Ultralaufen mit Rolf Thallinger13-facher Biel-Finisher und 2017 Sieger des 100-km-Laufs |
von Rolf Thallinger |
Mitte März war es wieder soweit. Erstmals seit 2017 führte ich zur Vorbereitung auf die 100 Kilometer von Biel erneut eine Serie von Anlässen durch. Neu war die Form des Angebots: Die Trainingsläufe auf der Bieler Originalstrecke und das Seminar zum Thema Ultrarunning fanden Mitte März innerhalb dreier Tage statt. 26 Stunden nach Abschluss dieses Trainingsweekends gaben die Veranstalter des traditionsreichen Ultramarathons die Absage der diesjährigen Austragung bekannt.
Wie bereitet man sich möglichst gut auf einen Ultramarathon vor? Eine Frage, die nicht nur Ultrarunning-Neulingen den Schlaf raubt. Auch Läuferinnen und Läufer, die bereits über einige Erfahrung auf den Langdistanzen verfügen, beschäftigen sich immer wieder damit. Sie wollen sich gezielt verbessern, fragen sich, wie sie das wohl am besten hinkriegen. Am Beispiel des Bieler 100-km-Laufs gab es am Trainingsweekend in der Schweiz Antworten auf diese und andere Fragen.
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Ehre für alle denn jeder ist Sieger: Rolf Thallinger bei seinem Sieg 2017 in Biel - Foto © LaufReport |
Wissen weitergeben
Vom 13. bis 15. März 2020 konnten die Teilnehmenden aus vier Anlässen
auswählen. Mein Ziel war es, Läuferinnen und Läufer ans Ultrarunning
heranzuführen. Theorie und Praxis lautete das Motto. Wie bereits bei früheren
Veranstaltungen legte ich viel Wert auf Tipps, die sich bei mir über all
die Jahre angesammelt haben. Wissen, das meistens nicht in Büchern zu finden
ist. Ich liess die Läuferinnen und Läufer an meinen Erfahrungen teilhaben.
Und dazu zählten auch meine Fehler.
Geführte Lauftrainings
Insgesamt standen 56 Laufkilometer auf dem Programm. Die drei von mir geführten
Lauftrainings in kleinen Gruppen fanden alle auf der Originalstrecke des Hunderters
statt. Während der drei Trainings gab ich Tipps zur Lauftechnik, der Ausrüstung
für Ultramarathons, Ernährung und Regeneration sowie dem Laufen in
der Dunkelheit.
Zum Auftakt ging es von Aarberg, dem sehenswerten Städtchen mit Holzbrücke bei Km 16, über Lyss, die Seeländer Kamelbuckel bis nach Scheunenberg. Der Nachtlauf mit Stirnlampe war ein besonderes Erlebnis. Sternenhimmel, Storchengeklapper und frische Temperaturen. Da passte der warme Tee des Begleitteams bestens. Neben der Verpflegung unterwegs sorgte es auch für den Gepäcktransport.
Am Trainingsweekend nahmen neben Neulingen im Ultrarunning auch mehrere Biel-Finisher teil. Ein Läufer hat schon mehrfach die 10-Stunden-Grenze ins Visier genommen. Ein anderer lief letztes Jahr unter 9 Stunden in Biel ein. Ein dritter möchte beim nächsten Start den Einbruch zwischen Km 80 und 95 verhindern. Sie will ohne Marathon in den Beinen die 100 Kilometer wagen.
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Immer ein Erlebnis: Ein geführtes Nachttraining auf der Originalstrecke des 100-km-Laufs von Biel |
Die Schlüsselstelle bei Tageslicht
Als Schlüsselstelle gilt seit jeher der Ho-Chi-Minh-Pfad genannte Trail
entlang des Flusses Emme zwischen Kilometer 55 und 67. Viele laufen hier jeweils
in der Dunkelheit. In den letzten Jahren wechselte die Streckenführung
von Mal zu Mal. Auch 2020 wurde sie angepasst. Zurzeit wird am Fluss ein mehrjähriges
Revitalisierungs- und Hochwasserschutzprojekt mit Dammbau realisiert. Gründe
genug, um eine Gruppe Läuferinnen und Läufer am Tag 2 auf neuen, trockenen
Wegen von Kirchberg nach Lohn zu leiten. Bei Tageslicht erhielten wir Einblick
in die aufblühende Natur und Landschaft, sahen die Beschaffenheit des Untergrunds,
was wichtig ist für die Schuhwahl. In Utzenstorf, meinem aktuellen Wohnort,
ging es vorbei am einzigen Wasserschloss des Kantons Bern.
Wie plant man seine Verpflegung?
Wasser gehört auf jeden Verpflegungsplan. Wie man sich einen solchen zusammenstellt,
erläuterte ich am Laufseminar in Solothurn. Ebenso, weshalb man einen braucht,
abgesehen von der Kontrolle, ob die vorgesehenen Mengen ausreichen. Dass man
bei Ultraläufen, egal ob flach oder mit vielen Höhenmetern, von Beginn
weg regelmässig Salz zu sich nehmen soll, und weshalb, kam dabei ebenfalls
zur Sprache. Es ging auch um Koffein, Magnesium und Kalium. Und Fencheltee.
