20.6.15 - Tromsø Midnight Sun Marathon - Norwegen

Don't sleep the midsummer nights - run the marathon

von Axel Künkeler

Klare Erfolge gab es beim 26. Midnight Sun Marathon im norwegischen Tromsø sowohl bei den Männern wie den Frauen. Mit jeweils mehr als zwölf Minuten Vorsprung gewannen der Kenianer Antony Mugo (2:26:14h) und die Britin Claire Grima (2:49:06h) den Marathon zur Sommersonnenwende. Mit 5.668 Teilnehmern aus 58 Nationen verzeichnete die Veranstaltung, bei der auch Läufe über die Halbmarathon-Distanz, über zehn Kilometer, sowie ein Mini-Marathon (4,2km) und ein Kinderlauf ausgetragen wurden, einen neuen Melderekord.

Der Kenianer hatte sich gleich zu Beginn des Rennens vom Rest des Feldes abgesetzt. Nach den ersten beiden Kilometern im Anstieg zur 50 Meter hohen Brücke über den Tromsø-Sund hatte er bereits einen klaren Vorsprung. Als er nach der ersten Halbmarathon-Schleife auf der Festlandseite aus Tromsdalen kommend erneut die Tromsøbrua Richtung Stadtzentrum querte, hatte er seinem Verfolger Grant Schmidlechner bereits acht Minuten abgenommen.

Traumhafter Ausblick auf Tromsø zur Mittsommernacht Und Laufen in Tromsø beim Midnight Sun Marathon

Die beiden Anstiege über die Tromsø-Sund-Brücke ragen aus der sonst weitgehend flachen Strecke heraus. Dennoch ist der Verlauf leicht kupiert, so dass sich die Gesamt-Höhenmeter auf rund 300 addieren. Für ganz schnelle Zeiten ist der Kurs also nicht unbedingt geeignet. Auch der 29-jährige Kenianer musste dem hohen Anfangstempo im zweiten Abschnitt Tribut zollen. Allerdings steckten ihm noch vier harte Rennen, davon ein weiterer Marathon, in den vier Wochen zuvor in den Knochen; so dass er "etwas müde" war, so Mugo.

Antony Mugo, der eine Marathon-Bestzeit von 2:15h aufweist und 2009 beim Halbmarathon in Trier in 1:09:27h als Vierter finishte, kam in Tromsö bereits zu seinem insgesamt 15. Erfolg auf der Marathondistanz. Nicht nur des Sieges wegen, der ihm ein Preisgeld von 15.000 NOK (ca. 1.700,- Euro) einbrachte, will er 2016 wieder kommen. Als nächstes Ziel steht jedoch für ihn erneut der Marathon in Sri Lanka auf dem Terminkalender.

Die Anreise nach Tromsø lässt sich vom Geiranger (Halbmarathon - siehe Bericht im LaufReport) auch trefflich mit einem Schiff der HURTIGRUTEN gestalten Als wenn die Alpen ins Meer stürzten

Trotz der Preisgelder, die es in gleicher Höhe bei den Männern (für Zeiten unter 2:30h) wie Frauen (unter 2:55h) gibt, versteht sich der Midnight Sun Marathon als "Lauf von Läufern für Läufer". Renndirektor Nils I Haetta zeigte sich vom Start des Kenianers selbst überrascht. Bei der Pressekonferenz am Vortag hatte er noch ausdrücklich betont, dass keine Antrittsgelder bezahlt werden. Der besondere Charakter des MSM sei es, als Non-Profit-Veranstaltung, die von den drei Lauf-Klubs aus Tromsø organisiert wird, den Laufsport in der Region zu fördern. So wird die Organisation auch durchweg von den Teilnehmern als sehr gut gelobt.

Wandern wie in den Alpen - rund um Tromsø mit Meerblick Biken ist ebenfalls eine beliebte Freizeit-Aktivität in Nordnorwegen Die Eismeer Kathedrale - eine beeindruckende Sehenswürdigkeit in Tromsø

An der Laufstrecke gibt es etwa alle drei Kilometer Verpflegungsstellen mit Wasser, ISO und Bananen, teils Cola und Gels. Im Ziel ist es teils nordisch karg, aber insgesamt passt es. Eine gute Idee sind auch die Vorbereitungsläufe, die von den drei Laufclubs am Vortag angeboten werden. Entweder um 7:00h über die Brücke nach Tromsdalen, 8:00 Uhr an die Südspitze Telegrafbukta oder um 9:00h zum höchsten Punkt der Tromsø-Insel, nach Prestvannet. Wer wollte, der konnte sogar alle drei Läufe mitmachen. Kostete jedenfalls nichts, allenfalls ein paar Körner für den Marathon selbst…

