9.8.14 - 26. Kempele Z-Maraton (Finnland)

Marathon am Polarkreis

Im Sommer erweist sich Finnland als Laufparadies

Eine Woche vor dem Helsinki Marathon knapp 1000 Starter

von Michael Schardt

"Marathonlaufen in Finnland" ist aus mitteleuropäischer Perspektive gleichzusetzen mit "Marathonlaufen in Helsinki". Denn nur der Marathon in der finnischen Hauptstadt ist in unseren Breiten einigermaßen bekannt und verzeichnet immer wieder auch eine größere Anzahl von deutschen, schweizer oder österreichischen Startern. Dabei werden insbesondere im Sommer zahlreiche Marathonläufe in Finnland ausgetragen, die im Land teilweise Kultstatus erreicht haben, hierzulande aber vollkommen unbekannt sind. So etwa die Rennen in Turku, Tampere, Mikkeli oder Oulu. Rund achthundert Laufveranstaltungen verzeichnet der finnische Laufkalender, knapp sechzig davon bieten Marathon- und Ultramarathonveranstaltungen an.

Wald, Feld und Wiesen kennzeichnen die Landschaft, durch die der Kempele Marathon verläuft. In der ersten Runde ist der Hauptlauf noch beschaulich Für die Organisatoren des Kempeleen Maratonclubi sind die Kinderläufe aber mindestens genauso das Herzstück der Veranstaltung, von denen es drei gibt, die nach Alter gestaffelt sind
Ausführliche und einladend präsentierte Laufankündigungen im LaufReport HIER

Eine von ihnen ist der Z-Marathon in Kempele, einer kleinen Ortschaft in der Nähe der knapp 200.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt Oulu, gelegen am Nordzipfel der Ostsee. Kempele ist von Deutschland aus - etwa vom Düsseldorfer Flughafen- auf dem Luftweg sehr leicht zu erreichen, denn die Gemeinde liegt nur sieben Kilometer vom Airport Oulunsalu entfernt. Da der Kempele Marathon immer eine Woche vor dem Helsinki Marathon stattfindet und der Rückflug ohnehin meist über die finnische Hauptstadt geht, bietet sich für Hartgesottene sogar an, einen Doppelstart hinzulegen und dazwischen ein paar Tage Urlaub an der Ostsee oder im Landesinneren zu machen.

Von kleinen Anfängen zum Weltmarktführer

Kempele und sein Marathon dürften kaum einem deutschen Läufer etwas sagen, und doch haben viele Sportler zu dem Ort mit knapp 17.000 Einwohnern eine unbekannte Beziehung, sofern sie Herzfrequenzmesser oder andere Hochtechnologieprodukte der Marke "Polar" benutzen. Denn diese Firma wurde 1977 ebendort, in Kempele, von Erfinder Seppo Säynäjäkangas gegründet und brachte mit dem Sporttester PE2000 den ersten drahtlosen Herzfrequenzmesser der Welt heraus. Das war 1982. Damit begann vor mehr als dreißig Jahren eine neue Ära der Trainingssteuerung, die heute nicht nur im Laufen, sondern auch in vielen anderen Sportarten nicht mehr wegzudenken ist.

Oulu ist die Großstadt in unmittelbarer Nachbarschaft der kleinen Gemeinde Kempele. In Oulu nehmen die auswärtigen Teilnehmer in der Regel Quartier. Hier die Kathedrale der knapp 200.000 Einwohner zählenden Metropole Der Kempele Marathon berührt auch das Stadtgebiet von Oulu. Hier ist die Stadthalle zu sehen, ein Neo-Renaissancegebäude aus dem 19. Jahrhundert. Die meisten Häuser sind hingegen neuzeitlich und funktional

