Die deutsche Marathonszene im Jahr 2022

Zurück auf Los
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER
Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken & Foto: Constanze Wagner 

Teil 1: Die Marathons mit den meisten Finishern

 
Die Grafik umfasst die 25 Marathons mit 300 Finishern und mehr.
Die Balken geben die Gesamtfinisher wieder. Die rote Fläche deuten den darin enthaltenen Frauenanteil an. Die Plus- bzw. Minuszeichen geben an, welcher Marathon Finisher hinzu gewinnen konnte bzw. mit weniger Teilnehmern im Ziel als 2019 abgeschnitten hat bzw. 2018 beim Marathon Deutsche Weinstraße.

Marathons, die 2022 unter die Einstiegshürde von 300 Zieleinläufen rutschten

Diese Marathons haben sich eingereiht in jene, die 2019 schon unter der Einstiegshürde von 300 Finishern lagen. Flensburg fiel von 264 auf 205, Spreewald von 238 auf 202, Rostock von 287 auf 189, Darß von 265 auf 186, Obermain von 279 auf 165 und Königsforst von 234 auf 162 Marathonzieleinläufe.

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2022

Teil 2: Das Ranking
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Platzierung 2022 2019 Änderung
Berlin 1 1 0
Frankfurt 2 2 0
Hamburg 3 3 0
München 4 5 +1
Köln 5 4 -1
Hannover 6 8 +2
Rennsteiglauf 7 6 -1
Münster 8 9 +1
Dresden Stadt 9 10 +1
Freiburg 10 15 +5
Dresden Oberelbe 11 16 +5
Bremen 12 11 -1
Duisburg 13 23 +10
Deutsche Weinstraße* 14 15 +1
Karlsruhe 15 13 -2
Monschau 16 20 +4
Mannheim 17 21 +4
Brocken Marathon 17 17 0
Regensburg 19 38 +19
Essen 20 25 +5
Ulm 21 21 0
Gelsenkirchen 22 18 -4
Würzburg 22 35 +13
Lübeck 24 31 +7
Fürth 25 49 +24

*Marathon Deutsche Weinstraße wurde mit 2018 verglichen.

Zu berücksichtigen ist in der Rangliste, dass die 5 Marathons Bonn, Düsseldorf, Heilbronn, Mainz und Leipzig, die 2019 über 300 Finisher hatten, 2022 nicht ausgetragen wurden.

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2022

Teil 3: Gewinner & Verlierer
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Zurück auf Los

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2022

Weit länger als ein Jahrzehnt war es ein fester LaufReport-Brauch zum Ende der Saison eine mit Statistiken und Grafiken unterlegte Analyse zur nationalen Marathonszene zu veröffentlichen. Das letzte Mal geschah dies allerdings 2019. Denn sowohl 2020 als auch 2021 hätte es wenig Sinn gehabt, sich allzu tief in die Zahlen einzuarbeiten. Über die Ursache muss man wenig Worte verlieren. Die dürfte nun wirklich allgemein bekannt sein.

Zu viele Absagen, Verschiebungen, Neuansetzungen und dann erneute Absagen hatten den Kalender völlig durcheinander gewürfelt. Und falls eine Veranstaltung dann tatsächlich doch einmal wie geplant stattfand, kamen zusätzlich noch Teilnehmerbeschränkungen und Sicherheitsvorkehrungen sowie von Land zu Land unterschiedliche Reisebeschränkungen für internationale Lauftouristen hinzu, die Vergleiche mit der Vor-Corona-Zeit endgültig ad absurdum führten.

Endgültig ausgestanden ist das Thema zwar nicht und wird es wohl auch nie sein. Doch 2022 ist endlich wieder ein wenig Normalität eingekehrt. Auch im Laufbereich herrscht wieder einigermaßen Planungssicherheit. Das Terminchaos der letzten beiden Jahre ist vorbei. Selbst wenn noch nicht alle Veranstalter wieder eingestiegen sind und andere - insbesondere noch im Frühjahr - nur reduzierte Programme anboten, ergibt sich aus statistischem Blickwinkel nun wieder ein halbwegs brauchbares Gesamtbild.

Langzeitentwicklung der Marathons von 2005 bis 2022

Die Grafik zeigt deutlich, wie der Berlin Marathon - denn nur dieser befindet sich in der Klasse über 20.000 Teilnehmer - zunehmend die deutsche Szene dominiert. In der folgenden Gruppe von 10.000 bis 19.999 Sportler gibt es 2022 erstmals gar keinen Marathon mehr. Die größten nach Berlin sind in den Block jener über 5.000 bis 9.999 gerutscht, der 2019 verwaist war. Ohne Wert bleibt 2022 auch der Block von 4.000 und 4.999. Erst die Gruppierungen darunter verlieren in ihrer Summe nur geringere Zahlen an Finishern. Den untersten Block, jener von 200 bis 499 Finisher, ist neu aufgenommen, gewinnt er doch relativ an Einfluss aufs Gesamtgeschehen.

Die gewohnte Fortschreibung der Daten von Jahr zu Jahr und die Ermittlung der sich daraus ergebenden Änderungen gegenüber der Vorsaison bringt allerdings aus den bereits genannten Gründen herzlich wenig. Als Aufsatzpunkt für Vergleiche wurde deswegen diesmal das letzte "normale" Jahr 2019 gewählt.

Unverändert blieb allerdings die übliche Prämisse, dass einzig und allein die von jedem Interessierten nachzuvollziehenden Informationen der Ergebnislisten als Datenbasis für die verschiedenen Auswertungen dienen. Dass die in den Pressemeldungen veröffentlichten Meldezahlen gerne einmal extrem großzügig nach oben gerundet sind, ist schließlich ein ziemlich offenes Geheimnis.

Doch selbst mit der wildesten Zahlenakrobatik lässt sich kaum verheimlichen, dass so gut wie nirgendwo hinsichtlich des Läuferzuspruchs die Vor-Corona-Werte erreicht werden konnten. Ganz im Gegenteil gab es praktisch überall tiefrote Teilnehmerbilanzen - und damit zwar kaum nachprüfbar, aber durchaus wahrscheinlich auch erhebliche finanzielle Einbußen für die Veranstalter.

Absolut

Alle Marathons ab 300 Finisher und mehr sind aufgeführt. Den meisten Zuwachs hat Regensburg mit 102 Finisher mehr als 2019. Berlin ist ausnahmsweise aufgrund der schieren Größe mit 9313 Finisher weniger Schlusslicht bei dieser Betrachtung.

Marathon Deutsche Weinstraße wurde mit 2018 verglichen.

Zwischen zwanzig und fünfzig Prozent Minus lassen sich für die meisten Marathons in den Tabellen finden. Aus statistischer Sicht sind die Daten eigentlich nämlich ziemlich konsistent. Es gibt kaum Ausreißer nach oben oder unten. Gerade einmal etwa ein halbes Dutzend Veranstaltungen schafft es, noch knapp schwarze Zahlen zu schreiben.

Doch handelt es sich dabei durchgängig um Veranstaltungen mit Teilnehmerzahlen im dreistelligen Bereich. Und dort wird schon aus rein mathematischen Gründen die Schwankungsbreite einfach größer, da bereits eine Handvoll Sportler mehr oder weniger in der Berechnung den Sprung um ein weiteres Prozent bedeutet.

Der größte Lauf mit positiver Bilanz ist dabei Freiburg, wo man gegenüber 2019 neunzig Zieleinläufe und damit elf Prozent zugelegt hat. Noch etwas größer ist der Wert mit siebzehn Prozent in Fürth. Allerdings sieht die Veränderung in absoluten Zahlen noch weniger beeindruckend als bei den Südbadenern. Denn statt 257 Läufern wie vor drei Jahren kamen diesmal 301 ins Ziel.

Der einzige Marathon, bei dem man tatsächlich von nennenswerten Zuwächsen reden kann und muss, ist Regensburg. Denn ein Sprung von mehr als hundert Ergebnislisteneinträge auf nun 424 Sportler bedeutet angesichts des Ausgangswertes ein Plus von fast einem Drittel. Und dennoch gibt es auch hier ein Fußnotensternchen. Denn dieser Lauf ist ein schönes Beispiel dafür, wie gewisse Nebenbedingungen eine Statistik verzerren können und der sture Blick auf die Zahlen alleine selten zu den richtigen Schlussfolgerungen führt.

Im Rahmen des Rennens in der Oberpfalz wurden nämlich die Bayerischen Meisterschaften ausgetragen. Und wohl längst nicht alle, die bei diesen antraten, wären ohne die Titelkämpfe nach Regensburg gekommen. Wobei man allerdings ehrlicherweise auch sagen muss, dass die Meisterschaftsteilnehmer nicht den kompletten Zuwachs abdecken. Zugelegt hätte man so oder so.

Relativ

Betrachtet man die Abweichung im Verhältnis der Finisher, relativiert so manche absolute Zahl. Zwar bleibt Regensburg dennoch Spitzenreiter, aber Berlin rückt in der Reihe der Marathons mit weniger Finisher fast in die Top5 jener, die verhältnismäßig weniger Einbußen hinnehmen mussten.

Marathon Deutsche Weinstraße wurde mit 2018 verglichen.

Sogar noch düsterer als auf den zweiundvierzig Kilometern sieht es auf der halb so langen Strecke aus - und das sowohl bei den an einen Marathon angeschlossenen Rennen als auch bei den separaten Veranstaltungen. Während gegenüber 2019 die Zahl der Marathonzieleinläufe in der Summe deutschlandweit um etwa dreißig Prozent gesunken ist, waren es auf der Halbdistanz rund vierzig Prozent.

Und aufgrund der in der Regel deutlich höheren Teilnehmerzahlen beim Halbmarathon schlagen dort auch die erwähnten Zufallseffekte weniger durch. Nahezu ausnahmslos alle Veranstaltungen schreiben deswegen ein Minus zwischen einem Viertel und der Hälfte ihrer Werte vor Corona. Während in der Vergangenheit die Rückgänge hauptsächlich beim Marathon zu finden waren und die angeschlossen Halbmarathons oft sogar noch wuchsen, trifft es diesmal alle Distanzen ähnlich hart.

Nicht wenige Organisatoren konnten sich in der Vergangenheit noch durch die reine Verschiebung hin zur kürzeren Strecke finanziell einigermaßen behaupten und den oft recht schwachbrüstigen Namensgeber Marathon so ein wenig quersubventionieren. Doch nun dürfte mancher - selbst ohne die beiden Jahre zuvor, in denen es aufgrund der Absagen und Verschiebungen sowieso mehr Kosten als Einnahmen gab - langsam Budgetprobleme bekommen.

Der ohnehin zuletzt schon recht enge Markt ist jedenfalls noch deutlich enger geworden. Wenn man alle Marathons mit mehr als einhundert Läufern im Ziel betrachtet und die nicht einmal eine Handvoll noch ausstehenden Läufe in dieser Größenordnung mit einkalkuliert, kommen in dieser Saison gerade einmal etwa fünfundsiebzigtausend Ergebnisse zusammen. Vor drei Jahren waren es noch über dreißigtausend mehr.

Und in der Langzeitbetrachtung sieht das Ganze noch viel dramatischer aus. Denn als LaufReport für das Jahr 2005 erstmals Daten ermittelte, war die Gesamtsumme noch beinahe doppelt so hoch wie in der abgelaufenen Saison. Ganz hart ausgedrückt lässt sich konstatieren, dass die deutsche Marathonszene damit inzwischen wieder auf dem Ausgangstand vor dem großen Boom zu Anfang des neuen Jahrtausends gelandet ist.

Natürlich spielt dabei eine gewisse Rolle, dass einige Veranstaltungen wie Düsseldorf, Mainz oder Leipzig im Frühjahr noch komplett abgesagt wurden oder sich wie Heilbronn auf den Halbmarathon beschränkten.

Ohne den Organisatoren zu nahe treten zu wollen, muss man allerdings auch feststellen, dass es sich dabei um Läufe aus der zweiten und dritten Reihe handelt, die den Gesamtwert mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur noch um wenige tausend Sportler erhöht hätten. Herumgerissen hätten sie das Ruder jedenfalls definitiv nicht. Und selbst unter optimistischsten Annahmen für den Zuspruch bei den ausgefallenen Marathons wäre der Gesamt-Teilnehmerschwund trotzdem nicht geringer als ein Viertel ausgefallen.

