zu verhalten habe. Ein deutlicher Hinweis auf Gefahren, damit habe ich kein Problem, aber ein von mir kalkuliertes Risiko einzugehen, dass darf es doch hoffentlich auch in Zukunft sein.

So doll ist die Lauferei ja nun nicht, dass man Laufschulen mit Abschlussdiplom einführen müsste oder staatlich geprüfte Kontrolleure am Eingang zum Startblock aufstellt. Wie immer der Fall Zugspitz Extremberglauf am Ende ausgehen wird, die Juristen sollten ihr Urteil sehr präzise begründen, um auszuschließen, dass nicht Tausende von Laufveranstaltungen sich mit einem unkalkulierbaren Risiko konfrontiert sehen. Das auf sich zu nehmen, sind sicher nur Läuferinnen und Läufer bereit.

Walter Wagner

Editorial 10. Juli 2008

Wenn wir alle schlagen, können wir es schaffen !

Abraham Lincoln erkannte, man kann die ganze Menschheit für eine begrenzte Zeit hinters Licht führen, man kann einen Teil der Menschheit sogar immer hinters Licht führen, man kann aber nie die ganze Menschheit über die ganze Zeit täuschen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Lässt man das von den Medien errichtete Luftschloss Fußball-Europameisterschaft nochmals durch die Gehirnwindungen streifen, kann man den Eindruck gewinnen, Abraham Lincoln würde sich heutzutage wohl vorsichtiger ausdrücken. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten mussten für ihre Berichterstattung auch einiges an Kritik einstecken. Doch Fußball-Fans werden gern glauben, dass ganz Europa drei Wochen den Atem anhielt und jeden Ballwechsel vor der Mattscheibe verfolgte.

 

Ins Visier geraten immer mehr die Moderatoren und Reporter, die zum willfährigen Handlanger werden und ein Spektakel medienwirksam aufbauschen. Mag man das bei König Fußball durchgehen lassen, wird es bei einer Randsportart wie Triathlon geradezu peinlich. Aussagen der Fernsehkommentatoren wie „klingeln sie bei ihrem Nachbarn, sorgen sie dafür, dass er mitbekommt was gerade in Frankfurt passiert“ oder „Triathleten sind intelligent, die dopen nicht, die sind sauber“ sind eine Zumutung für alle, die neben Muskeltraining auch etwas für funktionierende Gehirnzellen investiert hatten. Im Videotext zog die ARD der Meldung zum Triathlon zehn andere Sportarten vor. Mag man mit der IRONMAN Europameisterschaft Wasserball und Basketball vielleicht demnächst verdrängen, an den Spitzenreitern Radsport, Tennis, Formel 1 und Fußball ist kein Vorbeikommen und selbst die gute alte Leichtathletik wurde von der Redaktion vorgezogen, obwohl dort nur nationale Titel vergeben wurden.

Sport als schönste Nebensache der Welt soll unterhalten, aber auf welchem Niveau? Mich stört überzogene Ernsthaftigkeit und die auf die eigene Nation und deren Erfolg beschränkte Betrachtung. Der Sportjournalismus ist auf dem Prüfstand, einige Hüte mussten schon genommen werden. Der Trend zum mitveranstaltenden und mitverdienenden arglosen Medienpartner ist in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Dabei muss man sich wundern, welch seltsame Blüten die Gegenwart der Medien hervorbringt. So denkt sich ein angesehener Veranstalter nichts dabei, in seinen Verträgen, die er mit Profis abschließt, einen Maulkorberlass abzuverlangen. Negatives zum Event geäußert, wird zum Vertragsbruch. Oder denkt er sich doch etwas dabei, denn es gibt auch eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit über die Vertragsinhalte.

Aber genug, ein Fußballturnier ist keine Völkerschlacht und Sportveranstalter sind keine Moralapostel. Zudem ist Laufsport unser Revier und Dreckecken haben wir hier genug. Aktuell der Fall einer des Dopings überführten Läuferin, die von ihrem Landesverband nicht gesperrt wird und beim Faakerseelauf für Empörung sorgte, als sie dort an den Start ging und gewann (LaufReport berichtete). Schon wieder zurück auf dem Parkett ist auch unsere Liechtensteinerin Kerstin Metzler-Mennenga, deren ... na nennen wir es mal olympisches Schummeln ... im letzten Jahr für Furore sorgte, als sie beim Berlin Marathon ihren Champion-Chip einem Läufer mitgab, um die Olympianorm für Zwergstaaten zu erschwindeln. Der unfreiwillig Benutzte verschaffte ihr nebenbei auch einen Landesrekord, ließ die Sache aber auffliegen. Am letzten Wochenende siegte Metzler-Mennenga beim 2/3-Marathon in Oberstaufen, also unweit ihrer Heimat, wo von einer lebenslangen Sperre die Rede war.

Einer Mitteilung des OK Bieler Lauftage entnehme ich, Paul Vögeli ist disqualifiziert. Schon bei der Siegerehrung wurde ich aufmerksam gemacht, der Achtplatzierte, ein M55er, sei ein Betrüger. Nun hat der Aufwand, den Nachweis zu erbringen, also Erfolg gehabt, eine Liste hat ihren Frieden gefunden. Der Veranstalter hat keinen Aufwand gescheut, die Ergebniskorrektur bekannt zu machen. Das Bemühen um einen ordentlichen Betrieb ist enorm kräftezehrend. Stehen Betrüger dann nur kurze Zeit später bereits wieder auf Siegerpodesten herum, muss man die Rolle der Veranstalter hinterfragen. Gleichgültigkeit ist noch das geringste Übel. Verbände interessieren sich für solcherlei Vorkommnisse nicht. Mit der gebührenpflichtigen Erteilung der Genehmigung zur Durchführung eines Volkslaufs wird nicht gleichzeitig die Einhaltung von Wettkampfbestimmungen abverlangt. Wie anders erklärt sich sonst, dass selbst gegen die simple Regel, nicht nach Nettozeiten, sondern nach der Einlauffolge die Plätze zu vergeben, verstoßen wird?

Interessen gibt es diverse. Der Leichtathletik-Verband vertritt seine, und auch Veranstalter sind organisiert und verfolgen ihre Ziele mal mehr, mal weniger gemeinsam. Durchaus auch vorteilhaft kann dies für Aktive sein, eine Interessenvertretung für Sportler ist das aber nicht. Dennoch, sagt ein Marathon-Veranstalter - wie im Frühjahr geschehen - bereits zwei Monate vor dem Termin wegen höherer Gewalt den Lauf ab und behält bereits vereinnahmte Startgebühren ein, dann ist dies einfach nicht akzeptabel. Egal was im Kleingedruckten der Anmeldung stand. Auch Veranstaltungen mit größeren Qualitätsmängeln oder auffallend schlechter Zahlungsmoral sollten sich Interessensverbände zur Brust nehmen, statt sie hinter ihrem breiten Rücken zu schützen.

Walter Wagner

Editorial 16. März 2008

Stellen wir uns mal ganz dumm ....

Eine Palette von Themen drängt sich auf, wenn die Gedankenwelt sich für ein Editorial ordnet. Es sind wieder einmal Zahlen und Rankings, die es schaffen, von mir aufgegriffen zu werden. Sie werden aber auch immer häufiger serviert. Dabei ist an Zahlen zunächst nichts Verwerfliches. Ja manche hätte ich selbst bekannt machen müssen, aber dazu ist es jetzt beinahe zu spät. Am 26. September 2007 jährte sich die Mitwirkung von Dr. med. Rudolf Ziegler an LaufReport zum fünften Mal und am 13. Oktober 2007 hatte Werner Sonntag fünf Jahre in sein Tagebuch bei LaufReport eingetragen. Ich weiß, fast müsste ich das ganze Team nennen, denn was LaufReporterinnen und LaufReporter in den Jahren geleistet haben, ist immer eine Danksagung wert. Dankbar bin ich aber auch jenen, die sich wagten, erst kürzlich ihre Dienste anzubieten.

