9.6. bis 16.6.18 - 17. EWE-NordseelaufBestes Laufwetter während der achttägigen TourMaritime Atmosphäre und große Begeisterung Ute Pfeiffer und Martin Schumann die komplette Woche in Gelb |
von Michael Schardt |
Die Sieger des siebzehnten EWE-Nordseelaufs mit sieben Etappen an sieben Tagen heißen Martin Schumann (LAZ Ludwigsburg) und Ute Pfeiffer (SV Auingen). Beide hatten das gelbe Trikot des/der Führenden bereits nach der ersten Etappe in Greetsiel (10,8km) übernommen und es über den gesamten Zeitraum der Serie behalten.
Schumann hatte die erste Etappe vor dem Tagesläufer Carsten Niederberger (EWE) auch gewonnen, während Pfeiffer beim Auftaktrennen zwar schnellste Läuferin war, die für die Gesamttour gemeldet hatte, sich aber hinter den beiden Tagesläuferinnen Nina Wessalowski (LSF Oldenburg, 2. Platz) und der vorjährigen Gesamtsiegerin Martina Dannheimer (o.V., 1. Platz) mit Rang drei zufriedengeben musste.
Im Laufe der Tour sollte Ute Pfeiffer die beständigste Läuferin bleiben, auch wenn sie "nur" zwei Etappen für sich entscheiden konnte; Martin Schumann hingegen hatte fünf Mal die Nase vorn und musste sich nur am fünften Tag im Watt gegen den Tour-Zweiten Markus Steffen und am zweiten Tag Nils Rebscher geschlagen geben.
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Im Vergleich zu früheren Serien war die diesjährige Tour in der Spitze der ersten zehn Läufer und Läuferinnen sportlich vielleicht nicht ganz so hochkarätig besetzt wie üblich. Insbesondere der Sieg bei den Frauen war diesmal leichter zu erreichen. Der Trend bei der Tour geht immer mehr in Richtung Breitensport und hin zu einem höheren Durchschnittsalter. Die Klientel setzt sich zu einem großen Teil aus Hobby- und Gesundheitsläufern zusammen, die in der Mehrzahl der Altersklasse 45plus angehören. Das größte Kontingent mit dreißig Tourläufern stellte bei den Männern die Gruppe M60 (vor Jahren noch M45); bei den Frauen mit 24 Läuferinnen die Klasse W50 (vor Jahren noch W40).
Der Hauptanziehungspunkt für Läufer aus Süddeutschland oder aus entfernten Metropolen ist die Nordsee und das Weltnaturerbe Wattenmeer, sind die Küstenlandschaften und die Ostfriesischen Inseln. Das lässt sich aus den Gesprächen der Teilnehmer beim Frühstück oder bei den gemeinsamen Bus- und Fährfahrten entnehmen. Wo habe man schon die Möglichkeit, in einem Rutsch so viele verschiedene Orte an der Nordsee kennenzulernen, wie eben beim Nordseelauf, sagte eine Läuferin aus Berlin. Für sie sei es die erste Teilnahme, sie habe sich aber ganz bewusst für diese Serie entschieden, um Laufen und Urlaub in einer ihr bisher unbekannten Region zu verbinden.
Das Watt, das Meer, die Küste, Schiffe, überhaupt alles Maritime reize sie, dazu die gute, würzige Luft, das herbe, etwas rauere Klima im Nordwesten Deutschlands. Ähnlich argumentieren auch die vielen Läufer aus Bayern, Baden-Württemberg, der Schweiz oder Österreich.
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Der Infoabend am Vortag der ersten Etappe war wie immer gut besucht | Vor jeder Etappe gab es Massenaufläufe beim angeleiteten Aufwärmen |
Auch Toursieger Martin Schumann aus Ludwigsburg hatte sich für seinen ersten Etappenlauf ganz bewusst zur Teilnahme beim EWE-Nordseelauf entschieden und gleich einen Familienurlaub daraus gemacht. Er war mit Frau und seinen zwei kleinen Kindern angereist sowie mit Oma und Opa. Nur für die kurze Zeit der Läufe und Siegerehrungen musste die Familie auf den Papa verzichten, ansonsten wurde die Zeit am Strand oder im Schwimmbad gemeinsam verbracht. Auch sein härtester Widersacher bei der Tour, Markus Steffen, war mit Familie angereist, fand es zuweilen aber etwas anstrengend, Laufen und Urlaub zusammenzubringen, weil das Kind noch so klein sei.
