19.2.17 - 33. Zurich Maratón de Sevilla

Siege für Kenianer Titus und Spanierin Berodia

Sevilla erlebt Lauf der Rekorde

58jähriger Brite Steve Smythe stellt besonderen Weltrekord auf

von Michael Schardt

Die spanische Marathonszene ist weiterhin im Aufwind. Das steht außer Frage. Die Teilnehmerzahlen bei den Platzhirschen zeigen tendenziell nach oben, die Siegzeiten wurden in den letzten Jahren gesteigert. Da macht auch Sevilla als einer der ältesten und größten Marathonläufe Spaniens keine Ausnahme. 2016 hatte man in der andalusischen Metropole mit deutlich über 8000 Finisher zum wiederholten Mal einen neuen Teilnehmerrekord aufgestellt, welcher nun, 2017, noch einmal mit über 10.100 Finishern eine deutlich Steigerung erfuhr. Man gehört damit zum exklusiven europäischen Club mit fünfstelligem Wert und überflügelte in Spanien knapp sogar Madrid. Damit nimmt Sevilla hinter Barcelona und Valencia national den dritten Rang ein.

Der Sevilla Marathon wächst und wächst und hatte dieses Jahr erstmals über 10.000 Finisher "Wir sind Sevilla, und Sevilla ist Flamenco". Keine Frage, dass man dies auch beim Marathon zeigen würde
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Im Ranking der schnellsten Rennen sieht es genauso aus. Da kann Madrid mit dem recht schweren Streckenprofil naturgemäß nicht ganz mithalten, denn dort stehen bei den Männern (2:09:15h) und den Frauen (2:32:04h) eher bescheidene Werte zu Buche. Die schnellste Frau, die in Sevilla je das Ziel erreichte, war die Portugiesin Marisa Barros, die 2009 2:26:03h lief. Bei den Männern wurde der Streckenrekord gleich zweimal in Folge gesteigert. 2016 vom Kenianer Cosmas Kiplimo Lagat auf 2:08:14h; jetzt von dessen Landsmann Erik Titus auf hervorragende 2:07:43h.

Die schnellsten je auf spanischem Boden erzielten Zeiten beanspruchen bei den Männern seit 2015 Valencia (John Nzau Mwangangi, Kenia, 2:06:13h) und bei den Frauen seit letztem Jahr Barcelona (Valery Jemeli Aiyabai, Kenia, 2:25:26h) für sich. Die Siegzeit der diesjährigen Sevilla-Gewinnerin Paula Gonzalez Berodia (2:28:54h) ist zudem die beste Zeit einer Spanierin seit vielen Jahren. Dass der 58jährige Brite Steve Smythe im diesjährigen Rennen die Organisatoren sogar mit einem besonderen Weltrekord beschenkte, dürfte deren ohnehin große Zufriedenheit sicher noch größer gemacht haben.

Unübersehbar sind in der Stadt die vielen Hinweise, die auf das bevorstehende Marathonwochenende hindeuten Sevilla begrüßt seine Besucher

Kleine Vorteile

Dass die spanische (wie auch italienische) Marathonszene bei ihren Spitzenveranstaltungen nicht rückläufig ist oder stagniert, sondern mit teils kräftigen Zuwächsen aufwartet, dürfte unter anderem einem kleinen klimatischen Vorteil zu verdanken sein, die sie gegenüber nördlicheren Mitbewerbern hat. Konzentrieren sich deren Termin aus Witterungsgründen gemeinhin auf den April im Frühjahr und auf den Oktober im Herbst, lassen spanische Verhältnisse Marathonläufe ohne Probleme im November, Februar oder März zu, wo die mittel- und nordeuropäische Konkurrenz kaum gegeben ist. So etwa Valencia (November), Barcelona (Anfang März) und Sevilla (Februar), die in den letzten Jahren nicht nur immer mehr Teilnehmer hatten, sondern wo zunehmend europäische Spitzenathleten anreisten, um Qualifikationszeiten zu erreichen. Als Gegenbeispiel könnte man die Landeshauptstadt Madrid ins Feld führen, wo ein Termin im November oder Februar aus klimatischen Gründen (Höhenlage) nicht geeignet erscheint und wo die Teilnehmerzahlen leicht rückläufig sind, vermutlich, weil er im konkurrenzreichen April stattfindet.