Vor der kabellosen Messung wurde der Puls durch Fingerspitzenmessgeräte bestimmt. Bei den ersten Versuchen mobiler Messungen, die ungenau und langsam waren, zogen die Probanden, damals Skilangläufer, einen Holzkasten in der Größe eines Kofferradios auf einem Schlitten hinter sich her, wobei die Verkabelung die Bewegungsfreiheit erheblich beeinträchtigte. Mit ein Grund, warum sich Seppo Säynäjäkangas mit den Überlegungen Herumschlug, Pulsuhren und andere Präzisionsinstrumente herzustellen, ist mit dem besonderen Schicksal Pertti Sankilampis verbunden, der in den sechziger Jahren als international aussichtsreicher Kandidat Finnlands im Skilanglauf galt und die große Olympiahoffnung war. Doch aufgrund von Knochenkrebs musste ihm der linke Unterschenkel amputiert werden. Mit einer Hightech-Prothese kämpfte er sich ins Sportlerleben zurück und gewann annähernd 30 Medaillen bei internationalen Wettkämpfen, darunter auch je sieben Goldmedaillen bei Paralympics und Weltmeisterschaften. Säynäjäkangas entwickelte seine Modelle deshalb zunächst mit Fokus auf den Skilanglauf. Heute ist der 69jährige Sankilampi sportlicher Nationalheld in Finnland, Autor mehrere Bücher und Mitorganisator des Kempele Z-Marathons, dessen Kinderläufe nach ihm benannt sind und die er kenntnisreich moderiert.

Finnland ist ein Paradies für Fahrradfahrer mit hervorragenden Radwegen und bestem Hinweissystem ... ... und Oulu könnte man ob seiner vielen radfahrenden Studenten auch das Münster des Nordens nennen

Fliegende Finnen

Inzwischen hat Polar Zweigstellen in mehr als zwei Dutzend Ländern und beschäftigt 1200 Mitarbeiter, davon auch achtzig im hessischen Büttelborn. Obwohl längst Weltmarktführer, bleibt das Unternehmen kreativ und brachte Anfang des Jahres 2014 den Aktivity-Tracker namens Loop heraus, der sich glänzend verkauft. Vom Firmengründer Seppo ging die Leitung schon vor Jahren auf Tochter Sari über, die von Kempele aus die Weltfirma führt. Der Name Polar übrigens ist der geographischen Lage des Ortes geschuldet, denn Kempele liegt nur zwei Breitengrade südlich des Polarkreises, wo an Mittsommer - um den 21. Juni herum - die Sonne nicht untergeht.

Schöner vielleicht als der bauliche Stadtkern ist die maritime Lage der Ostseeküstenstadt Oulu ... ... sowie die sehr gekonnt angelegten Parkanlagen

Das Firmengelände von Polar, an dem die Marathonstrecke unmittelbar vorbeiführt, liegt etwas außerhalb des Gemeindezentrums. Vor dem Gebäude gibt es eine Skulptur, die eine der größten von vielen großen Szenen der finnischen Leichtathletik - in Bronze gegossen - festhält: der in der Kurve erlittenen Sturz von Lasse Virén beim 10.000-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen in Montreal, den er dennoch auf spektakuläre Weise gewann. Nach seinem Doppelolympiasieg in München über 5000 und 10000 Meter gelang ihm auch hier der Gewinn beider Goldmedaillen, eine bisher unerreichte Leistung.

Virén ist nicht der einzige Finne, der im Langlauf Geschichte schrieb und die Tradition der "fliegenden Finnen" fortsetzte. Der vielleicht beste Langläufer aller Zeiten, auf jeden Fall aber der erfolgreichste Olympionike in dieser Sportart, kommt auch von hier: der legendäre und in aktiven Zeiten unerreichbare Paavo Nurmi. Mehrfache Weltrekordler, Weltmeister- oder Europameister waren auch Hannes Kolehmainen, Ville Ritola oder Juha Väätäinen, um nur einige zu nennen. Langlaufen und Finnland gehören also zusammen, keine Frage.

