20.6.15 - 16. Aabenraa Bjergmarathon (Dänemark)Eine Qualitätsveranstaltung mit Tradition Begeisternde Atmosphäre im kleinen Ostseestädtchen Aabenraa Unweit von Flensburg findet Dänemarks einziger Bergmarathon statt |
von Michael Schardt |
Wenn ein Vergleich bemüht werden soll, um die Bedeutung des Aabenraa Bergmarathons für die kleine Stadt an der dänischen Ostseeküste herauszustellen, dann bietet sich die Marathonveranstaltung von Wilhelmshaven an, die einen Tag nach Aabenraa ausgetragen wurde, nahezu das gleiche Streckenangebot bereithält und mit einem neuen Teilnehmerrekord von rund 2200 Anmeldungen bzw.1800 Finishern glänzte.
Aabenraa brachte es bei der jüngsten Auflage auf 3500 Anmeldungen bzw. auf über 2800 Finisher, was ein deutlicher Mehrwert darstellt, aber erst signifikant wird, wenn man bedenkt, dass Wilhelmshaven mit knapp 80.000 Einwohnern mehr als fünf Mal so groß ist als Aabenraa, das es auf kaum 16.000 Einwohner bringt.
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Obwohl der Bjergmarathon von Aabenraa der
einzige Bergmarathon in Dänemark, ein Citymarathon ist, hat er vielerlei
zu bieten, beispielsweise viel grün ... |
... und viel Wasser |
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Aabenraa, rund dreißig Kilometer nördlich von Flensburg am Apenrade-Fjord an der süddänischen Ostseeküste gelegen, ist ein freundlich gestalteter, beschaulicher Ort, in dem selbst am Freitagabend um zehn Uhr kaum Menschen auf den Straßen zu finden sind. Kaum zu glauben, dass sich dieses Bild zwölf Stunden später komplett dreht, wenn die Laufveranstaltung auf dem Storetorv (Marktplatz) eingeläutet wird, die im Millenniumsjahr 2000 erstmals und nun bereits zum sechzehnten Mal ausgetragen wurde. Die ganze City scheint in Bewegung, alles, was Beine hat, kommt herbei und gibt dem Event die besondere Atmosphäre, die die Läufer so lieben. Nicht nur aus ganz Dänemark, sondern auch aus mehr als einem Dutzend Länder Europas, Asiens, Amerikas und Afrikas. Sogar aus "Down under" war diesmal ein Läufer dabei.
Dass man von Anfang an keinen 0-8-15-Marathon initiieren wollte, wie es sie schon dutzendfach auch in Dänemark gibt, davon berichtet gegenüber LaufReport der Gründer und langjährige Organisationsleiter Holger Jacobsen. Wir dachten uns damals, so Holger, wenn es möglich ist, 750 Dänen zum Laufen nach China zu bringen, dann muss es auch möglich sein, einen gutbesuchten Marathon in Aabenraa, zu deutsch Apenrade, zu veranstalten. In seinem Wohnzimmer bei einem Abendessen mit seiner Frau Anne Grete und einigen anderen international laufenden Marathonis sei die Idee geboren worden.
Man sei sich schnell einig gewesen, dass die besondere Qualität des Events bei der Planung absolute Priorität habe. Deshalb hatte man auch schnell den Begriff "Bergmarathon" zur Hand, denn so etwas gab es im flachen Dänemark noch nicht, das über keine natürliche Erhebung verfügt, die mehr als 200 Meter ausmacht. Dass der Bjergmarathon alles andere als eine Mogelpackung sei, hätten die Leute von Aabenraa der Eiszeit zu verdanken. Egal in welche Richtung man sich aus der Stadt bewege, immer stehen (vielleicht keine richtigen Berge) aber Hügel im Weg mit Steigungen von bis zu fünfzehn Grad.
Auch Christian Hottas, seines Zeichens weltweit fleißigster Marathonsammler, war bei der Premiere 2000 dabei und hatte zunächst ob der angekündigten Berge nur müde gelächelt. Als er dann aber die 42 Kilometer hinter sich hatte, so Holger, da musste er zugeben, dass Dänemark sehr wohl das Terrain für einen Bergmarathon bietet, und zwar in Aabenraa.