Dass so viele Läuferinnen und Läufer mit Angehörigen anreisen wie bei keiner anderen Laufveranstaltung hierzulande, dürfte ganz im Sinne der Nordsee GmbH sein, eine Werbegemeinschaft, die als Veranstalter auftritt. Für die touristische Organisation der Tour zeichnet die Erlebnis Bremerhaven GmbH verantwortlich, sprich: sie besorgt die Unterkünfte, bucht die Bus- und Fährtransfers, koordiniert die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Helfergruppen vor Ort und tritt als Reiseleitung auf. Nicht zuletzt soll mit dem Etappenlauf die Nordsee als Urlaubsregion außerhalb der Hochsaison aufgewertet, bekannter und attraktiver gemacht werden. Der Termin für die Serie liegt regelmäßig im frühen Juni und damit außerhalb der großen Schulferien.
Ein wichtiger Kooperationspartner der Organisatoren ist seit jeher die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover mit ihrer Sektion "Kirche im Tourismus - Region Nord". Regelmäßig und auf jeder Etappe begleitete bis zu seinem Ruhestand 2016 Pastor Hartmut Schneider den Tross der Läufer und sorgte mit seinen "Zeitansagen" für deren moralisch-geistlichen Beistand - manchmal lief er sogar eine der Etappen mit.
Mit seinen nachdenklichen Ansprachen, die auf den Schiffen oder vor den Siegerehrungen gehalten wurden, gelang es ihm immer wieder, über das Thema "Laufen" allgemeinmenschliche und gesellschaftliche Aspekte auszuloten, auf Probleme aufmerksam zu machen oder humanitäre Gedanken den Sportlern näherzubringen. Von ihm stammt auch das Motto des Nordseelaufs - "Mach nicht halt - lauf gegen Gewalt!" -, mit dem ein aktives Zeichen für einen respektvollen, fairen und gewaltfreien Umgang miteinander und für mehr Mitmenschlichkeit gesetzt wird. Die Nachfolgerin des charismatischen "Laufpredigers" hat ab 2017 Pastorin Antje Wachtmann übernommen, die bei der diesjährigen Tour das Thema "Wasser" in den Mittelpunkt ihrer Zeitansagen stellte.
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Die Greetsieletappe führte von der Gemeinde vor dem Deich zum Pilsumer Leuchtturm und auf dem Deich zurück |
Die Läufer nehmen sich gerne ein paar Minuten Zeit für die Ansprachen, stellen sie doch im ganzen Trubel der Veranstaltung willkommene Momente der Ruhe und Besinnlichkeit dar. Auch das Angebot, bei den Kirchengemeinden der Etappenorte als Gast dabei zu sein, eine Messe zu feiern, nehmen viele Läufer gerne an.
Für die Durchführung der Veranstaltung war von Anfang an die Bochumer Agentur Iventos verantwortlich. Zeitmessung, Streckenführung, Beschilderung, Moderation und Siegerehrung lag und liegt in ihren bewährten Händen. Für die Läufer und Walker stehen bei der Tour sieben Rennen zwischen knapp acht und elf Kilometer auf dem Programm. Um dies bewältigen zu können, bedarf es nicht nur einer soliden Fitness, sondern auch großer Energie und festem Durchhaltewillen. Dies bringt die Klientel, die überwiegend aus Hobbyläufern besteht, mehrheitlich mit. Mehr noch: sie lieben diese sportliche Herausforderung, genießen die maritime Atmosphäre und das freundliche Miteinander der Läufer, Zuschauer und Organisatoren. Dieses Miteinander geht weit über das gemeinsame Laufen hinaus, meint eigentlich die komplett gemeinschaftlich verbrachten zehn Tage, denn man frühstückt zusammen, sitzt im Bus und auf der Fähre beieinander und verbringt die Stunden auf den Inseln und auf dem Festland - jeweils vor und nach den Läufen - zusammen.