Mächtig verzweigt sich die Mündung des Oulu-Flusses mit den vielen vorgelagerten Inseln, bevor er in die Ostsee abfließt Auch das Stadttheater ist von Wasser umgeben und nur über schmale Fußgängerbrücken zu erreichen

Jung und intelligent

Hightech ist überhaupt das Stichwort, das im Zusammenhang mit dem Ortsnamen Oulu und Kempele am häufigsten fällt. Kempele ist Heimat zahlreicher, hochspezialisierter Firmen im IT- und Technologiesektor. Weltbekannt ist das Kempele Silicon Plaints. Stellvertretend für mehr als 500 hier angesiedelte Unternehmen dieser Art seien für Kempele Pulse und Powerwave Comtec genannt, und für Oulu der Handyriese Nokia. Diese Entwicklungen bringen es mit sich, dass sich viele junge Familien hier ansiedeln, die glänzende Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben. Wer einen Blick auf die Homepage der Stadt wirft, der wird lesen können, dass Kempele die am schnellsten wachsende Ortschaft von ganz Finnland ist und dass 45 Prozent der Einwohner dreißig Jahre oder jünger sind. Mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren ist sie einer der jüngsten im Land und gleichzeitig eine mit dem höchsten Bildungsniveau.

Hunderte kleiner Brücken und viele Schiffe bekommt der Besucher zu sehen ... ... und kann in gemütlichen Gaststätten im typisch bunten Holzhausstil frische Meeresfrüchte zu sich nehmen oder den berühmten finnischen Stachelbeersekt probieren

Stolz ist man zudem auf das vielfältige Kultur- und Sportangebot. Es gibt auf der einen Seite Ausstellungen, Konzerte, Festivals oder Theateraufführungen, andererseits eine bestens ausgebaute Sportinfrastruktur und zahlreiche Veranstaltungen wie Triathlon, Marathon und - zentral - Wintersport. Mit dem Zeppelin-Shopping-Centre, das viele Dutzend Geschäfte und Restaurants beherbergt, verfügt die Stadt seit einigen Jahren über ein riesiges Einkaufszentrum, neben dem auch ein Schwimmbad mit Sauna liegt. Das "Z" für Zeppelin im Titel des Marathons steht für eben jenes Einkaufszentrum, das zu den Hauptsponsoren gehört und wo auch Start und Ziel liegt.

Maritimes

Ob man als Marathontourist nun hier Quartier nehmen sollte oder lieber im quirligen Oulu nächtigt, hängt von der individuellen Interessenslage ab. Ein städtisches Kleinod ist Kempele, das auf eine im 16. Jahrhundert angelegte Siedlung zurückgeht, offiziell aber erst 1867 als Gemeinde installiert wurde, kaum, und Sehenswürdigkeiten gibt es, abgesehen von der aus dem 17. Jahrhundert stammenden, schönen Holzkirche, auch nur wenige. Reizvoll aber ist, und das kommt auch der Laufveranstaltung zugute, das Umland, die herrliche Landschaft Nordösterbottens, in der Naturwäldern mit altem Baumbestand liegen, flache Küstenstreifen und weitläufige Flusslandschaften eine ursprüngliche Szenerie bestimmen. Ferner ist die Liminka Bucht ein bekanntes Vogelparadies am bottnischen Meerbusen.

Kempele hingegen ist nicht so quirlig wie die große Schwester, sondern eine weitflächige Gemeinde mit vielen Einfamilienhäusern, überwiegend im Bungalowstil erbaut. Einen echten Ortskern hat das Städtchen nicht. Allein die hübsche Holzkirche aus dem 17. Jahrhundert und der gepflegte Friedhof sind echte Sehenswürdigkeiten Oulu und Kempele sind reiche Gemeinden und hochrangige Hightech-Standorte. In Kempele residiert Polar, der Weltmarktführer für Herzmessgeräte

Wer mehr Betrieb mag, als in Kempele zu finden ist, der wird wohl Oulu als Aufenthaltsort wählen, das mit über 15.000 Studenten nach Helsinki die zweitgrößte Universität von Finnland hat und mit 190.000 Einwohner fünftgrößte Stadt des Landes ist. Der zugehörige Flughafen Oulunsalo, der genau zwischen Kempele und Oulu liegt, befördert die zweitmeisten Passagiere. Spitzenreiter ist der Helsinki-Flughafen. Oulu liegt an der breiten Mündung des Flusses Oulujoki in die Ostsee, welcher der Stadt ein ausgesprochen maritimes Flair verleiht. Viele kleine und größere Wasserläufe durchziehen die Stadt, ungezählte mittlere und Mini-Inseln im Mündungsgebiet und in der Ostsee sind durch Stege oder kleine Brücken verbunden, die nur zu Fuß oder per Fahrrad genutzt werden können.