 
Der Laufrummel wird hautnah beobachtet: Walter Wagner (388) - Foto: Ronald Vetter

Erwähnt werden muss aber vom alten Stamm Johann Till, den ich bereits zum LaufReport Start im Februar 2002 ins Boot holen konnte. Unsere journalistische Zusammenarbeit in Sachen Laufsport begann gar vor nunmehr 20 Jahren bei LAUFmit, einem regional ausgerichteten Printmagazin, was wir hoffentlich noch gebührend feiern werden.

Betrachten wollte ich aber nicht das eigene Haus, nein, es geht ums Ganze. 40 Millionen Deutsche treiben Sport. Wieder einmal wird eine Zahl auf den Markt geworfen. Herkunft der zitierten Ermittlung, und daraus evtl. ableitbar die Qualität der Zahl, bleibt ein wenig diffus. Vielleicht macht sich die Sportbranche mit großen Zahlen Mut, die man sich gern gegenseitig bestätigt. Dr. med. R. Ziegler schrumpfte diese Zahl in der neuen Ausgabe „Puls aktiv“ auf 17 Millionen, denn wenigstens gesundheitsrelevant sollte die sportliche Aktivität sein um zu zählen. Veröffentlicht wurde im Dezember 2007 die immense Zahl von 19 Millionen Bundesbürgern, die laufen würden. Daraus resultiere ein Anstieg von 41,5 Prozent seit 1998, hieß es weiter. Auf 5,1 Millionen, und damit auf mehr als Doppelte gestiegen, sei die Zahl der ambitionierten, regelmäßigen Läufer, die das Laufen als ihre sportliche Paradedisziplin angegeben hätten.

Ich weiß, es ist anstrengend, aber bleiben wir noch eine Runde am Ball. Der DLV ermittelt eine Zahl von unter 2 Millionen Volkslaufteilnahmen im Jahr. Unterstellen wir, es würde im Schnitt pro Läufer zwei Läufe im Jahr absolviert, dann kämen wir nicht einmal mehr auf 1 Million. Aber es gibt Läuferinnen und Läufer mit 50 und mehr Starts im Jahr, wenn auch viele nur einmalig bei ihrem Dorflauf mitjoggen. Die Teilnehmer an deutschen Marathons werden 2007 mit unter 140.000 angegeben. Ich will auch hier einfach annehmen, dass der darin enthaltene Ausländeranteil bei unseren Marathons durch Deutsche ausgeglichen wird, die nur im Ausland gestartet sind, und dass Mehrfachteilnehmer die Zahl der Marathonläufer nicht unter 100.000 drücken.

Das Ergebnis vermittelt einen kräftigen Hauch Realität: An Marathons nimmt nur ca. ein halbes Prozent der laufaktiven Bundesbürger teil und selbst vom angeblich ambitionierten Teil sind es nur rund 2 Prozent. Dieser Anteil verschlechtert sich noch dadurch, dass viele aus dem großen Bereich nur gelegentlich Aktiver zur Teilnahme an einem Marathon bewegt werden. Unter diesen heldenhaften Zeitgenossen, die sich ohne ausreichende Grundlage eines langfristigen Ausdauertrainings am Start eines Marathons aufstellen, sind nicht wenige, die dies im Glauben tun, sie befänden sich unter gleichen. Doch halt, so wollten die Werbestrategen doch ihre Zahlen gar nicht verstanden wissen.

Aber werfen wir noch einen Blick auf Rankings. Hier vereinbaren sich gleich mehrere Vorzüge. Die Vorderstplatzierten sind nicht nur im Ranking Gewinner, sie können ihren Sieg oder Spitzenplatz obendrein werblich nutzen. Da entsteht Sympathie und Dankbarkeit, was den Weg zu einem Insertionsauftrag beim Ranking-Macher ebnet. Auf jeden Fall wird gern Wirbel um das Ranking gemacht, bei dem man gut abgeschnitten hat und dabei die Quelle hervorgehoben. Eine Hand wäscht die andere!

Nachdem die alteingesessenen Laufmedienmacher die geniale Idee der Marathon-Publikumsumfrage von einem cleveren Neuzugänger vorgeführt bekamen, ist deren Mühe um einen ähnlichen Selbstläufer mit immenser Eigenwerbung groß. Nach einer Phase anscheinend wenig fruchtbarer Bedenkzeit beginnen jetzt Rankings aus dem Nichts zu sprießen und hinken doch etwas gekünstelt und ideenarm daher:

Nach eigenen Angaben wurden beim Städteranking die Daten von 30.000 Läuferinnen und Läufern berücksichtigt. Eine enorme Zahl, mit der „der Neue“ gleich bisherige Mitmachangebote um mehr als das Doppelte überflügelte. Da kann man nur gratulieren. Und es war erst der Anfang, denn Alle sind nun aufgerufen „jogmapper“ zu werden und zu helfen, ihre Stadt nach vorne zu bringen. Das ist leicht machbar, und es wird Städte geben, die hier eine Chance sehen, auch einmal einen virtuellen Lorbeerkranz zu gewinnen. 222,4 Kilometer lief der durchschnittliche „jogmapper“ aus Karlsruhe – im Jahr, nicht in der Woche. 18,5 Kilometer lief man in der „Meisterstadt“ im Monat, macht 4,3 Kilometer die Woche und am Tag entsprechend 614 Meter. Wohlgemerkt, Karlruhe wurde damit Sieger. In Stuttgart, Rang 23, ergibt sich der Tageswert von 391,78 Meter. Bleibt meine Hoffnung, dass sich nicht alle „jogmapper“ demnächst an einen Marathonstart wagen.

Okay, man wird mich wieder zum Spielverderber abstempeln und mir Neid vorwerfen, wegen der 40.000 User, die sich dort tummeln sollen. Ein großer Sportartikel-Hersteller gibt weltweit eine halbe Million User seiner Internetwelt an. Dabei ist der virtuelle Raum erst im Aufbau. Gut, da sind nicht nur Läufer. Aber wer ist denn Läufer – laufen nicht alle zwischen Krabbelphase und Siechtum?

Zum Mitmachen animieren, soziale Netzwerke schaffen, Kräfte bündeln. Die Strategie der Werbebranche scheint aufzugehen. Warum auch nicht. Mobiltelefon, GPS-Messgerät, MP3-Player, Pulsmesser und Laufschuh und Tragegürtel sind längst verknüpft, wieso sollte man darauf verzichten, der Läuferschaft ein Auto, ein Haus und weitere Anschaffungen in der vertrauten „Sozialstation“ zu verkaufen. Die Globalplayer bereiten das gerade vor und ihre Zielgruppe kann es kaum erwarten. Ein Generationenwechsel? Hier die Altmodischen, die sich gegen Überwachung wehren und um den Schutz eines Rests von Privatsphäre kämpfen. Dort die Modernen, denen gläsern nicht reicht, die obendrein selbst aktiv werden, damit ihr Handeln öffentlich wird.

Beim Spaß kann einem der Humor vergehen. Deshalb noch eine Meldung aus dem Titelthema „Öffentlichkeitsarbeit“ des Wirtschaftsmagazins der IHK Darmstadt (IHK-Report Südhessen, Ausgabe März 2008) zum Schluss: Wussten Sie schon, dass die US-Pharmaindustrie fast doppelt so viel Geld für Marketing-Kommunikation ausgibt als für Forschung und Entwicklung? – Schwamm drüber, alles wird gut!