Trotz eines Positiv-Splits von über fünf Minuten im zweiten Abschnitt brauchte Mugo seine Konkurrenz nicht zu fürchten. Der 37-jährige Australier Schmidlechner lief das Rennen zwar insgesamt konstanter, aber eben auch deutlich langsamer als der Kenianer. Er finishte als Zweiter in 2:39:12h aber ebenso ungefährdet. Bei den zahlreichen Zuschauern an der gesamten Strecke, die die Läufer immer wieder mit dem lang gezogenen "Heja, Heja" anfeuerten, machte sich spätestens danach überall Überraschung und Begeisterung breit.

Trainingslauf am Mittwoch mit den Northern Runners an den Strand Telegrafbukta Trainingslauf am Freitag mit Marianne und Margerete vom TUIL Friidrett Laufklub nach Tromsdalen Ein Aufwärm-Programm gab es vor jedem Lauf

Schnelle Britin wird Gesamt-Dritte
Denn hinter den beiden führenden Männern folgte bereits die schnellste Frau: Claire Grima aus Großbritannien lief ein beherztes Rennen und blieb als einzige Frau klar unter der Drei-Stunden-Marke. Die Zeit von 2:49:06h brachten ihr nicht nur den Sieg vor allen Frauen und (fast) allen Männern, sondern ebenfalls das Preisgeld von 15.000 NOK. Ebenso wie Mugo war auch die 38-järige Britin zum ersten Mal in Tromsø am Start, kam dabei aber auch gleich zu ihrem ersten Marathon-Sieg überhaupt. Zwar hat sie "schon mal einen Halbmarathon" gewonnen, ist aber ansonsten meist beim London-Marathon dabei. In ihrer Heimatstadt ist sie bereits neunmal gestartet. Im April 2015 hat sie mit einer 2:44h ihre PB aufgestellt, damit aber natürlich keine Chance auf den Gesamtsieg. Auch Claire Grima will 2016 wieder nach Tromsø kommen, nachdem sie vom Rennen absolut begeistert und von der Zahl der Läufer wie auch der Zuschauer positiv überrascht war.

Jens Johan Hjort lief alle Distanzen - schon beim Breakfast Run vorneweg Schon bei der Eröffnung der Marathon Expo durch Race Director Nils I Haetta (li.) und Jack Waitz war Andrang zur Startnummern-Ausgabe

Hinter der Britin belegten zwei Norwegerinnen die weiteren Plätze auf dem Podest. Lange Zeit lag die 22-jährige Lokalmatadorin Kathrine Kvernmo (3:04:15h) vom Tromsø Loepeklubb auf Rang zwei, doch auf den letzten Kilometern musste sie die erfahrenere Anja Kristin Lindanger (3:03:01h/W40) aus Stavanger noch vorbei ziehen lassen. Bei den Männern sicherte sich mit Tom Andre Henriksen (2:54:10h) ebenfalls ein Norweger den dritten Podestplatz. Bester Deutsche wurden der 43-jährige Stefan Schmitt vom TV 1884 Zeil als 16. von 609 Männern und 4. M40 in 3:03:15h und Hans Kiemel aus Durlangen (3:05:38/18./3. M50) sowie Tanja Amtmann in 3:32:41h als 2. W35 und Zehnte von 257 Frauen.

Schon im Anstieg zur Sund-Brücke lag Antony Mugo klar vor dem Feld Der Blick auf die Uhr war nicht nötig - der Kenianer Anthony Mugo gewann den Marathon mit großem Vorsprung Als Gesamt-Dritte gewinnt die Britin Claire Grima überlegen die Frauen-Wertung

Norweger dominieren auf kürzeren Distanzen
Den Halbmarathon machten zwei Läufer aus Tromsø unter sich aus: Sture Andersen gewann in 1:16:57h vor Tobias Albrigtsen (1:17:24h) und dem Finnen Juho Latvala (1:17:41h). Bei den Frauen waren die Norwegerinnen sogar auf den ersten fünf Plätzen ganz unter sich: Hilde Aders (1:20:41h) aus Tromsø gewann überlegen vor Kaisa Ramberg (1:26:53) und Gerit Pfuhl (1:29:56h). Britta Wiegand aus Mainz kam in 1:45:08h als beste deutsche Frau ins Ziel, während der in Tromsø lebende Deutsche Tobias Hübscher in 1:27:13h finishte.