Der erste südländische Eindruck, der sich dem nördlichen Besucher Mitte Februar in Sevilla bietet, sind reich bestückte Orangenbäume Das Leben der Einwohner spielt sich auf der Straße ab - auch im Winter. Ein ganz normaler Tag auf der Prachtstraße Avenida de la Constitución Beliebter Treffpunkt von Einwohnern und Ausgangspunkt für touristische Stadtspaziergänge: Puerta de Jerez, wo es auch eine Metrostation gibt

Sevilla richtet den ersten großen europäischen Marathon des Jahres aus. Diesmal war der 19. Februar der Termin. Wer aus kalten, ungemütlichen nördlichen Gefilden ein paar Tage früher anreiste - und das dürften aus dieser Klientel die meisten gewesen sein, der wurde mit milden, ja fast sommerlichen Temperaturen begrüßt. Drei Tage vor dem Lauf zeigten die städtischen Messanzeigen über zwanzig Grad an, in der Sonne sogar bis 26, was eine Hitzeschlacht beim Marathon befürchten ließ, zumal kein Lüftchen ging. Dass sich pünktlich zum Marathon die Werte auf fast schon zu kühle 12 Grad abkühlen und am Lauftag ein kräftiger Wind durch die Metropole fegen würde, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen. Zur touristischen Erkundung der historischen, geschichtsträchtigen Stadt und seiner Umgebung hätte dem Besucher freilich nichts Besseres passieren können, als dieses frühlingshaft warme Wetter.

Perle Andalusiens

"Wer Sevilla noch nicht gesehen hat", sagt ein verbreitetes Sprichwort, "hat noch keine Wunder gesehen". Da ist viel dran. Immer wieder wird Sevilla als Stadt der Wunder, als wunderbare Stadt bezeichnet. Mit gut 700.000 Einwohnern ist sie die viertgrößte Stadt des Landes und Handels-, Bildungs- und Touristenzentrum Andalusiens. Die Altstadt gehört mit ihren engen, verwinkelten Gassen, imposanten Kirchen, prächtigen Palästen, unzähligen Türmen, lauschigen Parks und dem architektonischen, aus zweitausend Jahren herreichenden Stilpluralismus nicht nur zu den schönsten Europas, sondern neben Venedig und Genua auch zu den größten.

Reich verzierte Fassaden und Gebäude aus unterschiedlichen Epochen prägen das Bild der Altstadt ebenso wie ... ... lauschige Plätze und gepflegte Parks

Es ist kein Wunder, dass Sevilla wie Venedig die Kulisse für einige berühmte und viele weniger berühmte Opern bildet. Gut zwei Dutzend sollen es sein, wie fleißige Musikwissenschaftler herausgefunden haben. Darunter Beethovens "Fidelio", Rossinis "Babier von Sevilla", Bizets "Carmen" oder Mozarts "Don Giovanni" und "Die Hochzeit des Figaro". Mit Venedig hat Sevilla eine weitere Parallele. Hier wie dort trieben die beiden größten Liebhaber der europäischen Literatur ihr Unwesen. In Venedig gab bekanntlich Casanova den Unwiderstehlichen; in Sevilla war Don Juan (Don Giovanni) der dämonische Verführer.

Sevilla wurde laut einer Mythologie von Herkules gegründet, tatsächlich stammen die ersten Spuren einer Besiedlung aber von den Tartessern aus dem 8. Jahrhundert vor der Zeitrechnung. Es folgten die Phönizier, Karthager, Römer und später, aus dem arabischen Raum, die Mauren, deren orientalische Bauweise prägend war und noch heute in der Altstadt vielfach zu finden ist. So gehört zu den bedeutendsten Aspekten Sevillas sein großartiges Kulturerbe. Wie kaum in einer anderen Stadt findet sich hier die einzigartige und unvergleichliche Verschmelzung verschiedener Kulturen und Architekturen, die sich in Palästen, Kirchen, Stadtmauern, Straßen und Plätzen zeigt.