Walter Wagner

Editorial 22. Dezember 2007

Die ich rief, die Geister, Werd´ ich nun nicht los

„Würden für Zeitungen Qualitätsmerkmale wie für Autos gelten, es gäbe täglich Rückrufaktionen“, so heißt es in der Einladung zum Landesmedientag. Nicht einmal die Zahl der bei Laufveranstaltungen vom Tod ereilter Teilnehmer konnten Journalisten ermitteln. Billiger war das viel Interesse auf sich ziehende Thema mit Mutmaßungen abzuhandeln. Dass man den Marathon-Toten statistisch ausgebliebene Verkehrstote gutschreiben kann, die sie mehr als ausgleichen, darauf muss man erst einmal kommen. Immerhin hat der amerikanische Kollege eine Menge Daten gesammelt und viel gerechnet.

Also, alles im Lot? Fakt ist, Marathonveranstalter wünschen sich endlich eine längere und bessere Vorbereitung ihrer Teilnehmer. Über Jahre hielt die Mehrheit von ihnen still, ließ Mahner allein im Regen stehen, die gegen Schnellprogramme wetterten, die Hochgefühle von meist kurzer Dauer und auch so manches Leid hervorbrachten. Während des Laufs tot zusammengebrochene Teilnehmer, Rettungseinsätze mit spektakulären Reanimationsmaßnahmen, nie thematisierte bleibende Schäden, das alles hat nun auch Veranstalter wachgerüttelt. Für einen bloßen Appell an die Vernunft schien es zu spät und mit Eigenverantwortung gibt man sich in Deutschland ungern zufrieden. Handeln war angesagt. Einen Fragebogen gilt es nun auszufüllen und ein medizinischer Check wird abverlangt. Keine Garantie, schadlos eine Laufteilnahme zu überstehen, das sollte gesagt werden. Bei den Unglücksfällen waren angeblich auch „Gecheckte“ unter den Betroffenen.

Dass es auch gestandene Läufer erwischen kann, habe ich 2007 mehrmals erlebt. Ein Kreislaufzusammenbruch im Marathon-Ziel hat sich schnell. Dennoch stellt sich die Frage, ob Veranstalter gut beraten waren über Appelle hinaus zu gehen. Immerhin wandern Millionen im Hochgebirge, oft gänzlich untrainiert. Auch hier lauert der Tod. Doch keiner käme auf die Idee, von Wanderfreunden verpflichtende Erklärungen abzuverlangen. Was an der Neuerung im Laufsport aufstößt, ist die Absprache von Eigenverantwortlichkeit. Aber Wettkampfsport und Marathon ist eben kein Pappenstiel. Überredet man Ungeeignete zur Teilnahme, dann bedarf es einiger Schutzmechanismen.

Veranstalter sollten weiterhin verstärkt aufklären. Sie sollten an fachlich kompetente Stellen weitervermitteln können, etwa bei medizinischen Fragen oder im Zusammenhang mit dem Training. Sie sollten auch in Zukunft Seminare im Vorfeld organisieren bei denen immer wieder Fitness, Gesundheit, Training, Ernährung u.ä. thematisiert werden. Doch schon hier zeigt sich die einschneidende Begrenzung des Machbaren. Die wenigen fachkundigen und namhaften Referenten decken nicht den Bedarf. Aufgestockt wird mit „Laien-Predigern“ der Kategorie „Laufpapst“, schelmisch auch als „Laufphysten“ bezeichnet, deren Lehren nicht immer der Weisheit letzter Schluss sind.

Veranstalter haben häufig allein mit dem Ablauf des Rennens ihre liebe Müh´ und Not. Die Wettkampfbestimmungen einzuhalten ist ein schwieriges Unterfangen, besonders wenn bei Stadtmarathons ein Heer Teilnehmer erstmals Wettkampfluft schnuppert. Leichter macht es die zunehmende Zahl von Betrügern den Veranstaltern auch nicht. Rechte und Pflichten müssen für Veranstalter, als auch für Teilnehmer klar geregelt und die juristischen Spielregeln bekannt sein. Was passiert, wenn der Teilnehmer bewusst falsch bestätigt, er gehe gesund und ausreichend trainiert an den Start und hätte sich gerade einem Gesundheits-Check unterzogen, wenn er zum Notfall wird? Wie hoch ist der Anteil der Teilnehmer, die das Kleingedruckte in einer Ausschreibung lesen, bevor sie die geforderten Angaben und Unterschriften leisten?

Stellen sich Veranstalter Rechtsfragen, fehlt es ihnen häufig an Antworten: Darf ich überhaupt jemanden von einer Teilnahme ausschließen? Falls ja, wann genau? Wann kann man mir Fahrlässigkeit unterstellen, gerade im Hinblick auf medizinische Notfälle, und wann muss ich haften? Was, wenn ein vom Streckenposten versehentlich Fehlgeleiteter zu Schaden kommt? - Bei allem einsetzenden Aktionismus sollten Veranstalter das von ihnen Leistbare nicht aus den Augen verlieren. Was man in Berlin leicht bewerkstelligen kann, ist in einer kleineren Stadt mitunter gar nicht zu schaffen. Der Punkt Gesundheitsvorsorge wird zum Wettbewerbsvorteil bis hin zu Veranstaltern, die das Handtuch werfen, weil sie Anforderungen nicht mehr erfüllen können.

 

Nochmals: Eine gesicherte Erfassung von Todesfällen bei Laufveranstaltungen gibt es nicht. Richtig diffus wird es, fragt man nach den Ursachen und auffälligen Übereinstimmungen. Neun Tote bei Marathons in Deutschland geisterten 2007 durch die Presse. Letztlich eine überschaubare Zahl, die aber nie verifiziert wurde. Der Dramaturgie zuliebe begann man schon beim Silvesterlauf zu zählen, nahm den Begriff Marathon für alle Distanzen und weitete Deutschland gern auch mal in Anrainerländer und darüber hinaus aus.

LaufReport mit Klaus Banka (Schwarzwald-Marathon) und Fried-Jügen Bachl (Karlsruhe Baden-Marathon) im Gespräch

Die Presse räumte ein, die Zahl sei nicht gesichert, es könnten auch mehr sein, und – die Zahl läge aber auch nicht über der von Vorjahren. Alle Achtung, man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen: Da werden zwei unbekannte Größen zueinander ins Verhältnis gestellt und heraus kommt ein Ergebnis. Bleibt zu hoffen, dass unsere Ärzte nicht ganz so von der Rolle sind, als so mancher Journalist. Was heißt das nun aber statistisch, nehmen wir einfach mal 10 Tote an. 1,8 Millionen Teilnahmen bei genehmigten Volksläufen nennt aktuell der DLV. Daraus ergäbe sich, dass jede 180.000ste Teilnahme nicht überlebt wurde, oder dass damit gerechnet werden muss, dass alle fünf bis sechs Jahre der Berliner Marathon einen verstorbenen Teilnehmer zu beklagen hat.

Ein Problem bleibt die Fehlleitung auf den Marathon als „Königsdistanz“. Zumal wenn die Entscheidung nicht vom Läufer selbst kommt, sondern von außen herangetragen wird - von Bekannten, Trainingspartnern, im Verein überredet oder eben von den Medien. Das Gefahrenpotential ist bei Späteinsteigern höher. In der Kindheit schon wenig in Bewegung, später nie Sport gemacht. Da fehlt das Körpergefühl. Keine Wahrnehmung, kein Warnsignal, aber Ehrgeiz ohne Ende. Aber Schluss damit. Sollten wir in einem Jahr hier davon berichten können, dass es keine Todesfälle mehr gegeben hat, dann ist mir das mehr als recht, auch mit den neuen Maßnahmen. Und nochmals zur Klarstellung, gestorben wird auch bei Läufen mit kurzen Distanzen.