Die relativ beste deutsche Platzierung erzielte der ebenfalls in Norwegen lebende Christoph Deppe in 33:18 min. als Vierter über zehn Kilometer. Während mit Anastasia Albert (47:57) eine weitere Deutsche bei den Frauen unter die Top100 lief, machten über 10k die Norweger und Norwegerinnen das Geschehen unter sich aus. Einheimische dominierten die kurzen Distanzen bis Halbmarathon. Beim Marathon aber kommen drei Viertel der Teilnehmer aus dem Ausland. Damit hat der Midnight Sun Marathon auch eine hohe wirtschaftliche und touristische Bedeutung, wie Agnete Ryngen von VisitTromsø betont. Vor allem die Hotels, aber auch Handel und Dienstleister profitierten von dem Event.

Der Australier Grant Schmidlechner wird Zweiter beim Marathon Der Norweger Tom Andre Henriksen schafft als Dritter den Sprung aufs Marathon-Podest Die Norwegerin Kathrine Kvernmo wird am Ende dritte Frau auf der Marathon-Distanz Der Brite Dan Vaughan wird 4. Marathon-Mann Hans Kiemel aus Durlangen schafft es als zweitbester Deutscher hinter Stefan Schmitt (TV Zeil) unter die Top20 beim Marathon Luc Caffier aus Frankreich bleibt als 11. Mann auf Marathon knapp unter drei Stunde

Trotz der Erfolgsgeschichte des MSM stehe aber die Qualität der Veranstaltung vor deren Größe. Von 126 Marathonis und 2.000 Teilnehmern über alles bei der Premiere 1990 ist der MSM beträchtlich gewachsen. Zwar ist der Trend nach den Olympischen Winterspielen 1994 in Norwegen wieder etwas abgeflacht, doch in den letzten Jahren sind die Zahlen erneut stark angestiegen. Zum 25. Jubiläum des Tromsø Marathons 2014 gab es erstmals mehr als 5.000 Meldungen, heuer mit fast 5.700 einen weiteren Rekord.

Die Steigerung um weitere zehn Prozent muss man natürlich, wie bei allen Veranstaltungen, etwas relativieren. Auch in Tromsø bleiben die tatsächlichen Finisher-Zahlen dahinter zurück. Bei 5.000 Anmeldungen zum Marathon, Halbmarathon, 10k und Mini-Marathon (dazu noch über 500 Kinder) sind es 4.355 Finisher in diesen vier Wettbewerben. Doch Zahlenspiele sind den Organisatoren um Renndirektor Nils I Haetta eben weniger wichtig als die Qualität und die Attraktivität des MSM.

Fast zwei Minuten vor dem restlichen Feld gewinnt Glenn Thomas Martinsen den 10k Yngvild Kaspersen gewinnt die 10k bei den Frauen ebenfalls mit gut zwei Minuten Vorsprung Norwegischer Zweikampf um Platz zwei über 10k - Fredrik Sætran vor Morten Harjo Pettersen Arja Arnesen wird 2. Frau über 10k Der deutsche Christoph Deppe wird Vierter über 10k

Bürgermeister wirbt aktiv für seine Stadt
Dafür setzt sich auch der Bürgermeister von Tromsø, Jens Johan Hjort ganz persönlich ein. Diesmal sogar als Teilnehmer, der ALLE Laufwettbewerbe an einem Tag bestritt - sofern sein Körper das mitmache, sonst müsse sich Tromsø einen neuen Bürgermeister suchen, betonte Hjort mit fast britischem Humor in seinem Grußwort. Tatsächlich legte er vom Breakfast Run am Morgen, über Mini-Marathon, 10k, Halbmarathon und Marathon knapp 80km zurück, an einem Tag; und das in nur gut sechseinhalb Stunden. So sportlich trainierte Bürgermeister haben nicht viele Städte auf der Welt!

