Vor 50 Jahren gewann der Blitz von Kitz drei olympische GoldmedaillenToni Sailer Am 24. August 2009 verstarb Toni Sailer |
Ein Porträt von Winfried Stinn erstellt im Januar 2006
Zwei sportliche Großereignisse, die Olympischen Winterspiele in Turin und die Fußball Weltmeisterschaft in Deutschland beherrschen in diesem Jahr das sportliche Geschehen. Solche Ereignisse sind auch immer wieder Anlass, an Sportgrößen vergangener Tage zu erinnern.
Genau vor 50 Jahren war Italien schon einmal Gastgeber der Olympischen Winterspiele. Cortina d´ Ampezzo war damals Austragungsort und ein junger Tiroler aus Kitzbühel gelangte zu Weltruhm.
„Der Blitz von Kitz“, „Der Skiartist vom Hahnenkamm“, „Das Phänomen von Kitzbühel“, „Tänzer und Kämpfer am Berg“ , „Neuer Stern am Skihimmel“, so überschlugen sich die Schlagzeilen, als der 20-jährige Toni Sailer bei den Olympischen Winterspielen 1956 alle drei Goldmedaillen in den alpinen Skiwettbewerben gewann. Noch heute, 50 Jahre nach diesen einzigartigen Erfolgen, ist die Popularität des österreichischen Jahrhundertsportlers ungebrochen.Mehr als 170 Siege bei großen Rennen sowie sieben Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften ergänzen seine eindrucksvolle Erfolgsbilanz.
Toni Sailer - Foto: Archiv Sailer | Toni Sailer Film: Zwölf Mädchen und ein Mann - Foto: UFA | Toni Sailer Film: Der schwarze Blitz Foto: Illustrierte Film-Bühne |
„Ich hatte im Vorfeld der Olympischen Winterspiele einige große Rennen gewonnen. Mein Ziel war es e i n e Goldmedaille zu gewinnen. Dass es gleich drei wurden und dazu noch die Weltmeisterschaft in der Kombination, war auch für mich überraschend und natürlich eine tolle Sache“, erzählt Sailer. Seine dritte Goldmedaille gewann Toni Sailer im Abfahrtslauf. Hier war er der Favorit, er hatte zuvor mit dem Lauberhornrennen und dem heimischen Hahnenkammrennen die beiden großen Klassiker gewonnen. „Ich hatte die Startnummer 14. Es war bitter kalt, 28 Grad Minus. Ich kannte die Abfahrt ganz genau, ich hatte im Vorjahr als Sieger einen neuen Streckenrekord aufgestellt. Doch an diesem Tag war die Piste vereist, und extrem schwer zu fahren. Der Start war auf einer Höhe von 2282 Meter, von da ging es 900 Meter bergab.“ Doch wenige Minuten vor dem Start erlebte Toni Sailer einige Schrecksekunden. „Der Riemen, mit dem der Schuh an der Bindung befestigt war riss. Unser österreichischer Trainer hatte die Ersatzriemen im Hotel vergessen. Ich bekam dann welche vom italienischen Trainer.“ Sailer ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen und gewann die Abfahrt mit über drei Sekunden Vorsprung.