Möglich wird das durch ein ausgeklügeltes Streckenkonzept für die Königsdistanz, das zwar viele logistische Vorteile bietet und besonders publikumsfreundlich ist, aber - soweit bekannt - noch keine Nachahmer fand. Zur Veranschaulichung stelle man sich ein vierblättriges Kleeblatt vor, das die Marathonis eins nach dem anderen umlaufen, um nach jedem dieser Blätter wieder in die Mitte der Glückspflanze (also dem zuschauerübersäten Marktplatz von Aabenraa) zurückzukehren und zuletzt zu finishen. Tatsächlich handelt es sich nicht um vier kleeblattartige Rundkurse, sondern um vier Schleifen, die für die Marathonis zunächst nach Ost, dann nach West, schließlich nach Süd und Nord führen. Bei allen diesen Schleifen müssen sich die Akteure auf einen kräftigen und so manche kleine Anstiege gefasst machen. Zusammen kommen auf diese Weise über 500 Höhenmeter zustande.
Mit Ausnahme der Westschleife, die eine reine Wendepunktstrecke ist, gestalten sich die drei anderen Schleifen derart, dass die ersten zwei, drei und die letzten zwei, drei Kilometer identisch sind, dazwischen sich aber ein kleiner Rundkurs legt. Das hat zur Folge, dass sich die schnellen und weniger schnellen Läufer der Hauptstrecke immer wieder begegnen und auch die Unterdistanzler zu Gesicht bekommen. Denn eine halbe Stunde nach den Marathonis gehen die Halbmarathonläufer auf die Strecke, zunächst auf die Süd-, dann auf die Nordschleife. Wieder eine halbe Stunde später sorgen die vielen 10-km-Läufer auf der Westpendelstrecke für Belebung und manchmal auch für moderate Enge.
Im Gegensatz zu den meisten Läufen hierzulande, kommen die Kurzstreckler (5km) und Schüler (600m bzw. 1500m) am Ende zum Einsatz, drei bzw. vier Stunden, nachdem die Marathonis ins Rennen gingen. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich noch fast alle Marathonläufer auf der Strecke und freuen sich über die vielen neu hinzugekommenen Zuschauer und vornehmlich jungen Läufer.
Im Organisationskomitee, so Holger weiter, sei man sich gleich einig gewesen, keine Preisgelder für Profiläufer auszugeben, sondern die Startgebühr niedrig zu halten und die Leistung an die "normalen" Teilnehmer weiterzugeben. Tatsächlich ist die Startgebühr für Marathonis mit rund dreißig Euro sehr günstig, vor allem, wenn man bedenkt, dass Dänemark die höchsten Verbraucherpreise Europas hat. Und dafür gibt es ein Funktionsshirt ohne Aufpreis dazu "und eine richtig schöne Medaille".
Ob damals aus der Marathonidee wirklich eine handfestes Event werden könnte, sei nicht vorauszusagen gewesen. Irgendwie müsse das alles ja geplant, durchgeführt und finanziert werden. Bei der Gemeinde habe man offene Türen eingerannt und viel Unterstützung erhalten. Als gemeinnütziger Verein brauche man keine Steuern zu zahlen und würde teils unentgeltlich von Organisationen wie Polizei oder Feuerwehr unterstützt. Sicher sei er, Holger, sich erst gewesen, als er bei einem Radiofachmann nach einer Lautsprecheranlage nachgefragt habe, die ursprünglich 500 Kronen hätte kosten sollen. Als er den Preis dann auf die Hälfte habe herunterhandeln können, konnte er zu Hause die Gewinnung des ersten Sponsors vermelden. Seither stehen verschiedene Sponsoren mit großzügigen Hilfen bereit, allen voran die Sydbank. Inzwischen dürfte man an Geld- und Sachwerten an die 500.000 Kronen einfahren. Etwaige Überschüsse gingen ohne Abzug in die Jugendabteilung.