2007 war ein Laufjahr des Sportbetrugs. Nein, nicht Doping, andere Betrügereien sind gemeint. Mal mehr, mal weniger raffiniert inszeniert. „Peking, ich komme“, das freilich war die Spitzennummer aus dem Kleinstaat Liechtenstein, die alle anderen Fälle in den Schatten stellte. Fair geht vor, dieses Motto ist von gestern. Clever, urteilten manche und zogen den Hut vor besonders ideenreichem Betrug. Denen da vorne mal eins auswischen. Ist es das, was Sympathien weckt? Selbst Sportler aus dem Nationalteam berichten von Vorfällen in Rennen, wo sie beim Überrunden behindert und zu einer langsameren Gangart aufgefordert wurden. Laufen ist eben mehr als Wettkampfsport.

Der „Zauberlehrling“ Veranstalter ruft alle auf der Hatz nach Teilnehmern, da kommen eben auch Schwarze Schafe. Betrügereien überschatteten das Laufjahr 2007 und man hat den Eindruck, im Betrügen findet so mancher die sportliche Herausforderung. Zu diesem Ärgernis könnte 2008 ein neues hinzu kommen. Der Widerruf der Zustimmung zur Datenspeicherung und Verwendung. Der Antrag liegt vor und bekommt der Antragsteller recht, muss sein Name geschwärzt werden. Es geht auch um ältere Ergebnislisten. Wohlgemerkt, der Name soll geschwärzt, nicht die Leistung aus der Liste gestrichen werden. Ein Widerruf solcher Zustimmungen ist laut Datenschutzgesetz angeblich nicht generell ausgeschlossen. Es könnte also besonders spaßig werden 2008, sowohl das nachträgliche Schwärzen, als auch die lustigen Listen mit vielen schwarzen Balken im Internet.

Mal sehen, hatte ich mir da nicht ein paar absolut undiskutable Leistungen, nennen wir es mal Ausrutscher, in den vielen Wettkampfjahren geleistet. Ich werde meine schon mal zusammenstellen. Geschwärzt kommen die besser...

Walter Wagner

Editorial 17. Oktober 2007

Sollen Zeiterfassung und die Rangliste abgeschafft werden?

Man kann alle eine Zeit lang hinter das Licht führen. Einige lassen sich auch zeitlebens beschwindeln. Aber man kann nie alle Menschen über eine unbegrenzte Dauer täuschen. Was Abraham Lincoln schon wusste, bewahrheitet sich derzeit auch mal wieder beim Laufen. Doch was bei den Meisten Unverständnis bis hin zu Empörung auslöst, findet jetzt gar Bewunderer. Dabei sind die neuesten Betrugsfälle unterschiedlich gewichtet. Handelt es sich beim in Köln endlich disqualifizierten Altersklassensieger Roland Brandenburger vielleicht auch um einen Fall von Debilität, war das Auftreten des mexikanischen Spitzenpolitikers in Berlin eher eine Frage des guten Geschmacks und voller Peinlichkeit. In beiden Fällen waren es in erster Linie die Alterskollegen, die den Schaden hatten und zunächst um ihren Sieg geprellt wurden.

Roland Brandenburger konnte, da er nicht im Besitz eines Startpasses ist, de facto nie einen Rekord aufstellen. Für den Deutschen Leichtathletik-Verband ist der Herr quasi gar nicht existent. Solche Kandidaten haben von daher Narrenfreiheit und obliegen dem individuellen Verhalten eines jeden Veranstalters. Eine kriminelle Energie mit dem Ziel, die Beweiskette möglichst zu schließen, die Zweifel an seiner außergewöhnlichen „Leistungsfähigkeit“ zuließ, legte nur Roland Brandenburger an den Tag. "Monsignore" Madrazo muss man zugestehen, dass er sich diese Mühe nicht machte. Mag sein, dass er in seiner Laufkarriere noch gar nicht gelernt hatte, dass man mit so schnellen Zeiten auf dem Siegerpodest landet und es ihm auch fern lag, andere zu benachteiligen. Rennabbruch, dann aber noch schnell die Ehrenmeile ablaufen, ein schönes Zielfoto und die Medaille mit über den großen Teich nehmen, fertig.

 
LaufReporter Walter Wagner, aber auch sein LaufReport Team, sind immer hautnah dran

Beiden schwappt auch etwas Sympathie entgegen. Diese ist zwar spärlich, aber immerhin, es gibt sie. Im riesigen, alle Schichten und Klassen einbeziehenden Läuferfeld halten nicht wenige den Kampf um Bestzeiten und Plätze für blödsinnig. Sie wollen Spaß und basta. Und dafür reißen manche auch ihre Klappen auf, gewohnt ihre Interessen egoistisch und auch mit Ellbogen durchzusetzen. Jene, für die Laufen „Sport“ ist und die sich um die Aufrechterhaltung eines fairen Vergleichs bemühen, geraten in die Kritik. Den Veranstaltungsbetrieb stört dies bis dato nicht. Noch gibt der Verband vor, wie ein Marathon abzulaufen hat, und dies wird weitgehend von den Ausrichtern eingehalten. Es dürfte derzeit noch nicht gelingen, einen Marathonveranstalter in Deutschland ausfindig zu machen, der die Leichtathletik Ordnung abzuschaffen bereit wäre. - Noch nicht!

Dass der fleißige Aktionismus, der mitunter Medienunterstützung sportunerfahrener Kollegen erhält, irgendwann Früchte trägt, davon muss man aber ausgehen. Zeitnahme und Ranglisten abschaffen würde in Läuferforen diskutiert, las ich heute in einer Zeitungsmeldung. Was den Verfasser überraschen dürfte, genau dies passiert in Lauftreffs und in Vereinen tagtäglich. Man trifft sich, läuft gemeinsam los, unterwegs bildet sich ein Grüppchen Schnellerer oder ein paar Nachzügler bilden einen „Bus“, manche sind bald als Solisten versprengt. Meist wird geplaudert und gescherzt, mitunter auch Kräfte gemessen. Gut, das kostet keine 50 Euro, aber sonst passiert dort das Revolutionäre, was in Foren nun auch für den Marathon-Wettkampf gefordert wird. Ob tatsächlich Marathonteilnehmer hinter dem „Geposteten“ stehen, das ist nebenbei gemerkt gar nicht auszumachen.

In diesem Klima entstehen sonderbare Früchtchen. Auf „Exoten“ haben Medienschaffende immer ein Auge und die beiden bisher Genannten sind Medienvertretern nie aus dem Weg gegangen. Im Gegenteil. Was für einen Präsidentschaftskandidaten zum Beruf gehört, dem war auch Roland Brandenburger nie abgeneigt. Längst schon von Buh-Rufen verfolgt, gab er weiter unbedarften Reportern gern Auskunft über angeblich Geleistetes und seine weiteren sportlichen Ziele. Von Veröffentlichungen gestärkt und im Städtchen von allen bewundert, eilte Brandenburger zu neuen Großtaten, die ihm erneut Medienpräsenz einbrachten.

Nun kam es im goldenen Oktober gleich zu Offenbarungen in Serie. Was sich da im Hobbybereich so alles abspielte, war praktisch nichts, im Vergleich zu dem, was die „Königin des Sportbetrugs“ Kerstin Metzler-Mennenga erschwindelte. Die Teilnehmerin bei den Weltmeisterschaftsten in Osaka, wo sie den Marathon in 3:11:45 lief, gab zu, dass sie nicht immer selbst läuft, sondern auch schon mal laufen lässt. Eher zufällig flog der Schwindel auf, als ein überrumpelter Chipträger, der nun für die Liechtensteinerin gar die Olympia-Qualifikation beisteuerte und für sie sogleich auch einen Landesrekord „aufstellte“ stutzig wurde und man in Berlin der Sache nachging. Da sich im Fall Mennenga, zum sportlichen, auch ein finanzieller Betrug einstellt - die Liechtensteinerin hat als Olympiakader Athletin auch Fördergelder erhalten - dürfte die Geschichte vor dem Kadi enden.