Kein Wunder also, dass es viele Wiederholungstäter gibt, die diese Woche in ihrem Kalender ein ums andere Jahr blockieren und gerne immer wiederkommen: fünf Mal, zehn Mal, oder gar siebzehn Mal wie Hans Pottgether aus Oldenburg-Ofenerdiek, der noch jedes Jahr dabei war und deshalb die Startnummer "1" trägt. Eine Teilnahme bei diesem Etappenlauf ist wohl die beste Art, die Nordseeküste und die ostfriesischen Inseln auf sportliche Weise kennenzulernen, denn alle jährlichen Läufe finden an unterschiedlichen Orten statt und wechseln auch von Jahr zu Jahr immer einige der Standorte. Besonders beliebt bei den Teilnehmern sind die sogenannten "Inseljahre", wenn innerhalb von acht Tagen auf allen sieben ostfriesischen Nordseeinseln (Baltrum, Juist, Norderney, Wangerooge, Langeoog, Spiekeroog, Borkum) und manchmal zusätzlich noch von der Insel Neuwerk durchs Watt über zwölf Kilometer nach Cuxhaven gelaufen wird.
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2. Etappe Borkum: Bei der zweiten Etappe auf Borkum spielt sich fast alles auf der Uferpromenade ab, auch das Warmlaufen | Start auf Borkum mit Zuschaueraufkommen auf zwei Ebenen |
Das findet nur alle vier, fünf Jahre statt und wird das nächste Mal 2020 der Fall sein. Dann heißt es für die Interessenten, im Vorfeld flott zu sein, denn die Plätze sind aufgrund der begrenzten Unterbringungsmöglichkeiten limitiert, vor allem die Angebote für das "Rundum-Sorglos-Paket" (acht Tage) und das Paket "Happy Weekend" (drei Tage). Bei der letzten Insel-Tour 2016 war der Lauf schon vor Weihnachten komplett ausgebucht und sogar die Teilnahme bei einzelnen Etappen, für die man in der Regel noch bis eine Stunde vor dem Start nachmelden kann, nicht mehr möglich.
Im Laufe der nun bereits siebzehnjährigen Tradition hat die Veranstaltung einige Veränderungen erlebt. Beispielsweise wurden die Distanzen, die lange Jahre bis zu 15 Kilometern lang sein konnten, tendenziell verringert. Dass zwei Etappen an einem Tag gelaufen wurden, eine vor-, die andere nachmittags, gehört ebenso der Vergangenheit an. Eine andere Änderung war ab 2012 die Streichung der bis dahin durchgeführten achten Etappe, weshalb sich die Gesamtkilometerzahl von über achtzig auf nunmehr knapp siebzig reduziert hat.
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Bei der längsten Etappe der Tour (10,9km) auf Borkum wurden die Läufer über eine abwechslungsreiche Strecken geführt mit Sanddünen, Salzwiesen und Waldstücken |
Viele Breitensportteilnehmer freuten sich darüber als Möglichkeit, die gewonnene Freizeit zu Regenerationszwecken zu nutzen oder auch, um mit der mitgereisten Familie etwas unternehmen zu können. Andere, ambitionierte Läufer, konnten teilweise mit der Pause weniger anfangen und hätten lieber ohne Etappenunterbrechung weitergemacht. Manch einer der Unentwegten nutzte die Lücke - oder den seit der dritten Austragung obligatorischen Pausentag nach der vierten Etappe - deshalb für einen Trainingslauf. Oder man suchte sich für den Termin eine andere Veranstaltung in der Nähe heraus, wie dieses Jahr etwa der Mainzer Laufenthusiast Erich Binzel, der den Pausentag zur Teilnahme am Hochschul-Spendenlauf in Emden nutzte.
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Das Meer immer im Blick | Auf den letzten Metern auf Borkum |
Seit seiner Einführung bieten die Veranstalter für den Pausentag ein alternatives Programm an, das die Teilnehmer und ihre Angehörigen gegen einen Aufpreis nutzen können. Dazu gehörte in manchem Jahr eine Wattwanderung im Unesco Weltnaturerbe Wattenmeer, dazu gehörten kulturelle Besichtigungsfahrten oder eine Schiffstour zur einzigen deutschen Hochseeinsel Helgoland. In diesem Jahr wurde eine Kutterfahrt zur Insel Wangerooge und Spiekeroog angeboten, die viele Teilnehmer fand.
