11.5.14 - 20. Internationaler Prag MarathonZum Jubiläum erneut Rekordteilnahme Äthiopierin Firehiwot Dado überzeugt - Doppelsieg für Kenia bei den Männern |
von Michael Schardt
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Der ausgesuchte Star des Prager Jubiläumsmarathons sollte der Kenianer Moses Cheruiyot Mosop werden. Das hatte sich jedenfalls das Organisationsteam des Internationalen Prag Marathons (PIM) unter der Leitung von Renndirektor Carlo Capalbo gedacht, als man den Starläufer engagierte. Denn Mosop rangiert mit einer Bestzeit von 2:05:03 h, aufgestellt in Rotterdam 2012, immerhin auf Rang 27 der ewigen Bestenliste. Beim nicht regelkonformen Rennen in Boston war er bei starkem Rückenwind 2011 sogar 2:03:06 h gelaufen. Außerdem konnte er sich in die Siegerliste beim Chicago Marathon eintragen.
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Doch weit im Vorfeld des Marathons in Prag hatte ihn eine Verletzung ereilt, so dass er nur mit argem Trainingsrückstand antreten konnte. Mosop verlor schon sehr bald den Anschluss zu der Führungsgruppe der Männer und musste sein Rennen alleine bestreiten. Achtbar ist, dass er nicht wie viele andere in einer solchen Situation aus dem Rennen ausstieg, sondern durchlief. Seine Zeit von 2:20:37 h, mit der er auf Rang 12 landete, hat dabei höchstens statistischen Wert. Er war damit der letzte von zwölf Schwarzafrikanern an der Spitze, bevor mit dem neuen tschechischen Marathonmeister Petr Pechek in 2:21:41 h der erste Europäer ins Ziel kam.
Schon 2011 hatte LaufReport-Kollege Axel Künkeler in seinem Bericht über den damaligen Prag Marathon an gleicher Stelle geschrieben, dass die Veranstaltung mit dem damaligen Finisherrekord von 5277 Läufern an seine Kapazitätsgrenze gestoßen sei, wenn nicht sogar darüber hinaus. Zu eng seien die Zugangswege zu den Startsektoren am berühmten Altstädter Ring, zu dicht sei das Gedränge in der Anfangsphase des Rennens. Doch wuchs das Rennen in beiden Folgejahren weiter. Zu beliebt ist offenbar die tschechische Hauptstadt vor allem bei ausländischen Startern, die fast die Hälfte aller Teilnehmer ausmachen. Möglich wurde eine weitere Expansion nur deshalb, weil der Veranstalter weitere logistische Verbesserungen schuf.
Zum zwanzigsten Jubiläum - wen wundert es? - war der Ansturm noch größer als zuvor. Doch gab es eine Teilnehmerobergrenze, die schon Wochen vor dem Start erreicht war. Rund zehntausend Läufer wollten mitmachen, darunter auch hunderte von Staffeln. Am Ende überraschte der neue Finisherrekord niemanden. Insgesamt kamen 6038 Läufer und Läuferinnen ins Ziel, darunter 1075 Frauen, was einem Anteil von 17,8 Prozent entspricht. Damit dürfte Prag im europäischen Ranking einige Plätze in Richtung top-twenty gutmachen. Zählt man die Rahmenwettbewerbe hinzu, vor allem der gut frequentierte Funlauf über drei Kilometer, dann addiert sich die Gesamtteilnehmerzahl auf mehr als 10.000 Sportler.
Prag gehört zu den schönsten Städten Europas. Nicht ohne Grund wird sie auch die goldene Stadt genannt. Ihre Sehenswürdigkeiten von Weltrang sind nahezu unerschöpflich. Auf der Kleinseite überragt eine der größten geschlossenen Burganlagen der Welt, der Hradschin, die Szenerie, die heute Sitz des Staatspräsidenten ist. In seiner Mitte erhebt sich der weithin sichtbare St.-Veits-Dom, beides erreichbar über enge Gassen und steile Treppen. Wer noch höher hinaus will, klettert den "Berg der Verliebten" hinauf. Der Blick von oben offenbart die ganze Schönheit Prags am besten. Auf der Kleinseite, direkt an der Moldau, findet auch der Literaturliebhaber sein Heiligtum: das Museum des deutsch-jüdischen Dichters Franz Kafka, der mit seinen rätselhaften Romanen und paradoxen Erzählungen unsere Sicht auf das anonyme menschliche Individuum und die moderne Zivilisation im zwanzigsten Jahrhundert entscheidend prägte.