Der Kempele Marathon erlebte bereits seine 26. Auflage. Das Z in der Mitte weist auf das Zeppelin-Einkaufszentrum hin ... ... in dessen Innerem ein riesengroßes Foto eines historischen Zeppelins hängt... ...und wo die Anmeldeformalitäten erledigt und die Siegerehrungen durchgeführt werden

Weltmeisterschaft der Luftgitarristen

Das Restaurations- und Kulturangebot ist reichhaltig. Zentraler Platz ist das Marktgelände am Yachthafen, wo viele schöne Cafés zu finden sind, die im Sommer das sonnenhungrige Publikum anziehen. Daneben steht die historische Markthalle, Kauppahalli genannt, die zum Flanieren und Shoppen einlädt. Mittelpunkt für Theater- und Opernfans ist das von Wasser umgebene, moderne Stadttheater, wo gerade eine bemerkenswerte Aufführung der "Zauberflöte" Premiere hatte. Zudem gibt es Kunst, Historisches und Landesgeschichtliches in den vielen Museen zu bestaunen. Clubs, Bars und Kneipen gibt es ungezählte, genauso wie Hotels. Insbesondere in den heißen Sommermonaten gibt sich das junge Studentenpublikum ausgeh- und tanzfreudig.

Frühester Start ist der Marathon für langsamere Läufer, die eine Stunde vor dem Feld auf die Piste dürfen. Diesen Service nahmen aber nur fünf Läufer in Anspruch Dann kommen die Minis von 0 bis vier Jahre an die Reihe

Fast täglich finden Openairkonzerte statt, insbesondere im Festivalmonat August. Zu einer größeren Bekanntheit unter Musikfreunden gelangte Oulu, die Partnerstadt von Leverkusen und Halle an der Saale, durch die jährlich ausgetragene Weltmeisterschaft im Luftgitarrespielen, die innerhalb des drei Wochen dauernden Festivals stattfindet.

Boomtown

Oulu gilt als Boomtown des Landes, in die jährlich 2000 neue Bewohner ziehen, doch ohne wirtschaftliche Probleme gehe es auch hier nicht ab, wie mir Kari, ein 57jähriger Einwohner, erklärt, der mich ob meines mit deutschen Lettern bedruckten Shirts auf der Straße in fehlerfreiem Deutsch anspricht und mich zu einem Bier einlädt. Gerade habe Microsoft 400 Mitarbeiter entlassen, und eine einheimische Firma habe es dem Computerriesen gleichgetan, berichtet er. Dass stecke eine Stadt dieser Größe nicht so einfach weg, aber es stimme schon. Der Aufschwung sei überall zu bemerken.

Gerade mal acht Monate ist dieses Jungtalent alt, das mit Abstand das coolste Outfit von allen hatte. Mit Babyrollator waren die achtzig zu laufenden Meter ein Klax. Ohne elterliche Hilfe und ohne hinzuplumpsen wurde die Klasse M- oder W0 (man sieht es nicht so genau) klar gewonnen Viel Begeisterung herrscht beim Zieleinlauf der Kleinen

Kari erklärt mir viel über Finnland, jedoch dass die Finnen als verschlossen gelten, kann ich ihm nicht bestätigen. Noch nie bin ich von so vielen fremden Menschen in so kurzer Zeit freundlich angesprochen worden oder zu einem Gespräch gekommen, wie hier in Oulu. Aber auch ich habe eine Neuigkeit für ihn, den Mann, der Germanistik studierte, Deutsch in der Schule lernte, als Deutschlehrer arbeitet und die Sprache bei mehrmonatigen Aufenthalten in Leipzig Anfang der Neunziger verfeinerte. Dass nämlich Oulu die nördlichste Großstadt der EU sei und dass auch Oulu im Mai einen Marathon austrage, genau wie Kempele am jeweils zweiten Augustwochenende, weshalb ich hauptsächlich hier sei.