Dennoch endete der Tag mit einer großen Enttäuschung. „Ich hatte mich in eine französische Rennläuferin verliebt, ausgerechnet an dem Tag, als ich meine dritte Goldmedaille gewann, verließ sie Cortina. Wir haben uns nur nochmals zum Verabschieden gesehen. Ich war sehr traurig, die Siegerehrung und die Feier konnte ich nicht mehr genießen“, erinnert sich der dreifache Olympiasieger, der im November vergangenen Jahres 70 Jahre alt wurde. „Mit der Zahl 70 habe ich keine Probleme. Ich fahre nach wie vor noch leidenschaftlich gerne Ski, spiele leidenschaftlich gerne Golf und wandere in den Bergen. All das hält mich fit. Auch für meine anderen Hobbies wie Lesen, Theater, Oper, Kino nehme ich mir viel Zeit.“
Daneben kümmert er sich noch um seine Skischule „Rote Teufel“, die er seit rund 30 Jahren mit seinem Bruder Rudi leitet. Er ist für die Kinderskischule verantwortlich und immer wieder vor Ort; kümmert sich um die Einteilung der Gruppen, aber auch um Details. „Gerade die Arbeit mit Kindern macht sehr viel Spaß. Hier spürt man die Freude, mit der die Kleinen dabei sind. Ich habe für die Leitung eine Assistentin, so kann ich mich immer wieder mal absetzen und Skifahren; aber ich gehe nach wie vor gerne selbst zur Skischule. Ich kenne ja viele Eltern, die schon als Kind bei mir Skifahren gelernt haben und jetzt ihre eigenen Kinder in die Skischule schicken. Das ist irgendwo sehr schön.“
Mit diesen Skiern wurde Toni Sailer dreifacher Olympiasieger | Das Kitzbüheler Wunderteam Foto Museum Bergstation Hahnenkammbahn: Ernst Hinterseer, Hias Leitner, Christian Pravda, Fritz Huber, Anderl Molterer, Toni Sailer |
Und nicht zuletzt engagiert sich Toni Sailer noch in der Bruderschaft St. Christoph. „Das ist ein Hospizverein, der sich um in Not geratene Familien kümmert.“
Der 70. Geburtstag, die beiden Jubiläen, 50 Jahre Goldmedaillengewinne und 20 Jahre Rennleiter, wurden natürlich gebührend gefeiert. Da sich der Jubilar ein Golfturnier mit seinen Freunden gewünscht hatte, feierte man bereits Ende September vergangenen Jahres. Bei Kaiserwetter richteten der Skiclub Kitzbühel gemeinsam mit den Bergbahnen AG, der Stadt und dem Tourismusverband ein zweitägiges Toni Sailer-Fest, mit Bergfest, Golfturnier und Galaabend aus. Das Motto „70 Jahre Toni Sailer, 50 Jahre 3-fach Gold in Cortina und 20 Jahre Rennleiter Hahnenkammrennen“. Mit dabei waren Ernst Hinterseer und Hias Leitner vom Kitzbüheler Ski Wunderteam, die Skilegenden Karl Schranz, Harti Weirather mit Ehefrau Hanni Wenzel sowie Fußballstar Franz Beckenbauer, um nur einige der vielen Gäste zu nennen.
Diese sparten auch nicht mit Superlativen über Toni Sailer. „Toni ist eine Legende, trotz aller Erfolge ist er bescheiden geblieben“, so Karl Schranz und für Kaiser Franz ist Sailer gar ein „Hero“. „Ich habe Toni Sailer kennen gelernt, da war ich ungefähr zehn Jahre alt. Der Toni war damals ja auch Filmstar und hat in den Bavaria Filmstudios in München gearbeitet. Da habe ich mir ein Autogramm geholt. Das war mein erstes Autogramm, was ich mir von einem Star habe geben lassen. Ich habe Toni Sailer bewundert. Er war für mich ein Held, eine Ikone des Skisports“, schwärmt Beckenbauer. „Richtig kennen gelernt habe ich ihn, als ich vor 25 Jahren nach Kitzbühel gezogen bin. Aus der damaligen Bewunderung ist eine enge Freundschaft geworden. Ich freue mich immer wenn ich ihn sehe, weil er ein ganz unkomplizierter, netter, liebenswerter Mensch ist“, führt Beckenbauer weiter aus. Bei den Festreden wurden neben Sailers Erfolgen auch seine Bescheidenheit, seine Treue zu Kitzbühel und zu seinen Freunden und sein Engagement im sozialen Bereich immer wieder herausgestellt. „Die weltweite Bekanntheit und Bedeutung der Stadt Kitzbühel ist unmittelbar mit dem Namen Toni Sailer verbunden“, so Bürgermeister Dr. Winkler.