Paläste und Stadtvillen gibt es in der Altstadt von Sevilla zu bewundern

Herausragende Exponenten sind die wuchtige Kathedrale und die Giralda zu nennen, die von der Grundfläche her der drittgrößte christliche Kirchenbau der Welt sein soll, des Weiteren der Monumentalbezirk der Reales Alcazares mit einem feinen Park im Zentrum, das Rathaus, der Komplex der Universität, der Erzbischöfliche Palast, der Torre del Oro, der halbkreisförmige Gebäudekomplex am Plaza de Espana, die Stierkampfarena, das Parlamentsgebäude, besonders prachtvolle Gotteshäuser und einige ältere Brücken über den Kanal und den Guadalquivir, Andalusiens längster und Spaniens zwischen Sevilla und der Hafenstadt Cadiz einziger beschiffbarer Fluss.

Die Kathedrale von Sevilla aber überragt alles andere an Größe, Höhe und Pracht

Modernes Konfliktpotential

Die Altstadt von Sevilla lässt den Besucher aus dem Staunen nicht herauskommen und ist als Ganzes mit dem Weltkulturerbetitel der Unesco ausgezeichnet worden. Gerade dieses Sigel aber sah man vor wenigen Jahren bei der Unesco gefährdet und drohte mit der Aberkennung, als der spanische Architekt César Pelli sich anschickte, den höchsten Büroturm Andalusiens auf der Cartujainsel zu bauen, nahe dem ehemaligen Expogelände. 180 Meter hoch sollte die Glas-Stahl-Konstruktion werden und damit höher als der Turm der Kathedrale. Das war 2012, und die Sevillanos, wie sich die Einwohner nennen, waren aufgebracht. Die einen sprachen sich für die Modernisierung und damit für den Büroturm aus, die anderen votierten strikt dagegen und fürchteten, dass die Stadt ihren identitätsstiftenden, historisch-kulturellen Charakter nach und nach verlieren könnte. Inzwischen ist der Turm zwar Realität, aber angefreundet mit ihm hat sich längst noch nicht jeder.

Ein Muss für alle Besucher: der Torre del oro (rechts), direkt am Fluss gelegen, von wo man das höchste Gebäude der Stadt (links im Hintergrund) sehen kann, ein Torre aus Glas und Eisen mit Geschäften und Büros Lange umstritten und bei der Bevölkerung ähnlich unbeliebt wie einst der Eiffelturm in Paris: die filigran-luftige Holzkonstruktion Metropol Parasol, für die der deutsche Architekt Jürgen Mayer H. verantwortlich zeichnet. Noch liebt man das Bauwerk zwar nicht, aber man hat sich daran gewöhnt

Für einen anderen baulichen Skandal zeichnete vor wenigen Jahren der deutsche Architekt Jürgen Mayer H. verantwortlich. Sein Entwurf wurde ausgewählt, um auf einem großen, einst unansehnlichen Platz mitten in der Altstadt eine futuristische, auf sechs Pfeilern ruhende Konstruktion zu bauen, die, was man auf den ersten Blick nicht gleich sieht, hauptsächlich aus Holz (und anderen Naturmaterialien) besteht. Die Einwohner mochten das luftige, geschwungene Gebilde, das im Inneren Lokale und Läden und oben eine Aussichtsplattform besitzt, von Anfang an nicht besonders und tauften es respektlos "Der Pilz". Inzwischen hat man sich daran gewöhnt und registriert erstaunt, dass es immer mehr Touristen anzieht und bereits als besondere Sehenswürdigkeit gilt.