Clever, wurde gepostet. Aber Hallo? Kerstin Metzler-Mennenga ist 26 Jahre alt und im Kleinstaat Liechtenstein jedem bekannt. Mag sein, dass man die lebenslange Sperre irgendwann aufhebt, aber wer wollte jetzt mit der jungen Frau tauschen, die vor einem riesigen Scherbenhaufen steht und Spießruten läuft. Mich würde einmal interessieren wie dieser „Forenschmierer“ reagieren würde, fände er am Morgen sein Auto auf Backsteinen stehend vor, die vier neuen teuren Winterreifen gestohlen. Spräche er dann auch vom „cleveren“ Dieb, der sich den Kauf erspart hat?

Eifrigen LaufReport-Lesern wird es dämmern, und richtig, bereits im Editorial vom 7. März 2007 findet sich ein Hinweis auf Kerstin Metzler-Mennenga. Die war zwar nicht namentlich genannt, aber das ist im überschaubaren Liechtenstein nicht erforderlich, wie Reaktionen zeigten. Hier ein Auszug: ( ....der neueste Fall handelt von einer Liechtensteinerin, deren mäßiger Auftritt beim 50 km Lauf von Rodgau in der meistgelesenen Zeitung ihres Landes mit den falschen Behauptungen „wird Zweite im Weltcup“ und „ließ sämtliche Topläuferinnen hinter sich“ kredenzt wurde. Nun könnte man meinen, da habe man der jungen Frau zu viel des Guten antun wollen. Doch alsbald taucht der Name wieder auf. Ein deutscher Reiseveranstalter wirbt mit genau der gleichen Person, die sich dort als Olympia-Teilnehmerin 2008 vorstellt, für Trainingsurlaube: Mit dem Profi auf Tour – Weltklasseläuferin aus Liechtenstein trainiert und gibt wertvolle Tipps).

Die gleiche Zeitung bemüht sich nun sehr vorbildlich um Aufklärung und geht, dermaßen getäuscht, mit ganzer Härte gegen die Sportlerin vor. Mag sein, dass Mennenga die Kontrolle über ihr Handeln dadurch verlor, dass man sie zur Spitzenathletin puschte, und sie Erwartungen erfüllen wollte. Mir tut die Frau irgendwo auch leid, und es stellen sich Fragen: Wie kann es sein, dass Kerstin Metzler-Mennenga, die LaufReport sofort suspekt war, in ihrem direkten sozialen Umfeld nicht auffiel?

Keiner will im Freizeitsport die totale Überwachung. Und auch für Veranstalter ist es schwer, und mit viel Aufwand verbunden, Betrügern zu begegnen. Kein Chip misst zu 100 Prozent und wer würde wegen einer aus technischen Gründen nicht aufgezeichneten Zwischenzeitmessung eine Disqualifizierung akzeptieren. Letztendlich muss auch die Läuferfamilie mitwirken, das Problem einzudämmen. Wobei hier angemerkt sei, dass sich fast alle Betrugsverdachtfälle als nichtig erweisen. Also, vorsichtig mit Vorwürfen. Diejenigen, die einen ordentlichen Rennbetrieb wollen und nicht nur Gaudi, sollten das auch klar vertreten. Es kann ja nicht angehen, dass jeder „Newby“ sich das Zepter greifen und die Richtung bestimmen will. Nächste Woche wechselt der dann auf nimmer Wiedersehen zum Golfen und wir irren beim Marathon auf der Suche nach Abkürzungen durch die Städte.

Walter Wagner

Editorial 11. August 2007

Es macht keinen Spaß mehr...

....lautete die Aussage eines altgedienten Laufveranstaltungsleiters im Verlaufe unseres Telefongesprächs. Dauernd neue Konkurrenz im eh schon ölsardinenbüchsengedrängten Laufkalender, und längst auf der Strecke geblieben sei RÜCKSICHT. Der Verlust des fairen Umgangs miteinander wird in vielen Bereichen des Lebens beklagt. Auch wachsender Konkurrenzdruck ist nichts Neues. Dennoch, dass die angelegten Bandagen auch im Sport immer härter werden und für Fairness kaum mehr ein Eckchen auf dem Platz bleibt, sollte nachdenklich stimmen.

 

Kann man sich auf die regulierende Wirkung der freien Marktwirtschaft verlassen? Diejenigen Veranstaltungen, die gefragt sind, setzen sich durch - basta! So ist es auch in anderen Bereichen des Lebens gewollt. Aber im Laufsport haben wir es mit einer Mischung aus staatlich Gefördertem und mit dem freien Markt zu tun, aus Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit und mit gewinnorientiertem Handeln. Sportvereine und -verbände haben auf der Veranstalterbühne überhaupt nichts verloren, argumentieren Event-Agentur-Manager mit Hinweis auf ihre Wettbewerbsnachteile durch die einseitig zugebilligten Subventionen der öffentlichen Hand sowie der Unterstützung aus den Kommunen bei Veranstaltungen ortsansässiger Vereine und Verbände. Dem setzen die Verbandsorganisierten entgegen, dass Agenturen nur den Rahm abschöpfen wollen, der aus ihrer jahrzehntelangen Vorleistung in der Volkslaufbewegung überhaupt erst entstanden ist.

LaufReport ist auch im schwierigen Terrain trittsicher und hängt nicht in den Seilen

Zunächst bleibt festzustellen, eine Laufveranstaltung kann machen wer will. Mal abgesehen davon, dass das Privileg „DLV-genehmigter Volkslauf“ der Zustimmung des Verbandes bedarf und mit Gebühren verbunden ist. Mit der Öffnung der Hintertür an gewerbliche Veranstalter - so wurde im Jahr 2006 sogar die Austragung der Deutschen Meisterschaft im Marathon an eine GmbH vergeben, vormals musste dies ein DLV-Verein sein - ist selbst das Siegel des Offiziellen nicht mehr ausgeschlossen.

In der Realität ist es so, dass als Laufveranstalter auftritt, wen es dazu drängt, unabhängig von Beweggründen und Absichten. Es bleibt also de facto sowieso nur das Marktverhalten als Regulator von Erfolg und Misserfolg. Startet der Teilnehmer oder bleibt er weg, gibt der Sponsor Geld oder verweigert er sich. Erfolg oder Misserfolg ist jedenfalls unabhängig davon, zu welcher der beiden Gruppierungen ein Veranstalter zählt.

Tatsächlich sind die Grenzen oft sogar verwischt. Vereine gliedern ihre Veranstaltungsaktivität gern an eine extra gegründete juristische Gesellschaft aus. Die einengenden Vorschriften für eingetragene Vereine sind damit zu umgehen und auch vom lästigen Mitreden der Mitglieder ist man besser geschützt. Zudem müssen bei einem geschickten Geflecht Subventionsvorteile nicht verloren gehen, was wiederum die reinen Veranstalteragenturen benachteiligt.

Andererseits ist eine große Laufveranstaltung von einem normalen Sportverein kaum mehr zu stemmen. Eine hauptamtliche Kraft und in Stoßzeiten eingesetzte Honorarkräfte sind die Regel. Auch wächst das Geschäftrisiko rasch und gefährdet mitunter die Existenz des veranstaltenden Vereins. Etwa, wenn Steuerpflichten jahrelang unbeachtet geblieben sind, aus heiterem Himmel Schadenersatzansprüche von Dritten geltend gemacht werden, oder einfachste kaufmännische Grundregeln missachtet werden.