Toni Sailer vor wenigen Tagen beim Hahnenkammrennen | Zwei Sportlegenden Toni Sailer und Franz Beckenbauer | Die Gondeln dokumentieren alpine Skigeschichte. Die Nummer Eins gebührt natürlich Toni Sailer |
Das Talent wurde Toni Sailer in die Wiege gelegt, der mit drei weiteren Geschwistern in Kitzbühel aufwuchs. Der Vater, ebenfalls begeisterter und erfolgreicher Skifahrer, brachte seinen Kindern schon frühzeitig das Skilaufen bei. Nicht einmal zwei Jahre alt war der kleine Toni, als er erstmals auf den Skiern stand. „Es lagen ja in der Wohnung genug Bretter rum. Ich bin dann mit den Skiern von meinem Vater und meiner Schwester umherspaziert. Zum zweiten Geburtstag sollte ich eigene Ski bekommen. Da es aber vorher schon viel Schnee hatte, wollte ich nicht mehr so lange warten. Ich freute mich riesig, als ich die Ski schon zehn Tage vor meinem Geburtstag bekam.“
Gleich nach Kriegsende bestritt er im Alter von zehn Jahren sein erstes Rennen. Es folgten recht schnell Siege in den Schülerklassen bei Bezirks-, Tiroler- und Österreichischen Meisterschaften. „Seit meinem zwölften Lebensjahr träumte ich davon Olympiasieger zu werden“, erinnert er sich. „Und daran habe ich hart gearbeitet.“ Zum Training gehörte auch das Laufen. „Ich bin morgens früh den Hahnenkamm hochgelaufen. Aufs Gewichtstraining konnte ich verzichten, das hatte ich beim Ausüben meines Berufes als Spengler nebenbei.“
1952 holt sich Sailer, der seit 1947 dem Kitzbüheler Skiclub angehört, bei den Österreichischen Jugendmeisterschaften die Titel im Abfahrtslauf, im Slalom und in der Kombination. Drei Jahre später beendete er mit 19 Jahren die berühmte Lauberhorn Abfahrt in Wengen als Sieger. Im Olympiajahr gewann er auf seiner Hausstrecke, der „Streif“, das Hahnenkammrennen. Er siegte in der Abfahrt, im Slalom und in der Kombination, bevor er in Cortina bei den Olympischen Winterspielen mit dem Gewinn von drei Goldmedaillen und vier Weltmeistertiteln den größten Triumph seiner Karriere feierte. „Mein Ziel war es bei den Olympischen Spielen 1956 e i n e Goldmedaille zu gewinnen, dass es gleich drei wurden, war natürlich eine tolle Sache. „Aber die Erfolge sind mir nicht geschenkt worden, ich habe hart dafür trainiert“. 1958 beendete er bei der Weltmeisterschaft in Bad Gastein seine Karriere mit drei Weltmeistertiteln (Abfahrt, Riesenslalom und Kombination). So gewann Sailer in nur zwei Jahren bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften zehn Goldmedaillen.
Toni Sailer dreifacher Olympiasieger | Zielschuss Hahnenkammrennen |
„Ich wollte eigentlich schon nach Olympia Schluss machen, da ich mein Ziel, Olympiasieger zu werden, erreicht hatte. Ich wollte aber beweisen, dass mein damaliger Erfolg kein Zufall war und bin dann noch bei der Weltmeisterschaft gestartet“, antwortet Sailer auf die Frage, warum er seine Karriere so früh beendet hat. Natürlich verabschiedete er sich nicht vom Skisport. Als Funktionär und Trainer ist er dem alpinen Skisport bis heute treu geblieben. 1964 war er bei den Olympischen Winterspielen in Innsbruck Chef des österreichischen Skiteams. Zwischen 1972 und 1976 trainierte er die österreichische Nationalmannschaft und führte in dieser Eigenschaft Franz Klammer zum Olympiasieg. Also nur ein Abschied vom aktiven alpinen Rennsport, nicht aber von der alpinen Skiszene. Seine Kompetenz bei internationalen Verbänden war und ist weiterhin gefragt.
20 Jahre lang war er Rennleiter des berühmten Hahnenkammrennens. Diesen Job gab er vor wenigen Tagen endgültig auf, nach dem 66. Hahnenkammrennen. Schon im Vorjahr hatte er verkündet, dass er nicht mehr als Rennleiter zur Verfügung stehen werde; doch bei seinen Feierlichkeiten zum Geburtstag erklärte er den Rücktritt vom Rücktritt. „Ich hänge nochmals ein Jahr dran“, versprach er unter dem großen Beifall seiner Gäste. Doch nun ist endgültig Schluss. „Die Entscheidung ist mir schon vor einem Jahr nicht leicht gefallen. Das Anfangen ist leicht, etwas zu lassen ist schwer. Irgendwie wird man nach dem Gehen beurteilt, wie man sich verabschiedet. Es ist notwendig, dass man gewisse Dinge irgendwann mal sagt, so jetzt ist genug, jetzt sollen es mal andere machen. Der Job des Rennleiters ist schon ein harter Job. Das geht, was die Vorbereitung anbelangt, über einen längeren Zeitraum. Aber in der Endphase geht es doch täglich von 6 Uhr früh bis abends 21 Uhr. Wenn ich eine solche Aufgabe habe, dann will ich die auch 100%ig machen, und ob man das mit 70 immer noch alles so kann, weiß ich nicht. Natürlich werde ich nach wie vor dabei sein, und auch mit der Jury um 6 Uhr früh rauf fahren. Das ist was anderes. Ich werde auch den ganzen Tag da oben sein. Ich werde auch auf Sitzungen gehen. Aber ich sage nur, zwischen müssen und machen ist ein Unterschied.“
Während und nach seiner Karriere wurde Toni Sailer mit Auszeichnungen und Ehrungen überhäuft. Dreimal wählte ihn Österreichs Sportpresse zum Sportler des Jahres. 1956 erhielt er durch die Pariser Zeitung L’Equipe den „Goldenen Ski“, als Auszeichnung für den besten Skisportler des Jahres. 1985 verlieh ihm das Internationale Olympische Komitee den Olympischen Orden. 1999 wurde er zu Österreichs Sportler des Jahrhunderts gewählt und im Vorjahr zum Ehrenbürger der Stadt Kitzbühel.