Für 2018 hatten sich die Organisatoren darüber hinaus etwas Neues für den Pausentag einfallen lassen, nämlich die Durchführung eines Laufseminars mit zwei Laufprofis gleichen Namens: Jörg Valentin. Der eine, Jörg Valentin West, ist ehemaliger Leistungsläufer, war Mitglied des Bundeskaders und konnte mehrere deutsche Meistertitel in der Aktiven- und Seniorenklasse erringen; der andere, Jörg Valentin Ost, war fünfzehn Jahre Hochleistungssportler, errang mehrere DDR-Meisterschaften als Mittel- und Langstreckenläufer und betreibt heute eine Laufschule in Jena.
In dem Seminar wurden wichtige Themen aus Theorie und Praxis angesprochen, besonders interessant für die Nordseeläufer etwa war - weil gerade selbst betroffen - die aktive Regeneration durch Gymnastik und Mobilisation, die Verletzungsprophylaxe, aber auch die Laufstilanalyse bei optimalem Fußabdruck sowie die individuelle Auswertung und die Umsetzung der Herzfrequenzmessung. Die Teilnehmer des Seminars zeigten ein außerordentliches Interesse an vielen Fragen des Laufes, dass die vorgesehene Dauer von vier Stunden nicht ausreichte und um zwei weitere Stunden verlängert wurde. Selbst der vorgesehene Regenerationslauf musste aus Zeitgründern ausfallen.
Der EWE-Nordseelauf erlebt durch den Pausentag nicht nur in sportlicher Hinsicht eine Zäsur, sondern auch bezüglich der Teilnehmer und der Unterbringung. Denn hernach wird mit dem gesamten Tross umgezogen von der linken Seite der Weser zur rechten, von Bensersiel nach Bremerhaven. Diejenigen, die nicht die ganze Tour mitmachen, etwa die "Happy-Weekend"-Bucher, verlassen die Veranstaltung, während die "Active-Days"- bzw. "Sportive-days"-Bucher" hinzukommen. Hatte man vom idyllischen Küstenort Bensersiel vier Etappen zu organisieren, waren es derer von Bremerhaven aus noch drei.
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3. Etappe Norddeich: Impressionen von der dritten Etappe in Norddeich |
Für die meisten Teilnehmer des Gesamtlaufs heißt es am Donnerstag dann: Koffer packen und mit dem Transferbus - auch das wird vom Nordseeteam vorbildlich organisiert - Fahrt aufnehmen Richtung Osten, wo am gleichen Tag schon der nächste Wettstreit in Cuxhaven wartet.
Die Überfahrt bietet gute Gelegenheit, das bisher erlebte Revue passieren zu lassen, zu überprüfen, ob die eigene Renntaktik bisher aufgegangen ist, ob man zu ambitioniert war oder zu vorsichtig agierte. Bei dieser Gelegenheit kann auch die Strategie für die finalen Tage zurechtgelegt werden.
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Passend zum Nordseelauf der geringelte Laufanzug und das Badeentchen |
Hinter den Läufern lagen zu diesem Zeitpunkt vier wunderbare Landschaftsetappen. Die Auftaktetappe war zugleich die beliebteste des Vorjahres (wie eine Umfrage unter den Teilnehmern ergab), nämlich der Greetsieler Leuchtturmlauf zum rot-gelb geringelten Pilsumer Leuchtturm. Eine herrlich maritime Kulisse führte die Läuferschar vor, auf und hinter den Deich durch die Salzwiesen und nach Umrundung des Badesees und Passieren des historischen Kutterhafens in den malerischen Ortskern, wo ein begeistertes Publikum die Akteure erwartete. Nicht weniger eindrucksvoll gestaltete sich tags darauf der Lauf auf der Insel Borkum, auf den die Teilnehmer schon während der zweistündigen Überfahrt eingestimmt wurden. Dünen, Sand und Wald erwarteten die Teilnehmer und eine gesunde, salz- und jodreiche Hochseeluft. Höhepunkt hier war der beidseitig zuschauergesäumte Einlauf auf der Uferpromenade des mondänen Hauptortes.