Auch die Marathonläufer werden mehrmals auf die Kleinseite Prags geführt und kommen dabei auch über die weltberühmte Karlsbrücke, allerdings nicht von der gegenüberliegenden Altstadt aus, den die Touristen normalerweise erstmals wählen.
Was die Champs Elysees für Paris oder der Kudamm für Berlin ist, ist der Wenzelsplatz für Prag, ein Prachtboulevard, an dessen Kopfende leicht erhöht ein Denkmal des Namensgebers, des hl. Wenzel, steht und das Nationalmuseum thront. Weiter unten werden zur Marathonzeit die Versorgungszelte und die Depots für die Kleiderbeutel aufgestellt. Wer am Nationalmuseum vorbei noch etwas weiter den Berg hinauf geht, kommt zum Stadtteil Vinohrady, wo in scheinbar endlosen Reihen edle Bürgerhäuser aus vergangenen Zeiten zu bewundern sind.
Das eigentliche "Wohnzimmer" Prags ist aber der Altstädter Ring, der fußläufig in fünf Minuten vom Wenzelsplatz aus erreichbar ist. Hier steht das Altstädter Rathaus mit der astronomischen Uhr, die Teynkirche und das bronzene Denkmal des Reformators und Nationalhelden Jan Hus. Hinzu kommt ein beeindruckendes Ensemble von reich verzierten Bürgerhäusern und palastähnlichen Gebäuden, die den Platz zu einem der schönsten in ganz Europa machen und der die bestmögliche Kulisse für den Marathonstart und Zieleinlauf bietet. Da der Prag Marathon schon seit Jahren alle Bedingungen der AIMS erfüllt, wurde das Rennen mit dem Label in Gold, der höchsten Auszeichnung, dekoriert. Auch 2014 wurde der Marathon in der goldenen Stadt diesen Ansprüchen gerecht.
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In der komplett gesperrten Altstadt wird es beim Marathonstart
mit über 6000 Einzelläufern und 573 Staffeln eng |
Dem Marathon voraus eilt ein Führungsfahrrad der besonderen Art |
Ab Donnerstag ist die Marathonmesse geöffnet, wo auch die Pastaparty stattfindet. Auch das hat etwas Historisches, denn das Ausstellungsgelände im Stadtteil Holesovice stammt aus dem späten 19. Jahrhundert und ist im neobarocken Stil erbaut. Hier findet eine auch im Vergleich zu anderen Marathonmessen gigantische und gut frequentierte Expo statt, die mit zahlreichen Infoveranstaltungen und Pressegesprächen begleitet wird und die Besucher intensiver in das Veranstaltungsgeschehen einbindet, als man es von anderswo her kennt. Ein wenig bizarr mag es erscheinen, dass vor der Halle neben den Kinderläufen am Samstag auch ein gemeinsames "Rennen" für Herr und Hund stattfindet, wobei der Vierbeiner angeleint sein muss und die Startnummer um den Bauch gebunden bekommt, während sein zweibeiniger Begleiter keine Insignien einer Teilnahme trägt.