Sportstadt Sevilla

Weniger glücklich verlief die Geschichte mit einem anderen Gebäude. Man hatte in den neunziger Jahren auf der Cartujainsel am äußersten nördlichen Stadtrand nach Vorgaben der UEFA mit Blick auf die Bewerbung um die Olympischen Spiele und als möglicher Austragungsort für Europapokalspiele das Estadio Olímpico de Sevilla gebaut. Doch aus beidem wurde nichts. Die Olympischen Spiele gingen an andere Bewerber, weil Sevilla - so die Begründung - nicht genügend Hotelbetten hätte, und die beiden Erstligavereine tragen ihre Fußballspiele nach wie vor in vereinseigenen Stadien aus.

Für den sportlichen Auftakt des Marathonwochenendes sorgten nicht die Läufer, sondern Radfahrer. Die Andalusienrundfahrt führte am Samstag durch die Stadt Der Sevilla Marathon bietet keine Unterdistanzen an, aber am Vortag einige Schülerrennen und kurz vor dem Lauf einen Marathon für Rollstuhlfahrer. Hier die britische Siegerin Mel Nicholls, die 2012 bei den Paralympics Silber über 800m gewann

So blieben dem Olympiastadion nur vereinzelte National- und spanische Pokalendspiele, das UEFA-Pokalendspiel 2002/3 sowie die Ausrichtung der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1999. Weitgehend ungenutzt, marodiert das fast 60.000 Zuschauer fassende Stadion für sich hin. Aber einmal im Jahr regt sich dort doch etwas, wenn nämlich im Februar der Sevilla Marathon ansteht. Bis 2012 lagen der Start und das Ziel in seinem Inneren, zwischenzeitlich aber nur noch das Finish, weil die Kapazität bei deutlich angestiegenen Teilnehmerzahlen nicht mehr ausreicht. So verlegte man den Start vor das Stadion auf die breite Avenida Carlos III. Die Marathonläufer sehen von den hier genannten Sehenswürdigkeiten und Bauten zwar nicht alle, doch viele, so dass die Strecke nicht nur schnell und flach (nach Veranstalterangaben sogar die flachste in ganz Europa) ist, sondern optisch auch äußerst attraktiv. Neben dem Olympiastadion kommen die Marathonis sogar an den beiden Erstligastadien vorbei, bei km 28 am Stadion des FC Sevilla, bei km 32 am Stadion von Betis Sevilla.

Der Marathonstart am Olympiastadion, das nie Olympische Spiele sah, wurde von einst 9:30 auf 8:30 Uhr vorverlegt. Da in Sevilla die Sonne eine Stunde später aufgeht als in Mitteleuropa, ist es noch nicht wirklich hell. Die ersten fünf Kilometer verlaufen auf der breiten Avenida Carlos III auf der rechten Seite des Guadalquivir-Rivers und sind eher unspektakulär Für die Einwohner ist die Startzeit ungünstig, denn sie lieben es, spät zu Bett zu gehen und spät aufzustehen. Von daher gibt es in der Anfangsphase nur vereinzelt Zuschauer

Weite Wege

So flach, schnell und schön die Marathonstrecke auch sein mag, die Rahmenbedingungen des Laufs gestalten sich partiell umständlich und bedürfen einiger Planung. Das liegt vor allem an den weiten Wegen, die man - vom Stadtzentrum kommend - zur Startnummernausgabe und zum Start auf sich zu nehmen hat. Seine Startnummer bekommt man freitags und samstags ganztägig in der Nähe des Kongresszentrums, das sich am äußersten nordöstlichen Stadtrand, acht Kilometer von der Stadtmitte, befindet und mit Taxi am besten oder auch mit Leihfahrrad erreichbar ist. Es fahren auch Busse, etwa die Linie 27, was aber etwas dauert. Wer die Pastaparty mitnehmen will, sollte nicht am Freitag, sondern Samstag die Expo besuchen, damit man nicht zweimal kommen muss.