Die drei Handbiker kamen gut über die 42 Kilometer. Im letzten Jahr hatte es zur Bestürzung der Organisatoren einen Unfall eines Rollyfahrers mit einem Auto gegeben. Dem Pechvogel geht es glücklicherweise längst wieder gut Startaufstellung Marathon

Nach einer lebhaften Unterhaltung, zu der auch Karis Freund noch gelangt, wünschen mir beide viel Glück für den anstehenden Marathon und bietet mir an, am Tag nach dem Lauf die Stadt zu zeigen. Ich solle aber auf jeden Fall die Flugschau nicht verpassen, weshalb viele Auswärtige in der Stadt seien. Selbst die Eliteflieger aus Italien seien gekommen. Tatsächlich bevölkern die uniformierten Flieger auch jetzt die öffentlichen Orte und lassen sich bewundern, doch zur Flugschau am Folgetag schaffe ich es nicht, denn der Kempele Marathon findet zeitlich parallel statt, führt aber in unmittelbare Nähe des Flughafens. Vom Motorenlärm blieben die Läufer dennoch verschont.

Die Marathonstrecke ist durchgängig asphaltiert und verläuft ausnahmslos auf Radwegen Dank der weißen Linie und vieler freundlicher Streckenposten ist ein Verlaufen praktisch unmöglich. Die Runde ist zweimal zu absolvieren

Laufangebot

Im Angebot hat der Kempele Marathon die klassischen Distanzen. Neben dem Hauptlauf gibt es einen Halbmarathon und einen Zehner. Die Strecken sind allesamt vermessen und führen über die gleiche Route. Ausgesteckt ist ein Parcours über 21,1 Kilometer, der ausschließlich auf Fahrradwegen verläuft, den die Marathonis zweimal zu durchlaufen haben. Der Kurs ist flach, hält aber besonders in der Anfangsphase ein paar kleine Steigungen bereit, etwa bei Unterführungen, die in Finnland beim Bau der Fahrradwege bevorzugt werden und ein flüssigeres Fahren erlauben, als ampelgeschaltete Kreuzungen, wie sie in Deutschland üblich sind. Insgesamt ist der Kurs als sehr schnell zu bezeichnen und bestens zu belaufen.

Dass aber hier Rekorde zu erwarten wären, sei nicht der Fall, erklärt Orgachef Juha Liljamo, der die Leitung der Veranstaltung vor fünf Jahren von Lauflegende Paavo Takalahti übernommen hatte. Uns geht es nicht um Bestleistungen, sagt der Fünfzigjährige, der selbst eine Marathonbestzeit von knapp über drei Stunden hat. "Der Breitensportgedanke und der Spaß steht bei uns im Vordergrund", tut er seine Philosophie kund. Rekordbücher, so Juha, führen wir deshalb erst gar nicht. Manchmal bliebe ein Mann unter drei Stunden und eine Frau unter dreieinhalb, aber durchaus nicht immer.

Der Kurs führt durch flache, finnische Boddenlandschaften ... ... ein paar Wellen hält sie dennoch bereit, meist, wie hier, bei Unterführungen. Die mobilen Rettungskräfte hatten einen ruhigen Nachmittag

Finisher und Kinder

Wichtig ist dem sympathischen und hilfsbereiten Geschäftsmann, dass sich alle Teilnehmer hier wohlfühlen und dass sie heile ins Ziel kommen. Im letzten Jahr, so berichtet er, gab es einen Unfall eines Handbikers mit einem Auto. Das war ein schwerer Moment für ihn und sein Team vom Kampeleen Maratonclubi. Es könne so viel passieren und man lerne nie aus. Traurig sei man gewesen, obwohl die Helfer am Unfall keine Schuld hatten. Dem Mann gehe es längst wieder besser und er habe ihm per Mail jetzt sein Bedauern ausgedrückt, dass er heuer nicht mitfahren könne, ihm aber auch viel Erfolg gewünscht.

Eine größere Bedeutung hat für Juha auch, dass recht viele Teilnehmer kommen. Im letzten Jahr waren es 1000 gewesen, darauf hoffe man auch jetzt. Die Voranmeldezahlen ließen darauf schließen. Diese Aussage dürfte auch im Hinblick auf den Hauptsponsor gemacht worden sein, denn das Zeppelin Shoppingzentrum kann im günstigsten Fall mit 5000 Besuchern mehr rechnen als üblich, die durch den Marathon hierherkämen, Verwandte, Eltern, Begleiter inklusive.

