Seychelles Eco-Friendly Marathon (23.2.14)

Laufen für Genießer im Indischen Ozean

von Stefan Schlett

Der Westliche Indische Ozean mit seinen Trauminseln ist auch unter erfahrenen Globetrottern noch immer ein touristischer Geheimtipp. Wenige wissen über die Inseln mehr, als dass vor langer Zeit ein Schiff vor Madagaskar lag, dass die Pest an Bord hatte, dass der Pfeffer dort wächst und dass man unter Palmen baden kann. Und ja, die berühmteste Briefmarke der Welt, die Blaue Mauritius, kommt auch aus dieser Region. Doch für die internationale Läuferschar sind die Perlen des Indischen Ozeans schon lange kein Geheimnis mehr, sondern ein Leckerbissen für Laufgourmets. Während sich die Maskarenen (La Reunion, Mauritius, Rodrigues), Mayotte (Komoren) und Madagaskar mit anspruchsvollen Trailläufen durch wilde und exotische Landschaften präsentieren, pflegt man auf den Seychellen den guten alten Straßenlauf.

Ausführliche und einladend präsentierte Laufankündigungen im LaufReport HIER

Bereits zum siebten Mal fand auf der Hauptinsel Mahé der "Seychelles Eco-Friendly Marathon" statt. Den Anstoß dazu gab der koreanische Geschäftsmann Dong Chang Jeong, Honorarkonsul der Inseln in Seoul, begeisterter Marathonläufer und zugleich bedeutendster Sponsor der Veranstaltung. Die Renndirektorin Giovanna Rosseau, die auf den Inseln bereits Triathlonwettbewerbe und Staffelmeisterschaften ins Leben rief, legt Wert auf die Qualität des Events. So erreichte sie, dass der Marathon AIMS-zertifiziert und von der IAAF anerkannt wurde. Die mehrfache internationale Squash-Meisterin und ehemaliges Mitglied der Seychellen-Nationalmannschaft hält somit den Level hoch. Auch wenn die Gesamtveranstaltung, die noch Halbmarathon, Zehn- und Fünfkilometer-Lauf, sowie Walking beinhaltet, mit rund 1500 gemeldeten Teilnehmern ein sehr familiäres Flair hat. Aber das passt zum Charakter der Seychellen. Hier gibt es weder Massentourismus, noch Massenveranstaltungen.

Asiatinnen im klassischen Outfit und ein Trainer mit seinen Schützlingen

Die seit 1976 vom Vereinigten Königreich unabhängige Republik der Seychellen liegt im westlichen Indischen Ozean, vier Grad südlich des Äquators und besteht aus 115 Inseln. Das zu den Seychellen gehörige Hoheitsgebiet hat eine Ausdehnung von knapp 400.000 qkm (größer als Deutschland), wovon allerdings nur etwa ein Tausendstel (455 qkm - nicht viel größer als das Stadtgebiet von Köln) Landfläche ist.

Hiervon wiederum ist nur etwa die Hälfte (21 Inseln) bewohnt. Von den 90.000 Einwohnern lebt ein Viertel in der Hauptstadt Victoria, die zu den kleinsten Hauptstädten der Welt zählt und auf der Hauptinsel Mahé liegt. Diese ist mit einer Länge von 28 km und einer Breite von 8 km die größte der Seychelleninseln. Der afrikanische Kontinent, zu dem die Seychellen topografisch gehören, liegt 1600 Kilometer von Mahé entfernt.

Traum und Traumstrände sind inflationäre Begriffe, die heute in jeder Touristenbroschüre zu finden und fast wertlos geworden sind. Geht es jedoch an die Beschreibung der 42 Granit- und 73 Koralleninseln der Seychellen bekommen die Attribute Traumstrand und Einzigartigkeit ihre eigentliche Bedeutung zurück. Traum wird hier zur Realität! Wie eine Flotte von Archen blieben diese glitzernden Inseljuwelen Zufluchtsstätten für einige der seltensten Tier- und Pflanzenarten auf dieser Erde. Als höchste Gipfel untergetauchter Überreste des Superkontinents Gondwana sind die Seychellen die weltweit ältesten Inseln inmitten eines Meeres und damit kostbare Erbstücke aus der Frühzeit unseres Planeten.

Der Clock Tower in Victoria und Esmeralda, die älteste Schildkröte der Welt

Die berühmteste der zahlreichen endemischen Tier- und Pflanzenarten, also Lebensformen die nur hier vorkommen, ist die Coco de Mer, eine Frucht der Seychellenpalme. Die Form der nur auf den Seychelleninseln Praslin und Curieuse zu findenden Meereskokosnuss ähnelt den Beckenrundungen einer Frau und regte über Jahrhunderte die Fantasie männlicher Betrachter an. Der deutsche Kaiser Rudolf II. von Habsburg schrieb im 17. Jahrhundert 4000 Gulden Belohnung für eine einzige dieser Nüsse aus, bekam aber keine. Die frühere erotische Betrachtung ist heute einem pragmatischen Ansatz gewichen. Die bis zu 50 Zentimeter große Nuss wiegt 15 - 22 Kilogramm, kostet ein paar hundert Euro und darf nur mit Zertifikat ausgeführt werden. Auf dem Aldabra-Atoll findet man die weltgrößte Kolonie von Riesenschildkröten und auf der winzigen Insel Bird-Island krabbelt die älteste Landschildkröte der Welt herum, die es sogar zu einem Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde geschafft hat. Esmeralda ist über 200 Jahre alt und bringt mehr als 300 kg auf die Waage!