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Bei km 12 ist die Führungsgruppe der Männer noch dicht beisammen. Rechts ist der spätere Sieger Patrick Kipyegon Terer aus Kenia zu erkennen | Auch der 2. ist ein Kenianer: Evans Kiplagat Chebet |
Am Marathontag gelangen die Läufer nach der Kleiderabgabe am Wenzelsplatz über vorbestimmte Korridore zu ihrem Startplatz, die mit Buchstaben bis weit in hintere Alphabetregionen gekennzeichnet sind. Vorne, am Altstädter Ring, steht die Elite. Das Feld reiht sich dahinter tief in die engen Altstadtgassen ein. Trotz der Dichte wird auf einen sukzessiven Start verzichtet. Bis die hinteren Reihen allerdings über die Startlinie kommen, kann es 15 bis 20 Minuten dauern. Schon nach drei Kilometern und zwei Brückenquerungen kommt das Feld wieder in die Altstadt, um erst dann eine größere Runde rechts- und linksseitig der Moldau zu absolvieren. Nach 13 km sieht man die Altstadt erneut. Des Weiteren kennzeichnen Wege an der Moldau und viele Gegenlaufpassagen die Strecke. Wer hier startet, sollte wissen, dass er häufig über Kopfsteinpflaster laufen muss und auch einige Höhenmeter zu bewältigen hat. Von 140 Höhenmetern war die Rede. Dennoch kann die Strecke als recht schnell bezeichnet werden.
Im Grunde hatten die Prager Glück mit dem Wetter, zumindest wenn man es mit dem anderer Orte -etwa in Deutschland - vergleicht. Morgens zeigte das Thermometer etwa 13 Grad an, am frühen Nachmittag 18. Ganz regenfrei lief der Prag Marathon zwar nicht ab, aber meistenteils blieb es trocken. Lediglich nach knapp zwei Stunden setzte ein leichter Nieselregen ein, den auch noch die schnellsten Läufer mitbekamen. Doch das war nach weniger als zehn Minuten wieder vorbei. Nachhaltiger auf das Renngeschehen als das Nass von oben wirkte ein teils kräftiger Wind, der insbesondere zwischen km 28 und 42 kräftig von vorne kam.
Leichter Regen und kräftiger Wind dürften allerdings kaum dafür verantwortlich gemacht werden, dass erhoffte Streckenrekorde nicht zustandekamen. Das gilt zumindest für das Männerrennen. Denn der einzige, der von seinen Vorleistungen das Potential dafür gehabt hätte, die stehende Bestleistung von Eliud Kiptanui (2:05:39 h, 2010) zu toppen, wäre Moses Mosop gewesen. Doch warum es bei dem nicht klappte, wurde schon eingangs erwähnt.
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Lange lief dieses Trio zusammen (v.l.) Vit Pavlista (14.), Jiri Homolac (15.) und Jan Kreisinger, der später zurückfiel und 18. wurde | Diese Läufer hoffen auf eine Zeit von unter dreieinhalb Stunden |
Die Gerade vor dem Altstädter Ring, also vor dem Zieleinlauf, ist leicht abschüssig. Wer bei km 42.0 stand oder sogar am Rand der Cechuv-Brücke, der konnte den Endkampf um Platz eins und zwei der Männer bestens von hinten verfolgen. Zunächst stürmte der Kenianer Patrick Terer, 23 Jahre, auf die Geraden in der Parizska Straße ein, kurz später folgte sein Landsmann Evants Chebet. Freilich war das da kein Herzschlagfinale, aber ohne seine letzten Kräfte zu mobilisieren, würde Terer hier nicht gewinnen können. Beide hatten sich kurz vor Kilometer dreißig aus einer mehrköpfigen Spitzengruppe gelöst und ihr Glück als Duo versucht. Erst auf den letzten beiden Kilometern suchte Terer die Entscheidung. Er siegte schließlich in einer neuen persönlichen Bestzeit von 2:08:07 h, zehn Sekunden vor Chebet (2:08:17 h). Einigermaßen überraschend eroberte Cuthbert Nyasango aus Simbabwe in 2:09:52 h den dritten Platz. Es war ebenfalls neue persönliche Bestzeit und Landesrekord. Auf Rang vier und fünf landeten mit Nicholas Manza und Hillary Yego zwei weitere Kenianer.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden auch die Tschechischen Staatsmeisterschaften ausgetragen. Hier sprach vieles für Jiri Homolac, der schon einige Platzierungen bei den zur RunCzech-Serie gehörenden Halbmarathonläufen erreicht hatte. Doch in einer knappen Entscheidung hatte aus einem Quartett Petr Pechek das bessere Ende für sich, der in 2:21:41 h 13. der Gesamtwertung und neuer Landesmeister wurde. Gleichzeitig war er bester Europäer. Er hatte sich gegen Vit Pavlista (acht Sekunden zurück) und Homolac (31 Sekunden zurück) durchsetzen können. Dieses Trio lag genau zwischen den 12 besten Schwarzafrikanern und der ersten Frau, Firehiwot Dado. Bester Deutscher wurde auf Gesamtrang 86. Dominik Engelshoven vom LSV Basel in 2:51:20 h (netto).