Und es hätte sogar noch ein wenig schlimmer kommen können. Doch bewegt sich Berlin - der mit Abstand größte Lauf des Landes, der inzwischen fast schon die Hälfte aller Zieleinläufe produziert - mit einem Minus von einundzwanzig Prozent noch ziemlich am unteren Rand der genannten Spanne. Allerdings konnte auch der in der jüngeren Vergangenheit eigentlich stets komplett ausgebuchte Marktführer diesmal nicht alle Startnummern loswerden und notierte rund zehntausend Läufer weniger als im Rekordjahr 2019.

 


Köln ist erstmals in der nächstfolgenden Grafik der Marathons unter 3000 Zielerfassungen

Auch auf den Plätzen dahinter hat sich recht wenig getan - zumindest im Hinblick auf die Reihenfolge. Es sind die beiden üblichen Pärchen, die nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt die Ranglistenpositionen zwei und drei bzw. vier und fünf untereinander ausmachen. Nur spielten sich diese "Duelle" eben in diesem Jahr jeweils eine Größenordnung weiter unten ab.

Konnten Frankfurt und Hamburg vor Corona regelmäßig fünfstellige Teilnehmerzahlen präsentieren, kamen im Jahr 2022 nur noch knapp achttausend Läufer am Main und deutlich weniger als siebentausend an Elbe und Alster ins Ziel. Den Hessen sind damit ein Viertel, den Hanseaten sogar ein Drittel aller Starter abhandengekommen. Wobei der direkte Vergleich der Verluste ein wenig schief ist, da Frankfurt mit seinem Herbsttermin natürlich dank inzwischen eindeutig gestiegener Planungssicherheit einen gewissen Vorteil hatte.

Für das zweite Duo zieht dieses Argument aber nicht. Denn wie üblich lagen die Termine von München und Köln nur eine Woche auseinander. Und obwohl die Bayern ebenfalls gegenüber 2019 rund tausend Teilnehmer einbüßten, konnten sie sich diesmal an der Karnevalshochburg vorbei auf Rang vier der Liste vorschieben. Denn im Rheinland musste man ein Minus von rund fünfzehnhundert Zieleinläufen quittieren.

Gerade noch etwas mehr respektive etwas weniger als dreitausend Einträge umfassen die Ergebnislisten - Werte, mit denen man 2005 weit von den deutschen Top Ten entfernt gewesen wäre. Auch hier wird die Luft langsam dünn. Denn im Gegensatz zu einigen Veranstaltungen auf den Plätzen dahinter, die auf Zwei-Runden-Kursen oder eher am Stadtrand ausgetragen werden, führen die Strecken bei beiden auf einer großen Schleife durch die Stadt, was natürlich einen noch größeren Organisationsaufwand bedeutet.

Das ist allerdings auch in Hannover so. Und die Niedersachsen gehören zu den wenigen Veranstaltern, die - zumindest auf der Marathondistanz - mit einem blauen Auge aus der aktuellen Situation herauskamen. "Nur" vier Prozent Minus gegenüber 2019 lässt sich fast schon als Erfolg vermelden. Jedoch muss man dies auch gleich wieder mit einem großen "Aber" versehen. Denn die in die Veranstaltung integrierten deutschen Meisterschaften verfälschen das Ergebnis natürlich durchaus.

Mehr als vierzig Prozent seiner Marathonis hat dagegen der Rennsteiglauf verloren. Erstmals, seit LaufReport die entsprechenden Daten erhebt, hatte man damit weniger als zweitausend Läufer im Ziel. In nahezu identischen Relationen bewegen sich auch die Verluste beim Ultramarathon, der sich dem Zielort Schmiedefeld auf dem Thüringer Wanderweg aus der entgegengesetzten Richtung von Eisenach aus nähert, und beim in Oberhof gestarteten Halbmarathon. Den einzigen Landschaftslauf, der sich regelmäßig in Vorderfeld findet, hat es damit doch ziemlich gebeutelt.

Münster auf Platz acht der Größenrangliste kommt verglichen mit der Konkurrenz noch halbwegs ungerupft daher, selbst wenn man mit knapp fünfzehnhundert Marathonis nicht wirklich über den Wert des Ausnahmejahrs 2021 hinauskommt. Doch gegenüber der Auflage 2019 sind es halt ebenfalls nicht einmal vierzehn Prozent Schwund. Ein Ergebnis, nach dem sich die meisten Mitbewerber alle zehn Finger lecken würden.


Köln ist erstmals in der Grafik der Marathons unter 3000 Zielerfassungen

Damit ist die Aufzählung der vierstelligen Läufe dann allerdings auch schon abgeschlossen. So wenige Veranstaltungen oberhalb der Tausendermarke waren es in den LaufReport-Archiven noch nie. Auch hier sei noch einmal der Vergleich zu 2005 gezogen, wo stolze zweiundzwanzig deutsche Marathons diese Grenze übertrafen.

Neben dem schon erwähnten Freiburg Marathon schaffen es noch die beiden Dresdner Läufe - der Oberelbe-Marathon im Frühjahr und der Stadtmarathon im Herbst - sowie Bremen, Duisburg, Karlsruhe und der im Normalfall im Zweijahresrhythmus ausgetragene Marathon Deutsche Weinstraße, auf den seine Freunde diesmal allerdings vier Jahre warten mussten, über fünfhundert Teilnehmer.

Dreihundert Zieleinläufe übertrafen zudem nur noch Mannheim, der Brockenmarathon von Wernigerode, Regensburg, Essen, Ulm, Würzburg, Gelsenkirchen, Lübeck und Fürth. Insgesamt lagen also gerade einmal vierundzwanzig Läufe über der Marke, die noch vor nicht allzu langer Zeit intern als Grenze galt, um überhaupt in der LaufReport-Analyse aufgeführt zu werden. Drei Jahren zuvor kamen dabei auch noch neununddreißig Veranstaltungen zusammen. Und blättert man eine weitere Dekade zurück, waren es mehr als fünfzig.

Dass auch Läufe mit jahrzehntelanger Geschichte wie der Schwarzwald-Marathon in Bräunlingen, der in seinen Anfangsjahren mit zum Teil über zweitausend Teilnehmern zu den größten Marathons der Welt gehörte, oder der ebenfalls früher vierstellige Monschau-Marathon davon betroffen sind und unter dieser Marke hängen blieben, ist zwar hauptsächlich für die verbliebenen Traditionalisten besonders schmerzhaft, aber trotzdem sehr wohl erwähnenswert.

Immerhin absolvieren in der Eifel zusammen mit den etwas über zweihundert Teilnehmern beim "Genussmarathon", die mit knapp zwei Stunden Vorsprung auf den eigentlichen Lauf über die gleiche, mit etlichen Anstiegen gespickte Strecke starten, ziemlich genau fünfhundert Sportler die legendären 42,195 Kilometer. Wie man diese dann in die Statistik einlaufen lässt, ist sicher ein Anlass für Diskussionen. Übrigens sind im angelsächsischen Sprachraum solche "early starts" für die Langsameren durchaus üblich.

Der Lauf im pfälzischen Kandel, der mit seinen langen Geraden durch den Wald einst als Bestzeiten-Garant galt, gehört ebenfalls in diese Liste. Und der älteste noch bestehende deutsche Marathon am Essener Baldeneysee liegt zwar mit 401 Läufern im Ziel über der Dreihundertermarke. Doch ist die Abwärtsbewegung weiterhin nicht gestoppt. Gerade die traditionsreichen naturnahen Veranstaltungen im Grünen scheinen langsam zwischen den Stadtmarathons, bei denen es für viele gar nicht genug Party geben kann, und den sich mit Höhenmetern überbietenden Trailrennen regelrecht zerrieben zu werden.

Nach längerer Abwärtstendenz schien es zuletzt allerdings doch so, dass sich die deutsche Marathonszene ein wenig konsolidiert und auf einem gewissen Niveau - nämlich jene ominösen einhunderttausend Zieleinläufe insgesamt - eingependelt hätte. Verschiebungen ergaben dabei eher durch eine Teilnehmerbewegungen weg von den Kleinen und hin zu den Großen.

Der Rückschlag durch und nach Corona hat viele Veranstalter nun allerdings noch weiter zurückgeworfen. Von der Euphorie der frühen Nuller-Jahre, die jede Saison mehrere neue Großveranstaltungen hervorbrachte, ist wenig übriggeblieben. Für viele Läufe geht es inzwischen vielmehr darum, ob man überhaupt noch irgendwie weiter machen kann.

Zwar haben nahezu alle Marathons ihre Termine für 2023 bereits wieder festgezurrt. Und in diesem Jahr ausgefallene Läufe wie Mainz oder Leipzig verkünden ihre Rückkehr in den Kalender. Heilbronn und Bonn, wo es 2022 jeweils nur einen Halbmarathon gab, wollen wieder einen Marathon anbieten.

Doch hinter vorgehaltener Hand machen durchaus auch Gerüchte die Runde, dass der eine oder andere sehr wohl inzwischen ins Grübeln gekommen ist, ob sich der enorme Aufwand überhaupt lohnt, das eigene ständig finanziell, personell und logistisch auf Kante genähte Rennen in dieser Form weiter fortzusetzen.

Gerade für Läufe im hinteren Mittelfeld der Rangliste dürfe zudem durchaus irgendwann auch von Öffentlichkeit und Behörden die Frage aufkommen, wie viel Sinn es noch hat, eine Stadt für wenige hundert Marathonis viele weitere Stunden weitgehend lahm zu legen, wenn man nach dem Halbmarathon doch eigentlich Schluss machen und alles wieder frei geben könnte.

Der Werbeeffekt für Stadt und Region, den man sich durch einen Marathon erhofft und anfangs vielleicht sogar tatsächlich erreicht hatte, ist ohnehin in den letzten Jahren weitgehend verpufft. Von den meisten mittelgroßen Läufen nimmt man jenseits des eigenen Dunstkreises nur noch wenig Notiz.

Und selbst wenn es momentan überhaupt nicht danach aussieht, ist man zudem nicht hundertprozentig davor gefeit, demnächst doch wieder strengeren Corona-Bestimmungen zu unterliegen. Eventualitäten, auf die man sich zumindest einstellen muss. Die ohnehin bestimmt nicht leichte Aufgabe einen großen Marathon zu organisieren, ist in den letzten zweieinhalb Jahren eindeutig noch komplexer geworden.

Ob wirklich alle jetzt angekündigten Marathons im nächsten Jahr tatsächlich stattfinden oder nicht doch einige Veranstalter aufgrund mangelnder Sponsoren, geringer Meldezahlen oder behördlicher Auflagen die Notbremse ziehen, wird man sehen. Doch vielleicht geht es ja doch wieder aufwärts und die Teilnehmerzahlen kehren in jene Regionen zurück, in denen sie waren, bevor ein winziges Virus die Welt durcheinander wirbelte.

Für den neutralen Beobachter wird das Verfolgen der Entwicklung sicher noch wesentlich spannender als in der Vergangenheit. Auf einem ganz anderen Blatt steht allerdings, ob man aktuell wirklich Organisator eines Marathons sein möchte.

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken/Foto Constanze Wagner 

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2022

Teil 4: Halbmarathon kontra Marathon

Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Nachdem die Felder bei den meisten Marathons, die um die Jahrtausendwende und in den Jahren danach mit großen Anfangserfolgen die Bühne betreten hatten, schon nach wenigen Austragungen wieder deutlich zu schrumpfen begannen, galt für viele Veranstalter ein angeschlossener Halbmarathon als Rettungsanker. Mit ihm konnte man - die für die Sponsoren und lokale Presse recht wichtige - Gesamtteilnehmerzahl oben halten und mit den anfallenden Startgeldern die bestehenden Kosten abfedern.

Hatten sie es nicht ohnehin schon von Beginn an im Angebot, erweiterten nach und nach nahezu alle Organisatoren ihr Programm um ein Rennen über einundzwanzig Kilometer. Unter den größten deutschen Marathons gibt es kaum noch eine Handvoll, bei denen man nicht auch über die Halbdistanz antreten könnte.