Das Stadtzentrum liegt auf einer Insel zwischen dem Festland und vorgelagerten Inselgruppen Bürgermeister Jens Johan Hjort machte beste Werbung für Tromsø, den Midnight Sun sowie den Polarnight Marathon

Hjort sieht den Midnight Sun Marathon als ein ‚Markenzeichen' seiner Stadt, die wegen ihrer Lage mehrere Hundert Kilometer nördlich des Polarkreises, 2.000 km südlich vom Nordpol sich gern als "Tor zur Arktis" bezeichnet. Wegen der Weltoffenheit und Lebensfreude seiner Bewohner gilt Tromsø auch als das "Paris des Nordens". Umgeben von Bergen und Fjorden verbindet Tromsø Holzhaus-Architektur des 19. Jahrhunderts mit moderner Architektur der Neuzeit, ebenso eine anspruchsvolle Kulturszene mit einem lebendigen Nachtleben.

Bekannt ist die Region Tromsø aber vor allem wegen der Polarnächte und dem Polarlicht im Winter sowie der Mittsommernachtssonne im Frühsommer. Mehr als zwei Monate, vom 18. Mai bis zum 25. Juli steht die Sonne über dem Horizont, bleiben die Nächte taghell. "Schlafe nicht in den Mittsommernächten", lautet daher eine beliebte Redensart der Nordnorweger. Deshalb kommen auch so viele Touristen in die Region. Deshalb ist auch der "Midnght Sun Marathon" ein ganz besonderes Erlebnis.

Spaß hatten schon die Kleinsten beim Kinderlauf Den Mini-Marathon gewinnt Gabriel Sandör (6446) vor Kristian Magnus Gundersen (6424)

Diesmal wird die Sonne zwar den ganzen Abend über - der Marathon startet um 20.30 Uhr, zwei Stunden später der Halbmarathon - von einer dichten Wolkendecke verdeckt. Doch als das Gros der Läufer nach Mitternacht die immer noch von mehreren Hundert Zuschauern gesäumte Zielgerade auf der Einkaufsstraße Storegata erreicht, ist es wie am helllichten Tag. Für alle steigt der emotionale Stimmungspegel nochmals spürbar an. Wie die Marathon-Sieger Claire Grima und Antony Mogu werden wohl etliche 2016 wieder kommen wollen. Entweder zum MSM im Juni oder sogar schon zum ‚Polarnight Marathon' am 9. Januar 2016.

Zahlreiche Trommler-Gruppen zogen zur Feier der Mittsommernacht durch die Stadt Vereinzelte Kiebietze und viele Heja, Heja-Stimmungsnester an der Strecke

Unter den internationalen Teilnehmern waren auch diesmal wieder etwa 130 Deutsche. Die Meisten kommen mit Laufreisen-Veranstaltern, etwa mit Günter Bütepage, der seine 20-köpfige Gruppe anschließend noch auf eine einwöchige Wanderwoche Richtung Nordkapp führt. Wandern und Radfahren, Angeln oder Bootsfahrten - die Möglichkeiten zum Aktiv-Urlaub in der Region um Tromsø sind vielfältig. Laufen und Reisen in Norwegen bietet somit sehr interessante Alternativen.

Bei einem zwei- bis dreiwöchigen Aktiv-Urlaub in Norwegen kann man etwa den Midnight Sun Marathon in Tromsø mit dem Geiranger Halbmarathon zwei Wochen vorher verbinden. Die Anreise empfiehlt sich wegen der langen Distanzen (von Frankfurt ca. 1.500km bis zum Geiranger Fjord und ca. 3.000km bis Tromsø) mit dem Flugzeug über Oslo.

Die Weiterreise von Geiranger nach Tromsø sollte man unbedingt nutzen für eine Schiffsfahrt mit den HURTIGRUTEN. Drei Tage dauert die Fahrt entlang der norwegischen Westküste, mit tollen Ausblicken auf die Küstenlandschaft und Zwischenstopps in Trondheim und auf den Lofoten. Drei Tage zum Entschleunigen und Entspannen vor der nächsten "running challenge"!

Durch ein Spalier von Zuschauern auf der Storegata ins Ziel Im Ziel gab es die begehrte Finisher-Medaille
Ausführliche und einladend präsentierte Laufankündigungen im LaufReport HIER

Und wer es bis zum Polar Night Halbmarathon am 9.1.16 oder zum Midnight Sun Marathon am 18.6.2016 nicht abwarten kann, für den wartet das ultimative Triple bereits im August: vom 21.-23.8.2015 findet die Tromsö Mountain Challenge statt. Mit dem MSM Extreme Race (2,7k/420HM), dem Tromsø Mountain Ultra 50k und dem Berglauf auf den Tromsdalstinden (10,6k/1.238HM), der erstmals zur SkyRace-Serie gehört.

Bericht und Fotos von Axel Künkeler

Informationen und Ergebnisse www.msm.no

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