Die deutsche Marathonszene im Jahr 2019

Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER
Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink 
Grafiken & Foto: Constanze Wagner 

Die große Marathon-Analyse

Teil 1: Die Marathons mit den meisten Finishern

Die Balken geben die Gesamtfinisher wieder. Die roten Punkte deuten den darin enthaltenen Frauenanteil an. Die Plus- bzw. Minuszeichen geben an, welcher Marathon Finisher hinzu gewinnen konnte bzw. mit weniger Teilnehmern im Ziel als 2018 abgeschnitten hat. Karlsruhe hat exakt gleich viele Finisher wie 2018 und deshalb ein Gleichheitszeichen. Marathons, die 2018 nicht stattfanden, haben kein Zeichen.
 
Die Grafik umfasst die 39 Marathons mit 300 Finishern und mehr.
 
Die Einstiegshürde von 300 Zieleinläufen verfehlten 2019: Kevelaer Marathon mit 285 (2018 = 309), Flensburg Marathon mit 264 (2018 = 327), Metropol Marathon Fürth mit 257 (2018 = 462), Johannesbad Thermen-Marathon Bad Füssing mit 260 (2018 = 305), Rursee Marathon mit 210 (2018 = 322).
 
Neu dabei, bzw. den Wiedereinstieg dank über 300 Finishern schafften 2019: Mitteldeutscher Marathon (2018 = 253), Bottwartal-Marathon (2018 = 284) und Usedom Marathon (2018 = 209)

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2019

Teil 2: Das Ranking
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Platzierung 2019 2018 Änderung
Berlin 1 1 0
Frankfurt 2 2 0
Hamburg 3 3 0
Köln 4 4 0
München 5 5 0
Rennsteiglauf 6 6 0
Düsseldorf 7 7 0
Hannover 8 8 0
Münster 9 9 0
Dresden Stadt 10 10 0
Bremen 11 11 0
Mainz 12 14 +2
Karlsruhe 13 13 0
Bonn 14 17 +3
Freiburg 15 18 +3
Dresden Oberelbe 16 12 -4
Brocken Marathon 17 16 -1
Gelsenkirchen 18 20 +2
Leipzig 19 22 +3
Monschau 20 30 +10
Mannheim 21 25 +4
Ulm 21 19 -2
Duisburg 23 21 -2
Heilbronn 23 24 +1
Essen 25 23 -2
Kandel 26 27 +1
Mitteldeutscher 27 50 +23
Weimar Bauhaus Marathon 28 - -
Schwarzwald Marathon 29 35 +6
Allgäu-Panorama 30 35 +5
Lübeck 31 34 +3
Siebengebirge 32 37 +5
Bottwartal 33 45 +12
Füssen 33 26 -7
Würzburg 35 32 -3
Kassel 36 33 -3
Oldenburg 37 31 -6
Regensburg 38 29 -9
Usedom 39 57 +18

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2019

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Fünfzehn Jahre umfasst die LaufReport-Datensammlung über die deutschen Marathons inzwischen. Und seit dem Aufsatzpunkt in der Saison 2005 - wer jetzt nicht glaubt, dass bis zum Jahr 2019 tatsächlich fünfzehn Jahrgänge zusammen kommen, kann gerne die Finger zum Durchzählen benutzen - ging es in den dazu veröffentlichten Kommentaren meist um Teilnehmerrückgänge. Fast jedes Mal lieferten die Vergleiche mit dem Vorjahr bei den einzelnen Veranstaltungen mehr rote als schwarze Zahlen.

Langzeitentwicklung der Marathons von 2005 bis 2019

Die Grafik der Läuferverteilung nach Größenordnung der Veranstaltungen zeigt deutlich, wie stark der Berlin Marathon - denn nur dieser befindet sich in der Klasse über 20.000 Teilnehmer - inzwischen die deutsche Szene dominiert. Im Vergleichsjahr 2005 war dies noch weit ausgeglichener. Die Gruppe über 10.000 Sportler ist seitdem geschrumpft. Jene über 5.000 ist sogar völlig entfallen. Von den einst dort geführten Marathons ist nur noch der gelbe Block zwischen 4.000 und 4.999 übrig. Auch in den übrigen Kategorien lässt sich der Schwund nicht übersehen. Erst unter tausend Läufer erscheint der Wert stabil. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich aktuell allerdings größtenteils um Veranstaltungen, die aus den oberen Klassen abgestiegen sind, während etliche der früher dort geführten Läufe inzwischen heraus gerutscht sind.

Und auch in der Summe zeigten die Pfeile oft nach unten. Von einst annähernd hundertfünfzigtausend Zieleinläufen - denn nur diese in den Ergebnislisten öffentlich zugänglichen Daten werden als Basis für die LaufReport-Analyse heran gezogen - auf der Marathondistanz in Deutschland waren nur einige Jahre später nur noch gut einhunderttausend übrig geblieben. Selbst wenn in dieser Hinsicht ausgerechnet die Ausgangsbasis von 2005 das bisherige Allzeithoch darstellt und die Gesamtzahlen sich seit einiger Zeit stabilisiert haben, ist ein Schwund von etwa dreißig Prozent schon dramatisch.

Zumal außerdem erwähnt werden muss, dass der Berlin Marathon in dieser Periode seine Teilnehmerzahlen um einen fünfstelligen Wert steigern konnte - von etwas über dreißigtausend im Jahr 2005 auf nun mehr als vierzigtausend Läufer im Ziel - und damit alleine bereits ungefähr vierzig Prozent zur Gesamtsumme beiträgt. Schon aufgrund simpler Mathematik müssen die Verluste der anderen Veranstaltungen im Land deshalb im entsprechenden Zeitraum noch deutlich größer sein.

Dass der Hauptstadtlauf nach dem erstmaligen Übertreffen der Vierzigtausendermarke im Vorjahr dennoch weitere Luft nach oben besitzt, zeigen die aktuellen Daten. Denn erneut wuchs die Ergebnisliste um weit mehr als dreitausend Einträge auf nun etwas über vierundvierzigtausend Namen. Abgesehen von Berlin selbst gibt es nur noch vier weitere deutsche Marathons, die überhaupt mehr Läufer im Ziel haben als diesmal bei diesem Megarennen einfach nur hinzukamen.

Langzeitentwicklung der Marathons zwischen 4.000 bis 45.000 Finisher 2019

Die eigentlich längst nicht mehr als "Konkurrenten" oder "Verfolger" zu bezeichnenden Veranstaltungen in Frankfurt und Hamburg, die sich seit mehr als einer Dekade auf den Rängen zwei und drei abwechseln, erreichen jeweils nicht mal ein Viertel dieser Zahl. Und man muss schon die vierzehn nächstgrößten Läufe zusammen addieren, um in der Summe die Berliner Zieleinläufe irgendwie übertreffen zu können.

In der Geographie gibt es für die eindeutige, fast erdrückende Dominanz einer Stadt über den Rest des Landes den Begriff "primate city". Selbst wenn es eine solche bezüglich der in der ursprünglichen Definition benutzten Parameter wie Einwohnerzahl, wirtschaftliche, politische, administrative und kulturelle Bedeutung in Deutschland - anders als zum Beispiel in Frankreich oder Großbritannien, aber auch in Österreich - eigentlich nicht gibt, in der Marathonszene hat Berlin eindeutig diese Rolle eingenommen.

Und während ansonsten alle anderen Veranstaltungen brennend daran interessiert sind, mehr Teilnehmer anzulocken, kann man an der Spree weiterhin selbst entscheiden, wie viele der eingehenden Meldungen man denn nun wirklich annehmen möchte und wie groß dadurch der Abstand zu den übrigen Läufen der Republik werden soll. Der begrenzende Faktor ist nicht das Interesse der potentiellen Teilnehmer sondern einzig und allein die eigene Logistik.

Trotz der wohl höchsten Marathon-Startgebühren in Deutschland wird seit etlichen Jahren für jede Auflage frühzeitig ein "ausgebucht" vermeldet. Inzwischen setzt man in Berlin wie in New York, London oder Tokyo sogar schon auf ein Losverfahren, um den Ansturm aus der ganzen Welt in den Griff zu bekommen.

Langzeitentwicklung der Marathons zwischen 1.000 bis 3.500 Finisher 2019

Denn es ist eben auch ein bemerkenswerter Aspekt des Berliner Wachstums, dass gerade noch ein Drittel aller Zieleinläufe am Brandenburger Tor auf deutsche Sportler entfällt. Alleine zehn Prozent der Teilnehmer reisen inzwischen aus den USA an. Auch Briten, Franzosen, Italiener, Niederländer und - aufgepasst - Chinesen stellen problemlos vierstellige Kontingente. Die einst als zweitstärkste Nation aufgetretenen Dänen tummeln sich zwar ebenfalls noch in dieser Region. Doch längst haben ihnen andere den Rang abgelaufen.

In Hamburg behaupten die Skandinavier ihre Position als größte Gästegruppe allerdings weiterhin problemlos. Fast ein Zehntel aller Teilnehmer an der Elbe stellen unsere nördlichen Nachbarn. Wobei allerdings für etliche von ihnen die Hansestadt vom eigenen Wohnort auch nicht weiter entfernt ist, als die ganz im Osten des Landes gelegene dänische Hauptstadt Kopenhagen.

Wie schon im Vorjahr rettete sich der Hamburger Marathon gerade so in die Fünfstelligkeit. Ganz so knapp wie im Vorjahr, als man mit gerade einmal fünfzehn Läufern weniger im Ziel erstmals seit zwei Jahrzehnten wieder unter diese psychologisch so wichtige Marke gerutscht wäre, ging es diesmal zwar nicht aus. Aber ein Plus von siebenundachtzig Sportlern ist wohl eher eine Punktlandung als ein wirkliches Wachstum. Relativ gesehen hat sich die Teilnehmerzahl um nicht einmal ein Prozent verändert.

Ganz ähnliches lässt sich auch für die ewige Konkurrenz aus Frankfurt vermelden. Selbst wenn hier das Vorzeichen der Entwicklung zum Vorjahr rein rechnerisch negativ ist, bleiben die Zahlen bei genauerem Hinsehen eigentlich ebenfalls unverändert. Für einen Platztausch zwischen den beiden großen Antipoden - ein Begriff der aufgrund der meist genau ein halbes Jahr auseinander liegenden Termine Ende April und Ende Oktober absolut passt - reichen solch marginale Änderungen keineswegs aus.

Absolut

Zur besseren Übersichtlichkeit sind nur die 20 Marathons grafisch aufgeführt, die aus den Marathons ab 300 Finisher eine signifikante Änderung aufweisen. Auf der Plusseite alle mit einem Zuwachs ab 81 Finisher. Auf der Minusseite alle ab 68 Finisher weniger im Ziel.

In der Grafik fehlen somit: Leipzig (+69), Gelsenkirchen (+60), Schwarzwald (+52), Heilbronn (+46), Allgäu Panorama (+30), Brockenmarathon (+28), Lübeck (+21), Kandel (+19), Karlsruhe (0), Würzburg (-16), Essen (-21), Rennsteig (-25), Kassel (-27), Ulm (-29), Dresden Oberelbe (-52), Duisburg (-53), Oldenburg (-58).

Allerdings ist der Vorsprung der Hessen auf Platz zwei gegenüber den Hanseaten auf dem dritten Rang von etwa sechshundert auf nun nur noch rund vierhundertfünfzig Teilnehmer geschrumpft. Ein komfortables Polster ist das nicht unbedingt, weitere Positionswechsel in den kommenden Jahren erscheinen wie schon in der Vergangenheit jederzeit möglich. Es ist eigentlich sogar immer eine der spannendsten Fragen bei der Zusammenstellung der Daten, wer es denn im aktuellen Jahr nun auf den Vizeplatz geschafft hat.

Doch sind diese zwei Marathons gut gefestigt, besitzen einen relativ großen Läuferstamm und haben sich ihrerseits weit von den übrigen Rennen im Land entfernt. Von hinten droht nicht die geringste Gefahr. Denn die nächsten beiden Läufe der Rangliste - Köln und München - haben sich zuletzt unterhalb der Fünftausendermarke eingependelt, kommen also nicht einmal mehr auf die Hälfte der Teilnehmer. Die Zeiten, als man zumindest mit Frankfurt in einer Liga spielte, sind lange vorbei.

Und während beide Veranstaltungen bei den angeschlossenen Halbmarathons ihre Größe halten konnten, büßten sie 2019 auf der Hauptdistanz erneut ein. Köln gingen verglichen mit der letzten Austragung mehr als vierhundert, München über dreihundert Marathonis verloren, was in relativen Zahlen erneut den Schwund von beinahe einem Zehntel der jeweiligen Felder bedeutet.

Relativ

Zur besseren Übersichtlichkeit sind nur die 19 Marathons grafisch aufgeführt, die aus den Marathons ab 300 Finisher eine signifikante Änderung aufweisen. Auf der Plusseite alle mit einem Zuwachs ab 14,61 Prozent. Auf der Minusseite alle ab 7,12 Prozent weniger im Ziel.

In der Grafik fehlen somit: Leipzig (+11,52%), Bonn (+11,01%), Hannover (+10,00%), Gelsenkirchen (+9,84%), Heilbronn (+9,18%), Allgäu Panorama (+8,43%), Berlin (+8,03%), Lübeck (+5,85%), Kandel (+4,08%), Brockenmarathon (+3,73%), Hamburg (+0,87%), Karlsruhe (0), Frankfurt (-0,64%), Rennsteig (-0,79%), Essen (-4,06%), Würzburg (-4,17%), Ulm (-4,73%), Dresden Oberelbe (-6,12%).

Seit dem Jahrtausendwechsel kamen in der bayerischen Hauptstadt nie weniger Sportler ins Marathonziel als dieses Mal. Und die Rheinländer lagen in ihrer Veranstaltungshistorie bisher nur zweimal knapp unter dem diesjährigen Ergebnis. Vom eigenen Rekordwert aus dem Jahr 2002 ist man in der Domstadt ohnehin meilenweit entfernt. Der war schließlich mehr als dreimal so hoch.

Dass man sich gegenseitig die Teilnehmer weggenommen haben könnte, weil die Rennen in den hinsichtlich der Einwohnerzahl in Deutschland auf Position drei und vier geführten Städten am gleichen Tag stattfanden, ist eher unwahrscheinlich. Die Entfernung ist doch ziemlich groß und die Einzugsgebiete verschieden.

Zudem liegen die beiden auch sonst in der Regel nur eine Woche auseinander. Und die Zahl der Läufer, die an zwei Sonntagen nacheinander diese Distanz unter die Sohlen ihrer Schuhe nehmen, ist doch recht überschaubar. Von den eingefleischten Marathonsammlern ziehen es ohnehin viele vor, nicht ständig nur bei den großen City-Rennen anzutreten und zur Abwechslung immer wieder kleine Läufe durch die Natur in den eigenen Startkalender einzustreuen.