Und abgesehen vom Platzhirsch Berlin haben diese dann andere Unterdistanzen zur Auswahl. In Frankfurt ist es eine Viererstaffel, mit der man sich die Strecke aufteilen kann. Ähnliches gibt es auch in Münster, wo man in diesem Jahr zudem erstmals auch ein Rennen über achtundzwanzig Kilometer und damit zwei Drittel eines Marathons in die Palette aufgenommen hatte.

Während es beim westfälischen Nachbarn für den Halbmarathon ein paar Kilometer zu viel sind, hat man am Baldeneysee in Essen einige zu wenig. Da der Zwei-Runden-Kurs auf einer der beiden Schleifen mit einem längeren Wendepunktabschnitt auf die nötige Distanz gebracht wird, kommen bei einmaliger Umrundung des Ruhr-Stausees nur 16,7 Kilometer zusammen.

Und als letztes sei noch der Monschau Marathon erwähnt, der längst ebenfalls eine Staffel ergänzt hat. Zusätzlich wurde das Programm allerdings auch in die andere Richtung erweitert. Inzwischen gibt es in der Eifel nämlich sogar zwei verschiedene Ultradistanzen über siebzig und sechsundfünfzig Kilometer, die mit insgesamt mehr als hundert Teilnehmern dem traditionellen Hauptlauf den einen oder anderen Starter entziehen.

Das ist jedoch bei den Läufen mit angeschlossenem Halbmarathon weit extremer. Denn praktisch überall ist dieser längst dominierend und der Marathon eigentlich nur noch das Rahmenprogramm. Vier- fünf, sechs- oder gar siebenmal so groß sind dort die Starterfelder. Überall hat die vermeintliche Problemlösung Halbmarathon die notleidende Königsstrecke nur noch weiter geschwächt. Und einen Ausweg aus diesem Dilemma hat bisher noch kein Veranstalter gefunden.

20 Marathonveranstaltungen mit mehr als 300 Finishern haben zudem einen Halbmarathon im Programm. Die y-Achse zeigt das Verhältnis der Halbmarathonfinisher zu den Marathonfinishern an. Die x-Achse ist nach der Größe der Abweichung sortiert, angeführt von Ulm, wo der Halbmarathon fast siebenmal so viele Finisher hat wie der Marathon.

Hamburg, wo man vor einigen Jahren ebenfalls einen Einundzwanziger hinzunahm, scheint auf den ersten Blick eine Ausnahme darzustellen. Denn hier ist der Marathon auch weiterhin mehr als doppelt so stark. Nur haben die Hanseaten zumindest ein wenig aus den Erfahrungen der Konkurrenz gelernt und deswegen die Zahl der Anmeldungen auf der kürzeren Strecke gedeckelt. Mehr als "ausgebucht" geht dann eben nicht.

Der zweite Marathon, der sich noch knapp gegen den "kleinen Bruder" behaupten kann, ist der Lauf von Wernigerode über den Brocken und zurück. Hier beträgt die Feldstärke des Halben seit Jahren konstant zwischen achtzig und neunzig Prozent der Zahl der Sportler, die auf die lange Strecke gehen.

Mit einer Teilnehmerbegrenzung hat dies allerdings nichts zu tun. Es scheint eher der Reiz der Überquerung des höchsten Berges im Norden Deutschlands zu sein, die dafür sorgt. Interessanterweise sind in Wernigerode sogar vielmehr die Meldungen über die lange Strecke auf tausend Sportler limitiert - allerdings von den Behörden, da Teile der Strecke durch den Nationalpark Harz verlaufen. Doch war man zuletzt weit davon entfernt, überhaupt in den Bereich dieser Obergrenze zu kommen.

Am anderen Ende der Skala kommt in Ulm gegenüber den echten Marathonis beinahe die siebenfache Zahl von Halbdistanzlern ins Ziel. Neu ist dies keineswegs. Auch in der Vergangenheit ergaben sich bei den Schwaben meist relativ hohe Werte. Allerdings dürften die deutschen Halbmarathonmeisterschaften ihn 2022 sicher nicht nach unten gedrückt haben.

Ein anderer Lauf, der sich sonst in ähnlichen Bereichen bewegte - nämlich Heilbronn - verzichtete diesmal komplett auf den Marathon, so dass sich kein Quotient ermitteln lässt. Und mit Mainz zog ein weiterer Kandidat für extrem ungleiche Verhältnisse zwischen beiden Distanzen auch in diesem Jahr - und damit zum dritten Mal in Folge - komplett zurück.

Zwei andere Läufe, die bei der letzten Auswertung 2019 mit Werten von fast eins zu sieben bzw. sogar knapp eins zu acht "glänzten" - nämlich Regensburg und Freiburg - drückten ihre Werte erheblich. Denn im Gegensatz zum mit deutlichen Teilnehmerrückgängen aufwartenden Halbmarathon hatten beide im Marathon ein Plus zu vermelden. Trotzdem haben insbesondere die Südbadener immer noch eine der höchsten Relationen.

Denn auch bei etlichen anderen Rennen gab es zwar nicht in absoluten, aber zumindest in relativen Zahlen eine gewisse Verschiebung zur längeren Distanz. Die Zieleinläufe beim Einundzwanziger stürzten vielerorts nämlich noch viel stärker ab als beim großen Bruder. Tiefrot erscheint die Bilanz. Kaum ein Lauf kam auch nur in die Nähe seiner Größe vor Corona.

Viele der größten Halbmarathons sind in eine Marathonveranstaltung integriert. Von den 26 Halbmarathons mit über 1.300 Finishern, sind 15 an einen Marathon angedockt (rote Balken). In die Top10 kamen 2 Läufe ohne Marathon (blaue Balken). Da alle aufgeführten Läufe im Vergleich zu 2019 Finisher verloren haben, erübrigt sich die Kennzeichnung mit einem Plus- oder Minuszeichen.

Deutsche Weinstraße Marathon Vergleich HM mit 2018.

Von allen ausgewerteten Halbmarathons - egal ob separat oder im Rahmen eines Marathons ausgetragen - steht der Fränkische-Schweiz-Marathon in Ebermannstadt mit einem minimalen Plus von sechs Prozent und einem Sprung von 512 auf 545 Sportler noch am besten da. Aber auch hier werden die Werte höchstwahrscheinlich wieder durch ein Meisterschaftsrennen noch etwas aufgehübscht. Denn die Bayern ermittelten auf der Pendelstrecke mit zwei Wendepunkten und Start und Ziel in der Mitte ihre Titelträger.

Beim Hamburg Marathon ist die Ziffer die gleiche, das Vorzeichen aber ein anderes als in Franken. Doch sind diese minus sechs Prozent wegen der schon erwähnten Deckelung der Anmeldung nicht wirklich aussagekräftig und spiegeln das eigentlich bei potentiellen Teilnehmern vorhandene oder eben auch nicht vorhandene Interesse am Rennen kaum wahrheitsgemäß wider.

Nur knapp drei Prozent lautet das Minus in Fürth, wo man beim Marathon sogar etwas zulegen konnte und somit insgesamt ein wenig aus dem ansonsten ziemlich trostlosen Rahmen fällt. Von den mehr als sechzig deutschen Halbmarathon mit über fünfhundert Teilnehmern im Jahr 2022 kann ansonsten nur der Müggelseelauf in Berlin mit sieben Prozent Verlust ein einstelliges Minus vermelden.

Allen anderen kommen die Läufer dann schon im zweistelligen Bereich abhanden. Dreißig oder vierzig Prozent Schwund sind keine Ausnahme sondern vielmehr die Regel. Manche Rennen wie z.B. der Stuttgart-Lauf werden verglichen mit den Vor-Corona-Jahren sogar regelrecht halbiert. Damit fällt die Hauptstadt Baden-Württembergs auch aus der Liste der größten zehn deutschen Halbmarathons heraus und auf Platz elf zurück.

Da Ulm und Karlsruhe auf Rang neun und zehn vorbei gezogen sind, ist man damit nun nur noch die Nummer vier im Ländle. Mit Mannheim, Heilbronn und Heidelberg gibt es aktuell zudem weitere drei Rennen aus dem Südwesten unter den größten zwanzig. Und es könnte durchaus sein, dass der noch ausstehende Nikolauslauf in Tübingen es ebenfalls in diese Regionen schafft, um die baden-württembergische Dominanz damit nur noch stärker auszubauen.

Selbst mit einem Rückgang von einem Drittel gegenüber 2019 wäre man nämlich locker dabei. Und würde der Lauf in der Universitätsstadt die Werte von vor drei Jahren auch nur annähernd erreichen, wäre sogar ein Sprung von Platz vierundzwanzig unter die Top Ten drin. Denn selten war der Einstiegswert dafür so niedrig.

Aktuell würde es schließlich ausreichen, die 2663 Läufer von Karlsruhe zu überbieten. Vor drei Jahren hatte Stuttgart auf Rang zehn noch 5248 - also ziemlich genau doppelt so viele - zu vermelden. Und statt neunundfünfzig Veranstaltungen wie 2019 schaffen es diesmal nur noch achtunddreißig Halbmarathons in den vierstelligen Bereich.

Letzter davon ist mit einer genauen Punktlandung von eintausend Zieleinläufen der im Rahmen des Berliner Fünfundzwanzigers ausgetragene Lauf. Eine eigentlich recht seltsame Konstellation. Denn wer einundzwanzig Kilometer schafft, sollte eigentlich auch noch vier weitere irgendwie bewältigen können. Doch nicht nur bei den Marathons, auch bei anderen Rennen haben die Veranstalter bereits in der Vergangenheit nach fast jedem Strohhalm gegriffen, um ihre Rückgänge irgendwie abzufedern.

Der größte Halbmarathon des Landes wird ebenfalls in der deutschen Hauptstadt ausgetragen. Die vom gleichen Veranstalter wie beim Berlin Marathon organisierte Schwesterveranstaltung im April bringt immerhin mehr als zweiundzwanzigtausend Sportler auf die Beine. Vor drei Jahren waren es allerdings noch über sechstausend mehr. Interessant ist, dass man dadurch mit einem Minus von knappen zweiundzwanzig Prozent bis auf wenige Zehntelprozentpunkte die gleiche Schwundrate hat wie der große Bruder.

Noch ist die Berliner Dominanz im Halbmarathon nicht ganz so groß wie auf der langen Strecke. Doch öffnet sich auch hier die Lücke dahinter immer weiter. Denn der gemeinsam mit dem Marathon ausgetragen Halbe von Köln verliert mit mehr als viertausend Läufern relativ gesehen deutlich stärker und sackt von zuletzt fast zwölftausend Sportlern klar aus der Fünfstelligkeit heraus. Der Marktführer von der Spree ist damit nun mehr als dreimal so groß wie der erste "Verfolger".

Als letzter anderer verbliebener reiner Halbmarathon im absoluten Vorderfeld rutscht der Juni-Lauf von Hamburg trotz Teilnehmereinbußen von fast zwanzig Prozent in der Auflistung einen Platz nach oben. Mit sechseinhalbtausend Sportlern schlägt man die lokale Konkurrenz, die zwei Monate zuvor eine ganz ähnliche Strecke nutzt, klar. Doch auch der Halbe im Rahmenprogramm des Marathons schafft es bis auf Platz acht und springt damit volle fünfzehn Positionen nach oben.

Mit München und Hannover folgen zwei Veranstaltungen auf vier und fünf, die sich auch mit ihren jeweiligen Marathons in ähnlichen Ranglistenbereichen bewegen. Beim Sechsten aus Freiburg ist man mit dem Halbmarathon dagegen auch diesmal etwas besser platziert als mit der namensgebenden doppelt so langen Distanz. Da den Südbadenern aber gegenüber 2019 mehr als ein Fünftel aller Läufer abhandenkommt, landen sie jedoch unter der Marke von fünftausend Zieleinläufen.