Die Coco de Mer in der Kunst und im Original

Die Seychellen sind das erste Land der Erde, das den Naturschutz in seine Verfassung aufgenommen hat. Mit 99,56% seiner Landfläche hat der Inselstaat mit Abstand prozentual den größten Anteil geschützter Gebiete weltweit. Dazu passt folgendes Zitat aus einem alten Reiseführer: "Weltreiche kommen und gehen, Revolutionen ebenfalls, aber die Schönheit der Seychellen bleibt eine Konstante". In der Tat, der Strand von Anse Source d'Argent auf der viertgrößten Insel La Digue, bekannt u. a. durch Werbespots von Bacardi bis Raffaello ist der wohl am meisten fotografierte auf der Welt. In fast jedem Baumarkt findet man Fototapeten davon. Der natürliche Reichtum verschafft diesem eigenständigen Land, das keine Arbeitslosigkeit kennt, denn höchsten Lebensstandart Afrikas. Der Fremdenverkehr beschäftigt 30% der arbeitenden Bevölkerung und erwirtschaftet 70% des Volkseinkommens.

Die Seychellen, ein exotisches Universum

Genug der Superlativen, zurück zum Laufen! Der Journalist Udo Möller war vor 4 Jahren der Erste, der in deutschen Medien über den Seychellen Marathon schrieb. Prompt brachte ein Berliner Reiseveranstalter im letzten Jahr 40 deutsche Läufer an den Start, wovon sich allerdings nur wenige die Strapazen eines Tropenmarathons zumuteten. Die meisten konzentrierten sich auf die zahlenmäßig größeren Rahmenwettbewerbe. 1465 Läufer aus 35 Ländern bedeuteten auch dieses Jahr eine weitere Teilnehmersteigerung. Rund ein Drittel davon kam aus dem Ausland, Südafrika, Deutschland und Südkorea bildeten die stärksten Fraktionen. 2013 gab es einen pikanten Vorfall: 15 holländische Marinesoldaten, die mit ihrer Flottille auf Mission am Horn von Afrika waren und für den Halbmarathon gemeldet hatten, konnten nicht am Start erscheinen. Ihr Verband hatte nur wenige Tage vorher 9 Piraten festgenommen und musste sich nun wichtigeren Aufgaben unterordnen!

Der Autor Stefan Schlett auf der Strecke, aufgenommen von ... ... Udo Möller, ebenfalls auf der Marathonstrecke unterwegs, aufgenommen von Stefan Schlett

Eine herrliche Morgenstimmung herrschte in Beau Vallon, dem populärsten Strand von Mahé, als um 7 Uhr die kleine Schar der 44 Marathon- und 65 Halbmarathonläufer auf die Reise geschickt wurden. Am Horizont erhoben sich die beiden Nachbarinseln Silhouette und North Island über das türkisblaue Meer, zwei Naturparadiese, die nur von wenigen Menschen bewohnt sind.

Nach einem kurzen Wendepunktstück in die Ortschaft Beau Vallon hinein ging es raus auf die Inselringstraße, eine hügelige Strecke entlang der Küste, die an einsamen Buchten und Stränden vorbeiführt. Palmen boten teilweise Schutz vor der sengenden Äquatorsonne. Und immer wieder die für die Seychellen so typischen Granitbrocken, welche wie stumme Zuschauer die Strecke säumten.

Verpflegungsstelle

Kleine Siedlungen wurden durchquert, in denen gelegentlich von den Läufern aufgeschreckte Hühner gackernd über die Straße fegten. Aus den Kirchen tönten inbrünstige Gesänge vom Sonntagsgottesdienst. Bei rund 30° Celsius und über 90% Luftfeuchtigkeit gab es hier nur eine vernünftige Strategie: Langsam laufen und einfach nur genießen! Nach der Halbmarathonwende wurde es noch ruhiger auf der verkehrsarmen Piste. Eine Absperrung der Straße ist nicht möglich, da sonst die Bevölkerung von ihren Wohnungen abgeschnitten und der Nahverkehr zum erliegen gebracht würde. Auf den Seychellen herrscht übrigens Linksverkehr, ein Erbe der britischen Kolonialzeit. Die Marathonis liefen komplett um die nördliche Nase der Insel und nach einer Sightseeingtour durch die Hauptstadt Victoria auf der gleichen Strecke wieder zurück.