In die Kategorie "Landschaftsmarathon" gehört die Thüringer Traditionsveranstaltung auf dem Rennsteig natürlich eindeutig. Doch "klein" ist sie sicher nicht. Denn alleine über die in Neuhaus beginnende Marathonstrecke kommen regelmäßig mehr als dreitausend Sportler in den Zielort Schmiedefeld gerannt.

Beim aus der entgegengesetzten Richtung in Eisenach gestarteten Ultra rutschte man inzwischen zwar wieder knapp unter die zuletzt auch schon einmal übertroffene Marke von zweitausend Einträgen in die Ergebnisliste. Doch blieb man damit zum einen eindeutig größter deutscher Lauf auf der Überdistanz und zum anderen noch der sechstgrößte Marathon im Land.

In der Spitzengruppe sind die Thüringer damit zwar weiterhin ein Außenseiter. Doch nachdem einige andere Veranstaltungen - insbesondere jene abseits asphaltierter Großstadtpisten - ebenfalls angefangen haben ihr Wettkampfprogramm nicht mehr nur nach unten sondern auch nach oben zu erweitern, steht der Rennsteiglauf mit der Kombination von Marathon und Ultra längst nicht mehr ganz so alleine wie früher.

Fünfundzwanzig gegenüber dem Vorjahr weniger ausgegebene Marathonmedaillen sind eigentlich nicht der Rede wert. Neben Frankfurt und Hamburg wiederholte damit noch ein dritter Lauf in der Spitzengruppe praktisch exakt das bei der letzten Auflage vorgelegte Ergebnis und hat nur eine Änderungsrate im Nachkommabereich. Doch wenn so etwas bei einer Veranstaltung nun wirklich überhaupt nicht überrascht, dann ist es beim Rennsteiglauf.

Schließlich hatte keine deutsche Veranstaltung bezüglich der Zahl ihrer Teilnehmer im Laufe der Jahre eine geringere Schwankungsbreite. Der Maximal- und der Minimalwert in den immerhin eineinhalb Dekaden umfassenden LaufReport-Aufzeichnungen liegen gerade einmal zwanzig Prozent auseinander. Und vom Ausgangswert ist man nur einige Prozent entfernt. Die Ausschläge bei der Konkurrenz sind da - unabhängig von ihrem langfristigen Entwicklungstrend - meist weitaus größer.

Beim Rennsteiglauf bewegt man sich mit den aktuellen Zahlen sogar etwas im oberen Bereich des erwähnten engen Korridors. Und dessen Grenze wurde zu allem Überfluss noch bei der vierzigsten Auflage festgelegt, ist also mit einem kleinen Sternchen zu versehen. Denn wie sich immer wieder bei der Datenermittlung zeigt, treiben Jubiläen den Zuspruch spürbar nach oben. Auf dem Thüringer Fernwanderweg scheint also weiterhin alles im grünen Bereich zu sein.

Es ist durchaus bemerkenswert, dass praktisch alle Veranstaltungen, die über die Jahre eine auch nur annähernd vergleichbare Konstanz aufweisen, im Osten der Republik zu finden sind. Zu nennen wären diesbezüglich die beiden Dresdner Marathons in der Stadt und entlang der Elbe, der Leipzig Marathon sowie der über den Brocken führende Harzgebirgslauf von Wernigerode.

Allen ist gemein, dass sie im laufenden Jahr nur wenig über oder unter ihrem Ergebnis von 2005 lagen und sich alleine durch das bloße Halten dieses Wertes um etliche Plätze in der Rangliste verbessern konnten. So gesehen war es vermutlich sogar ein Vorteil, im Gegensatz zu vielen anderen Läufen vom Marathonhype kurz nach der Jahrtausendwende verschont worden zu sein und eine deutlich niedrigere Ausgangsbasis zu haben. Denn diese bildete vielleicht viel eher das wahre Potenzial der Veranstaltung ab.

Verglichen mit dem Rennsteig sieht die Situation in Düsseldorf ganz anders aus. Denn obwohl man sich in der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen auf dem siebten Rang behaupten konnte, ist ein neuer Minusrekord zu bilanzieren. Gegenüber der Erstauflage im Jahr 2003 haben sich die Teilnehmerzahlen nun ziemlich genau halbiert. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass es andere - auch das Rennen des ewigen rheinischen Rivalen Köln - im gleichen Zeitraum noch viel heftiger gebeutelt hat.

Zum wiederholten Male tritt dabei eine in der LaufReport-Analyse des Vorjahres gemachte Vermutung tatsächlich ein. Auch wenn sich ansonsten die meisten Prophezeiungen für die Zukunft später dann als ziemlicher Unfug herausstellen, liegt man angesichts etlicher Beispiele aus der Vergangenheit in der Regel nicht unbedingt verkehrt, wenn man einem Marathon, der seinem Programm einen neuen Halbmarathon hinzufügt, einen weiteren Teilnehmerrückgang vorhersagt.

Eigentlich sind die Düsseldorfer mit einem Schwund von 235 Marathonis dabei sogar noch ganz gut weggekommen. Andere haben sich ihren namensgebenden Hauptlauf mit einer solchen - aus wirtschaftlicher Sicht vielleicht nachvollziehbaren - Entscheidung noch viel mehr geschwächt. Alleine die Entwicklung beim Kölner Nachbarn bietet da ausreichend Anschauungsmaterial.

Doch schon bei der ersten Austragung ist der Halbe hinsichtlich der Zieleinläufe auf der Rheinuferpromenade am Marathon vorbei gezogen. Es wird sicher spannend in den nächsten Jahren zu beobachten, ob auch in Düsseldorf wie bereits bei so vielen anderen Veranstaltungen im Land, die zweiundvierzig Kilometer zum reinen Rahmenprogramm eines dominanten Halbmarathons werden.

Obwohl diese Entwicklung tatsächlich in nahezu allen vergleichbaren Fällen zu beobachten ist, stellt es keineswegs ein unumstößliches Naturgesetz dar, dass eine starke Unterdistanz zwangsläufig immer zu einem schwächer werdender Marathon führen muss. Hannover auf Rang acht der deutschen Rangliste ist eines der seltenen Gegenbeispiele.

Denn obwohl auch in der Leinestadt auf der Halbdistanz inzwischen fast viermal so viele Sportler unterwegs sind wie auf der Langstrecke, sind die Marathon-Teilnehmerzahlen im Laufe der Zeit trotzdem langsam aber kontinuierlich nach oben gegangen. Nachdem man im Vorjahr erstmals seit den Neunzigerjahren wieder die Marke von zweitausend Teilnehmern knacken konnte, kamen nun noch einmal gut zweihundert Zieleinläufe hinzu.

Abgesehen von Berlin und Frankfurt hat im Verlauf der jährlichen LaufReport-Analysen in absoluten Zahlen keine Veranstaltung stärker zugelegt. Relativ zum Ausgangswert des Jahres 2005 kann beim Wachstum ohnehin niemand aus der Konkurrenz mithalten. Gleiches gilt auch für den Sprung in der Platzierung. Denn damals noch auf Position dreiundzwanzig der Größenrangliste geführt, hat der Hannover Marathon inzwischen sogar die Düsseldorfer auf Rang sieben in greifbarer Nähe.

Woraus das Erfolgsrezept der Niedersachsen besteht, ist schwer zu sagen. Denn auf den ersten Blick unterscheidet sich der Lauf eigentlich kaum in irgendetwas markant von seinen Mitbewerbern. Alle Versatzstücke lassen sich irgendwie auch bei anderen Veranstaltungen finden. Und ohne den Hannoveranern zu nahe treten zu wollen, muss man ergänzen, dass ihre Stadt auch nicht zu den absoluten Top-Zielen für Touristen zählt. Selbst der Termin im hart umkämpften April scheint nicht unbedingt vorteilhaft. Doch es funktioniert.

Wenn das Geheimnis entschlüsselt wäre, hätte man in Münster wohl durchaus Interesse daran. Denn ähnlich wie die Rheinländer aus Düsseldorf müssen die Westfalen einen neuen Minusrekord verbuchen. Und auch am Aasee haben sich die Teilnehmerzahlen seit den Anfangstagen vor knapp zwei Jahrzehnten halbiert. Dass man sich dennoch über praktisch die gesamte Zeit sicher in den Top Ten halten konnte, hat längst mehr mit der Schwäche der Konkurrenz als mit wirklich eigener Stärke zu tun.

Bis hierhin war alles normal. Kein einziger Marathon hat seinen Vorjahresplatz verändert, bei keinem einzigen wiederspricht die Entwicklung dem langfristigen Trend. Und selbst wenn einige Veranstaltungen in absoluten Zahlen dreistellige Verluste schreiben, bleiben die relativen Änderungen im einstelligen Bereich. Die ganz großen Abstürze fehlen genauso wie drastische Sprünge nach oben.

Fast jeder der bisher gelesenen Sätze hätte an gleicher Stelle auch in einem der früheren Kommentare auftauchen können. Und vermutlich wurden etliche von ihnen sogar in ähnlicher Form schon einmal in der Vergangenheit formuliert. Selbst dass der zehntplatzierte Dresdner Marathon, der im Vorjahr unter die Tausendermarke gerutscht war, nun wieder vierstellig ist, stellt keine riesige Umwälzung dar. Denn Zehnter waren die Sachsen auch schon im Vorjahr.

Doch bei der Betrachtung der Veranstaltungen auf den dahinter folgenden Rängen, fällt tatsächlich etwas ziemlich Bemerkenswertes auf. Erstmals seit langem gibt es nämlich bis hinunter zu Position dreißig oder vierzig bei den Veränderungen deutlich mehr schwarze als rote Zahlen. Und bei den eher wenigen Marathons, bei denen es Einbußen gibt, bleiben diese auch meist in einem überschaubaren Rahmen.

Zum ersten Mal seit weit über einem Jahrzehnt steigt die Zahl der Marathons mit mehr als tausend Läufern in Deutschland wieder an. Neben Dresden übersprangen nämlich in diesem Jahr auch Bremen und Mainz diese Marke. Nun gibt es wieder zwölf Läufe in der Vierstelligkeit, was zwar dem Vergleich mit dem doppelt so hohen Wert vor fünfzehn Jahren absolut nicht standhält, aber immerhin einen kleinen Lichtblick darstellt.

Und während die Hansestadt sich schon seit längerem im Stile eine Fahrstuhlmannschaft stets entlang dieser augenfälligen Grenze auf und ab gehangelt hat, durchbricht man in der Fastnachtshochburg mit einem Zuwachs von mehr als zweihundert Marathonis einen langjährigen Abwärtstrend. Für Jubelschreie dürfte es in Rheinhessen aber wohl doch deutlich zu früh sein. Denn zum einen wurde die Grenze wirklich gerade so übertroffen.

Zum anderen - und wohl viel wichtiger - wurde der Gutenberg-Marathon in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal ausgetragen. Und so mancher Teilnehmer aus der Vergangenheit dürfte sich angesichts der runden Zahl zu einem weiteren Start aufgerafft haben. Deshalb steht zu befürchten, dass es sich bei dieser deutlichen Aufwärtsbewegung nur um einen einmaligen Ausreißer aufgrund des Jubiläumseffekts und nicht etwa um eine echte und dauerhafte Trendwende handelt.

Mainz ist übrigens als Zwölfter der erste Marathon in der Liste, der seinen Platz verändert hat. Ganze zwei Positionen ging es aufwärts. Über mangelnde Konstanz kann die deutsche Marathonszene in den letzten Jahren nun wahrlich nicht klagen. Mehr Auf und Ab als eine Handvoll Positionen gab es trotz des dort herrschenden Gedränges auch im Mittelfeld zuletzt eher selten. Bemerkenswerte Neuzugänge fehlen ohnehin schon seit Längerem. Und namhafte Aussteiger lassen in diesem Jahr genauso wenig aufzählen.

Dass Karlsruhe hinter Mainz seinen dreizehnten Rang verteidigt, ist also nicht unbedingt ungewöhnlich. Dass man in Baden bei den Zieleinläufen allerdings wirklich ganz exakt den Vorjahreswert trifft, hat dann doch weniger mit Konstanz als vielmehr mit großem Zufall zu tun. In den ja immerhin eineinhalb Jahrzehnte zurückreichenden LaufReport-Zeitreihen gibt es einen solchen Effekt nämlich zum allerersten Mal.

Bonn und Freiburg verbessern sich dahinter sowohl hinsichtlich der Zieleinnläufe als auch der Platzierung. Überhaupt schreibt von den Läufen bis Rang zwanzig einzig der Oberelbe-Marathon leicht rote Zahlen. Auch der Harzgebirgslauf und der Ruhrmarathon sowie Leipzig, Monschau und Mannheim legten zu. Über die absoluten Werte würde man dabei zwar bei den richtig Großen nur die Schultern zucken, relativ gesehen bedeutet es für viele der Genannten aber eine zweistellige Wachstumsrate.

Dem Traditionslauf im Eifelstädtchen Monschau verhalf dabei ein neu geschaffener "Genuss-Marathon" ohne Wettkampfcharakter zu einem ordentlichen Zuwachs. Fast fünfzig Prozent betrug die Veränderung gegenüber 2018. Nun kann man sicher darüber diskutieren, ob die Teilnehmer eines solchen - zudem noch deutlich vor dem Hauptfeld gestarteten - Laufes überhaupt mitgezählt werden sollten. LaufReport hat sich dazu entschieden, es zu tun.

Schließlich haben sie ebenfalls die Marathondistanz zurückgelegt - und zwar fast alle mindestens in Zeiten, die man genauso problemlos in den Listen großer Stadtmarathons finden kann. Auch in Berlin, Hamburg oder Frankfurt ist es im Hinterfeld mit Wettkampfcharakter meist nicht weit her. Selbst der separate Start ist kein wirklich starkes Argument. Denn die großen Cityveranstaltungen schicken ihre Felder nahezu ausnahmslos ebenfalls in mehreren, zeitverschobenen Wellen auf die Strecke.

Einen noch viel deutlicheren Satz machte der Mitteldeutsche Marathon von Leipzig nach Halle, der sein Startfeld fast schon verdoppeln kann. Doch auch hier sind ein paar Anmerkungen nötig. Denn einerseits kommt man wirklich von ziemlich weit unten, war im letzten Jahr sogar mangels Größe aus der erst bei dreihundert Zieleinläufen beginnenden LaufReport-Liste heraus gefallen.