Und während es vor drei Jahren noch vierzehn Halbmarathons waren, die zumindest viertausend Teilnehmer registrieren konnten, ist der Rennsteiglauf diesmal auf Position sieben die letzte Veranstaltung, die eine vier an die erste Stelle der hinteren Ergebnislisteneinträge notieren darf. Selbst diese Grenze überspringt man im Thüringer Wald nur knapp. Mit einem Minus von fast vierzig Prozent - und das zudem noch auf allen angebotenen Distanzen - hat es den Traditionslauf aber auch besonders hart getroffen.

Einerseits entspricht dies zwar durchaus noch den deutschlandweiten Gesamtverlusten im Halbmarathonbereich, andererseits findet man sich damit bereits durchaus im unteren Teil des Tableaus wieder. Denn in den absoluten Schwund gehen natürlich auch die komplett ausgefallenen Marathonveranstaltungen in Mainz, Düsseldorf, Leipzig und Koblenz sowie der ebenfalls abgesagte Frühjahrshalbmarathon in Frankfurt ein, durch die schon alleine fast zwanzigtausend Läufer fehlen.

Den nur in ungeraden Jahren stattfindenden Welterbe-Lauf von Bamberg kann zudem der nur in geraden Jahren stattfindende Marathon an der Weistraße mit seinem Einundzwanziger nicht einmal zur Hälfte ersetzen. Insgesamt sind es sogar mehr als ein Dutzend noch vor drei Jahren mit Teilnehmerzahlen oberhalb von fünfhundert erfassten Veranstaltungen, die 2022 mit einer glatten Null in die Bilanz einlaufen. Und bei der Durchsicht sind darunter einige Namen, die höchstwahrscheinlich in Zukunft gar nicht mehr auftauchen werden.

Doch egal, ob man die Gesamtsummen betrachtet oder bei jeder einzelnen Veranstaltung, die beide Strecken im Angebot hat, die Zahlen direkt miteinander vergleicht, die Verluste beim Halbmarathon sind wie schon erwähnt in der Regel gegenüber 2019 noch etwas heftiger als im ebenfalls ziemlich geschwächten Marathonbereich.

Dass sich im Gegensatz zum Marathon über die einundzwanzig Kilometer verstärkt auch Freizeit- und Gelegenheitsläufer tummeln, von denen während der Corona-Phase etliche den Kontakt zur Wettkampfszene endgültig verloren haben, ist natürlich nur eine vage Vermutung, die sich einzig und allein über eine umfangreiche sportsoziologische Untersuchung belegen ließe. Auffällig sind die Zahlenwerte aber definitiv.

Es besteht wohl durchaus die Hoffnung, dass durch den Wiedereinstieg der meisten im Jahr 2022 ausgefallenen Rennen die Zahlen insgesamt etwas nach oben gehen. Ob und wie allerdings die einzelnen Veranstaltungen ihren arg geschrumpften Halbmarathonfeldern wieder neue Läufer zuführen können, bleibt die große Frage. Und wenn man zudem noch einen Marathon startet, muss dieser ja in der aktuellen Situation ebenfalls gestärkt und nicht weiter geschwächt werden.

Nur mit Änderungen an kleinen Stellschrauben und ein paar neuen Ideen werden sich die einzelnen Organisatoren sicherlich kaum aus ihrer misslichen Lage befreien können. Es handelt sich schließlich um ein allgemeines Problem, das die gesamte Laufszene betrifft. Und wer ein wenig über den Tellerrand hinausblickt, erkennt zudem, dass es auch bei praktisch allen anderen Sportarten immer weniger Aktive im Wettkampfbetrieb gibt.

Zudem haben die meisten Veranstalter bereits in der Vergangenheit alles Mögliche versucht, zusätzliche Interessenten für ihre Rennen anzulocken - in der Regel vergeblich. Eventuell muss man tatsächlich anerkennen, dass der Markt in der Vergangenheit - nicht zuletzt durch äußere Einflüsse wie die berühmt-berüchtigte Fernsehdokumentation "Von 0 auf 42" - einfach überdehnt war und man nun auf dessen eigentliches aktuelles Potential zurückgefallen ist.

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken/Foto Constanze Wagner 

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2022

Teil 5: Die Schnellsten & die Besten

Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Schnellste deutsche Marathons - relativ zum Weltrekord

Grundlage der Bewertung sind die Siegerzeiten, die zum Männer- bzw. Frauenweltrekord ins Verhältnis gesetzt werden (Eliud Kipchoge 2:01:09 und Brigid Kosgei - 2:14:04). Aus der Summe der aus den prozentualen Abweichungen ermittelten Faktoren ergibt sich der Rang. Der relativ schnellste Marathon hat nach dieser Methode dann die niedrigste Summe.

* In der Betrachtung sind zu den Marathons mit mindestens 300 Finishern einige aufgrund der persönlichen Leistungen (Männer unter 2:30 h / Frauen unter 2:55 h) hinzugekommen.

Die Grafik endet beim Gesamtfaktor 69,62 (24 Stück), weitere in folgender Tabelle:
Ort Männersieger Zeit Frauensiegerin Zeit
Faktor ges.
Berlin Eliud Kipchoge 2:01:09 Tigist Assefa 2:15:37
1,16
Hamburg Cybrian Kotut 2:04:47 Yalemzerf Yehualaw
2:17:23
5,47
Frankfurt/M Brimin Kipkorir Misoi 2:06:11 Selly Chepyego Kaptich 2:23:11
10,95
Hannover Hendrik Pfeiffer 2:10:59 Agnes Keino 2:23:26
12,20
Münster Workneh Fikire Serbessa 2:10:11 Lilian Jelagat
2:27:39
17,59
München Philimon Kiptoo Kipchumba 2:07:28 Domenika Mayer
2:26:50
17,64
Dresden Stadt Wilfred Kiptoo 2:15:12 Teclah Chebet 2:30:30
23,85
Köln Tobias Blum 2:16:25 Sabine Burgdorf
2:40:40
32,44
Kassel * (197 Fin) Patrick Ereng 2:19:50 Mercy Jeptoo Tuitoek
2:37:36
32,98
Freiburg Fritz Koch 2:25:44 Stefanie Doll 2:40:32
40,03
Essen Tobias Singer 2:20:28 Hanna Tempelhagen
2:52:24
44,54
Lübeck Lars Schwalm 2:18:17 Saskia Prehn
3:01:05
49,21
Regensburg Tim Ramdane Cherif 2:24:40 Sabrina Prager 2:56:45
51,25
Mannheim Simon Stützel 2:28:41 Merle Brunnée
2:57:18
54,97
Würzburg Martin Ackermann 2:34:20 Friederike Schoppe
2:51:07
55,03
Kandel * (260 Fin) Lennart Nies 2:28:30 Margit Klockner 2:59:03
56,13
Gelsenkirchen Elias Sansar 2:31:11 Angela Moesch
3:02:55
61,23
Ulm Marius Stang 2:33:22 Marie Kreft
3:01:38
62,07
Schwarzwald * (232 Fin) Andreas Leppert 2:48:17 Stefanie Doll
2:45:27
62,31
Ermstal * (76 Fin) Simon Stützel 2:27:40 Katrin Ochs 3:10:26
63,93
Karlsruhe Simon Stützel 2:25:32 Sabrina Roth
3:14:23
65,12
Duisburg Christoph Heesen 2:43:09 Katharina Wehr
2:57:51
67,33
Usedom * (161 Fin) Stefan Hendtke 2:28:22 Katja Voigtmann 3:15:56
68,61
Rennsteiglauf
Ruedi Becker 2:39:01 Anna Hahner
3:05:30
69,62
Deutsche Weinstraße Simon Stützel 2:26:54 Melanie Schröter
3:24:23
73,70
Fürth Oliver Tzschoppe 2:42:37 Tabea Haug 3:11:50
77,32
Bremen Lennard Peters 2:30:13   Brigitte Bülow
3:26:12
77,80
Dresden Oberelbe Sirko Kamusella 2:40:21 Janine Molnar
3:19:25
81,10
Brocken Thomas Kühlmann 2:47:42 Florentine Beese 3:26:52
92,72
Monschau Andre Collet
2:51:39 Hendrike Hatzmann
3:36:20
103,05
* In der Betrachtung sind zu den Marathons mit mindestens 300 Finishern einige aufgrund der besonderen Leistungen (Männer unter 2:30 h / Frauen unter 2:55 h) hinzugekommen.

Ein Weltrekord von 2:01:09 durch Eliud Kipchoge bei den Herren, eine Weltjahresbestzeit von 2:15:37 durch Tigist Assefa bei den Frauen. Kein Wunder, dass die Organisatoren des Berlin Marathons nach dem Rennen ein breites Grinsen im Gesicht hatten. Wieder einmal hatten sie ihren Lauf weltweit in den Schlagzeilen.

Und selbst wenn Ruth Chepngetich zwei Wochen später in Chicago eine 2:14:18 nachlegte und damit die drei Jahre zuvor an gleicher Stelle von Brigid Kosgei aufgestellte Bestmarke nur um vierzehn Sekunde verpasste, bleiben am Ende des Jahres 2022 Platz eins der Männer- und Platz zwei der Frauenrangliste in der deutschen Hauptstadt hängen. Wieder einmal hatte Berlin den Ruf bestätigt, die schnellste Strecke der Welt - und damit natürlich auch im eigenen Land - zu besitzen.

Ein wenig zu einfach sind solche Schlüsse dann aber vielleicht doch. Schließlich ergeben Einzelresultate noch lange kein Gesamtbild. Auch wenn im weiblichen Bereich tatsächlich drei der besten zehn Zeiten des Jahres vom Berliner Asphalt stammen, muss man bei den Herren aktuell - noch stehen ja bekannt schnelle Rennen wie Valencia aus - zum Beispiel schon bis Ranglistenposition sechsundvierzig blättern, um mit Mark Korir in 2:05:58 überhaupt den Zweiten des Rennens an der Spree zu entdecken.

Bis dahin hat man jedoch alleine neunmal "Amsterdam", fünfmal "London" sowie je viermal "Tokyo", "Rotterdam" und "Sevilla" gelesen. Und auch für Hamburg, wo der Kenianer Cybrian Kotut in 2:04:47 mit einer Sekunde Vorsprung vor Stephen Kissa aus Unganda gewann, sind vier Einträge zu entdecken. Erst der Vierzehnte des - mehr als fünfmal so großen - Berlin Marathons ist dann wieder schneller als sein entsprechendes Gegenstück aus der Hansestadt.

Objektiv betrachtet ist die Berliner Strecke nämlich weder hinsichtlich ihres Höhenprofils noch bezüglich ihres Untergrundes wirklich herausragend. Zwar ist sie definitiv flacher als die amerikanischen Klassiker in Boston oder New York. Doch die meisten der oben genannten - und noch einige andere - Läufe bieten ähnlich wenige oder sogar noch weniger Höhenmeter als die deutsche Hauptstadt. Auch im eigenen Land gibt es durchaus vergleichbare Kurse.

Vieles an der Berliner Rekordflut hat wohl eher ein bisschen etwas von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Eben weil das Pflaster an der Spree als so extrem schnell gilt, kann man immer wieder die weltbesten Marathonläufer an den Start bringen. Durchaus wichtig ist dabei, dass dafür auch das nötige Budget vorhanden ist. Denn ein Kurs kann noch so rekordverdächtig sein, wenn man als Veranstalter nicht die nötigen finanziellen Mittel hat, lassen sich die absoluten Eliteläufer eben nicht anlocken.

Ein weiterer Aspekt, der zumindest im internationalen Vergleich für Berlin spricht, ist der durchorchestrierte Einsatz von Tempomachern. Hierzulande werden diese schließlich gerne und häufig eingesetzt, während die sogenannten Hasen im angelsächsischen Raum eher verpönt sind. Dort strebt man oft weniger Rekorde als vielmehr spannende Rennen an. In London, Boston und New York gibt es sogar einen separaten Frauenstart, der die anderswo absolut üblichen Schrittmacherdienste durch Männer verhindert.