Immer wieder Streitpunkt war in den letzten Jahren die Veranstalter-Verbandsabgabe. Je nach Landesverband wird eine Gebühr von bis zu 50 Cent pro Teilnehmer für den jeweiligen Landesverband fällig, auch für Vereinslose. Dabei scheint das Ausscheren von Großveranstaltern, die auf eine Genehmigung verzichteten oder mit dem Verzicht drohten, Sonderlösungen herbeigeführt zu haben, die nun direkt über die DLV-Zentrale laufen. Im Gegenzug zu diesen Gebühren beaufsichtigt der Verband einen Lauf und nimmt z.B. Ergebnisse in Bestenlisten auf, sofern die Kriterien dafür erfüllt sind.

Auch sorgen die einzelnen Landes- und Kreisverbände für die Abstimmung der Veranstaltungstermine. Ein besonders emotional ausgetragenes Thema, lassen die wenigen Wochenenden ohne Ferien doch zu wenig Möglichkeiten für Tausende von Veranstaltungen ohne Terminkollision zu. Dazu kommt nun noch der „Wildwuchs“, also Veranstaltungen etwa von Wohltätigkeitsorganisationen und Unternehmen, die für einen besonderen Anlass auf die Idee kommen, da machen wir doch mal eine Laufveranstaltung. In Zeiten des Firmenlaufs nehmen diese sprunghaft zu und führen immer häufiger zu wahrlich haarsträubenden Terminüberschneidungen.

„Warum machen wir uns die Arbeit, die Termine abzustimmen, wenn alles über den Haufen geworfen wird“, klagte Heinz Scharmann, der seit Jahrzehnten im Badischen Leichtathletikverband die Arbeiten des Volks- und Straßenlaufwarts schultert. Schon längst Pensionär, aber im BLV ohne Nachfolger für seine Aufgaben, rast Heinz Scharmann Wochenende für Wochenende von Veranstaltung zu Veranstaltung. Er macht was er kann und sicher mehr als es seiner Gesundheit zuträglich ist. Nun sah er sich bei der Laufveranstaltung seines Sportvereins mit der Konkurrenz eines kurzfristig terminierten, startgeldfreien Vorbereitungslaufs zum Baden-Marathon konfrontiert, in unmittelbarer Nähe und am darauffolgenden Morgen stattfindend, und hätte am liebsten alles hingeworfen.

Man kann die Sorgen und Nöte sowie Vorgehen und Reaktion beider Seiten verstehen. Doch es stellen sich auch Fragen, die nach Antworten verlangen: Warum kommen nicht die in Sportvereinen organisierten badischen Läufer zu einer Veranstaltung, die den Mann als Organisationschef hat, der seit so vielen Jahren ihr Volks- und Straßenlaufwart ist? Nimmt man sich die Teilnehmerliste vor, stellt man fest, dass viele die beim Verbandswart gelaufen waren, gar nicht einem DLV-angegliederten Verein angehören, entsprechend enttäuscht muss der gute Mann sein. Aber ganz allgemein stellt sich die Frage, warum gelingt es den Vereinen oft nicht, den zeitlichen Vorsprung und die ihnen zuteil werdenden Wettbewerbsvorteile auch zu nutzen? Warum gelten vereinsorganisierte Laufveranstaltungen oft als nicht mehr zeitgemäß?

Diese Fragen zu bedenken könnte durchaus auch zu Erklärungen führen, warum gewerblich betriebene Laufschulen immer öfter den Vorzug vor den vereinsorganisierten Lauftreffs erhalten. Warum macht ein Anfänger einen großen Bogen um den Verein? - Einfach nur den Kopf in den Sand stecken oder Regularien fordern reicht da nicht. Von außen betrachtet könnte auch eine Umschichtung finanzieller Mittel und eine Umorientierung der Aktivitäten ein Ansatzpunkt für Veränderungen sein. Da wird viel aufgewirbelt, aber wenig bewegt.

Denn machen wir uns nichts vor, dass der DLV die höchste Mitgliederzahl aller Zeiten hat, mag er feiern, doch muss man die Zahl ins Verhältnis zu der Masse der Sporttreibenden setzen, die es so noch nie zuvor gab. Allein einen Betreuer für die Kinderabteilung zu finden, der die Jugend ans Laufen heranführt, gelingt den Vereinen kaum noch. Dafür springen immer mehr „Alte“ mitunter mehrmals am Tag allein durchs Gelände und auf der Hatz nach persönlichen Bestzeiten und weiteren Seniorentiteln auf der ganzen Erdkugel herum.

Walter Wagner

Editorial 9. Juni 2007

Quo vadis Presse

Der Marathon-Boom flacht deutlich ab, er verblasst, ja, er nähert sich dem Ende... so und so ähnlich war es im Frühjahr oft zu lesen. Was einzelne Veranstalter mit Teilnehmerrückgang in ihrer Erklärungsnot in die Blöcke der Journalisten diktierten, verbreiteten diese gern und vor allem ungeprüft. Marathons mit Teilnehmerrekorden bereits im März und April ließen im zweiten Quartal derlei Meldungen verstummen. Die Läufer einfach zu addieren, was in einem simplen Vergleich Behauptungen untermauern oder widerlegen würde, scheint nicht mehr gefordert. „Verantwortliche“ Redakteure veröffentlichen heutzutage anspruchslos. Recherche kann schließlich nur fordern, wer diese bezahlt. Also reicht das Aufheulen eines gebeutelten Veranstalters von einem allgemeinen Trend. An was es tatsächlich liegt, dass Teilnehmer einem bestimmten Lauf den Rücken kehren, braucht man obendrein dann auch nicht mehr herausfinden.

 

Umfrageinstitute kommen zu überwältigenden Zahlen: Wir sind die Generation der Sporttreiber. Dabei fehlt es schon an der Definition des Begriffs Sport. Mal schwimmen im Urlaub, ein paar Skiabfahrten, ein überhasteter Versuch vor der Freiluftsaison ein paar Pfunde zu verlieren, ist das Sport? Masse muss es sein, auch Laufveranstaltungen werden daran gemessen. Zuwachs ist Pflicht, Jahr für Jahr. Der Markt ist ungeduldig, zu ungeduldig für Marathonläufer, die reifen nicht über Nacht. Traum und Wirklichkeit klaffen bei Läufern oft auseinander, doch die Werbestrategen locken: „Du schafft es“.

Leider schaffen es nicht alle und so wurden Todesfälle im Laufsport zum nächsten großen Presseschlager: „Drama in Augsburg“, „Läufer tragen Sterbenden ins Ziel“, Zwei Todesfälle beim Ruhr-Marathon, „Drei Todesfälle beim Ruhr-Marathon“. Nanu, so eine kleine Zahl sollte doch zu ermitteln sein. Schon gibt es journalistische Aufbereitungen des Themas: ’In diesem Jahr gab es schon 8 Tote bei Läufen’ heißt es in einer Meldung. Wo, erfahren wir darin nur bedingt. Einer starb beim Silvesterlauf. Bedauerlich ohne Zweifel, aber Silvester kommt erst noch in diesem Jahr, es bleiben also 7 Tote. Ein Läufer starb in den USA. Aha, es gab also weltweit sieben Tote im bereits mehrere Monate alten Jahr zu beklagen.