Und außerdem war diesmal der Sparkassenmarathon integriert, bei dem jährlich an einem anderen Ort die Sparkassenorganisation ihre schnellsten Läufer ermittelt. Nimmt man all jene Sportler aus den Ergebnissen heraus, die für eine Sparkasse oder Landesbank antraten, bleibt von den vermeintlich deutlichen Zuwächsen nur noch ein Drittel übrig. Immerhin hätte es auch so für den Wiedereintritt in die Gruppe der hier genauer betrachteten Rennen gereicht.

Für Traditionalisten ist es schön zu sehen, dass neben Monschau auch andere Läufe mit langer Geschichte wie Kandel oder der Schwarzwaldmarathon eine ganz leichte Erholung zeigten und nicht noch tiefer in den Abwärtsstrudel gerieten. Doch Gegenbeispiele lassen sich eben leider auch entdecken. Für Duisburg, einen der ältesten deutschen Stadtmarathons, ist zum Beispiel ein neuer Tiefstwert zu notieren.

Und im nahen Essen muss man beim ältesten ununterbrochen ausgetragenen deutschen Marathon in den Annalen wohl einige Jahrzehnte bis zur Frühzeit der Volkslaufbewegung zurück blättern, um eine Auflage zu finden, bei der man weniger als fünfhundert Läufer im Ziel verzeichnet hatte. Diesmal lag man am Baldeneysee nämlich um vier Sportler unter dieser Marke.

Am heftigsten schlug es im Bundesland Bayern ein, wo Fürth mit deutlichen Verlusten unter die Grenze von dreihundert Zieleinläufen rutschte und damit aus der Menge der in den LaufReport-Analysen graphisch aufbereiteten Veranstaltungen heraus fiel. Ganz ähnlich ging es auch dem Wintermarathon von Bad Füssing. Und sowohl in Regensburg wie auch in Füssen fehlte dieses Jahr in der Summe rund ein Viertel der im letzten Jahr gezählten Teilnehmer.

Nimmt man das Münchner Minus noch hinzu, erscheint der weiß-blaue Freistaat ausnahmsweise einmal tiefrot im Südosten der Deutschlandkarte. Die zweite offene Flanke ist der Westen der Republik. Denn selbst wenn sich die mittleren und kleineren Marathons der Rhein-Ruhr-Region weit weniger einheitlich präsentieren und zum Teil auch zulegen, können sie die Verluste von Köln, Düsseldorf und Münster nicht im Entferntesten abfedern.

Aber insgesamt wächst die Zahl der Zieleinläufe in Deutschland. So hoch wie 2019 war sie schon einige Jahre nicht mehr. Natürlich schlägt hierbei vor allem der Berlin Marathon durch, der noch einmal ordentlich zugelegt hat und eigentlich im Alleingang für das Plus sorgt. Doch die Läufe im Mittelfeld können ebenfalls etwas beitragen. Diesmal liegt das Manko eindeutig in der zweiten Reihe. Würden dort nicht einige Veranstaltungen weiter erkennbar schwächeln, käme man auch ohne Berlin auf ein leichtes Plus.

Natürlich bleiben diese Zahlen eine reine Momentaufnahme. Aus ihnen bereits endgültig abzuleiten, dass die deutsche Marathonszene die Talsohle nun durchschritten habe und es nach Jahren der Stagnation endlich wieder aufwärts ginge, wäre bei einem rein wissenschaftlich-statistischem Blick auf die Daten geradezu vermessen. Doch dass angesichts der zwar leichten, aber relativ breit gestreuten Zuwächse ein bisschen Hoffnung aufkeimt, ist trotzdem durchaus zulässig.

Dass zumindest einige Absätze in diesem Kommentar ein wenig anders klingen als in den fast schon zu Depressionen verleitenden Vorjahren, ist ein kleiner Fingerzeig. Vielleicht zeichnet sich tatsächlich ein Ende der deutschen Sonderrolle ab und man nähert sich wieder den meist positiven Entwicklungen in der Nachbarschaft an. In nahezu allen anderen Ländern - sowohl in Europa als auch im Rest der Welt - zeigte der Trend im Marathon schließlich zuletzt spürbar nach oben.

Es wäre schön, wenn man 2020 an dieser Stelle von einer weiteren Erholung berichten könnte. Doch dafür müssen die Läufer eben erst einmal mit ihren Füßen abstimmen.

Text: Ralf Klink 

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2019

Teil 4: Halbmarathon kontra Marathon

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Längst kommt man bei einer genaueren Betrachtung der deutschen Marathonszene nicht mehr umhin, sich auch intensiv mit dem kleinen Bruder der Königsdistanz zu beschäftigen, dem Halbmarathon. Schließlich gibt es inzwischen kaum noch eine Veranstaltung, die neben dem - in der Regel namensgebenden Rennen - über zweiundvierzig Kilometer auch noch einen Wettbewerb über die halb so lange Strecke im Programm hat.

Neu ist diese Entwicklung wahrlich nicht. Und dennoch nimmt die Zahl der Läufe ohne Halbmarathon jedes Jahr noch weiter ab. Zuletzt haben angesichts schwindender Zahlen auf der Langdistanz auch einige der ganz Großen auf den zusätzlichen Halben umgestellt. Nach Hamburg im Vorjahr hat in diesem Jahr Düsseldorf seine Palette entsprechend ergänzt.

Und es existiert mehr als nur ein Gerücht, dass im nächsten Jahr Münster, wo man wie bis vor Kurzen auch bei den beiden zuvor Genannten nur eine Staffel als niederschwelliges Angebot ausschreibt, im nächsten Jahr ebenfalls nachziehen könnte. Doch selbst wenn die Westfalen der Verlockung noch einmal widerstehen würden, haben von den vierzig größten Marathons im Land nun fünfunddreißig auch einen Halben im Angebot.

Einzig der Megalauf in Berlin kommt dabei völlig ohne Rahmenwettbewerbe aus. Bei der aktuellen Nummer zwei der Größenrangliste in Frankfurt sind neben den Einzelstartern auch Viererstaffeln auf der Straße unterwegs. In Essen ist aufgrund der Streckenstruktur die Unterdistanz mit 17,4 Kilometern noch ein wenig kürzer als anderswo geraten und selbst mit viel Wohlwollen nicht mehr als "Halbmarathon" zu werten.

Und beim Traditionslauf im Eifelstädtchen Monschau hat man neben einer dort ebenfalls angebotenen Staffel das Programm vor einigen Jahren in genau die umgekehrte Richtung erweitert und schickt besonders Ausdauerbegeisterte auf einen Ultralauf mit der Länge - kleine Rechenaufgabe zur Auflockerung - eines Vierdrittelmarathons.

Neben dem Halbmarathon ist der zusätzliche Ultra übrigens ein zweiter, wenn auch nicht ganz so überwältigender und nahezu ausschließlich bei Landschaftsmarathons zu entdeckender Trend. Was es beim Rennsteig schon immer gab und auch im Allgäu in Sonthofen von Anfang an zum Programm gehörte, ist nun zum Beispiel auch im Bottwartal, in Heidelberg oder am Rursee fester Bestandteil der Veranstaltung.

Doch zurück zum Halbmarathon, der eigentlich fast immer weit mehr ist als nur ein bloßer Rahmen für den doppelt so langen Hauptlauf. Vielmehr sind die Gewichtungen in den meisten Fällen genau umgekehrt verteilt. Streng genommen ist einzig und allein beim Hamburg Marathon die Langdistanz wirklich nennenswert größer als der kleine Bruder. Auf einen Halb- kommen in der Hansestadt immerhin beinahe vier Vollmarathonis.

Doch darf dabei nicht unerwähnt bleiben, dass hierbei nicht das freie Spiel der Kräfte gilt. Vielmehr ist das Angebot durch eine gedeckelte Anzahl von Startplätzen künstlich verknappt. Die Vermutung, dass die Nachfrage deutlich höher liegen dürfte und ohne diese Obergrenze weit mehr Läufer an den Start zu bringen wären, ist sicher nicht allzu verwegen.

Obwohl sie sich damit natürlich ganz bewusst eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen wollten, sind die Hamburger Organisatoren vernünftig genug, dabei den Bogen im Moment nicht zu überspannen. Zu viele andere Läufe haben schließlich ihrem Marathon in der Vergangenheit mit dem Halben das Wasser immer weiter selbst abgegraben.

Irgendwie ist man aber geneigt zu sagen "noch tun sie es nicht". Denn die Tür ist nun eben doch einen Spalt weit geöffnet und die ersten Füße stehen darin. Schließen wird man sie an der Alster kaum noch können. Und mit der Prognose, dass sie wohl in der Zukunft viel eher noch ein Stück weiter aufgehen wird, lehnt man sich nicht wirklich weit aus dem Fenster.

In Düsseldorf hat man diese Bremse jedenfalls nicht eingebaut. Und auf Anhieb ist der Halbmarathon schon in seinem ersten Jahr hinsichtlich der Teilnehmer am Marathon vorbei gezogen. Wobei die Relation mit ungefähr vier zu drei im Vergleich zu den Mitbewerbern allerdings trotzdem noch ziemlich gut ausgefallen ist. Mit etwas Augenzudrücken könnte man sogar beinahe von ausgeglichenen Verhältnissen sprechen.

Von den großen Stadtmarathons bleibt nämlich ansonsten einzig und allein München unterhalb der Grenze eines mindestens doppelt so starken Feldes auf der Halbdistanz. Daneben sind es eigentlich nur noch ungefähr ein halbes Dutzend Landschaftsläufe, die eine solche Quote erzielen und sich dabei sogar alle im Bereich unter 120 Prozent tummeln können.

34 Marathonveranstaltungen mit mehr als 300 Finishern haben zudem einen Halbmarathon im Programm. Die y-Achse zeigt das Verhältnis der Halbmarathonfinisher zu den Marathonfinishern an. Die x-Achse zeigt die Marathons in der Reihenfolge der Abweichungen.

Bei nahezu allen von ihnen lässt sich dabei als ein Argument für den Zuspruch auf der Marathonstrecke anführen, dass diese unterwegs besondere Höhepunkte bietet, die auf den einundzwanzig Kilometern fehlen. Oft ist das sogar im wahrsten Wortsinne so. So bleibt der Halbe von Sonthofen in niedrigeren Talregionen, während sich Marathon- und Ultraläufer viel weiter ins Gebirge hinauf wagen dürfen.

Auch beim Harzgebirgslauf von Wernigerode führt nur der Brockenmarathon über den legendären, lange für die Allgemeinheit unzugänglichen Gipfel, auf dem man auch mitten in Norddeutschland Hochgebirgsvegetation vorfindet. Das Traditionsrennen ist übrigens neben Hamburg auch die einzige deutsche Veranstaltung, bei der die Teilnehmerzahlen auf der Langdistanz tatsächlich ein wenig größer sind als die auf der halb so langen Alternative.

Beim ähnlich traditionsreichen Kyffhäuser-Berglauf - beide Veranstaltungen haben eine bis in die späten Siebziger zurückreichende Geschichte - ein Stück weiter im Süden sind es ebenfalls nur die Marathonis, die am bekannten Denkmal vorbei kommen. Mit 250 zu 259 Zieleinläufen ist das Interesse auch in Nordthüringen nahezu gleichmäßig auf die beiden Distanzen verteilt.

Auf Usedom dürfen die Langstreckler auf einem in Polen beginnenden Punkt-zu-Punkt-Kurs über die Uferpromenade der Seebäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin laufen, während der Halbmarathon nur um den Zielort Wolgast kreist. Und in Füssen verläuft der kürzere der beiden Wettbewerbe über eine mehrfach zu durchlaufende Runde am Samstag. Der Marathon wird im Gegensatz dazu dann sonntags auf einer großen Schleife entlang der umliegenden Seen mit weiten Blicken auf die Allgäuer Alpen ausgetragen wird.

Dazu kommt noch der Siebengebirgsmarathon, bei dem sich der Marathon hinsichtlich der Streckenführung zwar nicht wirklich vom Halben abhebt, der aber ebenfalls in der Natur ausgetragen wird und eine nahezu gleiche Aufteilung der Läufer auf beide Distanzen vorweisen kann. Sein Alleinstellungsmerkmal ist wohl hauptsächlich der relativ konkurrenzlose Termin im Dezember.

Noch ein weiterer Lauf unterbietet das Verhältnis von ein zu zwei zwischen den Einläufen auf der Voll- und Halbdistanz. Doch spielt der Bauhaus-Marathon in Weimar ein wenig außer Konkurrenz. Denn wie bei eigentlich allen Neueinsteigern dürfte so mancher notorische Marathonsammler diesen Lauf gleich einmal in seine Kollektion aufgenommen haben. Bei einer Einmalveranstaltungen, wie man sie im thüringischen Residenzstädtchen konzipiert hat, hat man dabei ja nur eine einzige Chance.

Allerdings ist auch aus anderen ursprünglich nur als Solitär angesetzten Rennen ein regelmäßiges Ereignis geworden. Mainz, wo man mit dem Gutenberg-Marathon anfangs nur den sechshundertsten Geburtstag des großen Buchdruckers sportlich begehen wollte, ist ein schönes Beispiel. Denn inzwischen ist man in der Fastnachtshochburg bei der zwanzigsten Auflage angekommen.

Der namensgebende Marathon spielt dabei jedoch hinsichtlich des Teilnehmerzuspruchs nur noch die zweite Geige. Längst treten gegenüber der Mündung des Mains in den Rhein rund sechsmal so viele Starter auf der Halbdistanz an. Wobei man noch erwähnen muss, dass sich die Relation in diesem Jahr aufgrund des Jubiläums ein wenig zugunsten der zweiundvierzig Kilometer verschoben hat.

Mit den Mainzern am anderen Ende der Verhältnis-Skala finden sich mit Freiburg, Bonn, Ulm, Heilbronn, Regensburg, Kassel und Mannheim auch viele weitere der "üblichen Verdächtigen", also jener Läufe der - ohne ihnen zu nahe treten zu wollen - dritten Reihe, bei denen schon seit Jahren der Marathon eigentlich nur noch das schmückende Beiwerk eines dominierenden Halbmarathons ist.

Neuer "Spitzenreiter" sind hierbei die Südbadener aus Freiburg, wo jetzt auf einen Marathoni acht Halbmarathonläufer kommen. Und das sogar, obwohl auf der langen Distanz im Vergleich zum Vorjahr mehr als hundert Läufer zusätzlich ins Ziel kamen. Allerdings wuchs der kleine Bruder im Breisgau ebenfalls - und das gleich um über tausend Sportler, was den Zeiger weiter zum Halben ausschlagen ließ.