Umgekehrt besteht die Spannung in Berlin meist nicht darin, wer denn nun als Erster den Zielstrich überquert. Es geht vor allem darum, in welcher Zeit dies gelingt. Insbesondere bei den Männern setzt man schon rund zwei Jahrzehnte in der Regel auf einen einzelnen absoluten Superstar. Neben Eliud Kipchoge könnte man da zum Beispiel noch Haile Gebrselassie, Kenenisa Bekele, Paul Tergat oder Wilson Kipsang nennen. Auf diesen und eine möglichst gute Endzeit durch ihn wird das Rennen dann entsprechend zugeschnitten.

Ein wenig spöttisch könnte man angesichts des allgemein eher schlechten Rufes der Hauptstadt sagen, dass der Marathon auch und gerade in dieser Hinsicht zu den am besten organisierten Dingen in Berlin gehört. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet seine zeitgleiche Austragung mit der Wahl im letzten Jahr gerne als Ausrede für deren chaotischen Verlauf und ihre nun per Gericht angeordnete Wiederholung hervorgeholt wird.

Hinsichtlich der Siegerzeiten hat Berlin jedenfalls auch international knapp die Nase vorn. Doch ist neben Chicago, wo bei den Herren Benson Kipruto in 2:04:24 siegte, auch Tokyo (ebenfalls Eliud Kipchoge in 2:02:40 und Brigid Kosgei 2:16:02) nicht allzu weit entfernt. London, wo mit Amos Kipruto (2:04:39) und Yalemzerf Yehualaw, (2:17:26) ebenfalls noch beide Sieger in den Top Ten der jeweiligen Weltrangliste auftauchen, gehört wie die drei übrigen zum elitären Sechserklub der Marathon Majors.

Die übrigen beiden Rennen - nämlich Boston und New York - sind dagegen nicht zuletzt aufgrund der welligeren Streckenprofile weit von den vorderen Weltranglistenplätzen entfernt. Dafür taucht dort allerdings im Moment bei beiden Geschlechtern noch Hamburg auf. Denn die in London siegreiche Äthiopierin Yalemzerf Yehualaw lief an der Alster mit 2:17:23 sogar noch ein wenig schneller.

Ein solcher Doppelsieg ist eine ansonsten nahezu unmögliche Kombination. Im Regelfall finden die beiden Läufe schließlich im April kurz nacheinander - oder manchmal wie zum Beispiel im nächsten Jahr sogar am gleichen Tag - statt. Diesmal war man in der britischen Metropole jedoch wegen Corona aus dem Frühjahr in den Herbst gewechselt und hatte sich zwischen Berlin und Chicago positioniert.

Wenigstens bezüglich der Siegerzeiten lag der Hamburg Marathon damit klar vor seinem "Dauerrivalen" aus Frankfurt, mit dem man sich nun schon seit über einem Jahrzehnt um die zweite Position hinter den weit enteilten Hauptstädtern streitet. Umgekehrt hatten die Hessen nämlich diesmal hinsichtlich der Teilnehmerzahlen einen deutlichen Vorsprung gegenüber den Hanseaten.

Mit 2:06:11 durch Brimin Kipkorir Misoi und 2:23:11 durch Selly Chepyego Kaptich gab es in der Mainmetropole jedenfalls ganz ordentliche, im internationalen Vergleich jedoch kaum noch bemerkenswerte Siegerzeiten. Denn diese reichen inzwischen nur noch zu Weltranglistenpositionen deutlich jenseits der ersten Fünfzig. Immerhin liefen in diesem Jahr bisher bereits achtzehn Herren unter 2:05 und dreißig Frauen unter 2:20. Und insbesondere in Asien und am Mittelmehr stehen noch einige wichtigere Marathons aus.

Auch der nationale Platz vier ist leicht zu ermitteln. Denn weiterhin sortieren sich Frauen- und Männerzeiten in genau identischer Reihung. Wobei in München diese mit den 2:07:28 von Philimon Kiptoo Kipchumba und 2:23:26 von Agnes Keino keineswegs allzu weit von den Ergebnissen aus Frankfurt entfernt sind. Noch viel beachtenswerter daran ist allerdings, dass die Bayern mit einer langjährigen Praxis gebrochen haben, auf die Verpflichtung schneller Afrikaner komplett zu verzichten.

Stattdessen hatte man auf einheimische oder zumindest aus den angrenzenden Nachbarländern kommende Athleten gesetzt, die in der Regel dann zehn, fünfzehn oder im Frauenbereich auch einmal zwanzig Minuten langsamere Ergebnisse ablieferten. Dass man diese am liebsten auch deutschsprachige Sieger dann als "local heroes" vermarktete, entbehrt nicht einer leichten, wenn bestimmt auch völlig ungewollten Komik.

In Köln ist man dagegen zuletzt den genau umgekehrten Weg gegangen. Und landet mit Tobias Blum (2:16:25) und Sabine Burgdorf (2:40:40) genau in jenem Zeitenbereich, in dem sich die Bayern lange aufhielten. Da wird in Münster (Workneh Fikire Serbessa, 2:10:11, Lilian Jelagat 2:27:39) und Dresden (Wilfred Kiptoo, 2:15:12, Teclah Chebet, 2:30:30) deutlich schneller gelaufen. Und auch Hannover bietet bessere Zeiten an.

Von den neuen deutschen Meistern Hendrik Pfeiffer (2:10:59) und Domenika Mayer (2:26:50) gibt es dort auch die besten Siegerzeiten durch deutsche Sportler. Zumindest gilt diese Aussage für die Stadtmarathons. Denn die 2:10:21 mit denen Richard Ringer Mitte August in München überraschend den Europameistertitel gewann sind noch einige Sekunden schneller.

Dahinter folgt Sebastian Hendel in der nationalen Rangliste, für den bei seinem Marathondebüt in der bayrischen Metropole als Gesamtvierter eine 2:10:37 gestoppt wurde. - allerdings im Olympiastadion und beim Stadtmarathon im Oktober. Damit war er genau zwei Sekunden schneller als Amanal Petros, der ebenfalls als Vierter in München ins Ziel kam. Das alles ist jedoch viel weniger unsinnig, als es sich im ersten Moment anhört. Schließlich handelte es sich dabei wieder um das Ziel der Europameisterschaften am Odeonsplatz im Zentrum der Metropole.

Wenn es um die absolut beste deutsche Zeit des Jahres geht, wird die Sachlage dann jedoch etwas schwierig. Denn der DLV nennt jene 2:09:06, die Haftom Welday als Elfter des Berlin Marathons erzielte, als aktuelle Jahresbestmarke. Auf der Bestenliste des Weltverbands wird der erst im laufenden Jahr eingebürgerte Hamburger mit seiner Berliner Zeit allerdings noch unter "Eritrea" geführt. Eventuell muss man sich hinsichtlich der Unterschiede zwischen Staatsbürgerschaft und internationalem Startrecht dazu sogar ein wenig ins Kleingedruckte des Regelwerkes einlesen.

Insgesamt fünfundzwanzig bzw. sechsundzwanzig Mal unterboten deutsche Herren in diesem Jahr die 2:20. Damit liegt man deutlich besser als noch vor ein oder zwei Dekaden, als jedes einzelne Ergebnis in dieser Kategorie zumindest der Fachpresse eine entsprechende Meldung wert war. Schließlich gab es in manchen Jahren nicht mehr als eine Handvoll von ihnen. In Europa gehört Deutschland inzwischen auch wieder zu den Ländern mit der höchsten Leistungsdichte.

Doch nicht nur verglichen mit den Marathongroßmächten Kenia und Äthiopien, von denen jährlich mehrere hundert Leistungen in diesem Bereich erzielt werden, sieht die Sache dann schon wieder ganz anders aus. Und auch im marathonverrückten Japan gibt es in dieser Hinsicht eine ganz andere Breite. Dort laufen nämlich tatsächlich fast exakt zehnmal so viele Männer unter 2:20 wie in Deutschland.

Gleich viermal steht alleine Hendrik Pfeiffer in dieser Liste. Denn neben seinem Titelgewinn in Hannover konnte er in Frankfurt 2:11:28, in Köln 2:16:26 und bei der EM 2:16:04 erzielen. Und nur eine Woche nach Frankfurt lief er auch noch in New York, wo man ihm einen Platz im Elitefeld verweigert hatte und er aus dem Block der "Amateure" starten musste, eine 2:22:45.

Mit dieser Abfolge von Rennen erinnert er fast an Kjell-Erik Stâhl und Doug Kurtis, die Haudegen der Achtzigerjahre, die beide während ihrer Karriere über siebzig Mal unter 2:20 blieben. Inzwischen sind die beiden alten Helden aber vom noch aktiven Japaner Yuki Kawauchi klar überholt worden, der die Marke bereits mehr als einhundertmal geknackt hat. Doch 2022 hielt sich der in seiner Heimat längst absoluten Kultstatus genießende Mann aus Fernost eher zurück. Und so taucht Hendrik Pfeiffer sogar häufiger in der Weltbestenliste auf als er.

Bei den Damen liegen gleich zwei Athletinnen aus der Regensburger Läuferhochburg in Front. Neben Domenica Mayer in Hannover kam auch Miriam Dattke in Sevilla unter 2:27 ins Ziel. Doch auch hier gibt es wieder Diskrepanzen zwischen der deutschen und der internationalen Bestenliste. Der Weltverband nennt eine 2:26:50 für Dattke, was eine gemeinsame Führung mit der Teamkollegin bedeuten würde.

Für den DLV ist sie allerdings mit 2:26:45 die alleinige Jahresbeste. Denn tatsächlich wird in den Ergebnissen des Sevilla Marathons eine Differenz von fünf Sekunden zwischen Brutto- und Nettozeit ausgewiesen. Was im ersten Moment für eine am Ende auf Platz elf landende Spitzenläuferin kaum plausibel erscheint, wird angesichts der Bilder vom leicht chaotischen Startgedränge in der andalusischen Metropole auf einmal doch nachvollziehbar.

Dattke und Mayer sind zudem noch ein weiteres Mal mit Zeiten unter zweieinhalb Stunden genannt. Mit 2:28:52 (Dattke) und 2:29:21 (Mayer) liefen die beiden als Vierte und Sechste bei den Europameisterschaften in München knapp an Einzelmedaillen vorbei, sicherten sich aber mit den Zwillingen Deborah (2:30:35) und Rabea (2:31:36) Schöneborn, Katharina Steinruck (2:32:41) und Kristina Hendel (2:35:14) auf den Rängen zehn, zwölf, fünfzehn und zwanzig Teamgold.

Rabea Schöneborn kam in Hannover als Vizemeisterin mit 2:27:35 ebenso unter 2:30 wie ihre Schwester Deborah mit 2:29:51 auf Platz neun in Hamburg. Noch etwas schneller in der Hansestadt war Kristina Hendel, die als Fünfte nämlich eine 2:27:29 erzielte. Da sie mit Sebastian Hendel verheiratet ist, lässt sich die Frage nach dem schnellsten deutschen Marathonpaar recht schnell beantworten.

In der Weltbestenliste taucht Hendel mit dieser Leistung allerdings als Kroatin auf, obwohl sie wenige Monate später im deutschen Trikot eine EM-Medaille gewann. Doch auch diese Ungereimtheit ist dem Gestrüpp der Paragraphen geschuldet. Denn obwohl schon länger mit deutschem Pass ausgestattet, erhielt sie die internationale Startfreigabe ihres früheren Verbandes erst im Sommer.

Neben den Britinnen ist zur Zeit kein anderes Land in ähnlicher Breite in der kontinentalen Spitze präsent. Doch andererseits muss man eben auch feststellen, dass jeweils gleich mehrere Dutzend Äthiopierinnen und Kenianerinnen schneller sind als die beste Deutsche. Und hinter dem Sextett wird es schnell recht dünn. Nur noch Jana Soethout (2:34:28) und Lisa Fuchs (2:37:21) unterbieten ansonsten noch die Marke von 2:40. Dazu kommt in der DLV-Bestenliste noch die für die LAV Tübingen startende Deutsch-Französin Anaïs Sabrié mit 2:37:09. International tritt diese allerdings weiterhin für Frankreich an.