Wenn man sich die Einlaufliste der Frauen anschaut, dann erscheint die äthiopische Dominanz fast übermächtig. Die ersten sechs Plätze gingen an die Ostafrikanerinnen, dazu noch eine weitere Top-ten-Platzierung.
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Siegerin Firehiwot Dado mit Pacemaker Amare Wellay. Die ersten sechs Frauen waren allesamt Äthiopierinnen | Die letzten 500 Meter wurden separat angezeigt |
Unangefochtene Siegerin wurde Firehiwot Dado, die von ihrem persönlichen Pacemaker Wellay Amare geführt wurde. Auf dem Plan hatte mindestens eine neue Bestzeit gestanden, die bisher bei 2:23:15 h lag, eigentlich aber ein neuer Streckenrekord, der von Lydia Cheromei 2011 auf 2:22:34 h geschraubt worden war. Doch aus beidem wurde nichts, da die erste Hälfte von Wellay zu vorsichtig angegangen wurde. Dennoch fiel der Sieg der 30jährigen in 2:23:34 h mehr als deutlich aus. Erst knapp vier Minuten später kam Fantu Eticha (2:27:31 h) ins Ziel, die sich noch vor die zwischenzeitlich auf Rang 2 liegende Ashete Bekere (2:28:04 h) schieben konnte. Nur das Spitzentrio blieb unter zweieinhalb Stunden.
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Fantu Eticha wird 2. | Ashete Bekere holt sich den 3. Rang | Mit Platz 4 zufrieden: Tsehay Desalegn |
Flotteste Nichtäthiopierin und schnellste Europäerin wurde als Einlaufsiebte Yuliya Ruban aus der Ukraine in 2:34:52 h. Der Titel der Tschechische Meisterin erlief Katerina Kriegelova in 2:51:07 h vor Petra Kaminkowa (2:53:51 h) und Daniela Havrankova (2:58:43 h). Das waren die Plätze 11, 13 und 14. Schnellste Deutsche wurde Heidi Küppers von der TG Viktoria Augsburg, die 35. wurde. In der neuen persönlichen Bestzeit von beachtlichen 3:22:08 h (netto) gewann sie die Altersklasse W60.
Der Prag Marathon hat sein zwanzigstes Jubiläum bestens gestaltet. Die Organisation war wie immer vorbildlich, die Versorgung hervorragend. Auch die Animation an der Strecke war gut. Viele Zuschauer fanden sich an verschiedenen Stellen immer wieder ein, besonders natürlich in der Altstadt. Einsame Passagen gab es zwar auch, die waren aber eher kurz. Der Parcours ist sehr zuschauerfreundlich. Wer seine Schützlinge mehrfach sehen will, braucht nur einige Meter hierhin, dorthin oder über eine der Brücken zu gehen.
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2015 geht es also in eine neue Dekade. Größer kann der Marathon eigentlich nicht werden, bleibt er am Altstädter Ring. Das heißt im Umkehrschluss: die Teilnehmerobergrenze wird schneller erreicht werden als dieses Jahr. Man wird sich sputen müssen, will man dabei sein. Für das Rennen selbst ist zumindest für den Hobbyläufer und Marathontourist zu empfehlen, nur bei der Meldung, nicht aber auf der Strecke flott zu sein, denn die Stadt ist viel zu schön, um sie im Eiltempo zu durchqueren. Ein entspannter Einlauf vor der herrlichen Kulisse am Altstädter Ring wird vielfach für die entgangene neue persönliche Bestzeit entschädigen. Und die schwere Finishermedaille sowieso.
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Bericht von Michael Schardt - Fotos von Reinhard Jacobs Ergebnisse Info & Ergebnisse www.runczech.com/de Zurück zu REISEN + LAUFEN aktuell im LaufReport HIER |
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Reinhard Jacobs
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