Den Bonnern - im letzten Jahr mit einer acht als erste Ziffer der Quote versehen - geht es ganz ähnlich. Auch in der früheren Bundeshauptstadt legt man bei beiden Wettbewerben leicht zu. Nur ist der Marathon hier relativ gesehen ein wenig stärker gewachsen als der Halbe, so dass man sich mit einem kleiner gewordenen Wert diesmal hinter Freiburg einsortieren kann.

Auch in Ulm verschiebt sich die Relation ein wenig zugunsten des Marathons. Trotzdem wandert man dadurch in der Liste ein wenig nach oben, da auch bei nahezu allen vergleichbaren Rennen ein ähnlicher Effekt zu beobachten ist. Doch während sich dies in den anderen Fällen meist aufgrund steigenden Interesses am Marathon ergibt, schrumpft dieser am Oberlauf der Donau. Ob es dann wirklich ein Vorteil ist, wenn die Halbdistanz im Verhältnis noch etwas mehr verliert, sei einmal dahin gestellt.

Dass Heilbronn, das jahrelang nahezu unangefochten Spitzenreiter der Quotenrangliste war, inzwischen in der Auflistung nun etwas weiter hinten rangiert, dürfte die Organisatoren im Trollinger-Land eher nicht stören. Zumal für den Marathon auf der großen Schleife durch die umliegende Gemeinden und Weinberge diesmal eindeutig eine schwarze Zahl zu verzeichnen ist.

Der Verlust von genau einem Dutzend Läufer beim Halben tut dabei nicht wirklich weh. Relativ gesehen ist das nämlich nur ein Rückgang im Nachkommabereich und flapsig gesagt kaum mehr als ein "statistischer Dreckeffekt". Wirklich große Schwankungen sind aber beim "Trolli" ohnehin eher selten. Sowohl beim Marathon als auch beim Halbmarathon gehörte die Veranstaltung in den vergangenen Jahren eindeutig zu den stabilsten im LaufReport-Zahlenwerk.

Ganz klar liefert dieses allerdings erneut Belege dafür, wie stark die Halbmarathons inzwischen die Veranstaltungen dominieren. Denn selbst wenn man Berlin mit seinen über vierundvierzigtausend Marathonis ohne Halbdistanz als Gegengewicht mit aufsummiert, kommen bei deutschen "Marathons" deutlich mehr Sportler über einundzwanzig als über zweiundvierzig Kilometer ins Ziel.

Fast noch interessanter bei der genaueren Analyse der Daten ist jedoch, dass umgekehrt ein Halbmarathon alleine und ohne das Etikett "Marathon" auch nur bedingt attraktiv zu sein scheint. Unter den zehn größten Läufen im Land sind nämlich gerade einmal drei eigenständige Veranstaltungen, sieben werden hingegen zusammen mit einem Marathon ausgerichtet. Bei den ersten zwanzig hat man dreizehn dieser "Rahmenwettbewerbe". Von den ersten vierzig sind es immerhin noch vierundzwanzig.

Viele der größten Halbmarathons sind in eine Marathonveranstaltung integriert. Von den 34 Halbmarathons mit über 1.900 Finishern, sind 20 an einen Marathon angedockt (rote Balken). In die Top-ten kamen 3 Läufe ohne Marathon (blaue Balken). Die y-Achse zeigt die jeweiligen Halbmarathonfinisher an. Die Plus- bzw. Minuszeichen geben an, welcher Halbmarathon Finisher hinzu gewinnen konnte bzw. mit weniger Teilnehmern im Ziel als 2018 abgeschnitten hat. Der Düsseldorf Marathon* hatte 2019 erstmals einen Halbmarathon im Programm, der Bamberg Welterbelauf ** wird nur alle zwei Jahre ausgetragen.

Einzig in Berlin und Hamburg schafft man es sowohl mit einem Marathon als auch mit einem eigenständigen Halbmarathon auf eine der ersten zehn Plätze der jeweiligen Rangliste. Dabei ist die Hauptstadt im Halbmarathonbereich der Konkurrenz beinahe genauso enteilt wie auf der doppelt so langen Strecke.

Mit nun mehr als achtundzwanzigtausend Teilnehmern ist man zwar weiterhin deutlich kleiner als der große Bruder, aber eben auch weit mehr als doppelt so groß wie der nächste Verfolger aus Köln. Mit knapp dreieinhalbtausend zusätzlichen Läufern hat der Berliner Halbe zudem noch einmal deutlich zugelegt. Zweistellige Zuwachsraten sind auf diesem inzwischen doch recht konsolidierten Markt zwar weiterhin gelegentlich zu finden, aber doch alles andere als die Regel.

In Köln - wie im Vorjahr die Nummer zwei im Land - beträgt das "Wachstum" in absoluten Zahlen weniger als ein Prozent des Wertes von der Spree, nämlich genau einunddreißig Läufer, wodurch sich der ohnehin schon große Abstand zum Spitzenreiter noch einmal erheblich vergrößert. Weil der Marathon der Domstadt im Jahr 2019 allerdings weiter geschrumpft ist, hat der "Anhang" seinerseits nun fast schon die dreifache Größe des eigentlichen Namensgebers.

Auf Platz drei ist der Halbmarathon des Hannover Marathons vorgestoßen - das jedoch weniger durch eigenes Zutun als durch eine deutliche Schwächung des im Vorjahr auf dieser Position geführten Hamburger Laufes. Am Maschsee hat jedenfalls die Langdistanz sogar in absoluten Zahlen einen größeren Zuwachs als der Halbe. Dennoch bleibt dieser auch weiterhin fast viermal so groß.

Der Einbruch in Hamburg, wo man innerhalb eines Jahres beinahe neunhundert Läufer verloren hat, lässt sich sicher zumindest zum Teil mit den extremen Temperaturen von weit über dreißig Grad am Wettkampftag erklären, die so manchen eher ins Schwimmbad oder an den Baggersee als in die Laufschuhe gelockt haben könnte. Doch bei einem Termin kurz nach der Sommersonnenwende muss man eigentlich immer mit so etwas rechnen.

Die Konkurrenz zwischen den beiden Läufen in der Hansestadt, dürfte hingegen schon wegen der Teilnehmer-Obergrenze beim Marathon-Halbmarathon weniger Wirkung gezeigt haben. Ein wenig seltsam wirkt die Konstellation für den neutralen Beobachter allerdings schon, wenn zwei unterschiedliche Veranstalter auf fast identischem Kurs - nämlich jeweils ungefähr der ersten Hälfte der Marathonrunde - im Abstand von gerade einmal zwei Monaten ihr Rennen ausrichten.

Mit München und dem Rennsteiglauf folgen zwei Halbmarathons auf den nächsten Plätzen, die sich zufällig genau auf den gleichen Positionen finden, auf denen sich auch die zugehörigen Marathons einsortieren. Ebenfalls noch jeweils mehr als sechstausend Teilnehmer locken Freiburg, Bonn und Mainz an.

Erst auf Rang zehn stößt man dann mit Stuttgart auf den nächsten Lauf, der nicht zusammen mit einem Marathon veranstaltet wird. Die Schwaben sind dabei zuletzt ein wenig nach hinten durchgereicht worden. Denn noch vor wenigen Jahren gehörte man zur Spitzengruppe und fand sich durchaus auch einmal auf Podestplätzen. Doch hat man in dieser Zeit eben rund ein Drittel der damaligen Teilnehmerzahl verloren. Alleine in diesem Jahr waren es fast achthundert Läufer weniger.

So rückt der ganz ähnlich - nämlich mit einer nicht wirklich ins Zentrum sondern eher an der Peripherie entlang führenden Strecke und einem Zieleinlauf im Fußballstadion - konzipierte Frankfurter Halbmarathon wesentlich dichter an die Stuttgarter heran, ohne selbst nennenswert zuzulegen.

Dass sich direkt hinter dem von Spiridon Frankfurt, einem der größte deutschen Laufvereine, noch weitgehend auf traditioneller Basis ausgerichteten Rennen mit dem Sport-Scheck-Lauf in München ein Halbmarathon einreiht, bei dem der Sportartikelhändler nicht nur Sponsor sondern auch Organisator ist, zeigt die ganze Bandbreite der inzwischen denkbaren Veranstalter-Konstellationen.

Mit Ulm und Karlsruhe kommen zwei weitere Marathon-Nebenprodukte über die Viertausendermarke. Heilbronn, Bremen, Düsseldorf und Dresden schaffen eine Drei als erste Ziffer. Ein Bereich, in den neben dem trotz seiner Größe gerne einmal übersehenen Tegernsee-Halbmarathon und dem recht bergigen Traditionsrennen in Heidelberg auch gerade noch der nur im Zweijahres-Rhythmus ausgetragene Welterbelauf in Bamberg vorstoßen kann.

Schon diese lange Liste zeigt, dass es beim Halbmarathon in Bezug auf den Teilnehmerzuspruch weit ausgeglichener zugeht als auf der doppelt so langen Strecke. Elf weitere Läufe kommen zudem auf mehr als zweitausend Zieleinläufe. Und insgesamt sind es sogar siebenundfünfzig Veranstaltungen, die es über die Tausendermarke schaffen. Nur noch einmal zum Vergleich: Beim Marathon sind es nicht mehr als zwölf.

"Mindestens siebenundundfünfzig" müsste man fast dazu sagen. Denn im Vergleich zum Marathon ist die Halbmarathonszene natürlich wesentlich unübersichtlicher. Längst nicht jede Veranstaltung findet bundesweite Beachtung. Viele Läufe sind eher lokal ausgerichtet. Deshalb kann gerade bei Neulingen auch durchaus einmal passieren, dass eine Veranstaltung einfach so durchrutscht, ohne einem Beobachter am anderen Ende der Republik wirklich ins Auge zu fallen.

Der Versuch genau wie beim Marathon eine vollständige Liste aller deutschen Rennen mit mehr als zwei- oder dreihundert Zieleinläufen zu erstellen, ist jedenfalls schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Doch alleine bei den in der LaufReport-Datensammlung erfassten knapp einhundert Halbmarathons kommen bereits fast eine Viertelmillion Teilnehmer zusammen.

Und auch ein nur oberflächlicher Blick in den Laufkalender zeigt, dass pro Jahr in Deutschland ein Vielfaches an Rennen über diese Distanz ausgeschrieben ist. Selbst wenn diese natürlich längst nicht an die Werte der wirklich Großen heran reichen, lässt sich alleine durch ihre bloße Anzahl den Gesamtsumme aller Halbmarathon-Zieleinläufe wohl ohne Probleme auf vier- bis fünfhunderttausend schätzen.

Eindeutig ist der Halbmarathon also der weit größere Markt. Und so kann man es - insbesondere, wenn man sich die wirtschaftliche Brille auf die Nase setzt - eigentlich auch keinem Marathonveranstalter verdenken, wenn er zusätzlich diese Karte spielt, auch wenn er damit eventuell die eigene Langdistanz immer weiter schwächt.

Gerade bei Zwei-Runden-Kursen mit einem gemeinsamen Start beider Wettbewerbe gibt es schließlich für Läufer sehr wohl gute Argumente, es einfach bei einer Schleife zu belassen und nicht noch ein weiteres Mal die schon bekannten, nun aber deutlich leereren Straßen - sowohl auf als auch neben der Strecke - unter die Füße zu nehmen.

Bei der einen oder anderen Veranstaltung stellt sich deswegen längst die Frage, ob es sich eigentlich lohnt, eine Stadt für einige hundert Marathonis drei weitere Stunden lahm zu legen. Doch bisher haben noch ziemlich wenige Organisatoren wirklich die Notbremse gezogen und auf einen reinen Halbmarathon umgestellt. Anscheinend ist das Etikett "Marathon" einfach als Türöffner bei Sponsoren und Behörden viel zu wichtig.

Das enorme Potential des Halbmarathons umgekehrt zumindest zum Teil auf die längere Distanz umzuleiten, scheint aber nicht ganz so einfach zu sein. Es gibt zwar hie und da Aktionen wie zum Beispiel "Geh aufs Ganze" beim Rennsteiglauf. Doch selbst wenn man damit tatsächlich den einen oder anderen erfolgreich - und nebenbei bemerkt auch wesentlich sinnvoller als mit dem einstigen TV-Gewaltakt "von 0 auf 42" - zum Marathon heran führt, lässt sich das Ergebnis nicht wirklich an den Zahlen ablesen.

Wie fast immer sind Ursache und Wirkung, Bewegung und Gegenbewegung, Aktion und Reaktion auch hier eng miteinander verzahnt und nicht voneinander zu trennen. Die richtigen Stellschräubchen zu finden, um seine Veranstaltung nach vorne zu bringen, wird für einen Lauforganisator stets eine Kunst bleiben. Wobei man sich dazu aber erst einmal darüber klar sein müsste, wo man denn überhaupt hin will und was die eigenen Prioritäten sind.

Text: Ralf Klink

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2019

Teil 5: Die Schnellsten & die Besten

Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Kommt man mit Läufern aus anderen Ländern ins Gespräch und gibt sich als Deutscher zu erkennen, dann dauert es in der Regel nicht lange, bis ein bestimmter Satz fällt. "Ihr habt doch in Berlin die schnellste Marathon-Strecke der Welt", lautet er und meist war derjenige, der ihn ausspricht, entweder schon einmal dabei oder will unbedingt noch in die deutsche Hauptstadt, um dort mitzulaufen.

Eigentlich kann man vor den Berliner Machern nur den Hut ziehen, denn sie haben sich diesbezüglich inzwischen international eine Reputation erarbeitet, die selbst die übrigen Rennen aus dem exklusiven Majors-Verbund klar übertrifft. Dass in diesem Jahr der Uralt-Weltrekord der Frauen durch Brigid Kosgei dann in Chicago und nicht an der Spree geknackt wurde, war für viele Beobachter weltweit längst eher ein Betriebsunfall als das Ergebnis eines vom Profil her durchaus vergleichbaren Kurses.

Und die zwei Wochen vor Chicago von Kenenisa Bekele am Brandenburger Tor nur um Sekunden verpasste Bestmarke des doch vermeintlich weit über allen Konkurrenten schwebenden Eliud Kipchoge schien die These, dass Rekordzeiten über die legendären 42,195 Kilometer eigentlich einzig und allein in Berlin gelaufen werden können, nur zu bestätigen.

Schnellste deutsche Marathons - relativ zum Weltrekord

Grundlage der Bewertung sind die Siegerzeiten, die zum Männer- bzw. Frauenweltrekord ins Verhältnis gesetzt werden (Eliud Kipchoge 2:01:39 und Brigid Kosgei - 2:14:04). Aus der Summe der aus den prozentualen Abweichungen ermittelten Faktoren ergibt sich der Rang. Der relativ schnellste Marathon hat nach dieser Methode dann die niedrigste Summe.