Zurück zur Frage nach den schnellsten Marathons in Deutschland. Während eine Einordnung anhand der Siegerzeiten auf den ersten vier Plätzen relativ einfach war, weil beide Ergebnisse die gleiche Reihenfolge ergeben, wird es spätestens danach etwas komplizierter. Denn Münster hat die etwas bessere Männer-, Hannover dagegen die bessere Frauenzeit.

Die einfache Addition, bei der sich ein stärkeres Ergebnis bei den Frauen in der Sortierung immer als Vorteil erweist, ergibt genau eine Sekunde zugunsten von Hannover. Die eigentlich aus mathematischer Sicht genauere Berechnung über die Abweichungen zu den jeweiligen Weltrekorden oder Weltjahresbestzeiten - im Jahr 2022 ist das Ergebnis aufgrund der minimalen Abweichungen dabei praktisch identisch - führt zu einem winzigen Vorteil in der zweiten Nachkommastelle für Münster. Eigentlich handelt es sich also um ein Unentschieden.

Hinter dem Dresdner Stadtmarathon und Köln sortiert sich dann Kassel ein, wo man zwar nicht einmal mehr zweihundert Teilnehmer hat, mit 2:19:50 und 2:37:36 aber Siegerzeiten im Bereich der zweiten deutschen Leistungsreihe anbietet. In ihrer Heimat Kenia gehören die Erstplatzierten Patrick Ereng und Mercy Jeptoo Tuitoek angesichts der aus solchen Ergebnissen resultierenden dreistelligen Ranglistenplatzierungen allerdings eher in die D- oder E-Kategorie.

Und als letzte der Marathons mit den zehn schnellsten Siegerzeiten sei noch Freiburg erwähnt, wo Stefanie Doll mit 2:40:32 relativ gesehen näher an den Frauenbestmarken dran ist als Fritz Koch mit 2:25:44 bei den Herren. Ansonsten sind aufgrund der noch immer deutlich geringeren Leistungsdichte im weiblichen Bereich allerdings fast immer die Ergebnisse der Männer im Verhältnis etwas besser.

Der Schwarzwälderin aus der bekannten Ausdauersportfamilie mit Papa Charly und Bruder Benedikt gelang beim Traditionslauf in Bräunlingen jedoch ein noch viel größeres Kunststück. Denn in 2:45:27 gewann sie dort den Gesamteinlauf und ließ Herrensieger Andreas Leppert mit einer 2:48:17 rund drei Minuten hinter sich. Dass Katrin Köngeter dahinter dann auch noch als Gesamtdritte nach 2:56:55 einlief, macht das Ergebnis des Schwarzwaldmarathons 2022 ziemlich einzigartig.

Neben den Siegerzeiten gibt es aber noch einige weitere Blickwinkel, aus denen sich beurteilen lässt, ob bei einem Marathon schnell gelaufen werden kann und auch schnell gelaufen wird. Und dabei spielt eben nicht nur das Profil und der Untergrund sondern zum Beispiel auch die Größe der Teilnehmerfelder und eine dafür angemessenen Breite der Strecke eine Rolle.

Für Sportler jenseits der Spitze kann es sehr wohl interessant sein, ob sie im eigenen Zeitbereich völlig alleine sind oder ähnlich starke Mitläufer um sich herum haben, Zu viel davon dürfte dann allerdings auch schon wieder nachteilig sein. Denn eine übervolle Stecke, auf der man wegen ständiger Überholvorgänge keinen Rhythmus findet, ist sogar noch viel leistungshemmender wie eine völlig leere.

Leistungsdichte Männer unter 3:00 h

Vergleich 2022 zu 2019

Natürlich sind solche Einschätzungen individuell, werden von jedem Läufer unterschiedlich gewichtet und können selbst beim gleichen Rennen je nach Leistungsklasse zudem zu ganz anderen Bewertungsergebnissen führen. Und selbstverständlich gibt es auch hierbei wieder Rückkopplungseffekte. Ein Lauf mit dem Ruf "schnell" zu sein, zieht dann eben auch wieder verstärkt die Bestzeitenjäger an. Doch als ganz gute Indikatoren lassen sich trotzdem die Drei- und die Vier-Stunden-Quote des Feldes heranziehen.

Wie stets gilt es dabei jedoch noch zu beachten, dass die Aussagekraft der Berechnungen aus statistischer Sicht umso stärker abnimmt, je kleiner die Felder werden, weil dann der Zufall immer stärker durchschlägt und schon wenige Läufer das Ergebnis deutlich verändern können. Bei einem Marathon mit zweihundert Teilnehmern bedeuten zwei Zieleinläufe über oder unter einer Marke schließlich bereits einen vollen Prozentpunkt.

Und gerade hinsichtlich des Anteils der Läufer unter drei Stunden ist die Gesamtspanne eher gering. Von null Prozent bei mit Höhenmetern gespickten Alpinläufen wie dem Allgäu-Panorama Marathon in Sonthofen reicht sie bis zur diesjährigen Bestmarke von 10,8 in Hannover, wo zwölfeinhalb Prozent der Männer und immerhin auch fünf Prozent der Frauen eine Zwei an der ersten Stelle ihrer Endzeit stehen haben. Neben einer flachen Strecke spiegeln sich in diesem Ergebnis aber auch die Deutsche Meisterschaften wider.

Dass sich altgediente Läufer noch an Zeiten erinnern können, in denen solche Verhältnisse die absolute Regel waren und keineswegs einen Spitzenplatz bedeutet hätten, soll hierbei aber doch nicht ganz unter den Tisch fallen. Und um gleich das Argument zu entkräften, die Quoten wären nur deshalb gesunken, weil sich nun auch viel mehr Langsame an den Marathon heran trauen und die Felder eben hauptsächlich von hinten aufgefüllt würden, sei zudem noch erwähnt, dass gegenüber den Achtzigern und Neunzigern auch die Gesamtzahl der Drei-Stunden-Zeiten deutlich gesunken ist. Dazu später noch mehr.

Anteil der Finisher unter 3 Stunden

Alle 25 Veranstalter mit mehr als 300 TN

Der vermeintlich schnellste Marathonkurs der Welt aus Berlin kann da nicht wirklich mithalten. Immerhin 9,5 Prozent der Herren, aber "nur" 1,6 Prozent der Frauen bleiben unter der Drei-Stunden-Grenze, was insgesamt eine Quote von 6,9 ergibt. Auch Frankfurt steht fast einen Prozentpunkt besser da als die Hauptstädter, was vor allem daran liegt, dass am Main neben 582 Männer auch vierzig Frauen diese Schallmauer knacken können.

In der Breite der Leistungsläufer sieht das Rennen durch die Bankenmetropole damit dann auch wieder deutlich besser aus als der mit den besseren Zeiten an der Spitze aufwartende Hamburg Marathon. Denn im Norden ist deren Anteil am Gesamtfeld rund zwei Prozentpunkte niedriger. München rangiert sich noch etwas weiter hinten ein.

Und fast schon traditionell bildet der Köln-Marathon das Schlusslicht unter den "großen Fünf". Nur gut fünf Prozent der Männer und etwas mehr vier Prozent des Gesamtfeldes werden mit weniger als einhundertachtzig Minuten registriert. Dass gerade einmal fünf Frauen und damit weniger als ein Prozent aller weiblichen Teilnehmer diese Marke unterbietet, ist dabei besonders markant.

Weit vorne bei der Drei-Stunden-Quote liegt dagegen erneut ein alter Bekannter, nämlich der Bienwald-Marathon im pfälzischen Kandel, wo immerhin 9,6 Prozent aller Teilnehmer entsprechend schnell sind. Doch ist dieses Rennen auch ein schönes Beispiel für die genannte enorme Schwankungsbreite bei kleinen Starterfeldern. Schließlich geht es bei gerade einmal 260 Zieleinläufen um vierundzwanzig Männer und eine einzige Frau.

Eine einzige Zeit unter drei Stunden mehr hätte die Quote schon auf ein glattes Zehntel der Gesamtteilnehmer angehoben. Mit insgesamt nur vier zusätzlichen Ergebnissen zum tatsächlichen Ist wäre man auch an Hannover vorbei gezogen gewesen. Umgekehrt hätten die Pfälzer sich bei fünf Zeiten weniger schon hinter Frankfurt wiedergefunden. Da in Kandel über die Hälfte dieser fünfundzwanzig Sportler nur wenige Minuten von den drei Stunden entfernt waren, hätten ein bisschen Gegenwind oder ein paar Grad zu viel bereits massive Bedeutung bekommen können.

Etwas weniger extrem, aber immer noch spürbar wären diese Sprünge beim Regensburg Marathon, der diesmal unter seinen 424 Teilnehmern ebenfalls einen besonders hohen Anteil an Drei-Stunden-Läufern hat. Im Gegensatz zu Kandel ist dies aber nicht unbedingt die Regel, sondern vor allen den integrierten Bayerischen Meisterschaften geschuldet. In "normalen" Jahren befindet sich das Rennen in der Oberpfalz diesbezüglich dann doch eher im breiten Mittelfeld.

Dass man bei solchen Platzierungen dann fast immer bereits klar unter dem deutschen Gesamtdurchschnitt liegt, hat wieder mit der Dominanz des Berlin Marathons zu tun. Denn selbst wenn der Hauptstadtlauf hinsichtlich der Teilnehmerzahlen noch ein wenig von der Fünfzig-Prozent-Marke entfernt ist, steuert er inzwischen ziemlich genau die Hälfte der im Land erzielten Zeiten unter drei Stunden bei.

Das sieht allerdings hinsichtlich vier Stunden schon wieder etwas anders aus. Natürlich hat Berlin durch seine schiere Größe auch hier einen großen Einfluss auf den Gesamtwert. Doch - und das ist wohl tatsächlich ein Aha-Effekt - liegt man dabei nicht nur nicht im Vorderfeld, vielmehr errechnet sich für den angeblich so schnellen Megalauf sogar eine Quote unter dem deutschlandweiten Durchschnitt.

Leistungsdichte Frauen unter 3:20 h

Vergleich 2022 zu 2019

Nicht einmal die Hälfte aller Starter schafft es nämlich in der Hauptstadt vier Stunden - und zwar in der Nettozeit - zu unterbieten. Genau genommen sind es gerade einmal 46 Prozent. Abgesehen vom Rennsteiglauf, der aufgrund seiner extrem welligen Streckenführung über zum Teil auch noch ziemlich unebene Waldwege diesbezüglich natürlich keine Chance hat, hat Berlin damit den schlechtesten Wert unter den großen deutschen Marathons. Selbst der fast schon "notorisch langsame" Lauf in Köln besitzt mit 47,8 Prozent eine bessere Quote.

Neben der Masse der Starter, die im mittleren und hinteren Feld die Straßen füllen und damit den genannten Einbremseffekt erzeugen, gibt es dafür mindestens zwei weitere Gründe. Zum einen stehen relativ gesehen nirgendwo mehr Frauen an der Linie als in Berlin. Ziemlich genau ein Drittel aller Teilnehmer sind dort schließlich weiblich. Und bekanntermaßen laufen die eben etwas langsamer.

Interessant ist es zu beobachten, dass wenn man beide Geschlechter separat betrachtet, die Ergebnisse der Einzelberechnungen für Berlin zwar immer noch nicht wirklich hoch sind, aber deutlich weniger aus dem Rahmen fallen. Erst die Gewichtung durch den extrem hohen Frauenanteil macht den Unterschied. Deutschlandweit liegt dieser nämlich nur bei 26,7 Prozent - und das eben auch nur wegen des statistischen Ausreißers Berlin, denn kein anderer größerer Marathon kommt diesem Durchschnittswert überhaupt nahe.

Der zweite Effekt, den man für Berlin in Betracht ziehen muss, ist die große Zahl von internationalen Lauftouristen. Der Anteil der deutschen Starter am Gesamtfeld bewegt sich nämlich nur noch in ähnlichen Größenordnungen wie die Frauenquote. Weit über die Hälfte aller Teilnehmer ist dagegen aus dem Ausland angereist.