Nach fünf Kilometern queren die Läufer den Fluss und ... ... bekommen den Torre del oro und die alles überragende Kathedrale in den Blick

Zum Start am Olympiastadion ist es kaum weniger weit, aber hinzukommen schwieriger. Öffentliche Busse fahren nicht direkt dorthin, die Bahnen fahren am Sonntag so früh noch nicht. Taxis, die nicht vorbestellt werden können, sind morgens vor sieben Uhr Glücksache. Die günstigste Lösung scheint noch die Fahrt mit einem der Shuttlebusse zu sein, die von drei ausgewählten Punkten in der Stadt in die Nähe des Olympiastadions fahren und später auch zurück. Ein ordentlicher Fußmarsch von der Unterkunft zum Shuttlebus kann hinzukommen. Einheimische fahren mit dem Auto oder lassen sich bringen, größere Gruppen aus anderen Städten chartern zuweilen einen eigenen Bus und lassen sich am Hotel abholen.

Früher startete der Marathon um 9:30 Uhr. Inzwischen hat man ihn auf 8:30 Uhr vorverlegt, was für die spätaufstehenden Bewohner - egal ob Zuschauer oder Sportler - eine Unzeit ist. Die Kleiderbeutelabgabe im Stadion wird um acht Uhr geschlossen, weshalb eine frühe Anreise mit Nachdruck zu empfehlen ist. Von dort ist noch ein 10minütiger Fußweg bis zur Startlinie zurückzulegen.

Die Kilometer fünf bis zehn verlaufen in nördlicher Richtung in Ufernähe bevor ... ... die erste Zeitmessmatte zu überlaufen ist und Verpflegungsstände warten

Der Sevilla Marathon bietet nur die Königsstrecke, aber keine Unterdistanzen oder Staffelrennen an. Einzig ein paar kurze Schülerläufe finden am Vortag während der Startnummernausgabe am Kongresszentrum statt. Für Rollstuhlfahrer und Handbiker wird gleichfalls die Marathonstrecke angeboten. Diese werden einige Minuten früher auf die Piste geschickt.

Statistik: Frauenanteil und Rekorde

Der Sevilla Marathon war in den letzten Jahren gedeckelt. 2016 wurden maximal 13.000 Anmeldungen akzeptiert, davor 11.000 oder noch weniger. Der Lauf war zuletzt immer schon Wochen vor dem Start ausgebucht. 2017 hatte man die Obergrenze zwar um 1.000 Läufer erweitert, aber schon Ende Dezember hieß es: nichts geht mehr. Von den knapp 14.000 Angemeldeten gingen wohl nur rund 11.000 tatsächlich an den Start und kamen genau 10.119 in die Wertung, darunter nur sehr wenige Frauen, nämlich 1177, was einem Anteil von 11,5 Prozent entspricht. Immerhin ist auch dies ein Spitzenwert, denn bisher lag die Quote immer unter 10 Prozent. Die deutlich größte ausländische Fraktion stellte Ländernachbar Portugal mit 738 Läufern, gefolgt von Frankreich (418) und Großbritannien (403). Hinter Italien (379) nahm Deutschland mit 107 Anmeldungen Rang fünf ein.

Läufer bei km 17 am Kreuzungspunkt Calle Luis de Morales und Calle Luis Montoto, wo sie weit schnelleren Läufern (fast) begegnen, die schon 27 km abgespult haben. Der einzige (Beinahe)-Berührungspunkt

Unter den Finishern war - und das ist mehr als eine Randnotiz - auch ein ganz besonderer Läufer, der 58jährige Brite Steve Smythe. Der hatte 1976 mit achtzehn Jahren seinen ersten Marathon in Harlow in England in 2:54h gelaufen und in späteren Jahren eine Zeit von unter drei Stunden dutzendfach wiederholt. Jetzt, vierzig Jahre und 119 Tage nach seinem Debüt, gelang ihm in Sevilla in 2:56h diese Leistung erneut: Weltrekord. Er ist damit der Läufer mit der zeitlich größten Spanne, die zwischen seinem ersten und letzten Sub-3h-Lauf liegt, wie in einer akribisch geführten Liste (www.arrs.net/TR_SSpan.htm) im Netz nachzulesen ist. In dieser vielleicht etwas unbekannten Darstellung werden auch andere Sub-Zeiten geführt, die von Weltklasseresultaten (2:10h) bis sechs Stunden reichen. Dort gelistet sind auch deutsche Läufer, etwa Stephan Freigang, Birgit Lennartz oder Katrin Dörre.