* In der Betrachtung sind zu den Marathons mit mindestens 300 Finishern einige aufgrund der persönlichen Leistungen hinzugekommen.

Die Grafik endet beim Gesamtfaktor 59,14 (26 Stück), weitere in folgender Tabelle:
Ort Männersieger Zeit Frauensiegerin Zeit
Faktor ges.
Berlin Kenenisa Bekele 2:01:41 Ashete Bekere
2:20:14
4,63
Frankfurt/M Fikre Bekele Tefera
2:07:08 Valary Jemeli Aiyabei 2:19:10
8,31
Hamburg Tadu Abate
2:08:25 Dibabe Kuma 2:24:41
13,48
Hannover Silas Mwetich
2:09:37 Racheal Jemutai Mutgaa 2:26:15
15,64
Münster James Barmasai
2:11:40 Chaltu Negasa 2:30:59
20,85
Düsseldorf Tom Gröschel 2:13:49
Anja Scherl 2:32:55
24,06
Köln Hendrik Pfeiffer
2:15:19 Debbie Schöneborn 2:31:18
24,09
Kassel Edwin Kosgei
2:12:37 Brenda Kebeya 2:38:21
27,13
Mainz Andrzej Rogiewicz
2:21:27 Remalda Kergyte-Dauskudiene 2:41:42
36,89
Essen Elias Sansar
2:22:38 Isabel Leibfried 2:43:55
39,51
Dresden Stadt Ezekiel Koech
2:10:02 Jasmin Klotz 2:58:48
40,26
Leipzig Nic Ihlow
2:24:41 Yvonne van Vlerken 2:47:45
44,06
München Andreas Straßner
2:28:52 Alexandra Morozova 2:48:00
47,68
Kevelaer * Nikki Johnstone
2:24:21 Dioni Gorla 2:53:22
47,97
Dresden Oberelbe Marcel Bräutigam
2:22:52 Dioni Gorla 2:56:46
49,29
Bremen Fabian Fiedler 2:28:08
Kristina Ziemons 2:51:40
49,82
Heilbronn Dickson Kurui
2:28:38 Prisca Kiprono 2:52:37
50,94
Mannheim Firaa’ol Eebbisaa Nagahoo
2:23:56 Dioni Gorla 2:59:22
52,11
Gelsenkirchen Elias Sansar
2:25:53 Annika Vössing 2:57:36
52,39
Lübeck Jan Kaschura
2:28:37 Pia von Keutz 2:57:19
54,43
Bad Füssing * Tobias Schreindl
2:31:14 Petra Pastorova 2:55:29
55,21
Duisburg Nikki Johnstone
2:30:00 Annika Vössing 2:57:24
55,63
Fränkische-Schweiz * Nikki Johnstone
2:28:02 Ricarda Gerlach 3:02:00
57,44
Kandel
Jochen Uhrig
2:28:08 Eva Katz 3:02:33
57,93
Karlsruhe Jannik Arbogast
2:28:59 Gabriela Rocha 3:02:06
58,30
Würzburg Johannes Arens
2:34:21 Friederike Schoppe 2:57:19
59,14
Kiel * Jan Knutzen
2:34:37   Doris Marquardt 2:58:21
60,13
Freiburg Romaric Communod
2:29:31 Sabine Schmey 3:05:31
61,28
Koblenz * Nikki Johnstone
2:24:10 Katarzyna Kuzyk 3:11:37
61,44
Füssen Ivan Bubnov
2:30:48 Maria Magdalena Veliscu 3:05:54
62,62
Bonn Nikki Johnstone
2:23:08 Claudia Maria Henneken 3:16:42
64,38
Regensburg Andrezej Rogiewicz
2:37:59 Viola Walther 3:03:11
66,50
Bottwartal Yassin Osman
2:25:56 Silke Raugust 3:16:30
66,53
Flensburg * Peter Theilgaard
2:55:55 Jessika Ehlers 2:45:26
68,01
Rostock * Raoul Jankowski
2:32:06 Anita Fritsche 3:14:43
70,27
Ulm Thorben Dietz
2:33:15 Larissa Andrea Sägesser 3:13:31
70,32
Schwarzwald Marius Stang
2:35:02 Kerstin Bertsch 3:13:06
71,47
Rennsteiglauf Sebastian Nitsche
2:40:40 Jana Baum 3:10:09
73,91
Oldenburg Nikas Schröder
2:38:14 Birgit Schönherr-Hölscher 3:12:53
73,94
Tuttlingen * Jan Kerkmann
2:33:56 Stefanie Reichle 3:17:47
74,06
Usedom
Maciej Lucyk
2:41:56 Evgeniia Zhgir 3:12:27
76,66
Monschau Markus Mey
2:53:04 Tanja Schmitt 3:07:22
82,02
Siebengebirge Tim Dally
2:53:43 Marlen Günther 3:18:25
90,80
Mitteldeutscher Michael Neher
2:43:03 Dagmara Roznerska 3:34:58
94,38
Weimar Enrico Kuhn
2:50:11 Judith Hanft 3:29:09
95,90
Brocken Peter Bech
2:47:53 Julia Plagge 3:47:45
107,88
Allgäu-Panorama Kay-Uwe Müller
3:12:09 Carola Dörries 3:45:30
126,15
* In der Betrachtung sind zu den Marathons mit mindestens 300 Finishern einige aufgrund der besonderen Leistungen hinzugekommen.

Doch wie bei New York, das in Bezug auf Zuschauerzahlen und Stimmung an der Strecke einen Ruf der Einzigartigkeit hat, der sich bei genauerem Hinsehen und ausreichend Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Läufen als völlig überzogen herausstellt, sollte man auch bei Berlin ziemlich vorsichtig mit solch simplen Aussagen über eine nicht zu überbietende Strecke sein.

Denn ganz so topfeben, wie immer behauptet, ist der Kurs dann eben doch nicht. Ein wenig auf und ab geht es auch in der deutschen Hauptstadt, selbst wenn die dortigen Erhebungen natürlich weit von den in New York oder Boston zu bewältigenden Kuppen entfernt sind. Legt man allerdings die Höhenlinien anderer Läufe - international, aber auch national - daneben, lässt sich schnell erkennen, dass es da durchaus vergleichbare, ja sogar noch flachere Profile gibt.

Die Rekordflut an der Spree hat zum einen vermutlich sicher mehr mit dem Konzept zu tun, nach dem die Berliner ihre Athleten verpflichten. Andere große Marathons setzen eher auf spannende Rennen, weswegen dort dann oft eine zweistellige Zahl von Spitzenläufern mit Siegchancen an der Linie steht. Gerade London greift dabei regelmäßig tief die Schatulle und heuert gleich die halbe Weltelite an. Unterwegs kommt es dann oft zu taktischen Spielchen und die Sekunden auf der Uhr ticken davon.

In Berlin orientiert man sich dagegen tatsächlich vor allem an schnellen Zeiten und richtet den Marathon deswegen meist nur auf einen einzigen, in Ausnahmefällen auch zwei oder drei der absoluten Superstars aus. So liest sich gerade bei den Herren die Siegerliste der letzten beiden Jahrzehnte mit Namen wie Tergat, Gebrselassie, Mutai, Kipsang, Kipchoge und Bekele fast wie eine Ehrentafel des internationalen Marathonsports.

Perfekte Organisation mit entsprechend vielen Schrittmachern sorgt dann fast jedes Mal für herausragende Siegerzeiten. Seit nun inzwischen neun Jahren stammt die jeweilige Weltjahresbestzeit der Männer vom Berliner Asphalt. Und der Weltrekord verweilt schon seit Paul Tergats Lauf im September 2003 in der deutschen Hauptstadt. Allerdings ist er in dieser Zeit bereits sechs weitere Male an gleicher Stelle verbessert worden.

Ein wenig hat diese Erfolgsgeschichte aber auch etwas von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Denn gerade weil es in der jüngeren Vergangenheit so viele herausragende Ergebnisse gab, muss man um Sportler der absoluten Weltklasse oft gar nicht mehr mühsam werben. Läufer mit Rekordambitionen kommen vielmehr häufig ganz freiwillig nach Berlin.

Blickt man jedoch nicht nur auf die Streckenrekorde und Siegerzeiten, gibt es hinsichtlich der erzielten Leistungen sehr wohl auch Kategorien, bei denen der Berlin Marathon nicht an der Spitze sondern eher im Hinterfeld landet. Andere Läufe schneiden dann wesentlich besser ab. Das Beleuchten der verschiedenen Aspekte und der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Rangfolgen ist durchaus reizvoll.

Doch erst einmal kann man ja tatsächlich die Siegerzeiten betrachten. Und da ist Berlin wie üblich und schon erwähnt durch die 2:01:41 von Kenenisa Bekele auch 2019 wieder einmal ganz vorne. In einem regulären Rennen landete der wohl aktuell beste Marathonläufer Eliud Kipchoge mit einer in London gelaufenen 2:02:37 immerhin auf Platz zwei der Weltrangliste.

Seine ohne Gegner und mit sich abwechselnden Tempomachern in einer Art "Schaulauf" erzielten 1:59:40 von Wien bleiben dabei zwar zu Recht unberücksichtigt, dürften aber trotzdem die seit Jahren in Bewegung befindlichen Grenzen der Leistungsfähigkeit weiter verschieben. Was noch vor kurzem nahezu undenkbar schien - nämlich dass auch die offizielle Weltrekordmarke mit einer eins beginnt - wirkt jetzt nur noch wie eine Frage der Zeit.

Schließlich gab es durch Birhanu Legese (2:02:48) als Berlin-Zweiten und den in London auf dem Vizeplatz landenden Mosinet Geremew (2:02:55) noch zwei weitere Ergebnisse unter der Grenze von 2:03. Hinter Kipchoges Weltrekord aus dem Vorjahr wurden damit die nächsten vier der fünf besten Ergebnisse aller Zeiten in der gerade erst abgelaufenen Saison erzielt.

Wo wurde in Deutschland absolut am schnellsten gelaufen

Männer

In der Grafik sind zu allen Marathons mit mehr als 300 Finishern weitere aufgrund der dort erbrachten persönlichen Leistungen berücksichtigt worden. Alle mit Männersiegern unter 2:35 Stunden - 35 Stück
Berlin Kenenisa Bekele
2:01:41
Frankfurt/M Fikre Bekele Tefera
2:07:08
Hamburg Tadu Abate
2:08:25
Hannover Silas Mwetich
2:09:37
Dresden Stadt Ezekiel Koech
2:10:02
Münster James Barmasai
2:11:40
Kassel Edwin Kosgei
2:12:37
Düsseldorf Tom Gröschel
2:13:49
Köln Hendrik Pfeiffer
2:15:19
Mainz Andrzej Rogiewicz
2:21:27
Essen Elias Sansar
2:22:38
Dresden Oberelbe Marcel Bräutigam
2:22:52
Bonn Nikki Johnstone
2:23:08
Mannheim Firaa’ol Eebbisaa Nagahoo
2:23:56
Leipzig Nic Ihlow
2:24:41
Gelsenkirchen Elias Sansar
2:25:53
Bottwartal Yassin Osman
2:25:56
Kandel Jochen Uhrig
2:28:08
Bremen Fabian Fiedler
2:28:08
Lübeck Jan Kaschura
2:28:37
Heilbronn Dickson Kurui
2:28:38
München Andreas Straßner
2:28:52
Karlsruhe Jannik Arbogast
2:28:59
Freiburg Romaric Communod
2:29:31
Duisburg Nikki Johnstone
2:30:00
Füssen Ivan Bubnov
2:30:48
Ulm Thorben Dietz
2:33:15
Würzburg Johannes Arens
2:34:21
* Marathons mit weniger als 300 TN aber Männerzeiten bis 2:35
Koblenz / 266 TN Nikki Johnstone
2:24:10
Kevelaer / 285 TN Nikki Johnstone
2:24:21
Fränk.-Schweiz / 231 TN Nikki Johnstone
2:28:02
Bad Füssing / 234 TN Tobias Schreindl
2:31:14
Rostock / 287 TN Raoul Jankowski
2:32:06
Tuttlingen/ 67 TN Jan Kerkmann
2:33:56
Kiel/ 285 TN Jan Knutzen
2:34:37

Und gleich neun Läufer - so viele wie nie zuvor - liefen während der letzten zwölf Monate schneller als 2:04, darunter mit einer 2:03:36 auch Sisay Lemma, der Dritte von Berlin. Nur neun andere Athleten waren weltweit bisher jemals besser als der Äthiopier, doch mehr als ein Bronzeplatz sprang für ihn an der Spree trotzdem nicht heraus. Das Leistungsniveau in der Weltelite scheint wirklich beinahe jährlich eine weitere Stufe nach oben zu klettern.

So ist die 2:07:08, mit der Fikre Bekele Tefera als Erster die Ziellinie in der Frankfurter Festhalle überquerte, gerade noch auf Rang einundneunzig der besten Zeiten des Jahres zu finden. Genauso bezeichnend für die Leistungsexplosion ist, dass vierundzwanzig Rennen weltweit schnellere Sieger hatten als die Hessen, die vor acht Jahren doch selbst einmal fast einen Weltrekord erlebten. Damals hatte Wilson Kipsang die gerade erst fünf Wochen alte Berliner Marke von Patrick Makau um nur vier Sekunden verpasst.

Als dritten deutschen Marathon entdeckt man dann Hamburg in der Bestenliste, wo Tadu Abate aus Äthiopien eine 2:08:25 laufen musste, um den Spurt gegen seinen eine Sekunde langsameren Landsmann Ayele Abshero zu gewinnen. Auch hier sei noch einmal die internationale Einordnung genannt. Es war eine Leistung, mit der man gerade einmal Position einhundertsechzig der Weltrangliste 2019 erreichen konnte. Und bei zweiundvierzig Marathons auf sechs verschiedenen Kontinenten wurde schneller gelaufen.

Ansonsten geht nur noch der Hannover Marathon mit einer Zeit unter 2:10 weg. Silas Mwetich aus Kenia erzielte nämlich eine 2:09:37 am Maschsee, während Ezekiel Koech mit 2:10:02 in Dresden knapp an dieser Marke vorbei schrammt. Die schnellsten deutschen Männer, die einen deutschen Marathon gewinnen können, sind Tom Gröschel, dem in Düsseldorf eine 2:13:49 gelingt, und Hendrik Pfeiffer, der ein halbes Jahr später einige Kilometer rheinaufwärts in Köln eine 2:15:19 läuft.