Szenen von der Laufstrecke

Die Masse tummelte sich auf den kürzeren Distanzen, die eine Stunde später um 8 Uhr gestartet wurden: 399 Teilnehmer waren es beim 10 km-Lauf und 950 Läufer über fünf Kilometer. Darunter erstaunlich viele Kinder und Jugendliche, die für ein wuseliges Treiben sorgten. Die meisten waren barfuss unterwegs, manche in Socken. Besonders lustig waren diejenigen anzuschauen, welche nur einen Socken am Fuß hatten! Die Zeiten konnten sich in Anbetracht der Umstände durchaus sehen lassen. 34:04 Minuten über 10 Kilometer und 19:06 Minuten über 5 Kilometer lauteten die Tagesbestzeiten, beide erzielt durch einheimische Läufer. Mit einer entsprechend den klimatischen Verhältnissen bescheidenen Zeit von 1:32:52 h entschied der Seychellois Jemmy Annacoura den Wettbewerb über 21,1 km für sich. Bei den Frauen hatte die Britin Nancy Bunbury in 1:58:26 h die Nase vorn.

Totenstille an der Marathonstrecke Ein richtiger und ein Freizeitarbeiter

Auf dem langen Kanten ging Simon Labiche, der derzeit beste Marathonläufer des Landes, in 3:03:15 h als Sieger hervor. Der Landesrekordhalter über 5000 m (14:22 Min.) und 10.000 m (31:05 Min.) erreichte auf dieser Strecke auch schon eine Zeit von 2:37:38 h, gelaufen bei seinem Sieg 2009. Dies ist zugleich seine persönliche Bestzeit, die allerdings noch weit von dem Uralt-Landesrekord der Seychellen entfernt ist. Dieser ist genauso alt wie der Deutsche Rekord (Jörg Peter, 2:08:47 h, 1988 in Tokio) und steht seit 1988 bei 2:25:48 Stunden.

Auf dem zweiten Platz und schon mit deutlichem Abstand, Roberto Giordano aus Italien, mit 3:22:47 h. Das Frauenfeld war in schwedischer Hand. Anneli Sodergards siegte auf dem 6. Gesamtplatz in 3:48:30 h. Während letztes Jahr das Frauenfeld noch komplett den ausländischen Läuferinnen überlassen wurde, fanden sich diesmal 5 einheimische Ladys unter den 11 Finisherinnen. Den Landesrekord hält Simone Adeline Japha, die 2013 den Halbmarathon gewann, in 3:30:19 Stunden. Zwei Leistungen unter 4 Stunden bei den Frauen und sieben bei den Männern zeigen vor allem eines: dies ist ein Lauf zum Genießen, schnelle Zeiten werden woanders gelaufen. Die Freude an der Bewegung und eine fröhliche Laufatmosphäre stehen im Vordergrund.

Der Marathonsieger Simon Labiche einsam in Führung ... und nach dem Wendepunkt

Fazit: Ein traumhaft schöner und, was Klima und Streckenprofil betrifft, durchaus anspruchsvoller Marathon. Organisatorisch wird ein gutes Niveau geboten. Verpflegung gibt es alle 2-3 Kilometer, auf der nicht gesperrten Laufstrecke patrouilliert die Polizei und es herrscht wenig Verkehr. Im Ziel sind es gerade mal 15 Meter um sich in den 28 Grad warmen Fluten des Indischen Ozeans zu erfrischen. Während sich die Einheimischen überwiegend auf den kürzeren Distanzen tummeln, lockt der Halb- und Vollmarathon vor allem die ausländischen Lauftouristen an.

Betrachter des Laufgeschehens: was kommen denn da für seltsame Gestalten vorbei? Kurzes Regenerationspäuschen bei Bacardi und Raffaello?

Fakten

Für den Seychelles Eco-Friendly Marathon ist jeweils der letzte Sonntag im Februar reserviert. Informationen gibt es auf: www.seychelles-marathon.com

Anreise
Condor fliegt einmal wöchentlich nonstop ab Frankfurt auf die Seychellen. Emirates, Etihad Airways, Kenya Airways, Qatar Airways und Ethiopian Airlines bieten jeweils Seychellenflüge mit Anschlüssen nach Europa. Die Flugzeit beträgt 10 Stunden.

Zeitunterschied
MEZ + 3 Stunden von November bis März
MESZ + 2 Stunden von April bis Oktober

Währung
Die Landeswährung ist die Seychellen-Rupie (SR). 1 Euro = 16 SR (Stand April 2014)

Klima
Die Temperaturen liegen ganzjährig zwischen 24 und 32°C. Von Dezember bis März ist die feucht-heiße Zeit des Nordwestmonsuns und von Mai bis September die trockenere und etwas kühlere Zeit des Südostmonsuns. Die restlichen Monate sind in der Regel ruhig und vergleichsweise windstill. Schwere Stürme sind selten, da die Seychellen außerhalb des Hurrikangürtels liegen, die im Indischen Ozean als Zyklon bezeichnet werden.

Sprachen
Die Seychellen haben 3 Amtssprachen: Englisch, Französisch und Kreol.

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Bericht und Fotos von Stefan Schlett
(1 Foto Udo Möller)

Informationen: www.seychelles-marathon.com

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