Fencheltee? Ja, denn er beruhigt Magen und Verdauung und kann sowohl in den
Tagen vor einem Wettkampf als auch am Wettkampf selber getrunken werden. Egal
ob gesüsst oder ohne Zucker. Aber was tun, wenn plötzlich keine Banane,
kein Gel, kein isotonisches Getränk mehr runter geht? Schafft man es dann
alleine mit Wasser bis ins Ziel? In der Regel nicht. Es braucht also für
alle vorgesehenen Getränke und die feste Nahrung Alternativen, die man
kennt und gut verträgt.
Ein Longjog ins Ziel
Zum Abschluss standen die letzten 20 Kilometer des Bieler Hunderters auf dem
Programm. Am Sonntagmittag genoss die Gruppe die Sonne und die flache Schlussetappe
am Ufer von Aare, Nidau-Büren-Kanal und Zihl entlang bis ins Ziel. Dieses
lag, wie beim Lauf selbst, vor dem Kongresshaus. Alle hatten sie Biel-Erfahrung
mitgebracht: sei es als mehrfacher Finisher über 100 Kilometer, Mitglied
einer Stafette, Coach auf dem Rad oder Halbmarathonläuferin. Und natürlich
wusste jede und jeder Bescheid, wo genau das Schild "km 99.0" steht.
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Am 15. März in Büren an der Aare: Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit viel Biel-Erfahrung auf dem flachen Schlussabschnitt |
Streckenbesichtigungen sind sinnvoll
Im Gegensatz zu Städtemarathons und Strassenläufen gibt es im Ultrarunning
grosse Unterschiede bezüglich der Strecken. Ob Länge, Untergrund,
technische Anforderungen, Art der Steigungen usw. - sie weichen stark voneinander
ab. Ebenfalls variieren die Anzahl der Verpflegungsstellen und das dortige Angebot
von Ultra zu Ultra. Einige Veranstalter schreiben vor, gewisse Verpflegung und
Ausrüstung mitzutragen. Und sie schränken die Verpflegung durch Betreuer
stark ein. Deshalb ist es sinnvoll, frühzeitig die Streckenpläne und
Informationen des Veranstalters zu studieren, und die eigene Planung anzupassen.
Mehrfach bewährt haben sich für mich Streckenbesichtigungen im Vorfeld eines Wettkampfs. Ich absolviere dort ein Lauftraining oder mache eine Wanderung, integriere öffentliche Verkehrsmittel und Bergbahnen. Absolviert man die Route mit dem Fahrrad, schafft man sie manchmal von Start bis Ziel innert vernünftiger Zeit. Das trifft auch auf Biel zu. Viele Veranstalter bieten auf ihrer Website sehr gutes Kartenmaterial zum Download an. Einige haben ihre Laufstrecken dauerhaft ausgeschildert, darunter der Zermatt-Ultramarathon, der Jungfrau-Marathon und der Eiger Ultra Trail. Zum Teil werden auch geführte Besichtigungen angeboten.
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Auch der Zieleinlauf wurde geübt: Das Trainingsweekend ging vor dem Bieler Kongresshaus zu Ende |
Seminar zum Thema Ultrarunning
Am Seminar stellte ich die Strecken der Bieler Lauftage vor. Besonders bei Nachtläufen
ist es nützlich, die Strecke bei Tageslicht zu laufen. Es muss ja nicht
der gesamte Ultramarathon sein. Am Tag X ist man dann vorbereitet auf schwierige
Abschnitte, Treppen oder Wurzelwege und erlebt weniger Überraschungen.
Man startet mit einer grossen Portion Selbstvertrauen. Und natürlich motiviert
mich ein solches Training noch zusätzlich für den Lauf.
Viele Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer drehten sich um weitere Aspekte der Vorbereitung, wie die Variation des Trainings, Mentaltraining, letzte Testwettkämpfe, die Anpassung an einen Lauf in der Nacht und die Ergänzung des Trainings mit anderen Ausdauersportarten. Letzteres empfehle ich übrigens ausdrücklich, hauptsächlich aus Gründen der Verletzungsprävention, Motivation und ganzheitlichen Trainingsreize. So machte ich auch diesen Winter viele meiner langen Einheiten auf den Langlaufskis und in Höhenlage.
Ausdauersport und Covid-19
Auf die Frage eines Läufers, ob denn Ultrarunning überhaupt gesund
sei, kann man in Zeiten des Corona-Virus zuallererst auf die erwiesenermassen
positiven Auswirkungen eines regelmässigen Ausdauertrainings auf die eigene
Gesundheit hinweisen. So steht die Stärkung des Immunsystems und des Herz-Kreislauf-Systems
im Vordergrund. Ebenso wirkt Ultrarunning Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck
entgegen. Diese werden bei Infektion mit dem Virus für eine deutlich schlechtere
Entwicklung des Gesundheitszustands verantwortlich gemacht.
Nun gilt es, all die Informationen und Anregungen für die eigene Vorbereitung zu ordnen, zu prüfen und allenfalls im Rahmen des nächsten Ultralaufs umzusetzen. Klar ist, und das zeigte auch der Austausch unter den Teilnehmenden, dass es kein Patentrezept für Ultrarunning gibt.
Einen Tag nach Ende des Trainingsweekends verschärfte auch die Schweiz wenig überraschend die Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Unmittelbar danach gaben die Organisatoren der Bieler Lauftage die Absage aller diesjährigen Läufe bekannt. So bleibt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sogar noch genügend Zeit, bis im Juni 2021 weitere Streckenteile rund um Biel im Laufschritt zu besichtigen. Ich kann es aus eigener Erfahrung nur empfehlen.
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Bericht von Rolf Thallinger Zu aktuellen Inhalten im LaufReport HIER |
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