Der mit Abstand häufigste Name in der Liste der Herren-Sieger der deutschen Marathons lautet allerdings "Nikki Johnstone". Der seit einigen Jahren im Rheinland lebende Schotte hat sich ein wenig auf Rennen in der dritten und vierten Reihe spezialisiert und konnte 2019 gleich ein halbes Dutzend von ihnen gewinnen, die meisten davon in weniger als zweieinhalb Stunden. Dazu kommen noch einige Treppchenplätze mit ähnlichen Zeiten.

Man kann also auch mehr als zwei oder drei Marathons pro Saison ziemlich erfolgreich absolvieren. Die Schlagzahl von Johnstone erinnert dabei ein wenig an den Japaner Yuki Kawauchi, der allerdings mit einer Bestzeit von 2:08:14 und dem überraschenden Sieg beim Klassiker von Boston im vergangenen Jahr, als bei grausamen Bedingungen mit Kälte, Wind und Regen allen auf dem Papier viel besseren Athleten vorzeitig der Sprit ausging, dann doch noch einmal in einer ganz anderen Liga spielt.

Der in seinem marathonverrückten Heimatland mit Abstand populärste Läufer nähert sich langsam der Marke von hundert Marathons unter 2:20 und hat damit inzwischen mit dem Amerikaner Doug Kurtis und dem Schweden Kjell-Erik Ståhl - unter anderem 1981 Premierensieger beim Frankfurt Marathon - jene beiden Sportler deutlich überholt, die in den Achtzigern Spitzenzeiten und -plätze in ähnlich dichter Folge ablieferten wie Kawauchi heute.

Wo wurde in Deutschland absolut am schnellsten gelaufen

Frauen

In der Grafik sind zu allen Marathons mit mehr als 300 Finishern weitere aufgrund der dort erbrachten persönlichen Leistungen berücksichtigt worden. Alle mit Frauensiegerinnen unter 3 Stunden - 25 Stück
Ort Frauensiegerin Zeit
Frankfurt/M Valary Jemeli Aiyabei
2:19:10
Berlin Ashete Bekere
2:20:14
Hamburg Dibabe Kuma
2:24:41
Hannover Racheal Jemutai Mutgaa
2:26:15
Münster Chaltu Negasa
2:30:59
Köln Debbie Schöneborn
2:31:18
Düsseldorf Anja Scherl
2:32:55
Kassel Brenda Kebeya
2:38:21
Mainz Remalda Kergyte-Dauskudiene
2:41:42
Essen Isabel Leibfried
2:43:55
Leipzig Yvonne van Vlerken
2:47:45
München Alexandra Morozova
2:48:00
Bremen Kristina Ziemons
2:51:40
Heilbronn Prisca Kiprono
2:52:37
Dresden Oberelbe Dioni Gorla
2:56:46
Würzburg
Friederike Schoppe
2:57:19
Lübeck Pia von Keutz
2:57:19
Duisburg Annika Vössing
2:57:24
Gelsenkirchen Annika Vössing
2:57:36
Dresden Stadt Jasmin Klotz
2:58:48
Mannheim Dioni Gorla
2:59:22
* Marathons mit weniger als 300 TN aber Frauenzeiten bis 3:00 h
Flensburg/ 264 TN Jessika Ehlers
2:45:26
Kevelaer/ 285 TN Dioni Gorla
2:53:22
Bad Füssing / 234 TN Petra Pastorova
2:55:29
Kiel/ 285 TN Doris Marquardt
2:58:21

Betrachtet man sich die Siegerzeiten bei den Frauen finden sich auf den vorderen Rängen zwar wieder die gleichen Veranstaltungen wie im Herrenbereich. Doch hier hat als eher seltene Ausnahme von der Regel diesmal nicht der Marktführer aus der Hauptstadt sondern Frankfurt die Nase vorn. Denn die Kenianerin Valary Jemeli Aiyabei lief mit dem neuen Streckenrekord von 2:19:10 eine gute Minute schneller als Ashete Bekere (2:20:14) aus Äthiopien in Berlin.

Selbst wenn Brigid Kosgei mit ihrem neuen Weltrekord von 2:14:04 ähnlich weit von der Konkurrenz entfernt ist wie ihre Vorgängerin Paula Radcliffe - Ruth Chepngetich war als Ranglistenzweite in Dubai mit 2:17:08 mehr als drei Minuten langsamer - lässt sich auch im Frauenbereich eine kontinuierliche Leistungssteigerung an den Ergebnissen der letzten Jahre ablesen.

Die Frankfurter Siegerzeit reicht nämlich nur zu Platz neun der Saison-Bestenliste. Und insgesamt dreizehnmal unterboten Läuferinnen in diesem Jahr die Grenze von 2:20. Auch das sind so viele wie nie zuvor und rund ein Viertel aller bisher in diesem Bereich erzielten, Ergebnisse. Und immerhin war bereits 2001 erstmals Naoko Takahashi in Berlin in solche Zeitregionen vorgestoßen.

Wie bei den Herren folgen auch hier mit Dibabe Kuma (2:24:41) und Racheal Jemutai Mutgaa (2:26:15) Hamburg und Hannover auf den Plätzen drei und vier. Chaltu Negasa bringt Münster mit 2:30:59 auf Rang fünf in der Frauenwertung, bevor mit Debbie Schöneborn, die in Köln gleich bei ihrem Marathondebüt in 2:31:18 als Schnellste über die Linie lief, und Anja Scherl (2:32:55) in Düsseldorf die ersten deutschen Siegerinnen auftauchen.

Nur drei Wochen zuvor war Scherl übrigens bereits in Hannover mit einer fünfundzwanzig Sekunden schnelleren Zeit auf Platz acht gekommen. Mit dem kurzfristig eingeplanten zweiten Start sicherte sie sich dann in der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen ihren ersten deutschen Meistertitel im Marathon. Die beiden Ergebnisse reichen zu den Positionen fünf und sechs der nationalen Rangliste.

Neben der vom Modernen Fünfkampf zum Marathon gewechselten Deborah "Debbie" Schöneborn als Dritter steht dort noch Anke Esser vor ihr, die sich Chicago gleich um elf Minuten auf 2:32:06 verbesserte. In bereits deutlichem Abstand zur nationalen Konkurrenz findet sich Katharina Steinruck mit einer im eigenen Wohnort Frankfurt gelaufenen neuen persönlichen Bestzeit von 2:27:26 auf Platz zwei.

Neu ist dabei vor allem der Name, denn als "Katharina Heinig" stand sie vor ihrer Hochzeit auch in der Vergangenheit schon mit unwesentlich schlechteren Zeiten auf vorderen Plätzen. Damit hat sie klar die vom Leichtathletik-Weltverband auf 2:29:30 festgelegte Olympianorm unterboten. Und langsam nähert sie sich im Familienduell auch den besten Leistungen ihrer inzwischen als Bundestrainerin tätigen Mutter Katrin Dörre-Heinig.

Ohnehin lässt sich an der diesjährigen deutschen Marathonrangliste der Frauen ablesen, dass sportlicher Erfolg sehr wohl in der Familie liegen kann. Denn Deborah Schöneborn hat nicht nur eine auf Distanzen unterhalb des Marathons ebenfalls recht schnelle Zwillingsschwester namens Rabea. Zur Familie gehört auch die ältere Schwester Lena. Und diese ist Fünfkampf-Olympiasiegerin von 2008 sowie mehrfache Welt- und Europameisterin.

Die siebtbeste Zeit des Jahres - eine in Berlin gelaufene 2:35:33 - stammt zudem von Stefanie Doll, deren Bruder Benedikt als Biathlet schon einige Weltmeisterschafts- und Olympiamedaillen im Schrank hat und deren Vater Karlheinz "Charly" Doll der einzige deutsche Mann ist, der jemals den legendären Comrades Marathon in Südafrika, den wohl traditionsreichsten und teilnehmerstärkste Ultralauf der Welt gewinnen konnte.

Dass eine der genannten Sportlerinnen auch im Marathon international ähnlich erfolgreich sein könnte wie die Verwandtschaft in anderen Disziplinen, ist im Moment allerdings recht unwahrscheinlich. Denn mehr als einhundertfünfzig verschiedene Läuferinnen erzielten über zweihundert schnellere Ergebnisse als die deutsche Ranglistenzweite Katharina Steinruck.

Einzig die inzwischen mit einem deutschen Pass ausgestattete gebürtige Äthiopierin Melat Yisak Kejeta schafft es mit der einundachtzigsten Zeit des Jahres - einer in Berlin gelaufenen 2:23:57 - unter die ersten Hundert der Welt. Zählt man nur die besseren Athletinnen, ohne deren Mehrfachergebnisse zu berücksichtigen, sind es immerhin auch noch einundsechzig.

Doch nur neun von ihnen haben keines der beiden Kürzel "KEN" oder "ETH" hinter ihrem Namen stehen, was aufgrund von nur drei zur Verfügung stehenden Startplätzen pro Nation die tatsächliche Konkurrenz bei internationalen Meisterschaften deutlich verringern würde. Und ein sechster Rang im gut besetzten Rennen von Berlin kann sich ja eigentlich auch sehen lassen. Zur absoluten Weltspitze fehlen allerdings dann doch noch einige Minuten.

Leistungsdichte Männer unter 3:00 h

Wo fanden Bestzeitenjäger in Deutschland starke Gruppen

Der Marathon mit den schnellsten Siegerzeiten muss nicht zwangsläufig zur persönlichen Bestzeit führen. So gelingt es den besten Eliteläufern mit nur wenigen Sekunden Verlust Streckenschwierigkeiten zu meistern. Für einen Spitzenplatz im Ranking reicht es, einen Mann und eine Frau gut durchzubringen. Dafür wird von Veranstalterseite mitunter auch ein Service geleistet, der weit bessere Bedingungen liefert, etwa mit persönlichen Tempomachern, als sie "Otto Normalverbraucher" vorfindet.

Bei welchem Marathon die Chancen auch für schnellere Teilnehmer gut sind, eine Gruppe zu finden, ist anhand der Grafiken leicht abzulesen.

Unberücksichtigt bleibt hier, dass sich bei Marathons etwa mit zeitgleich startendem Halbmarathonfeld und bei sich auf der Strecke tummelnden frisch eingewechselten Staffelläufern zusätzlich Gruppen bilden, die der Einsamkeit des Langstreckenläufers entgegen wirken.

In der Grafik sind 12 Marathons (> 300 TN), die mindestens 31 Männer unter 3:00 h hatten (2018 waren es 10).

Bei den Männern muss man die Rangliste sogar bis zu Platz 269 durchblättern, bevor erstmals eine deutsche Flagge auftaucht. Amanal Petros setzte sich zum Saisonende Anfang Dezember in Valencia mit einer 2:10:29 noch an die Spitze der nationalen Wertung. Ein Ergebnis, das beim zuletzt zum größten und wichtigsten spanischen Marathon aufgestiegenen Rennen übrigens nur zu Platz neunzehn, aber eben auch gleich beim allerersten Marathon zur Erfüllung der Olympianorm von 2:11:30 reichte.

Betrachtet man nicht nur die Läufer, die schneller als Petros waren, sondern alle von ihnen erzielten Zeiten geht es noch einmal mehr als einhundert Ränge nach hinten. Die 2:12:57, mit denen Arne Gabius in New York Elfter wurde, reichen im internationalen Vergleich nicht einmal mehr für die ersten Fünf- bzw. Siebenhundert. Nur um einen weiteren Beleg für die enorme Leistungsexplosion der letzten Jahre zu liefern: Noch vor einer Dekade wären alle eben genannten Zahlen nur halb so groß gewesen.

Die drittbeste Zeit des Jahres erreichte Tom Gröschel mit 2:13:49 beim Gewinn seines zweiten deutschen Meistertitels in Düsseldorf. Arne Gabius lieferte als Siebter von Hannover im Frühjahr noch eine 2:14:29 ab. Die 2:14:54 von Jens Nerkamp, beim DLV immerhin auf Rang fünf gelistet, reichten in Berlin nur zu Einlaufplatz siebenunddreißig. Simon Stützel schaffte es an gleicher Stelle eine gute Minute später in 2:16:09 als Neunundvierzigster gerade noch so unter die ersten Fünfzig.

In Hamburg kam Frank Schauer als bestplatzierter Deutscher mit 2:16:55 auch nicht über Gesamtrang sechsundzwanzig hinaus. Und in Frankfurt lief Karl Junghannß nach 2:17:54 als Siebenundzwanzigster ein. Dass es sich bei dem Thüringer eigentlich um einen Geher handelt, der 2019 die deutsche Rangliste über 50 km anführt und nur nach Saisonende mal schnell einen Marathon in Angriff nahm, ist irgendwie auch kein echtes Ruhmesblatt für die nationale Laufelite.

Die Gesamtplatzierungen der besten Deutschen zeigen, dass anscheinend neben Berlin die Rennen von Hamburg und Frankfurt für schnelle Läufer aus dem Ausland auf der Jagd nach guten Zeiten weiterhin ebenfalls durchaus attraktiv sind. Denn natürlich handelt es sich längst nicht bei allen Besserplatzierten um vom Veranstalter verpflichtete afrikanische Laufprofis sondern auch um Athleten aus den europäischen Nachbarländern.

Das sieht in Köln hingegen schon ein wenig anders aus. Dort kam Frauensiegerin Deborah Schöneborn nämlich bereits als Vierte des Gesamteinlaufes ins Ziel. Weit übertroffen wird dies jedoch noch vom Ergebnis des Flensburg Marathons. Denn an der Förde lief Jessika Ehlers in 2:45:26 doch tatsächlich mehr als zehn Minuten vor dem ersten Mann über die Linie und wurde damit klare Gesamtsiegerin.

Die Ergebnisse des abgelaufenen Jahres machen es relativ einfach zu entscheiden, wo in der Kombination von Männer- und Frauenergebnissen am schnellsten gelaufen wurde. Denn abgesehen von dem Vertauschen der Plätze zwischen Berlin und Frankfurt gibt es auf den ersten vier Positionen eigentlich kaum einen Unterschied welche der beiden Listen man sich betrachtet.

Und die Berliner Herrenzeit ist so viel besser als die Frankfurter, dass auch ohne das Benutzen großer mathematischer Modelle klar wird, dass dadurch die eine Minute Differenz bei den Frauen mehr als ausgeglichen werden kann. Völlig egal ob man die Zeiten also einfach addiert oder irgendwie gewichtet, ergibt sich als Ergebnis die Reihenfolge Berlin, Frankfurt, Hamburg und Hannover.

Eine im Vergleich zum Herrenergebnis relativ schwache Frauensiegerzeit von 2:58:48 wirft zudem Dresden aus dem Rennen um vordere Plätze, womit auch der fünfte Rang von Münster völlig unangefochten ist. Wenig überraschend sind also nur jene Marathons im vorderen Bereich, die auf internationale Spitzenläufer setzten. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die Reihenfolge auch ungefähr dem für Preis- und Antrittsgelder vorhandenen Budget entspricht dürfte relativ hoch sein.