Und dann war anfangs noch eine Überlegung virulent. Nämlich einen Moderator für die Veranstaltung zu gewinnen, der beim Publikum wirklich eine große Nummer sei. So war man auf die Idee verfallen, den aus Funk und Fernsehen bekannten Hans-Georg Møller zu fragen, ein Nachrichtensprecher, Sportjournalist, Quizmaster und Dozent für Öffentlichkeitsarbeit. In Dänemark eine Institution und vor allem berühmt unter dem historisierenden Namen "Gorm". Zwar hatte man wenig Hoffnung, doch der TV-Mann sagte zu, bereits zur ersten Ausgabe.
Inzwischen ist der über 70jährige Møller nicht mehr in Diensten des Fernsehens, kommt aber weiterhin zum Aabenraa Bjergmarathon, ja hat kein einziges Mal gefehlt und gehört fast zur Familie der Jacobsens. Denn alljährlich trifft man sich mit ihm und Holgers Nachfolger, dem neuen Orgachef Per Hussmann, in jenem "Gründungswohnzimmer", um die letzten Informationen auszutauschen und Anne Gretes prächtiges Pastagericht zu genießen.
Der veranstaltende Laufclub Aabenraas hat rund dreihundert Mitglieder, der Gesamtverein um die 700. Aus dem Verein rekrutieren sich auch die etwa zweihundert ehrenamtlichen Helfer, die den Marathon stemmen. Fünfzig von ihnen wechseln jährlich, aber immer stehen genügend zur Verfügung.
Darauf, dass Läufer aus sehr großer Entfernung zum wöchentlichen Training kommen, sind Holger und Anne Grete besonders stolz. Ihr gutes Konzept kommt bestens an. Das jüngste Projekt geht auf die Initiative von Anne Grete zurück, die Gründung der sogenannten Berglady-Gruppe. Das sind etwa vierzig Frauen, die sich unter der Anleitung der "Chefin" auf den heimischen Marathon oder den Halbmarathon vorbereitet haben. Eine Zwischenstation nur. Denn das große Ziel im April 2016 soll die Teilnahme am Paris Marathon sein - ohne männlichen Anhang vermutlich.
Im Hause Jacobsen herrscht sportlich gesehen eine klare Rollenverteilung. Anne Grete ist die flottere von beiden und kommt immer als erste ins Ziel. Zuletzt, so Holger augenzwinkernd, da sei er gut drauf gewesen und habe sich bei einem Marathonlauf nicht weit hinter seiner Gattin befunden. Sie habe sich immer wieder nach ihm umgesehen, um seinen eventuellen Angriff noch abwehren zu können.
Anne Grete rollt indes die Augen, als wolle sie sagen, das sei doch alles Unfug. Tatsächlich aber stellt das Paar den Prototyp des reisefreudigen dänischen Marathontouristen dar, das schon auf allen Kontinenten die 42 Kilometer abgespult hat. Selbstverständlich auch bei den dänengefluteten Marathonläufen von Berlin und Hamburg. Auch den Aabenraa Bjergmarathon 2015 ließen sie sich nicht entgehen, und Holgers Berglady brauchte sich diesmal nicht umzusehen, denn sie erreicht dreißig Minuten vor ihm das Ziel.
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Ein Sieger bei der Arbeit: über 5-km gewann Martin Lauersen | 2. beim beliebten Kurzstreckenlauf: Morten Jørgensen | Schnellste Frau Lise Termansen vor ... | ... Camilla Hauerberg |
In hiesigen Medien wird gerne der Mythos verbreitet, die Deutschen seien unangefochten die Reiseweltmeister. Das mag ja im allgemeinen stimmen. Im Marathonbereich sind es aber unsere nördlichen Nachbarn. Ein Beispiel für die deutsche Zurückhaltung ist der Aabenraa Bjergmarathon, denn obwohl nur unweit der deutsch-dänischen Grenze gelegen, verzeichnete das Anmeldeportal nicht einmal ein Prozent deutsche Teilnehmer. 32, um genau zu sein. Und davon noch eine erkleckliche Zahl, die ohnehin in Dänemark arbeiten oder wohnen. Das ist schade, denn sie wissen nicht, was ihnen entgeht.