Die erste Runde kann für Marathonis recht einsam sein ... ... doch nach zwei Stunden werden die rund 400 Halbmarathonis auf die Piste geschickt und sorgen für Belebung (Foto Juha Liljamo)

Das Herzstück des ganzen Event sind für Juha die Kinderläufe, von denen drei angeboten werden. Die Kinder laufen zu sehen, ist ihm die größte Freude. Da wird keine Zeit genommen und kein Startgeld erhoben, aber jedes Kind bekommt eine Medaille, ein Geschenk und eine Urkunde. Von 0-4 Jahre reicht die Klasse der Minikids, von 5-8 und 9-12 die zwei weiteren. Anders als in Deutschland, sind die Strecken für die Kleinen deutlich kürzer: ca. 80 Meter für die Jüngsten, 120 Meter für die mittlere Gruppe und ca. 250 Meter für die Älteren.

Rund 250 Kinder gingen an den Start, vielleicht nicht ganz so viel wie erwartet. Denn die Veranstaltung, die am 9.8. über die Bühne ging, fand exakt am Ende der Sommerferien statt, die in Finnland, dem Primusland der Pisastudie, zehn Wochen lang dauern. Schulbeginn, so Juha, war an manchen Schulen am Vortag der Veranstaltung, die übrigen würden am Montag danach ins neue Schuljahr starten.

Orgachef Juha Liljamo (rechts) hat eine prima Veranstaltung hingelegt und freut sich, dass Pertti Sankilampi als Moderator tätig war. Pertti ist Publikumsmagnet und in Finnland längst eine Legende. Er gewann je 7 Goldmedaillen im Skilanglauf bei Paralympics und bei Weltmeisterschaften Paavo Takalahti /75) war früher Orgachef in Kempele und hilft immer noch gern mit. Der gutgelaunte Senior schaffte unlängst den Eintritt in den finnischen 100 Marathonclub

Insgesamt summierte sich die Teilnehmerzahl von Kindern und Erwachsenen auf ungefähr 900 Läufer. "Damit bin ich zufrieden", resümiert Juha, "sehr sogar".

Strecke und Resultate

Die Frage, ob der Helsinki Marathon für Kempele ein Problem sei, der exakt eine Woche später stattfindet, verneint der Orgachef. Sicher würden eine Handvoll Läufer aus der Region beim Hauptstadtmarathon mitmachen, aber das habe auf seine Veranstaltung keine Auswirkung. Leistungsläufer werden in Helsinki starten, wenn sie neue Bestzeiten oder Qualifikationen schaffen wollen, aber die, die hierherkämen, hätten von der guten Atmosphäre gehört. Tatsächlich ist der Kempele Marathon zuletzt stark gewachsen, und die Stimmung kann nur als ideal beschrieben werden. Freundliche Helfer, klasse Organisation, stilvolle Siegerzeremonie: das sind Garanten, auch am Polarkreis, in der finnischen Provinz, erfolgreich Marathonevents durchzuführen. Den Termin am zweiten Augustsamstag werde man, Helsinki hin oder her, auf jeden Fall beibehalten.

Marathon bei km 30. Immer noch bester Laune HM bei km 17: Gute Laune mal drei

Vom Charakter her handelt es sich um einen Landschaftsmarathon, der durch Wald, Feld und Flur führt, aber fast immer in unmittelbarer Nähe von Straßen liegt. Das allerdings ist nicht sonderlich störend, da der Verkehr recht gering ist. Die nahe Ostsee allerdings bekommt man nicht in den Blick, weil das Läuferfeld kurz vorher zurück nach Kempele geführt werden muss. Ein kleines Stück der Strecke hat Gegenlaufpassagen, während der 10-km-Lauf als Wendepunktlauf konzipiert ist.