Alleine aus Nordamerika - also den USA und Kanada - finden sich rund siebentausend Einträge in der Startliste. Damit hat man die früher dominierenden Skandinavier - darunter insbesondere die Dänen - längst abgelöst. Doch auch aus den einwohnermäßig eher kleinen Ländern im Norden Europas kommen immer noch insgesamt rund zweitausend Läufer. Dazu mehr als zweitausend Briten, knapp zweitausend Franzosen. Mexiko stellt ebenfalls ein vierstelliges Kontingent. Brasilianer sind kaum weniger dabei. Und sogar aus dem fernen Australien reisen einige hundert Sportler an.

Und während im südlichen Europa tendenziell weiterhin etwas schneller gelaufen wird als hierzulande, sind insbesondere die Marathons im angelsächsischen Sprachraum und zum Teil auch die in Lateinamerika in der Breite häufig sogar noch langsamer als die deutschen. Aufgrund der extrem hohen internationalen Beteiligung schlagen die entsprechenden Laufkulturen dann natürlich auch in Berlin durch.

Durchaus überraschend kommt in Frankfurt 2022 nur ziemlich genau das halbe Feld in weniger als vier Stunden ins Ziel. Meist lag das Verhältnis in der Vergangenheit nämlich rund zehn Prozentpunkte höher. Doch ein sonniger und mit etwa zwanzig Grad auch ziemlich warmer Spätoktobertag zeigt in den mittleren und hinteren Regionen des Feldes eben noch deutlich stärkere Auswirkungen als bei den Spitzenläufern.

Hamburg (51,9%) und München (52,5%) liegen diesbezüglich zwar etwas besser. Doch wirklich auf viel mehr als die Hälfte aller Teilnehmer kommt auch dort nicht die entsprechende Marke. Das sieht nicht zuletzt aufgrund der Deutschen Meisterschaften in Hannover schon ein wenig anders aus. Mehr als sechzig Prozent der erfassten Zeiten beginnen mit einer Zwei oder einer Drei. Noch höher ist der Wert in Freiburg, wo sich 63,4 Prozent errechnen lassen.

Den Vogel schießt allerdings Regensburg ab. Dort stößt man mit einem Anteil von 70,8 Prozent nämlich in Regionen vor, die an langst vergangene Zeiten erinnern. In Kandel, das mit seiner topfebene Wendepunktstrecke durch den Wald in dieser Liste eigentlich jährlich auf einem Treppchenplatz zu finden ist, sind mit einem errechneten Wert von 65 Prozent immerhin noch knapp zwei Drittel der angetretenen Läufer nach vier Stunden im Ziel.

Dass die Pfälzer in den Anfangsjahren ihrer nun auch schon fast fünf Jahrzehnte bestehenden Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt manchmal bereits fast tausend Sportler auf den vorläufigen Listen notiert hatten und anschließend wegen des erreichten Zielschlusses mit dem Abbau begannen, dürfte für die heutige Läufergeneration kaum noch nachvollziehbar sein.

Während an der Spitze die Zeiten der Eliteläufer immer besser werden, ist nämlich die Leistungsdichte dahinter verglichen mit den Rennen vor einigen Jahrzehnten deutlich abgesunken. Als Beispiel sei dazu einmal der sogenannte "Einheitsmarathon" des Jahres 1990 in Berlin aus den Archiven heraus gekramt, der drei Tage vor der deutschen Wiedervereinigung stattfand und zum ersten Mal durchs Brandenburger Tor führte.

Mit 2256 Zeiten unter drei und 15.641 unter vier Stunden wurden vor gut drei Dekaden in absoluten Zahlen fast exakt die gleichen Werte erreicht wie im aktuellen Jahr, wo 2403 bzw. 16.010 entsprechende Ergebnisse registriert wurden. Doch obwohl damals der bis zu diesem Zeitpunkt größte deutsche Marathon aller Zeiten stattfand, lagen die Teilnehmerzahlen um dreizehntausend Läufer niedriger als heute. Und so errechnen sich für den historischen Lauf eine Drei-Stunden-Quote von mehr als zehn und eine Vier-Stunden-Quote von fast siebzig Prozent.

In gleichen Jahr 1990 kamen übrigens in Frankfurt 1071 und in Hamburg 943 Ergebnisse unter drei Stunden zustande - das alles übrigens nur mit Bruttozeiten, denn Zeitmess-Chips waren in jenen Jahren noch gar nicht im Einsatz. Zweiunddreißig Jahre später lauten die entsprechenden Werte trotz durchaus vergleichbarer Feldgrößen nur noch 622 bei den Hessen und gerade einmal 388 bei den Hanseaten. Damit soll jetzt zwar nicht unbedingt behauptet werden, dass früher alles besser war. Anders war es aber auf jeden Fall.

Von Jahr zu Jahr - oder diesmal eben "dank" Corona auch im Dreijahresvergleich - sind die Änderungen allerdings eher gering. Wie in Bezug auf die Größe der Starterfelder sind auch hinsichtlich der Zeiten die Rollen klar verteilt, die "Hackordnung" ist festgefügt. Wenn nicht ein Veranstalter - wie in diesem Jahr München - seine Politik vollständig ändert, geht es eher um Nuancen, wie die, ob Frankfurt oder Hamburg hinter Berlin die zweitbesten Siegerzeiten bieten kann.

Die übrigen Marathons haben es ohnehin schwer, jenseits der absoluten Fachpresse überhaupt bemerkt zu werden. Zu groß ist das weltweite Angebot, zu viele Rennen buhlen um Aufmerksamkeit, zu breit ist die Spitze aus den afrikanischen Laufhochburgen, als dass nicht an jedem Wochenende irgendwo noch bessere Leistungen gezeigt würden.

Und trotzdem ist auch der Blick auf die erzielten Ergebnisse immer wieder interessant. Denn gerade die Verbindung von absoluten Spitzen- und reinen Freizeitsportlern in einem gemeinsamen Rennen, der direkte Vergleich mit der Weltelite macht die Marathonszene in der gesamten Sportwelt ziemlich einzigartig. Beide Seiten, beide Enden der Läuferschlange haben ihre Berechtigung und nur ihre Kombination hat überhaupt für den weltweiten Siegeszug der Stadtmarathons gesorgt.

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken/Foto Constanze Wagner 

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2022

Teil 6: Die Frauenquote
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Heutzutage erscheint es völlig normal, dass Frauen bei einem Marathon an der Startlinie stehen und bei großen internationalen Meisterschaften um Edelmetall kämpfen. Doch während bei den Herren bereits seit 1896 Olympiasieger ermittelt werden, ist es noch nicht einmal vier Jahrzehnte her, dass Joan Benoit 1984 in Los Angeles erstmals olympisches Marathon-Gold umgehängt wurde. Und nur zwei Jahre zuvor waren bei den Europameisterschaften von Athen auf dieser Distanz die ersten Medaillen überhaupt verteilt worden.

"Frauen können keine langen Strecken laufen", war zuvor die feste Überzeugung der Leichtathletik-Funktionäre. Bezeichnend dafür ist auch, dass zum Beispiel bei den Spielen von München die 1500 Meter die längste Distanz im weiblichen Bereich war. Vier Jahre zuvor in Mexico endete das Wettkampfprogramm sogar bereits bei 800 Meter.

Die Veranstalter der genau zu dieser Zeit entstehenden Volksmarathons waren diesbezüglich schon deutlich weiter. Denn bereits in den frühen Siebzigern hatten man in Boston und New York eine eigene Frauenwertung ausgeschrieben. Noch früher war man beim Schwarzwald-Marathon von Bräunlingen, wo seit der ersten Austragung 1968 neben dem Sieger auch eine Siegerin ermittelt wird.

Allerdings mussten die Veranstalter damals tief in die Trickkiste greifen, um keinen Ärger mit dem Leichtathletik-Verband zu bekommen. Bei der offiziellen Anmeldung beim DLV wurde die geplante Frauenwertung nämlich lieber gar nicht erwähnt. Und in den Ankündigungen wandte man sich pro forma eher an interessierte Skilangläuferinnen, die damals immerhin schon Wettkämpfe über zehn Kilometer austragen durften.

Trotz dieser langen Verzögerung sind die Leichtathleten inzwischen fast so etwas wie Vorreiter. Denn längst sind die Streckenlängen für beide Geschlechter bei internationalen Titelkämpfen identisch, während in anderen Ausdauersportarten wie Radfahren, Eisschnelllauf und ironischerweise eben auch Skilanglauf die Wettkampfdistanzen für die Frauen bei Meisterschaften noch immer deutlich kürzer sind. Zumindest im Weltcup schreibt der Skiverband seit dieser Saison die gleichen Strecken aus. Doch für die WM im Februar gilt weiterhin das alte Programm.

Auch hier haben die Breitensportveranstalter diesbezüglich die Nase weit vor den jeweiligen Verbänden. Denn kein Radmarathon würde sich heute noch erlauben können, den Frauen nur verkürzte Strecken anzubieten. Und während die Skilangläuferinnen im Weltcup im März 2023 zu ersten Mal am Osloer Holmenkollen den traditionellen Fünfziger laufen dürfen und sich dort nicht mehr mit dreißig Kilometern begnügen müssen, sind bei Massenveranstaltungen wie Wasalauf, Birkebeiner oder Marcialonga schon seit mehreren Jahrzehnten ganz selbstverständlich weibliche Teilnehmer am Start.

Eigentlich überall bleiben sie jedoch deutlich in der Minderzahl. Die bei deutschen Marathons weiterhin festzustellende unverhältnismäßig geringe Präsenz von Läuferinnen bildet also keineswegs eine Ausnahme - auch nicht im Vergleich mit anderen Sportarten. Natürlich gab es die "verkürzte Anlaufzeit" für die Frauen. Aber nachdem inzwischen bereits die Enkelinnen der damaligen Pionierinnen an der Startlinie stehen könnten, ist dieses Argument nahe an seinem Verfallsdatum angekommen.

 

Zwar sind jene Zeiten aus den Anfangsjahren der Massenmarathons in den Siebzigern und Achtzigern längst vorbei, als es schon ein enormer Erfolg war, wenn Männer weniger als neunzig Prozent und Läuferinnen immerhin ein Zehntel des Feldes stellten. Kontinuierlich sind die Prozentzahlen seitdem gestiegen. Doch insgesamt kommt man eben noch immer auf nicht viel mehr als ein Viertel aller Teilnehmer an deutschen Marathons, die weiblichen Geschlechts sind.

Und selbst dieser Wert ist mit äußerster Vorsicht zu genießen. Denn er geht mehr oder weniger ausschließlich auf einen einzigen Lauf zurück - nämlich den Berlin Marathon. Denn an der Spree kommt man 2022 auf eine neue Rekordquote von fast genau einem Drittel Frauen im Feld. Und da das Rennen in der Hauptstadt inzwischen beinahe die Hälfte aller Zieleinläufe in Deutschland produziert, wird der Gesamtdurchschnitt dadurch natürlich deutlich nach oben gezogen.

Dass sich für Berlin in diesem Jahr erneut der mit Abstand höchste Prozentsatz errechnet, kommt nicht wirklich überraschend. Denn schon seit der ersten Marathonanalyse in LaufReport liegen die Hauptstädter in dieser Wertung stets ziemlich weit vorne und - wenn nicht einmal ein absoluter Ausreißer dazwischen kam - auch fast immer ganz oben an der Spitze.

Ein durchaus wichtiger Faktor für die hohe und gegenüber 2019 noch einmal um gleich drei Prozentpunkte gestiegene Quote ist dabei die Internationalität des Berlin Marathons. Denn insbesondere im angelsächsischen Sprachraum und in Nordeuropa kann man bei den Rennen häufig spürbar höhere Frauenanteile ermitteln als hierzulande. In den USA hat es sogar bereits Rennen gegeben, bei denen die Männer in der Unterzahl waren.

Und längst besteht weit mehr als die Hälfte aller Teilnehmer in Berlin aus ausländischen Lauftouristen, wobei ausgerechnet Nordamerika, Großbritannien und Skandinavien auch noch die stärksten Kontingente beisteuern. Zusammen stellen sie alleine rund dreißig Prozent aller Starter in der deutschen Hauptstadt - mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Frauenanteil.