Musik gibt es natürlich auch. Ein DJ spielt für die Läuferschar auf Rund 28 km sind hier absolviert Aus der Vogelperspektive lässt sich am besten feststellen, wie dicht die Läufer- und Zuschauermassen zuweilen waren

Die Strecke

Knapp drei Stunden vor seinem Zieleinlauf hatte Smythe zusammen mit über 11.000 Mitstreitern noch an der Startlinie gestanden, war wohl froh, dass sich der zuvor niedergehende Nieselregen verflüchtigt hatte und dürfte von den ersten fünf Kilometern durch den westlichen Stadtteil Triana kaum Notiz genommen haben, denn zu Beginn ist die Marathonstrecke eher unspektakulär und führt überwiegend durch Häuserschluchten. Dann zweigt die Strecke nach links von der Insel ab und führt mit Blick auf die Altstadt und den Torre del Oro über den Guadalquivir. In Ufernähe führt die Stecke dann zum nördlichsten Punkt und über mehrere Schleifen zum Hauptbahnhof Santa Justa. Da ist km 15 schon passiert. Es folgt der Kreuzungspunkt Calle Luis de Morales und Calle Luis Montoto, ein Zuschauersammelpunkt, wo sich die schnelleren und langsameren Läufer, die 17 bzw. 27 km gelaufen sind, fast begegnen. Dazwischen liegt der Halbmarathonpunkt. Am Fußballstadion Benito Villamarin ist der südlichste Punkt erreicht (km 32). Die Läufer werden zurück zum Zentrum geführt, laufen durch den schönen Park Maria Luisa, umkreisen die eindrucksvolle Plaza Espana, kommen auf den Prachtboulevard Avenida la Constitución, begeben sich in die engere Altstadt und erreichen den Herkulesplatz. Von dort bis zum Ziel sind es dann nur noch drei Kilometer.

Das Rennen

Der Sevilla Marathon rühmt sich, im Verhältnis zur Teilnehmerzahl besonders viele Läufer mit Zeiten unter 2:45h bis unter 3h zu haben. Das lässt sich beim Durchblättern der Ergebnislisten nachvollziehen, fällt aber auch schon beim Lauf selber auf, wo in diesen Bereichen hohes Gedränge herrscht.

Nach zwei Dritteln der Strecke führen die beiden Äthiopierinnen Bekelech Diba Bedada (vorne) und Tizita Terecha Dida das Frauenfeld an. Bedada wird Dritte, Dida gibt auf Zum gleichen Zeitpunkt knapp zwei Minuten hinter den Äthiopierinnen: die spanische Siegerin Paula Gonzalez Berodia (rechts) und die Kenianerin Pauline Wangui Ngigi, die 2. wird Ein herausragendes Marathondebüt gelang der Britin Lily Partridge mit Rang Vier

Besonders gefreut haben sich die Zuschauer und Organisatoren darüber, dass eine Spanierin den Titel holte und dabei eine taktische Meisterleistung ablieferte. Paula Gonzalez Berodia war verhalten angelaufen und lag zwischenzeitlich nur auf Rang sechs, dann lange an dritter und vierter Position. Vorne machten die Äthiopierinnen Bekelech Diba Bedada und Tizita Terecha Dida die Pace. Während Diba auch in der zweiten Rennhälfte zunächst noch stark blieb, fiel ihre Landsfrau zurück und schied aus. Berodia hatte ihr Rennen sehr gut eingeteilt, holte Platz um Platz auf und setzte sich noch vor km 40 an die Spitze. Sie siegte mit der von einer spanischen Frau lange nicht erreichten Zeit von 2:28:52h und verbesserte ihren Hausrekord deutlich. In ihrem Sog kam die Kenianerin Pauline Wangui Ngigi, mit der sie die Aufholaktion begonnen hatte, auf Rang zwei (2:30:49h), während Diba nur die Bronzemedaille (2:31:47h) blieb. Ein erstaunliches Debüt lieferte die mutige Britin Lily Partridge ab, die sich in 2:32:10h Rang vier sicherte. Unter die ersten Zehn lief auch die Schwedin Cecilia Norrbom (Rang 9 in 2:44:44h).