Die komplizierte logistische Durchführung dieser Mehrtagesveranstaltung - davon kann sich jeder Teilnehmer bei jeder Etappe aufs Neue überzeugen - wird mit der bei vielen Editionen gewonnenen Erfahrung und Routine absolut professionell abgewickelt. Vor besonderen Herausforderungen steht das kleine, engagierte Team vor allem bei Inselläufen wie jenem von Borkum, wenn das gesamte Equipment mit der Fähre auf die Insel gebracht, dort aufgebaut und wieder mit auf der Abendfähre zurücktransportiert werden muss. Dass ganz nebenbei noch alles das bewältigt werden muss, was bei normalen Volksläufen Usus ist (Startnummernausgabe, Ummeldungen, Zeitmessung, Streckensicherung, Verpflegung, Siegerehrung), fordert Respekt ab und wird allabendlich durch Beifallsbekundungen der Läufer gedankt.
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4. Etappe Baltrum: Ringelpiez mit Anfassen vor dem Start auf Baltrum | Martin Schumann bei einem seiner Etappensiege auf Baltrum |
Dass dies nur möglich ist, wenn örtliche Vereine, Verbände und Organisationen mithelfen, ist leicht nachvollziehbar und konnte auch bei den Etappen drei und vier in Norddeich und auf Baltrum (Tag drei und vier) beobachtet werden. Die Strecke in Norddeich (9,5km), im nordwestlichsten Zipfel der Republik, war als attraktiver Zweirundenkurs konzipiert worden mit Start und Ziel am Haus des Gastes. Dabei wurde die Deichtreppe überlaufen, der Seekurgarten und der Klimapavillon passiert und entlang der Drachenwiesen bis zum Yachthafen gelaufen, wo ein Wendepunkt lag.
Der Baltrumer Dornröschenlauf wiederum, der kürzeste der diesjährigen Tour (7,5km), führte auf dem kleinsten Eiland der Inselgruppe vom Dorfplatz über die Uferpromenade und dann durch welliges Dünengelände mit sehr unterschiedlichen Untergründen zurück zum Ausgangspunkt. Das beschauliche Baltrum mit seinen knapp 500 Bewohnern (im Winter sollen es nur zweihundert sein) stellte so etwas wie den ruhigen Gegenpol zum betriebsamen Borkum des ersten Tages dar.
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5. Etappe Cuxhaven (Wattlauf): Für die meisten ein großer Spaß, der Wattlauf vor Cuxhaven. Eine Orientierung im endlosen Niemandsland gibt es nicht - außer vielleicht der Läufer vor einem |
In sportlicher Hinsicht konnte sich auf den ersten vier Etappen bei Männern wie Frauen je das Trio etablieren, das am Ende auch das Podest erreichen würde. Das waren einerseits die beiden schon erwähnten Martin Schumann und Markus Steffen sowie Jan Held vom SC Aquarius Lohne, und andererseits Ute Pfeiffer, Lisa Marie Gläsert (TV Wattenscheid) und Kerstin Wiethake (Post SV Uelzen). Ab und an konnte sich auch ein Tagesläufer gut in Szene setzen. So konnte beispielsweise bei der zweiten Etappe Tagesläufer Nils Rebscher vom TV Herzbach den Sieg davontragen und sich Lokalmatador Peter Steinke vom MTV Aurich Bronze sichern. Bei den Frauen landete beim gleichen Lauf Sara Wippich auf dem zweiten Rang. Bei der vierten Etappe auf Baltrum zeigte die Holländerin Willemieke Mudde allen anderen Läuferinnen die Hacken und gewann souverän.
Eine ganz besondere Etappe stand dann nach dem Pausentag in Cuxhaven auf dem Programm, der beliebte Lauf durchs Watt. War man bei früheren Ausgaben (vor 2012) immer am letzten Tag der Tour von der Insel Neuwerk durchs Watt nach Cuxhaven gelaufen (12km), was allgemein als Königsetappe aufgefasst wurde, wird seither nahe der Küste durchs Watt gelaufen. Hintergrund: zu großer logistischer Aufwand und ein gewisses Risiko, nicht alle Läufer rechtzeitig auf die Insel transportiert zu bekommen. Denn wenn die Wetterlage ungünstig ist, kann nur eine Fähre (von zweien) auslaufen, wie es 2011 der Fall war, wodurch ein Teil der Läufer auf der Insel war, der andere aber auf dem Festland, so dass es keine reguläre Wertung mehr geben konnte. Damals waren einige Läufer auf eigene Faust nach Cuxhaven gelaufen, für die Läufer an Land wurde eine improvisierte Strecke vor Dunum kurzfristig abgesteckt.