Doch lässt sich aus dem über die Jahre gesammelten LaufReport-Datenmaterial inzwischen auch ganz eindeutig die Faustregel ableiten, dass ein Marathonfeld umso weiblicher ausfällt, je größer es wird. Nicht nur Berlin bestätigt dies. Denn mit Frankfurt, Hamburg, München, Köln, Hannover, Münster und dem Rennsteiglauf finden sich auch alle anderen Marathons, die 2022 mehr als tausend Läufer im Ziel registrieren konnten, bezüglich der Frauenquote ziemlich weit vorne in der Liste.

Das Bemerkenswerte dabei ist allerdings, dass von den Stadtmarathons - der Rennsteiglauf ist hier eine kleine, später noch genauer betrachtete Ausnahme - mit Anteilen zwischen einundzwanzig und vierundzwanzig Prozent trotzdem kein einziger den Gesamtdurchschnitt überbieten kann. Ein erneutes Beispiel, welch einen riesigen Einfluss der Berlin Marathon inzwischen auf die statistischen Berechnungen hat. Immerhin muss man schon alle anderen deutschen Läufe mit mehr als dreihundert Zieleinläufen zusammenrechnen, um eine vergleichbare Teilnehmerzahl zu erreichen.

Tatsächlich ist es sogar so, dass trotz eines wieder leicht gestiegenen Gesamtdurchschnitts von den größeren deutschen Marathons neben Berlin nur noch Hannover 2022 relativ gesehen mehr Frauen im Feld hatte als 2019. Bis Position fünfzehn in der Größenrangliste sinkt die Quote bei allen weiteren Veranstaltungen hingegen leicht ab.

Meist zeigen sich diese Veränderungen zwar nur in den Zehntelstellen hinter dem Komma, bewegen sich also eigentlich noch im Bereich normaler statistischer Schwankungen. Der Anstieg geht aber dennoch praktisch ausschließlich auf Berlin mit seinem Sprung um fast drei Prozentpunkte zurück.

Unterhalb der Grenze von tausend Läufern im Ziel gibt es dann einen scharfen Bruch. Denn selbst wenn einige von ihnen nur knapp an der Marke scheitern, kommt von den Veranstaltungen auf den nachfolgenden Plätzen der Größenrangliste erst einmal keine mehr über die zwanzig Prozent. Allerdings schlagen die Werte ähnlich wenig aus wie eine Liga weiter oben. Denn unter sechzehn Prozent sinkt der Frauenanteil auch nirgendwo ab.

Natürlich werden die Schwankungsbreiten mit kleineren Feldern irgendwann immer größer. Und so gibt es im hinteren Mittelfeld dann doch auch wieder einmal eine Veranstaltung mit einer Zwei an der ersten Stelle des Quotienten. Aber betrachtet man sich die Durchschnitte über die einzelnen Größenklassen, bestätigt sich die These, dass der Frauenanteil umso niedriger ausfällt, je weniger Teilnehmer am Start sind.

An den durch Berlin extrem verzerrten, deutschlandweiten Mittelwert kommt ohnehin kaum eine Handvoll Marathons heran. Mit 27,5 Prozent Frauenanteil im Feld liegt ausgerechnet der ziemlich profilierte Rennsteiglauf etwas darüber. Doch so neu ist diese Beobachtung dann auch wieder nicht. Denn schon seit längerem errechnen sich für die Thüringer in dieser Hinsicht meist relativ hohe Werte.

Allerdings muss man dabei auch anmerken, dass der Marathon auf dem Höhenweg quer durch den Thüringer Wald keineswegs die eigentliche Königsstrecke darstellt, sondern überspitzt gesagt nur ein Rahmenwettbewerb ist. Es gibt dort nämlich auch eine noch längere Distanz von 72 Kilometern, auf der die wichtigsten Sieger des Tages ausgemacht werden. Und bei diesem Lauf bleibt die Quote dann deutlich unter zwanzig Prozent.

Es ist aber durchaus auffällig, dass weitere Veranstaltungen, bei denen es neben dem Marathon zusätzlich noch einen Ultralauf gibt, über zweiundvierzig Kilometer recht hohe Frauenquoten haben. Zu nennen wären zum Bespiel der Allgäu-Panorama Marathon von Sonthofen und der Lauf am Rursee. Zwar sollte man extrem vorsichtig sein, aus wenigen Messungen gleich eine allgemeingültige Regel ableiten zu wollen. Aber es scheint fast, als würden Frauen dazu tendieren, sich nicht unbedingt die längste Distanz aus der Angebotspalette heraus zu picken.

Auch beim vom Rursee nur wenige Steinwürfe entfernten Marathon in Monschau lässt sich ähnliches beobachten. Zumindest ist das so, wenn man die Teilnehmer des sogenannten "Genussmarathons", eines vor dem eigentlichen Rennen gestarteten Laufes ohne echten Wettkampfcharakter mit einrechnet. Dann ist die Traditionsveranstaltung in der westlichen Eifel neben Berlin sogar die einzige mit einer Quote von mehr als dreißig Prozent.

Obwohl man wie gesagt vorsichtig sein muss, in eine einzelne Beobachtung zu viel hinein zu interpretieren, scheint der Monschauer "Genussmarathon", bei dem fast genauso viele Frauen wie Männer dabei sind, auch wieder einmal die nächste These zu bestätigen, dass Läuferinnen weit weniger Wert auf einen echten sportlichen Wettbewerb legen als ihre männlichen Gegenstücke.

 

Ein doch etwas anderes Bild ergibt sich, wenn man einmal auf die Halbmarathons schaut. Es lassen sich dort nämlich nicht nur einige Dutzend Läufe finden, die noch über der im Marathonbereich absolut herausragenden Frauenquote von Berlin liegen. Auch das deutschlandweite Gesamtmittel übertrifft - wenn auch nicht unbedingt deutlich - den Wert von einem Drittel.

In einer Vielzahl von Fällen kann man sogar einen direkten Vergleich der beiden Distanzen unter ansonsten gleichen Ausgangsbedingungen vornehmen. Schließlich wird mehr als die die Hälfte der größten deutschen Rennen über einundzwanzig Kilometer im "Rahmenprogramm" eines Marathons ausgerichtet. Und dabei liegt die Frauenquote auf der kürzeren Strecke jeweils zwischen zehn und zwanzig Prozentpunkten höher.

Die meisten berechneten Anteile beginnen mit einer drei, selbst die niedrigeren Werte befinden sich in der Regel noch im mittleren Zwanzigerbereich und beim absoluten Spitzenreiter, dem an den Hamburg Marathon angeschlossenen Halben, sind sogar fast fünfundvierzig Prozent der Teilnehmer weiblich. Dies bedeutet zudem noch einen leichten Rückgang. Denn 2019 fehlten in der Hansestadt keine drei Prozentpunkte mehr zu einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis.

Damit befindet man sich dann doch ein ganzes Stück vor der Konkurrenz. Unter den größten deutschen Halbmarathons kommt Köln den Hamburgern noch am nächsten. Doch in der Domstadt ist die Frauenquote wieder unter jene Vierzig-Prozent-Marke gerutscht, die man 2019 noch überboten hatte. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit dem Hamburger Lokalrivalen im Juni und dem Halbmarathon in Berlin, die von neununddreißig auf siebenunddreißig Prozent absacken.

Dennoch ist es bemerkenswert, dass genau diese drei auch die Teilnehmerrangliste anführen. Wie beim Marathon ist also auch beim Halben zu beobachten, dass größere Felder tendenziell auch weiblicher sind. Welche dieser zwei Parameter jetzt die Ursache und welche die Wirkung darstellt, dürfte weit schwerer zu klären sein. Vermutlich ist es aber wie so oft eine Wechselwirkung aus beiden.

Die gewisse Ausnahmestellung des eigentlich kleineren Hamburger Halbmarathons im April ist irgendwie schwerer zu erklären. Als Sonderfaktor, die ihn von nahezu allen anderen Läufen unterscheidet, wäre sicher die Begrenzung der verfügbaren Startplätze zu nennen. Doch scheinen diese nur nach Reihenfolge der Anmeldungen und nicht über irgendwelche Kontingente vergeben zu werden. Sollten Frauen diesbezüglich also tatsächlich schneller sein als die Männer?

Durchaus eine Rolle dürfte aber spielen, dass er an einem Marathon hängt. Denn in den meisten Fällen haben tatsächlich jene Halbmarathons, die gemeinsam mit einem Lauf über die doppelte Distanz ausgetragen werden, einen etwas höheren Frauenanteil als ungefähr gleichgroße, aber separat veranstaltete Halbe. Die schon beim Vergleich von Ultralauf und Marathon zu beobachtende Beziehung setzt sich hier nahtlos fort.

Ganz allgemein lässt sich wohl wirklich die Regel formulieren, dass bei Veranstaltungen mit mehreren angebotenen Distanzen der Frauenanteil immer weiter - meist zudem auch deutlich - steigt, je kürzer die Strecke wird. Und das ist weitgehend unabhängig von der Kombination und wie viele Wettbewerbe es gibt. Denn neben den üblichen Zweier- sind durchaus auch Dreierketten zu erkennen, die genau dieses Muster zeigen.

Beim Rennsteiglauf oder dem Allgäu-Marathon in Sonthofen - übrigens ebenfalls eine Veranstaltung, bei der man beim Halben die Vierzig-Prozent-Marke für die Frauenquote überbieten kann - ist es die Kombination von Ultra, Voll- und Halbmarathon. München und Hannover liefern ebenfalls Beispiele, weil dort neben zweiundvierzig und einundzwanzig auch zehn Kilometer in der Palette zu finden sind. Und bei den Zehnern ist man jeweils nicht mehr allzu weit von der Parität der Geschlechter weg.

Ein rational kaum noch nachzuvollziehender Sonderfall lässt sich bei den 25 Kilometern von Berlin beobachten. Der Traditionslauf, der noch vor dem Marathon die Straßen des Zentrums für sich erobern konnte, weil er anfangs von den französischen Streitkräften in der damals noch geteilten Stadt ausgerichtet wurde, hat inzwischen auch einen Halbmarathon und einen Zehner als Anhängsel.

Die neun Prozentpunkte Unterschied zwischen den 42,7 Prozent über zehn Kilometer und den 33,6 Prozent beim Halben entsprechen ziemlich genau den Sprüngen, die sich auch überall sonst in den Daten bei Verdoppelung der Strecke für den Frauenanteil finden lassen. Warum sich dann allerdings zum Fünfundzwanziger noch einmal dieselbe Kluft ergibt, denn dort werden nur vierundzwanzig Prozent weibliche Teilnehmer registriert, bleibt ziemlich rätselhaft. Fehlende Physis allein kann es bei einer nicht einmal vier Kilometer längeren Distanz wohl kaum sein.

Vielmehr hätte man hier wohl ein Extrembeispiel für eine weitere der vielen interessanten und spannenden Fragen aus dem Laufbereich, die Sport- oder Psychologie-Studenten einmal als Thema für ihrer Abschlussarbeit wählen und dann genauer untersuchen könnten. Die Marathonveranstalter wären sicher dankbar, wenn ihnen jemand sagen würde, wie die vorhandenen Potentiale besser zu nutzen wären. Und gerade im Hinblick auf den Frauenanteil gibt es die wohl weiterhin.

Denn obwohl Berlin diesbezüglich national weit vor allen anderen Marathons liegt, hat auch der Hauptstadtlauf gegenüber den in ihrer Bedeutung vergleichbaren Veranstaltungen in Boston, New York, Chicago und London noch deutlichen Nachholbedarf. Dort beginnt die Frauenquote nämlich jeweils mit einer Vier. Um abzuschätzen, was für andere deutsche Läufe möglich wäre, hätten sie auch nur annähernd eine solche Beteiligung von weiblicher Seite, benötigt man nicht einmal die ganz hohe Mathematik.

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink
Grafiken/Foto Constanze Wagner
Die deutsche Marathonszene wird seit 2006 in LaufReport.de ausgewertet.
Siehe Inhaltsverzeichnis unter Vermischtes im LaufReport HIER
Aktuelles im LaufReport HIER

© copyright
Die Verwertung von Texten und Fotos, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung auch in elektronischer Form, ist ohne Zustimmung der LaufReport.de Redaktion (Adresse im IMPRESSUM) unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt.

Datenschutzerklärung