Also gut, eine knackige Meldung hat sich der Journalist gebastelt. Und schon wird die Sache aufgegriffen: Marathon nur noch mit Attest. Kaum gefordert, sterben wieder welche bei Läufen über viel kürzere Distanzen. Alle Teilnehmer an einem Lauf über 35 Jahre sollten ein ärztliches Attest vorlegen müssen, heißt die neue mediale Marschroute. Leider stirbt just gar ein 17-jähriger Läufer. Doch der blinde Aktionismus ist längst ins Rollen gekommen. Jetzt muss Öl ins Flämmchen und natürlich finden sich Journalisten dafür, vielleicht mit Bierbauch und Zigarette im Mundwinkel, voller Häme, da sie ja ungesund, aber doch noch leben.

An die Verantwortung des Einzelnen zu appellieren, ist nicht des Deutschen Stärke. Vorschriften müssen es schon sein. Und die Medienvertreter? Erst treiben sie hemmungslos Unsportliche zum Marathon, jetzt fordern sie einen verantwortungsvollen Umgang mit den Irregeführten. Übrigens, ein ärztliches Attest vor dem Marathon war früher schon einmal in Deutschland vorzulegen. Es gab zusätzlich sogar noch eine ärztliche Kontrolle kurz vor dem Marathonstart. Man stelle sich das mal vor, die langen Schlangen in Berlin, wo die Marathonis am „Check-in“ anstehen, um sich den Blutdruck messen und die Brust abhören zu lassen. Mit der Freigabe zum Start und der Gewissheit, den Lauf auf jeden Fall zu überleben... – wie, dafür reicht eine normale Untersuchung nicht, da müsse man sehr viel aufwendiger... Und erinnern wir uns, gestorben wurde auch schon beim Chaselauf in Frankfurt. Sollten diese über 60.000 nicht auch ein Attest vorlegen müssen?

 

Egal, die Online-Ausgabe einer großen Tageszeitung in Berlin hat in dieser Angelegenheit längst erspiegelt, woran es liegt, und verkündet: „Viele Marathonläufer ersetzen Training durch Doping – ein fataler Schritt“. Eine Abkürzung, die zum Tod auf der Strecke führen kann, heißt es in dem Beitrag. Nun, haben wir 6 Tote Dopingsünder in der laufenden Saison auf Deutschlands Straßen zu beklagen? Oder was will uns der im Beitrag zitierte Jörg Börjesson, den ständig Läufer anrufen um Doping-Tipps zu bekommen, eigentlich mitteilen?

Doch Ex-Bodybuilder Börjesson ist ein Aufklärer, verheimlicht nicht Impotenzgefahren und andere Folgen des Dopings. „Da werde ich bald mal mit meinem Fitnesstrainer sprechen“, klagt ein Betroffener über verharmlosende Auskünfte seines Beraters.

Medienspektakel mit Brechreiz. Aber ehrlich, keine Ahnung was sich in den Massenansammlungen der Laufszene dank zweifelhafter Vermarktungsaktionen zusammenfindet. Einem notorischen Abkürzer das Handwerk zu legen, selbst dazu sind Veranstalter, Verbände und Interessengemeinschaften nicht in der Lage. Warum sollte es nicht solche geben, die vollgestopft mit Medikamenten ins Ziel kommen, oder auf dem Weg dahin in der Obhut der Rettungskräfte landen? „Von Null auf 42 in 5 Jahren“ und die Zeit für eine ordentliche Vorbereitung genutzt, so einen sinnvollen Vorschlag hat nun noch keiner verbreitet. Aber lassen wir das, gestorben wird auch bei anderen Gelegenheiten und nicht selten viel zu jung. Zum Glück und gerade zur rechten Zeit kamen die Dopinggeständnisse im Radrennsport. Eine riesige Spielwiese auf der sich die Journalisten jetzt austoben können. Da bleiben die Läufer ein paar Wochen verschont.

 

Früher nahm man die Zeitung zur Hand und sagte: „Da steht es, schwarz auf weiß.“ Denn es war verlässlich, was gedruckt wurde, und entsprechend war der Ruf der Medienschaffenden. Leider ist davon nichts mehr geblieben. Nein, Dieter Baumann hatte nicht im letzten Jahr seine Halbmarathon-Premiere, wie es ein großes Internetportal verkündete, noch dazu als Meldung einer namhaften Agentur. Und nein, die ersten beiden Damen dürfen nicht Hand in Hand den Ironman Frankfurt beenden. Was sich der Fernsehkommentator sehnlichst wünschte, hätte zur Disqualifikation der Beiden geführt. Woher sollte ein Sport-Moderator das wissen?

LaufReporter Walter Wagner im Gespräch mit Rudi Altig am Rande des Grand Prix in Lorsch

Hinterfragen könnten sie aber alle, nur tun sie es nicht. Da heißt es etwa, alle Teilnehmer an der Tour de France haben sich verpflichtet, ein Blutprofil erstellen zu lassen. Schön, wird das auch gemacht, wann und von wem? Das wäre die Aufgabe der Journalisten, am Ball zu bleiben. Seit Monaten zeigt man uns die Bilder von Blutbeuteln in einem spanischen Kühlschrank, nun kauft man Sendungen über Dopingaufdeckung in Italien dazu. Den Weg nach Freiburg scheint man zu scheuen, um im Umfeld der Uni-Klinik Kühlschranktüren zu öffnen. Dort wurden und werden Vertreter vieler Sportarten betreut, heilige Kühe des nationalen Sportgeschehens. Gar zu schnell war die Medienwelt zufrieden, hatte sich nach drei rollenden Köpfe abgewandt. Die Tür etwa zu den Publikumsmagneten des Wintersports hielt man im Breisgau tunlichst geschlossen.

Ach, jetzt kommt der schon wieder mit Recherche ...

Walter Wagner

Editorial 7. März 2007

Was zählt zur Weltklasse, was ist gut, was ist schlecht?

3 Fragen - 1000 Antworten und doch keine ...

Bevor der Fall Brandenburger zur unendlichen Geschichte wird, hat sich der Verein von seinem „Star“ getrennt. Nicht wegen Betrugs - denn nicht wenige im Verein halten weiterhin an der Ehrlichkeit der von Roland Brandenburger erbrachten Leistungen fest - sondern mangels kooperativer Zusammenarbeit. Die Vereinsfamilie empfand das Verhalten ihres wortkargen AK-Weltklasseläufers in der unangenehmen Situation des Betrugsverdachtes als gemeinschaftsschädigend und sah den jungen Verein in seiner Existenz gefährdet. Was in diesem Fall bleibt, ist die fragwürdige Haltung gleich mehrerer Organe. Um es vorweg zu nehmen, der angerufene Badische Leichtathletik Verband, zu dem der Fall Brandenburger noch nicht vorgedrungen war, stellte fest, dass kein Startpass auf diesen Namen ausgestellt sei und in den Bestenlisten nur Leistungen von Athleten Aufnahme fänden, die ein gültiges Startrecht für einen Verein hätten. Eine Klärung des Falles auf Verbandsebene wird es also nicht geben. Die regionale Presse feierte übrigens nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung im LaufReport ihren „Rennopa“ in höchsten Tönen und ohne jeden Zweifel. Dass man beim Köln-Marathon gut und nicht nur Ecken schnippeln kann, wurde auch aus den Reihen des Organisationsteams bestätigt. Ob die vielen aufgezeichneten mysteriösen Zwischenzeiten-Abweichungen in Köln vom Zeiterfassungsservice oder vom Kampfgericht verfolgt werden, ist mir nicht bekannt. Ein Vorgehen wie in Berlin, wo man gezielt und mit Erfolg nach Schwindlern fahndet, sollte für Sportveranstalter verpflichtend sein.