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Die letzten 300 Meter im Watt sind die schlimmsten und der finale Sandhügel noch ein bisschen schlimmer |
Seither hat man auf die Königsetappe verzichtet und bietet als Ersatz ein kürzeres, küstennahes Rennen durchs Watt an. Dass dies nicht nur ein großer Spaß für die meisten Teilnehmer sein kann, sondern sportlich zur bemerkenswertesten der diesjährigen Tour werden würde, konnte man vorher sicher nicht ahnen. Der Korrespondent der Cuxhavener Nachrichten meinte in seiner Nachbetrachtung gar, diese Etappe werde in die Geschichte der Veranstaltung eingehen.
Bei den Frauen holte sich die Tagesläuferin Sabrina Timmes vom Vareler TV den Sieg mit dem bisher größten Vorsprung. Was sich aber dahinter abspielte, war für die Tourwertung hochinteressant. Denn da nahm die bisherige Zweite Lisa Marie Gläsert, nachdem sie schon die vierte Etappe gewonnen hatte, der Tourführenden Ute Pfeiffer mehr als eine Minute ab, wodurch der Ausgang um den Tourgewinn wieder vollkommen offen wurde.
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6. Etappe Butjadingen: Impressionen von der sechsten Etappe, der vielleicht schönsten, auf der Halbinsel Butjadingen |
Bei den Männern war Cuxhavens Lokalmatador und Rekordsieger beim Wattlauf, Matthias Wilshusen (Blueliner Wolfsburg), als Tagesläufer angereist, um seine Vormachtstellung einmal mehr zu untermauern. Er setzte sich auch gleich in Führung und hatte sich nach zwei Dritteln der 9,4km langen Strecke im knöcheltiefen Wasser einen sicheren Vorsprung von etwa 250 Metern erlaufen, womit er nicht mehr eingeholt werden konnte. Doch dann setzte der vorausfahrende Buggy seine Aufgabe als Führungsfahrzeug aus, wodurch Wilshusen im weiten Nichts des Watts seine Orientierung verlor und nicht, wie vorgegeben, bis zur nächsten Wasserstelle lief, sondern gleich Richtung Ziel. Der Wattranger hatte zwar gezeigt, wo die Wasserstelle sei, aber er, Wilshusen, habe sie nicht sehen können, gab er später im Gespräch bekannt. Auch die Rufe des Rangers habe er nicht gehört.
Das Verfolgertrio war gleichfalls verunsichert, hielt im Lauf kurz inne, folgte den Hinweisen des Rangers und lief die vorgesehene Strecke. Wilshusen erreichte als erster das Ziel in einer Zeit von unter dreißig Minuten, hatte aber wohl 200 oder mehr Meter weniger gelaufen als die Verfolger. Die Organisatoren disqualifizierten ihn daraufhin, nicht ohne mit allen Beteiligten Gespräche zu führen und eine andere Lösung zu erwägen. Eine solche hatte der Tourführende Schumann vorgeschlagen, Wilshusen einen Sonderpreis zu geben. Das allerdings habe Wilshusen abgelehnt, sagte Schumann später. Er selbst räumte ein, dass er Wilshusen nicht mehr habe einholen können, zu groß sei dessen Vorsprung schon gewesen. Wilshusen war enttäuscht über die (aus Sicht der Rennleitung nachvollziehbare) Disqualifikation und verließ die Veranstaltung umgehend. Es gehe ihm um die Ehre und die Nennung im Ergebnisprotokoll. Eine eventuell interpolierte Zeit, wie sie unlängst bei der Duisburger Winterlaufserie für fehlgeleitete Läufer ausgerechnet wurde, war Wilshusen aber nicht zuzuordnen, weil nicht zu sagen war, wie viel er weniger gelaufen war.
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7. Etappe Wurster Nordseeküste (Dorum): Impressionen von der letzten Etappe an der Wurster Nordseeküste |
Letztendlich darf man gewiss sein, dass Wilshusen nicht mit Absicht handelte, sondern durch eine nicht optimale Streckenabsperrung irritiert wurde. Er war läuferisch allen anderen so überlegen, dass jedes Motiv, den Lauf abzukürzen, fehlte. Der Veranstalter habe, so Schumann im Nachhinein, auch eingeräumt, zu wenige Streckenposten aufgestellt zu haben. Im Watt, wo es keinerlei Orientierungspunkte gibt als die Läufer vor einem, führte auch bei Dutzenden weiterer Teilnehmer aus dem mittleren und hinteren Bereich dazu, dass sie ohne Absicht verkürzten. Diese wurden aber nicht aus der Wertung genommen, was auch überzogen gewesen wäre. Deshalb hätte man sich doch eine wie auch immer geartete andere Lösung für Wilshusen gewünscht als den Ausschluss.