Die männliche Führungsgruppe, etwa nach zwei Dritteln der Strecke, bestehend aus einigen Pacemakern sowie Sieger Erik Titus (orange), dem 3., Kipkemboi Kipsang (rechts daneben), dem 4., Douglas Kipsanai Chebii (grün) und dem 2. Tariku Kebede Kinfu (verdeckt) Als bester Nichtafrikaner kam Andres Zamora aus Uruguay auf den neunten Platz Der Sevilla Marathon ist in der erweiterten Spitze (hier eine Häufung um den Pacemaker für 2:45h) und vorderen Mitte (Endzeit unter 3h) besonders stark besetzt, dies gilt auch im europäischen Vergleich mit anderen Spitzenmarathons

Herausragend gestaltete sich das Männerrennen, das auf den ersten vierzehn Plätzen zwölf Afrikaner und mit Andres Zamora aus Uruguay auf Rang 9 (2:16:22h) und dem Mexikaner Roberto Saavedra de Leon auf Rang 14 (2:22:37h) einen Süd- und einen Mittelamerikaner sah. Erst auf Position 15 folgte der erste Europäer, aber kein Spanier, sondern der Schweizer Patrik Wägeli (2:22:39h).

Dem Rennen seinen Stempel drückte der Kenianer Erik Titus auf. Er hielt sich locker in einer vielköpfigen Spitzengruppe auf und sah noch recht entspannt aus, als es zu Beginn der zweiten Rennhälfte zeitweilig deutlich schneller wurde. Als die Führungsriege auf drei Läufer geschrumpft war, gelang Titus die entscheidende Attacke, zumindest gegenüber seinem Landsmann Kipkemboi Kipsang (3. in 2:08:26h). Der andere, Tariku Kebede Kinfu aus Äthiopien, blieb auf Tuchfühlung und war auf den letzten zwei Kilometern sogar schneller. Titus allerdings ließ sich nicht mehr die Butter vom Brot nehmen und siegte in Streckenrekordzeit und mit deutlich verbessertem Hausrekord in 2:07:43h. Der Äthiopier folgte nur fünf Sekunden später und blieb ebenfalls noch unter dem alten Streckenrekord.

Nach km 32 geht es zum südlichsten Punkt der Strecke Bei km 36 wird die beeindruckende Plaza de Espana erreicht und einmal umlaufen. Eine Hauptattraktion der Stadt
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Zum Schluss

Bei moderaten Startgeldern ist das Leistungsspektrum beim Sevilla Marathon enorm. Inkludiert ist neben dem üblichen Versorgungspaket an der Strecke und nach dem Zieleinlauf, dem Geschenkbeutel und der obligatorischen Medaille auch eine Laufwindjacke eines Markenherstellers. Kostenfrei ist zwar auch die Pastaparty, doch bieten sich in der Altstadt von Sevilla gastronomisch ganz andere Möglichkeiten. Das ganze Zentrum ist ein kulinarischer Tempel mit unzähligen Bars, Bodegas, Kneipen, Cafés und Gaststätten. Hier kann man sich nach einem schönen Bummel durch die Altstadt hervorragend verköstigen lassen und nimmt am Leben der Sevillanos und Sevillanas regen Anteil, das sich überwiegend auf der Straße abspielt, sogar im eigentlich kühlen Februar. Es wäre gar kein Zufall, wenn man dann mit dem ein oder anderen Einheimischen in Kontakt käme, denn diese gelten als lebenslustig, entspannt, gesellig und kontaktfreudig.

Mit ihrem Marathon können sie sich auch zunehmend mehr identifizieren, wie ein Stammgast erzählte. Früher habe es jedenfalls bei Weitem nicht so viele Zuschauer an der Strecke gegeben wie heute. Auch darin - so scheint's - ist der Sevilla Marathon im Aufwind.

Bericht und Fotos von Michael Schardt

Informationen und Ergebnisse www.zurichmaratonsevilla.es

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