Doch der Problemstellung, derer sich Veranstalter und Verbände anzunehmen haben, sei hier gleich noch ein weiterer Punkt hinzugefügt. Betrug beim Silvesterlauf, hieß es etwa auf den Internetseiten des WDR. Die Beschuldigte fiel aus allen Wolken, war sie doch einer Einladung zu einem zeitgleich stattfindenden internationalen Radrennen in die Schweiz gefolgt und gar nicht im Lande. Die Sache klärte sich rasch. Im Verein war ihre Startnummer an einen Mann weitergegeben worden. Die geplante Ummeldung vor dem Start scheiterte, weil am dafür vom Veranstalter eingerichteten Schalter der Andrang nicht bewältigt wurde. Wie wird im Laufsport dafür gesorgt, dass hinter der Startnummer steht, was dafür vorgesehen war? - Fehlanzeige, kein Mensch kontrolliert dies und der Aufwand bei Hunderttausenden von Volksläufern wäre immens. Im Schwimmsport kann auch in den Altersklassen ein Rekord nur nach vorheriger Ankündigung und unter Aufsicht aufgestellt werden. Es stellt sich die Frage, schielt man beim Laufen in Richtung der 35 Millionen deutschen Wanderer (nicht Walker) oder will man Sport als Wettbewerb.

Weltklasse setzt eine ehrlich erbrachte Leistung voraus. Mit der in den Laufsport schwappenden Joggingwelle wird die Zugehörigkeit in diese Gruppe aber nicht mehr so eng begrenzt. Wurde Weltklasse im Laufsport einst über Geschwindigkeit definiert, fanden weniger flotte Vertreter dieser mühsamen Fortbewegung alsbald über die Distanz ein weiteres Herausstellungsmerkmal. Von jetzt an wurden uns in kurzer zeitlicher Folge sogar Weltbeste präsentiert. Mal wurde tagelang auf dem Laufband getrabt, dann mal quer, mal längs durch Kontinente oder auch ganz herum um den Erdball. Stellte sich auch damit noch keine vermarktbare Leistung ein, wurde rückwärts gelaufen, auf dem Schiff oder das besonders hohe Alter oder die Jugend herausgestellt usw. Viel Aufwand für wenig Ruhm. Pfiffig also die Idee, einfach Alltagsleistungen als Weltklasse zu titulieren. Dank der Gier unserer Medienwelt nach kostenlosen Meldungen bedarf es dazu nur einer selbstverfassten Meldung, gern auch mit honorarfreiem Foto. Schon dreht sich das Karussell und wird zum Selbstläufer. Mit dem Abriss aus der Zeitung öffnet sich der Zugang zum Rundfunk und eh man es sich versieht, sitzt man vor dem Millionenheer staunender, weil ahnungsloser Fernsehzuschauer. Und schon bewahrheitet sich die Weisheit des Läufers und Politikers Heiner Geißler: Die Berühmtheit so mancher Zeitgenossen begründet sich in der Blödheit ihrer Bewunderer. Der neueste Fall handelt von einer Liechtensteinerin, deren mäßiger Auftritt beim 50 km Lauf von Rodgau in der meistgelesenen Zeitung ihres Landes mit den falschen Behauptungen „... wird Zweite im Weltcup ...“ Und in der zweiten Linie „... ließ sämtliche Topläuferinnen hinter sich ...“ kredenzt wurde. Nun könnte man meinen, da habe man der jungen Frau zu viel des Guten antun wollen. Doch alsbald taucht der Name wieder auf. Ein deutscher Reiseveranstalter wirbt mit genau der gleichen Person für Trainingsurlaube: „Mit dem Profi auf Tour – Weltklasseläuferin ... aus Liechtenstein trainiert und gibt wertvolle Tipps ...“. und da man in dem Werbeschreiben mit Zeiten geizt - wen wundert es - wird die Genannte kurzerhand als Olympia-Teilnehmerin 2008 vorgestellt und als erfahren und erfolgreich beschrieben. Nun gut, bei den Olympischen Spielen gibt es viele Betätigungen und wer weiß, vielleicht nehmen alle Einwohner aus dem kleinen Liechtenstein teil.

Es mag erheitern, aber der Spaß bei der Betrachtung heutiger Pressearbeit kann einem vergehen. Die Aufforderung an Veranstalter, sie mögen selbst einen Bericht verfassen, gern auch mit ein paar kostenfrei verwendbaren Fotos, und im Bericht auch zur Zufriedenheit ihrer Teilnehmer Stellung beziehen, lässt mir die Nackenhaare ausfallen. Das versehentlich mir gesandte Schreiben aus einer Redaktion, dessen Produkt oft zu den führenden deutschen Laufmagazinen gezählt wird, habe ich mir gerahmt. Dass das Füreinander und Gegeneinander nicht einfach, die richtige Distanz zwischen Journalist und Veranstalter zu finden eine Kunst ist, sei zugegeben, ist Letzterer doch oft auch Anzeigenkunde und somit zumindest indirekt Brötchengeber.

Dem Veranstalter einzuräumen, sich selbst bewerten zu dürfen, hat also auch einen Hauch Ironie, betrachtet man es mal nicht aus der Sicht des Zeitschriftenkäufers. Schon die Nichtveröffentlichung zugestellter Medienmitteilungen kann eine Geschäftsbeziehung gefährden, ein eigenes kritisches Wort beendet diese sowieso meist. Sich zum Handlanger des Laufgeschäftes zu machen, geht einher mit Erfolg und Zuneigung. Kurzsichtig, behaupte ich. Eine Sättigung der Massen ist nicht von der Hand zu weisen. Wer will inhaltsleere Veranstaltermitteilungen lesen, mit denen Werbeagenturen ihre Verträge abarbeiten? Doch was sollen die Veranstalter machen, klappern gehört bekanntlich zum Handwerk.

Weiterhin schießen Marathons aus der Erde und versinken zum Teil auch rasch wieder in der Versenkung, wie gerade der Basel City Marathon, der sich wegen Illiquidität verabschiedete. Eine Lücke, die sogleich in der Schweiz von einer Nachfolgeveranstaltung geschlossen wird. Wie ein Strohhalm klingen Meldungen von steigender Beteiligung, überschattet von letzten Aufrufen „... Hoffnung auf Anmelde-Endspurt ...“. Was wurde 2006 der „Runday Monday“ in den Medien gefeiert, der wohl an Silvester sang- und klanglos abgeschossen wurde. Ob die Medien ihrer Aufgabe, bei der Wahrheit zu bleiben, gerecht werden, ist schwer zu bewerten. Sind Tausend viel oder doch erst 10.000? Nicht selten sind Reporter auch kaum in der Materie bewandert oder getrieben von der Hatz nach einem fetzigen Knaller. Da wird auch im Januar 2007 verkündet „Allgemeines Entsetzen – der deutsche Sport steht vor einem Scherbenhaufen“. Zitiert wird in der Meldung einer großen Berliner Zeitung, dass bei 400 Dopingkontrollen, von 4 - 500 angesetzten, der Athlet nicht angetroffen wurde. Es sollte wohl 4000 bis 5000 Kontrollen heißen. Dass der normale Kader-Athlet sich nur abmelden muss, wenn er seinen Aufenthaltsort länger als drei Tage verlässt, wird dort nicht erwähnt. Das der Kontrolleur nicht 72 Stunden vor Ort ausharrt, will ich unwissend behaupten. Jedem Abwesenden wird ein Dopingvergehen unterstellt, was damit aber weder bewiesen noch dementiert werden kann.

Aber zu neuerdings angedachten und eingeführten Kontrollen im Anti-Dopingkampf werde ich mich eventuell umfassend zu einem späteren Zeitpunkt äußern. Und vielleicht wage ich es auch, die Zuschriften diverser Veranstalter und deren Medienvertreter in Sachen Hitlisten zu veröffentlichen. LaufReport soll ja ab und an auch erheitern und Freude machen.

Walter Wagner

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