Toni Sailer immer noch ein begehrter Interviewpartner | Neben dem Skifahren ist Golf Toni Sailers große Leidenschaft | Skulptur an seinem Geburtshaus in Kitzbühel |
Aufgrund seiner großen Popularität wurde er schon während seiner aktiven Zeit als Skifahrer mit Anfragen aus der Film- und Schlagerbranche überhäuft. Bei seinen ersten Filmen „Ein Stück vom Himmel“ und „Der schwarze Blitz“, mit denen er seine Karriere als Filmschauspieler und Schlagersänger einläutete, fuhr er noch Rennen. „Das war für mich kein Problem, das Filmdrehen dauert ja nicht ewig, ein Viertel Jahr vielleicht, dann hatte ich wieder Zeit mich voll aufs Skitraining zu konzentrieren.“ Probleme mit Sailers Filmaktivitäten hatten eher die Funktionäre des Skiverbandes und des Internationalen Olympischen Komitees. Sie sahen Sailers Filmaktivitäten als einen Verstoß gegen den Amateurstatus. „Ich wollte mit meinem Verhalten provozieren, die Funktionäre zum Nachdenken über den unsinnigen Amateurparagraphen anregen. Der Amateurparagraph wurde später gestrichen, für mich natürlich zu spät.“
Mehr als 25 Filme u.a. „Zwölf Mädchen und ein Mann“, „Sein bester Freund“, „Kauf dir einen bunten Luftballon“ folgten. Darüber hinaus spielte er am Theater auch klassische Rollen, wie den Richter Adam im „Zerbrochenen Krug“. „Ich habe für die Rollen hart gearbeitet. Nach den ersten Filmen war für mich klar, entweder lasse ich die Schauspielerei oder ich gehe auf eine Schauspielschule. Ich entschied mich für eine Schauspielschule, die ich in Berlin besuchte. Dort habe ich dann alles gelernt, was zu dem Beruf des Schauspielers dazugehört. Es erfüllt mich schon mit Stolz, dass meine Filme immer noch in den verschiedenen Sendern gezeigt werden.“ Seine beiden letzten Filme waren „Da wo die Berge sind“ (2000) und „Da wo die Liebe wohnt“ (2002).
Auch wenn er in seinem Leben viel herum gekommen ist, seine Heimat war und ist sein Geburtsort Kitzbühel. Hier hat er, unweit seiner Skischule und der berühmten „Streif“, sein Haus, von dem er einen traumhaften Blick auf den Wilden Kaiser genießen kann. „Das atemberaubende Panorama fasziniert mich immer wieder aufs Neue“, schwärmt er, „jeden Gipfel habe ich dort erklommen.“ Aber auch Toni Sailer blieb nicht vor Schicksalsschlägen verschont. Mit 30 Jahren hatte er eine Lungenembolie, eine Freundin verstarb im Alter von 30 Jahren und vor wenigen Jahren verstarb seine Frau Gaby, mit der er seit 1976 verheiratet war.
Neben seinen Erfolgen als Skisportler, Schauspieler und Schlagersänger hat vor allem sein bescheidenes Auftreten in der Öffentlichkeit, sein Engagement für in Not geratenen Menschen und sein Privatleben, das frei von jeglichen Skandalen und Affären war, zu seiner Beliebtheit beigetragen.
Toni Sailer vorgestellt und fotografiert von: Winfried Stinn
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