Leistungsdichte Männer unter 3:00 h

Vergleich 2019 zu 2018

In der Grafik sind 8 Marathons (> 1500 TN)

Erst danach kommt es zu ersten leichten Abweichungen zwischen der reinen Addition und der Gewichtung, bei der es ihrerseits wiederum ziemlich egal ist, ob man als Basis die aktuellen Weltrekorde oder die Jahresbestzeiten nutzt. Denn bei den Frauen sind beide Werte angesichts der neuen Bestmarke sowieso identisch und bei den Männern liegen sie nur zwei Sekunden auseinander. Die berechneten Ergebnisse unterscheiden sich also einzig und allein im Nachkommabereich und ändern nichts an der Reihenfolge.

Es sind die Marathons der beiden ewigen rheinischen Rivalen Köln und Düsseldorf, die je nach Betrachtung die Plätze tauschen. Wobei die Unterschiede wirklich marginal sind. Bei der Ergebnis-Addition sind die Domstädter einige Sekunden vorne, bei gewichteten Zeiten schneidet die Landeshauptstadt einen Zehntelprozentpunkt besser ab. Man könnte sich also eigentlich auch auf ein Unentschieden einigen.

Beide Rennen haben sich inzwischen davon verabschiedet, mit afrikanischen Laufprofis möglichst schnelle Zeiten erzielen zu wollen und setzen verstärkt auf heimischen Athleten. Ein anderer bisher noch gar nicht erwähnter Marathon, nämlich München, teilnehmermäßig immerhin die Nummer fünf im Land, tut das schon seit vielen Jahren und benennt dieses Konzept mit dem irgendwie in sich ein wenig widersprüchlichen Denglisch-Begriff "local heroes".

Und tatsächlich kann man mit den diesjährigen Siegerzeiten von 2:28:52 und 2:48:00 durch Andreas Straßner bzw. Alexandra Morozova überregional ganz sicher nicht für große Schlagzeilen sorgen. Selbst national wartet ja ein Dutzend Rennen mit besseren Ergebnissen auf. Für nächstes Jahr ist allerdings der Schwenk zurück angekündigt. Um eines der werbewirksamen IAAF-Labels zu erhalten, will man nun doch wieder Eliteläufer einladen.

Genau umgekehrt verhält es sich mit dem Marathon in Kassel. Dieser kommt nicht einmal auf zehn Prozent der Münchner Teilnehmerzahlen. Er bewegte sich zuletzt nur noch im Bereich zwischen drei- und vierhundert Startern. Doch setzt Ex-Bundestrainer Winfried Aufenanger als Organisationschef weiter auf Spitzenläufer und schnelle Zeiten. Natürlich reicht das Budget nur für die maximal dritte oder eher die vierte Leistungsreihe aus.

Allerdings ist diese immer noch gut genug. Schließlich waren 2019 alleine einhundert Kenianer und knapp achtzig Äthiopier schneller als der beste deutsche Marathonläufer. Und weit mehr als dreihundert verschiedene Athleten aus Kenia und fast zweihundert Äthiopier schafften es innerhalb dieser zwölf Monate unter 2:20 zu rennen. Die Auswahl an schnellen ostafrikanischen Sportlern ist auch für Veranstalter mit einer nicht ganz so üppig bestückten Kasse noch groß genug.

Mit Edwin Kosgei (2:12:37) landen die Nordhessen deswegen im Herrenbereich auch auf Rang sieben der nationalen Zeitenrangliste. Die ebenfalls aus Kenia stammende, inzwischen jedoch mit einem Deutschen verheirateten und für die LG Bamberg startenden Brenda Kebeya (2:38:21) schafft die achtbeste Siegerzeit bei den Frauen. Insgesamt ergibt sich damit ebenfalls der siebte Rang.

Dass sich in Kassel angesichts weniger Teilnehmer auf der Marathondistanz dann ein recht hoher Anteil von Läufern ergibt, die unter drei Stunden bleiben, ist rein mathematisch nicht wirklich erstaunlich. Mit einer Quote von 5,6 Prozent bewegt man sich dabei auf genau dem gleichen Niveau wie der vermeintlich schnellste Kurs der Welt in Berlin.

Schon alleine wegen des riesigen Starterfeldes unterbieten in absoluten Zahlen natürlich nirgendwo in Deutschland mehr Läufer die Drei-Stunden-Marke als an der Spree. Die meisten Marathons im Land wären froh, insgesamt jene 2332 Männer und 140 Frauen im Ziel zu haben, die in der Hauptstadt nur innerhalb der ersten achtundfünfzig Minuten nach dem Sieger Bekele einlaufen.

Leistungsdichte Frauen unter 3:20 h

Wo fanden Bestzeitenjägerinnen in Deutschland starke Gruppen

Da es in Deutschland keine reinen Frauenläufe gibt, ist die Aufzeichnung für Marathonläuferinnen unter 3:20 h im Ziel, mehr ein Hinweis, wo es evtl. was zu verdienen gibt. Es kann unterstellt werden, dass bei Marathons mit vielen männlichen Teilnehmern, die unter 3 Stunden bleiben, auch im Bereich bis 3:20 h eine höhere Teilnehmerdichte zu erwarten ist.

Dass wir nicht auch Grafiken für längere Laufzeiten erstellt haben, hat nur den Grund, dass sich die Einsamkeit des Langstreckenläufers erst wieder am Ende des Feldes einstellt. Mitunter wäre im Mittelfeld eine umgedrehte Betrachtung interessant: Wo kann ich z.B. bei einer Laufzeit von 4 Stunden mit ausreichender Bewegungsfreiheit rechnen. Dies ist aber etwa aufgrund zeitversetzer Startgruppen statistisch kaum anhand reiner Zahlen zu ermitteln.

In der Grafik sind 13 Marathons (> 300 TN), die mindestens 7 Frauen unter 3:20 h hatten (2018 waren es 9).

Doch stellt dies relativ gesehen keineswegs den Spitzenwert dar. Denn sowohl in Bremen wie auch in Leipzig sind zum Beispiel 6,4 Prozent aller Marathonis schneller als hundertachtzig Minuten. Und in Düsseldorf errechnet sich dank der integrierten Deutschen Meisterschaften ein noch einmal zwei volle Prozentpunkte höherer Wert. Zweihundertzehn Einträge in der Ergebnisliste beginnen dort mit einer zwei.

Die Richtmarke setzt aber wie gewohnt Frankfurt, das nun schon seit fünf Jahren den klar besten Quotienten errechnen kann. Etwas mehr als tausend Mal werden die drei Stunden am Main geknackt, was bei rund zehneinhalbtausend Teilnehmern insgesamt eine Relation von 9,6 Prozent ergibt. Im praktisch gleich großen Marathon von Hamburg sind es mit 525 dagegen nur ungefähr halb so viele.

Damit liegen die Hessen zwar unter dem Vorjahreswert, der damals sogar ein wenig mehr als zehn Prozent betrug. Doch kommt man weiterhin in Regionen, die aus einer längst vergangenen Epoche zu stammen scheinen, in der ein solcher Wert maximal noch als "durchschnittlich" angesehen worden wäre. Wer das nicht glaubt, sollte einfach mal einen Blick in zwei, drei oder gar vier Jahrzehnte alte Ergebnislisten werfen.

Insgesamt liegt der Durchschnittswert für die Drei-Stunden-Quote aller in der LaufReport-Datensammlung erfassten Rennen im Jahr 2019 bei knapp fünf Prozent. Wobei natürlich einige Landschafts- oder gar Hochgebirgsläufe wie Sonthofen, Heidelberg, Monschau und Wernigerode, bei denen die Grenze überhaupt nicht oder nur sehr vereinzelt unterboten wurde, das Ergebnis etwas nach unten ziehen.

War Berlin hinsichtlich der Läufer unter drei Stunden tatsächlich noch einigermaßen im Vorderfeld zu finden, sieht das relativ zur Gesamtzahl der Starter völlig anders, wenn man den Anteil aller bis dahin ins Ziel gekommenen Teilnehmer eine Stunde später ermittelt. Denn das sind beim Hauptstadtmarathon inzwischen nicht einmal mehr die Hälfte, genauer gesagt nur 46,5 Prozent.

Leistungsdichte Frauen unter 3:20 h

Vergleich 2019 zu 2018

In der Grafik sind 8 Marathons (> 1500 TN)

Damit liegt man für die breite Masse des Feldes sogar unter dem bundesweiten Durchschnitt von siebenundvierzig Prozent, in den ja auch alle Landschaftsläufe mit erheblichen Höhenunterschieden eingehen. Hier dürfte unter anderem der hohe Anteil an ausländischen Lauftouristen sowie - davon nicht völlig unabhängig - die Frauenquote von über dreißig Prozent durchschlagen. Gerade die immer stärker vertretenen Nordamerikaner sind schließlich nicht dafür bekannt, in ihrer Breite ständig schnellen Zeiten nachzujagen.

Doch lässt sich durchaus auch die Frage stellen, ob es angesichts von weit mehr als vierzigtausend Mitläufern überhaupt noch möglich ist, im dichten Mittelfeldpulk sein eigenes Tempo anzuschlagen oder ob man nicht viel mehr nur einfach in der Menschenmasse mitschwimmen kann und muss. Unter solchen Voraussetzungen werden dann jene für Eliteläufer so interessanten Parameter wie Höhenmeter und Kurvenzahl zu eher vernachlässigbaren Größen.

Noch niedriger sind die Werte allerdings in München, wo nur einundvierzig Prozent aller Starter den Marathon in weniger als vier Stunden beenden können. Die für einen Sonntag im Oktober ziemlich warmen Temperaturen während des Rennens mögen dabei diesmal bestimmt eine Rolle gespielt haben, doch mehr als Mittelfeldplätze hatten die Bayern diesbezüglich auch in der Vergangenheit nicht erreicht.

Die Wetterkarte lässt sich zwar auch für Köln spielen, wo am gleichen Tag wie in der bayerischen Hauptstadt gelaufen wurde. Im nächsten Jahr liegen die Termine der beiden Läufe dann zwar wieder eine Woche auseinander, dafür haben sie interessanterweise aber nun den gleichen Titelsponsor.

Allerdings ist die Wärme sicher nicht der alleinige Grund für die hintere Position der Rheinländer. Denn fast schon traditionell liefern sie bei der Vier-Stunden-Quote von den "Großen Fünf" der deutschen Marathons einen der schlechtesten Werte ab - häufig sogar tatsächlich den allerschlechtesten. Unter zwei Fünftel wie im abgelaufene Jahr mit 38,3 Prozent war man bisher jedoch wirklich noch nie abgesunken.

Anteil der Finisher unter 3 Stunden

Von allen 39 Veranstaltungen mit mehr als 300 TN hat nur ein schwieriger Landschaftsmarathon (Allgäuer Panoramamarathon) keine Zeit unter 3 h aufzuweisen

Absolut normal und keineswegs erstaunlich ist, dass unter den Marathons mit vierstelligen Teilnehmerzahlen der Rennsteigmarathon mit den wenigsten Zeiten unter vier Stunden aufwarten kann. Und zwar sowohl absolut wie auch - mit 14,3 Prozent noch viel deutlicher - in relativen Zahlen. Neben etlichen Höhenmetern zeigen beim einzigen Landschaftslauf in dieser Größenordnung zusätzlich noch zum Teil schmale und unebene Waldwege ihre Wirkung.

In Hannover und Münster schaffen es mit 50,4 und 51 Prozent zumindest mehr als die Hälfte aller Starter ins Ziel, bevor die erste Ziffer der Uhr auf eine vier springt. Die Hanseaten aus Hamburg landen bei einer 53,9 als Quote. Und Düsseldorf kann auch dank der - im nächsten Jahr nach Hannover vergebenen - Deutschen Meisterschaften mit einem Verhältnis von 58,5 glänzen.

Doch auch ohne Titelkämpfe kommt in Frankfurt ein noch etwas größerer Teil des Feldes unter diese Zeitmarke. 59,7 Prozent lautete das für die dortigen Verhältnisse fast schon schwache Ergebnis. In den vergangenen beiden Jahren lag man beim Vier-Stunden-Anteil nämlich jeweils klar jenseits der sechzig Prozent.

Das schafft wie eigentlich jedes Jahr auch bei seiner vierundvierzigsten Auflage wieder der traditionsreiche Bienwald-Marathon im südpfälzischen Kandel. Er hat allerdings auch einen Ruf als flache, schnelle, aber nicht unbedingt abwechslungsreiche Bolzerstrecke und zieht vermutlich einen ganz anderen Läufertyp an als die City-Rennen von Köln, Hamburg, Frankfurt oder Berlin.

Ihren über viele Jahre behaupteten, in der vergangenen Saison allerdings verlorenen Spitzenplatz können die Pfälzer jedoch nicht zurück erobern. Erstmals findet sich der nur ein Jahr jüngere Marathon von Leipzig an der Tabellenspitze. In Sachsen können nämlich immerhin 62,7 Prozent des Feldes die zweiundvierzig Kilometer unter vier Stunden bewältigen.

Ein noch niedrigerer Spitzenwert aus der Vergangenheit lässt sich in den LaufReport-Aufzeichnungen nicht finden. Und auch wenn man den mangels Masse - sprich 300 Teilnehmer oder mehr - eigentlich aus der Betrachtungsgruppe heraus gefallen Wintermarathon von Bad Füssing noch mitzählt, gab es bisher auch nie weniger Läufe, die eine Vier-Stunden-Quote über sechzig Prozent erreichen konnten.

Die Entwicklung ist zwar nicht vollkommen linear, aber mit dem landesweiten Durchschnitt geht es tendenziell ebenfalls bergab. Während es in den Anfangsjahren der Analyse eigentlich normal war, dass über die Hälfte der Zieleinläufe in Deutschland vor vier Stunden registriert werden konnte, liegt der Gesamtwert nun schon seit einigen Jahren meist recht klar unter fünfzig Prozent. Das letzte Mal wurde die markante Schwelle 2015 übertroffen.

All diese Daten deuten darauf hin, dass es im Mittel- und Hinterfeld noch etwas langsamer zugeht als vor einem Jahrzehnt. Die Drei-Stunden-Gesamtquote schwankt hingegen weiterhin im Bereich zwischen vier und fünf Prozent. Eine Begründung für diese leicht widersprüchlichen Beobachtungen könnte das zunehmende Alter in den Marathonfeldern sein.