Unabhängig davon wurde es hinter Wilshusen richtig spannend. Da hatte hundert Meter vor dem Ziel der Tourführende Schumann dreißig Meter Vorsprung vor Markus Steffen. Dieser rannte aber wie wild durch den Schlick, erreichte Schumann auf der Ziellinie auf einer Sandanhöhung und warf sich vor diesem ins Ziel. Den Zuschauern stockte der Atem, es war der einzige Etappensieg des Mannes aus Neuenkirchen.
Nach dem strapaziösen Wattlauf standen noch zwei "normale" Etappen auf dem Programm, die vielleicht schönste überhaupt auf der Halbinsel Butjadingen, und die Küstenetappe am Strand von Burhave. Hier fand Pfeiffer wieder zur alten Stärke zurück und sicherte sie sich den Gesamtsieg in 5:20:13h für 68,5 km vor Gläsert (5:22:31h) und Wiethake (5:29:21h). Auch Schumann ließ nichts mehr anbrennen und siegte in 4:15:37h vor Steffen (4:19:43h) und Held (4:22:02h). Auf der sechsten Etappe kam es wohl zur besten sportlichen Leistung der Tour. Für diese sorgte Tagesläuferin Jana Cornelius von Mach3 Köln, die mit viereinhalb Minuten Vorsprung den Etappensieg einfuhr.
Witterungstechnisch stand die diesjährige Tour unter einem sehr günstigen Stern. Glutofenbedingungen gab es an keinem Tag, überstarken Wind ebenso nicht. Die Temperaturen waren insgesamt sehr läuferfreundlich und Regen blieb komplett aus, wenn man von einigen Tropfen während des Wattlaufs absieht. Dass es aber vor dem Start ins Watt stark schüttete, ging an den Läufern nicht spurlos vorbei. Denn die Priele waren durch den Regen höher als üblich und eigentlich überall vorhanden. Der auflandige Wind drückte zudem das Wasser Richtung Küste. Bedingungen, die es in sich hatten.
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Der abschließende Blick auf die Teilnehmerzahlen offenbart einen Rückgang sowohl bei den Tourläufern als auch bei den Tagesstartern. Hatten sich 2016 474 Tourläufer angemeldet, waren es 2017 280, jetzt aber nur 242. Relativierend ist zu erwähnen, dass 2016 alle Inseln auf dem Programm standen, wo immer eine besonders hohe Beteiligung zu registrieren ist. Von den 242 Tourläufern waren 142 Männer und 100 Frauen dabei. Interessant sicherlich, dass bei den Männern zwanzig Läufer die Tour nicht beenden konnten (14 Prozent), bei den Frauen fielen nur fünf Läuferinnen aus (5 Prozent). Tagesläufer eingerechnet, gab es 2362 Zieleinläufe, dazu kommen noch rund 250 Walker und Nordic-Walker, also durchschnittlich 35 pro Tag.
Für Sieger Martin Schumann, Neuling auf der Tour, war es die Premiere eines Etappenlaufs. Er habe die Anstrengungen bestens überstanden, sagte er nach dem sechsten Lauf, so dass er sich gut vorstellen könne, eventuell einmal beim Brüder Grimm Lauf oder den Riesenbecker Sixdays zu starten. Beim Nordseelauf zeigte er sich vor allem begeistert über das engagierte Team und den Aufwand, mit dem alles betrieben werde. Man bekomme wirklich viel geboten, sagte er, und die Frage, ob er sich vorstellen könne, die Tour ein weiteres Mal mitzumachen, beantwortete er ohne zu zögern kurz und bündig:
"Ja, auf jeden Fall."
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Bericht und Fotos Michael Schardt Info und Ergebnisse unter www.die-nordsee.de/nordseelauf Zu aktuellen Inhalten im LaufReport HIER |
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