Ein besonderer Service bietet der Veranstalter für langsamere Marathonis an. Die können eine Stunde vor dem Hauptrennen an den Start gehen, was allerdings nur von drei Männern und zwei Frauen in Anspruch genommen wurde. In der ersten Ergebnisliste wurde diesen Startern allerdings die Plusstunde nicht wieder abgezogen, aber weit vorne haben sie sich ohnehin nicht platziert. Rund hundert Marathonis kamen ins Ziel. Die schnellsten erfüllten die erhofften Prognosen. In 3:24 h blieb Marika Kälekä unter der angedachten Marke, und auch Jussi Herttula schaffte bei den Männern in 2:59 h eine Zeit, die es seit mehreren Jahren nicht mehr gegeben hatte.

Die drei schnellsten Marathonmänner v.l.: Jussi Herttuala (1), Marko Vahtola (2.) und Sauli Määttä Die schnellsten Frauen v.l.: Marika Käkelä (1.), Henriika Weiste (2.) und Sanna Käräjäoja

Sieger des Halbmarathons, der mit knapp 400 Läufern das bestfrequentierte Rennen war, wurden Janne Kivilahti in 1:20 h und Anna-Leena Nuolikivi-Roininen in 1:32 h. Die vielleicht beste Tagesleistung gab es beim Zehner. Da lief Lokalmatadorin Elina Lindgren gute 36:59 Minuten, während Ossi Peltoniemi mit 33:51 Minuten siegte.

Nach dem Lauf: Ab in die Sauna

Ob im Winter oder im Hochsommer, ein Motto trifft in Finnland immer den Nagel auf den Kopf: Ab in die Sauna. Der LaufReporter staunte nicht schlecht, als die Organisationsführung nach der Veranstaltung zur Lagebesprechung in die Sauna aufrief. Da wurden noch Torbögen und Beschilderungen abgebaut, Bänder aufgerollt und Stühle zusammengeklappt. Aber man müsse schon jetzt das erste Resümee ziehen, mit allen Verantwortlichen, hieß es. Und deshalb traf man sich um 19 Uhr im örtlichen "Schwitzkasten", kaum dass die letzten Handgriffe getan waren. In einem anderen Land als Finnland undenkbar. In Deutschland hätte man den herrlichen Sonntag wohl eher im Biergarten für ein Nachtreffen genutzt.

Nach dem Lauf durften alle Teilnehmer in dieser Sauna schwitzen. Auch die Orgaspitze traf sich gleich nach der Veranstaltung zur Sauna, um ein erstes Fazit zu ziehen. Nichts ist finnischer als Saunen Marathontouristen konnten sich nach dem Lauf am Wasser entspannen

Immerhin hatten die Marathonis sehr unter den Temperaturen gestöhnt, die um die dreißig Grad lagen, als der Startschuss um elf Uhr fiel und die Mittagssonne noch nicht einmal am höchsten stand. Später hatte es etwas getröpfelt, aber warm war es immer noch, als sich die Crew in der Sauna traf. - Auch die Läufer kamen in den Genuss des Saunierens, denn für das Umkleiden und Duschen war das Hallenbad an diesem Tag nur für die Laufakteure geöffnet. Das Hallenbad aber ist im Kern eine Sauna. Obwohl vom Laufen noch stark erhitzt, nutzen fast alle finnischen Läufer die Sauna als Regenerationsort. Es wurden aber auch einige schwedische und der flotteste deutsche Teilnehmer beobachtet, die eher eine Abkühlung ersehnten, einen Bogen um die Sauna machten und es bei einer ausdauernden Dusche beließen.

Marathontouristen konnten sich nach dem Lauf auch am schönen Untergang der Sonne in Oulu erfreuen, die in der ersten Augusthälfte freilich nur für sehr kurze Zeit verschwindet Bis tief in die Nacht laden zahllose gemütliche Kneipen und Restaurants diejenigen zum Verweilen ein, die nie müde werden ...
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Als Fazit kann man nur sagen: Prima, prima prima. Juha und seine 150 emsigen Helfer haben alles super gemacht. Ob nächstes Jahr mehr Mitteleuropäer am Start sein werden als heuer dieser eine deutsche Saunaverweigerer, ist wohl als gesichert anzusehen ...

Bericht und Fotos von Michael Schardt

Ergebnisse kempelemaraton.net/kempelezmaraton

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