Anteil der Finisher unter 4 Stunden

Alle 39 Veranstalter mit mehr als 300 TN

Längst sind die Altersklassen 40, 45 oder 50 weit stärker vertreten als die doch eigentlich mehr als doppelt so viele Jahrgänge umfassende Hauptklasse. Und da seit längerer Zeit der Nachwuchs in einer wirklich nennenswerten Zahl ausbleibt, während viele der langgedienten Älteren noch immer dabei sind, verschiebt sich diese Ausbeulung in der Altersverteilung immer weiter in die höheren Kategorien.

Die wenigen ehrgeizigen Jüngeren laufen auch weiterhin in den Bereich von drei Stunden. Doch der größere Teil der Starter verliert von Saison zu Saison Minute um Minute. Als Folge davon verschiebt sich der Median - also jener Wert, bei dem sich in einer so schön sortierten Messreihe wie einer Marathonergebnisliste jeweils genau fünfzig Prozent aller Datensätze darüber und darunter befinden - immer stärker auf eine Zeit jenseits der Grenze von vier Stunden.

Und natürlich spielt die immer stärkere Dominanz des Berlin Marathons bei gleichzeitiger Internationalisierung seines Teilnehmerfeldes ebenfalls eine Rolle. Der enorme Einfluss, den der Hauptstadtlauf aufgrund seiner Größe inzwischen auf alle statistischen Werte hat, ist auch ohne tiefere mathematische Fachkenntnisse erkennbar. In Abwandlung eines bekannten Spruches könnte man feststellen: "Wenn Berlin auch nur hustet, bekommt die deutsche Marathonszene schon eine Erkältung".

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der vermeintlich schnellste Marathon der Welt in den letzten Jahren mit dafür gesorgt hat, dass aus statistischer Sicht bei deutschen Rennen immer langsamer gelaufen wird. Die Kluft zwischen der immer schneller werdenden Weltelite und der großen Masse der Läufer wächst auf jeden Fall immer mehr. Eine Beobachtung, die nicht nur auf den Marathon beschränkt, aber eben auch dort unübersehbar ist.

Text: Ralf Klink 

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2019

Teil 6: Die Frauenquote
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Wenn es über all die Jahre, in denen LaufReport nun schon die Entwicklung der deutschen Marathonszene verfolgt, wirklich eine Konstante gibt, dann ist es die Beobachtung, dass der Frauenteil in den Starterfeldern praktisch von Saison zu Saison zunimmt. Nicht in gewaltigen Sprüngen, dafür aber ziemlich stetig. Trotzdem kann von einer halbwegs paritätischen Verteilung zwischen den Geschlechtern noch immer keine Rede sein.

Doch haben die Männer hinsichtlich des Marathonlaufens eben auch mehr als ein halbes Jahrhundert Vorsprung. Während für diese bereits seit 1896 Wettbewerbe auf dieser Strecke austragen wurden und auch in Deutschland der erste Marathon bereits 1898 stattfand, war es Frauen bis vor rund fünfzig Jahren offiziell überhaupt nicht erlaubt an solchen Rennen teilzunehmen.

Die Bilderserie, in der belegt wird, wie Rennleiter Jock Semple beim Boston Marathon 1967 versucht Katherine Switzer wegen des geltenden Startverbots von der Straße zu drängen, ist sicher vielen bekannt. Sie hatte von den Organisatoren eine Startnummer erhalten, weil sie bei der Anmeldung in der Rubrik "Vornamen" einfach ihre unverdächtigen Initialen "K.V." eingetragen hatte.

Im gleichen Jahr ließ Ernst van Aaken beim Marathon in Waldniel Frauen mitlaufen, doch um nicht in Widerspruch zu den Verbandsrichtlinien zu geraten und die gesamte Veranstaltung zu gefährden, mussten diese ein Stück hinter dem Feld starten. Dass Anni Pede-Erdkamp dabei als Gesamtdritte fast alle Männer abhängen konnte, passte dann so gar nicht ins Bild der Funktionäre.

Ein Jahr danach wurde beim Schwarzwald-Marathon erstmals überhaupt in Deutschland eine Wertung für Frauen ausgeschrieben - wohlgemerkt ohne sie im Vorfeld dem DLV zur Genehmigung vorzulegen. Erst für die folgenden Auflagen wurde diese dann beim Verband eingereicht und dort formal abgenickt. Doch blieb dies erst einmal die Ausnahme.

Auch weltweit waren noch in den frühen Siebzigern Läufe mit weiblicher Beteiligung alles andere als die Regel. Beim traditionsreichsten aller Marathons in Boston ließ man Frauen zum Beispiel erst 1972 offiziell antreten. Und bis sie über die zweiundvierzig Kilometer um internationale Medaillen kämpfen konnten, dauerte es noch eine weitere Dekade, nämlich bis zu den Weltmeisterschaften 1983 in Helsinki und den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles.

Konnte man deswegen in den Anfangszeiten der hiesigen Stadtmarathonbewegung vor dreißig oder mehr Jahren als Veranstalter noch froh sein, wenn überhaupt ein Zehntel aller Starter weiblich war, ließ sich 2005 - die erste Saison, für die bei LaufReport eine intensive statistische Analyse durchgeführt wurde - bereits ein Durchschnittswert von ungefähr siebzehn Prozent ermitteln.

Ein Jahr danach sprang für Berlin die erste Ziffer der Frauenquote erstmalig auf eine Zwei, was damals für Deutschland noch ein absolutes Novum darstellte. Nur ein gutes Dutzend Jahre später wird diese markante Grenze von mehr als dreißig Marathons im Land übertroffen. Und beim Hauptstadtlauf, der diesbezüglich eigentlich immer an der Spitze steht, beginnt der Wert inzwischen sogar mit einer Drei.

Das ist zwar nicht wirklich repräsentativ für den deutschen Markt, denn längst sind weit über die Hälfte aller Teilnehmer aus dem Ausland an die Spree gereist und die insbesondere im angelsächsischen Sprachraum weitaus höheren Frauenanteile zeigen dadurch auch hierzulande ihre Wirkung, doch lässt sich eben auch an diesem Ausreißer nach oben ein gewisser Trend ablesen.

 

Die stetige Entwicklung führt - nicht zuletzt aufgrund des enormen Einflusses, den die Mega-Veranstaltung an der Spree auf alle statistischen Werte hat - natürlich auch zu einem im Laufe der Zeit deutlich gestiegenen nationalen Durchschnittswert. In der vergangenen Marathonsaison entfiel nämlich ziemlich genau ein Viertel aller Zieleinläufe im Land auf weibliche Teilnehmer.

Wie stark das Berliner Ergebnis dabei allerdings durchschlägt, zeigt die Tatsache, dass bei einer Einzelbetrachtung der mehr als siebzig für die LaufReport-Analyse erfassten Veranstaltungen außer dem Rennen in der Hauptstadt nicht mehr als eine Handvoll weitere Läufe oberhalb des Mittelwerts liegen. Von den größten deutschen Marathons schafft es dabei einzig und alleine der Rennsteiglauf mit etwas mehr als achtundzwanzig Prozent in diese Kategorie.

Doch allzu voreilige Schlüsse sollte man daraus nicht ziehen. Denn auf dem Höhenweg im Thüringer Wald ist der Marathon eben nur die "kurze" Strecke. Aufgrund seiner Geschichte - in den Anfangsjahren traute man Läuferinnen den ganz langen Kanten nicht zu und nahm auch und gerade für sie noch eine kürzere Strecke ins Programm - wird er von Traditionalisten sogar weiterhin scherzhaft als "Frauenlauf" bezeichnet. Auf dem dreißig Kilometer längeren Ultra liegt die Quote hingegen nur bei knapp einem Fünftel.

Dennoch gilt aber die Grundregel, dass bei Läufen mit vielen Teilnehmern fast immer auch der Frauenanteil relativ hoch ausfällt. Denn neben Berlin ergeben sich für alle anderen der "Großen Fünf" mit Werten im Bereich von zweiundzwanzig und dreiundzwanzig Prozent ebenfalls ziemlich gute Quoten. Am "schlechtesten" schneidet dabei noch Frankfurt ab. Doch auch für die Hessen springt noch eine Position im obersten Viertel der Liste heraus.

Erst dahinter finden sich jene Läufe mit Teilnehmerzahlen zwischen ein- und dreitausend. Ein bis zwei Prozentpunkte niedriger als bei den in der Größenrangliste vor ihnen liegenden Veranstaltungen fällt der Quotient hierbei aus. Doch diese Rennen zeigen ebenso eine ziemlich einheitliche Tendenz. Alleine Dresden bei einem Anteil von unter zwanzig Prozent hängen.

Zwar zeigen die Veranstaltungen mit dreistelligen Teilnehmerzahlen aus naheliegenden mathematischen Gründen - zehn Frauen mehr oder weniger im Ziel können für sie schließlich schon zwei Prozentpunkte bei der Quote ausmachen - eine deutlich stärkere Streuung und verteilen sich vom hohen Zwanziger- bis in den mittleren Zehnerbereich.

Der Mittelwert über alle Marathons dieser Größenklasse bleibt jedoch deutlich unterhalb eines Geschlechterverhältnisses von eins zu vier und ist damit beinahe identisch mit dem schwächsten Einzelergebnis der nächsthöheren Kategorie, so dass wie schon in der Vergangenheit eine klare Abstufung der Quoten zwischen den einzelnen Segmenten zu erkennen ist.

Umgekehrt sieht der Zusammenhang aus, wenn man den Frauenanteil nicht mit der Größe sondern mit den erzielten Zeiten vergleicht. Denn jene Läufe, die sich in den verschiedenen Schnelligkeitsranglisten besser platzieren, haben tendenziell einen etwas schwächeren Quotienten. Die direkte Gegenüberstellung von Frankfurt und Hamburg ist dafür ein schönes Beispiel. Und auch das Meisterschaftsrennen von Düsseldorf schneidet beim Frauenanteil eher schwach ab.

Darüber, ob mehr Frauen im Feld dabei die erzielten Zeiten spürbar verschlechtern oder im Umkehrschluss Frauen eher Veranstaltungen bevorzugen, in denen es im Feld nicht ganz so schnell und leistungsorientiert zugeht, ließe sich sicher trefflich streiten. Wie meist in solchen Fällen, dürfte die Wahrheit allerdings irgendwo in der Mitte liegen, so dass Ursache und Wirkung sich gegenseitig bedingen.

 

Allerdings ist die Vermutung, dass Läuferinnen vielleicht doch weniger als ihre männlichen Pendants an einer möglichst großen persönlichen Herausforderungen interessiert sind, spätestens dann nicht mehr ganz von der Hand zu weisen, wenn man sich einmal die Frauenquoten im Halbmarathon anschaut. Schließlich werden ja etliche der größten deutschen Läufe über einundzwanzig Kilometer gemeinsam mit einem Marathon ausgetragen.

Die Ergebnisse spiegeln - wenn auch hinsichtlich der Streckenlänge eine Stufe tiefer - durchgängig die beim Rennsteiglauf zwischen Marathon und Ultra gemachten Beobachtungen wieder. Die Frauenquote wird nämlich umso höher, je kürzer die Distanz ist. Mit einem Verhältnis von etwa einem Viertel, das auf der langen Strecke zu einem Platz unter den ersten fünf oder zehn ausgereicht hätte, landet man beim Halbmarathon weit abgeschlagen im Hinterfeld.

Alleine bei den für die LaufReport-Analyse untersuchten Halben übertreffen mehr als fünfzig Veranstaltungen den Spitzenwert des Berliner Marathons. Und kein einziger unter den rund einhundert betrachteten Läufen hat einen Frauenanteil von weniger als einem Fünftel. So ist es fast logisch, dass auch der Durchschnitt beinahe neun Prozentpunkte über dem Vergleichswert beim Marathon liegt.

Wie bereits im Vorjahr kommt man bei dem mit dem Hamburg Marathon ausgetragenen Halbmarathon sogar fast an eine Gleichverteilung zwischen den Geschlechtern heran. Der zweitgrößte deutsche Lauf über diese Distanz in Köln erreicht rund einundvierzig Prozent, das größte Rennen in Berlin kratzt an der Vierzig-Prozent-Marke. Einen halben Prozentpunkt dahinter steht mit dem Hamburger Sommer-Halbmarathon die Nummer vier im Land.

Man findet also hier weitere Bestätigungen für die These vom Zusammenhang zwischen Veranstaltungsgröße und Frauenquote. Doch auch der Name "Marathon" scheint einen gewissen Einfluss zu haben. Betrachtet man nämlich nur die an einen Marathon angeschlossenen Halbmarathons und errechnet für sie einen Mittelwert, liegt dieser um fast einen Prozentpunkt höher als der Gesamtschnitt.

Im oberen Teil der sortierten Liste gehören mehr als zwei Drittel aller Einträge zu solchen an Marathons angeschlossenen Rennen. Je weiter man nach hinten blättert, umso mehr entdeckt man hingegen Veranstaltungen, bei denen der Halbe die längste zur Wahl stehende Strecke bildet. Darunter sind durchaus auch etliche mit vierstelligen Teilnehmerzahlen.

Die Größe des Starterfeldes scheint als alleiniges Kriterium für das weibliche Interesse vermutlich dann doch nicht auszureichen. Dass in diesen Fällen der Halbmarathon seinerseits häufig mit einer kürzeren Distanz unterbaut ist, auf die man ausweichen kann, passt jedoch wieder ganz gut ins Bild.

Alle vier oben einzeln genannten Rennen der Spitzengruppe haben übrigens gegenüber 2018 einen etwas geringer gewordenen Frauenanteil zu verzeichnen. Das ist keineswegs eine Ausnahme. Gut die Hälfte aller Rennen ist diesbezüglich leicht rückläufig. Und beim Durchschnitt kommt es erst im Nachkommabereich zu Abweichungen zum vor einem Jahr ermittelten Ergebnis.

Die absolute Zahl der Frauen, die einundzwanzig Kilometer im Wettkampf absolvieren, steigt zwar weiter leicht an. Doch relativ zum Gesamtmarkt scheint nach vielen Jahren des steigenden weiblichen Zuspruchs zumindest im Halbmarathonbereich eventuell erst einmal eine gewisse Stagnation angesagt.

Allerdings könnte man es auch positiv interpretieren und auf die weiterhin wachsenden Quoten im Marathon verweisen. Denn vielleicht ist die eine oder andere Frau ja tatsächlich auf die doppelte Distanz weiter gewandert. Schließlich hat sich - selbst wenn man Berlin heraus rechnet - in der abgelaufenen Saison die Gesamtzahl der Zieleinläufe auf einen neuen Rekordwert erhöht. Auch wenn es sicher noch Steigerungspotential gibt, so viel "Frau" wie 2019 war eindeutig noch nie im deutschen Marathon.

Text, Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink
Grafiken/Foto Constanze Wagner
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