Zwei, die dabei und begeistert waren, sind Anika Hoischen und Partner Arne Schmitz, die für den SC Komet Steckenborn in der Eifel laufen. Das rheinische Paar hatte eigentlich am Bonn Marathon im April teilnehmen wollen, wurde dann aber von einer heftigen Erkältung heimgesucht, so dass man das Vorhaben aufgeben musste. Arne fand schnell Ersatz und lief beim Mendig Marathon mit und schaffte trotz 1000 Höhenmeter eine neue Bestzeit in 3:19h. Anika verschob ihr Halbmarathon-Debüt, da ihre beiden Kinder ein regelmäßiges Training nicht immer zuließen. Dann war Urlaub in Dänemark geplant und die Überlegung geboren, es doch in dort zu versuchen. Bei Online-Recherchen war man auf einen alten LaufReport von Aabenraa (2009) aus der Feder von Kollege Ralf Klink gestoßen und hatte sich kurzfristig angemeldet.
Die Kinder, so Anika, haben wir bei den mitgereisten Großeltern gelassen. Der Weg nach Aabenraa hätte aber immerhin noch 100 Kilometer betragen. Arne wollte hier seine Bestzeit steigern, "so auf 3:15h", zumal hier "nur" die Hälfte der Höhenmeter von Mendig zu bewältigen seien. Anika wollte endlich ihren ersten Halbmarathon bestehen, langsam angehen und sich eine Zeit von unter zwei Stunden für einen der nächsten Läufe aufheben.
Anika schaffte ihr Vorhaben in zweieinviertel Stunden, gestand aber außer Puste ein, wie schwer doch der Lauf gewesen sei. Auch Arne musste Federn lassen, denn aus der PB wurde nichts. Dennoch finishte er in ordentlichen 3:38h den einzigen dänischen Bergmarathon, vor dem er nun mächtig Respekt haben dürfte. Er belegte unmittelbar hinter der ersten Frau den 32. Rang und war damit nicht nur schnellster Deutscher, sondern überhaupt flottester Nicht-Däne.
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Kämpft sich über die Zielgeraden: Marathonsieger Brian Arreborg Hansen | Zweiter im Marathon: Klaus Jørgensen |
Platz 3 für Carsten Frandsen | Rikke Norman wird Marathondritte bei den Frauen |
Alle Siege in sämtlichen Disziplinen gingen an Einheimische. Der Teilnehmerrekord aus 2014 wurde fast erreicht, neue Streckenrekorde waren nicht zu verzeichnen. Im Marathon kamen 205 Läufer ins Ziel, davon 33 Frauen. Zwei Männer blieben bei der schwierigen Strecke knapp unter drei Stunden, drei Frauen unter vier Stunden. Eine Besonderheit bietet Aabenraa für die Königsdistanzler. Für sie ist eine Art VIP-Zelt mit exklusiver Verpflegung eingerichtet, das die Kurzstreckler nicht benutzen sollen. Aber so eng sehen die Veranstalter das nicht.
Glück hatten die Organisatoren mit dem Wetter. Es war trocken, überwiegend schien die Sonne und die Temperaturen kletterten nur phasenweise knapp über zwanzig Grad.
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So war der Marktplatz noch lange nach dem Lauf bevölkert, wo sich die Aabenraasche Marathonfamilie einträchtig an vielen Leckereien gütlich tat.
Als Trophäe erhalten die Gewinner und Platzierten schwere Siegersteine, die zum Siegerfoto zu stemmen den Zierlichen unter den Läufern nicht immer leicht fiel.
Summa summarum: Eine tolle, qualitativ hochwertigen Veranstaltung in begeisterter Atmosphäre, locker dargeboten und geprägt von viel Herzlichkeit.
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Bericht und Fotos von Michael Schardt Ergebnisse und Infos unter www.bjergmarathon.dk Zurück zu REISEN + LAUFEN aktuell im LaufReport HIER |
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