Lauftreff / memler.de

Pars pro toto: Die "Memler"

Die einfachste Organisationsform des Läufers

von Hannes Blank im Januar 2015

Der sogenannte Lauftreff ist die einfachste Organisationsform des Läufers. Läufer treffen sich an einem verabredeten Ort, um gemeinsam eine bestimmte Strecke zu laufen. Ein Lauftreff ist kein Verein, aber mehr als das zufällige Zusammentreffen von Läufern.
Den allerersten Lauftreff soll es (nach einem auf www.germanroadraces.de veröffentlichten Artikel des Deutschen Sportbundes vom 27.10.2004) im November 1964 in Darmstadt gegeben haben. Am 29. August 1974 wurde offiziell der 1. Darmstädter Lauftreff gegründet. Die Stadt galt in den Nuller-Jahren als Mekka des Lauftreffs, angeblich gab und gibt es bis zu 30 Laufgruppen und 200 Gruppenleiter. Das mag überraschen, weil der Deutsche Leichtathletikverband seinen Sitz in Darmstadt hat und gerade diese Organisation die Laufbewegung in Deutschland jahrelang verschlafen hat.

Es gibt auch noch einen Artikel von Peter Middel, Pressewart des Fußball- und Leichtathletikverbands Westfalen, der am 26. Oktober 2014 über eine kleine Feier berichtete, die anlässlich "40 Jahre Lauftreff" in Kamen-Kaiserau veranstaltet wurde - dieser Lauftreff ist also genau so alt wie sein hessisches Pendant. Viel interessanter ist jedoch der Verweis darauf, dass Matthias Reick (Bremen) auf dieser Feier erwähnte, dass "...Carl Diem bereits 1907 den Gesundheitswert des langsamen Laufens erkannte, als er sich mit einigen Freunden im Berliner Grunewald zu einem gemeinsamen Waldlauf traf. Für den großen deutschen Sportpädagogen war die tägliche Ausdauerschulung bis an sein Lebensende eine Selbstverständlichkeit". Sich mit Freunden im Wald zum Laufen verabreden? Ist das nicht auch schon ein Lauftreff?

Deutliche markierte Verpflegungstelle während eines MEMLER Trainingslaufs"Laufen nach Absprache" bei km 9 und km 26 Armin Buchmüller (links) und Norbert Ahn in ihren Memler-Shirts an der Startlinie des Altstadtlaufs in Ettlingen

Ob man nun gerade den umstrittenen Sportfunktionär Carl Diem (1882-1962), der sich nie von einigen geäußerten pro-nationalsozialistischen Positionen distanzierte, zum Erfinder des Lauftreffs erklären will, ist eine andere Frage. Den gemeinen Lauftreff-Teilnehmer ficht die Politik nicht an: Was zählt, ist der nächste Lauftreff-Termin und die nächste Volkslauf-Teilnahme. Allerdings war und ist die Teilnahme an Volksläufen nie ein Muss des gemeinen Lauftreff-Teilnehmers gewesen. Doch wer kann sich den begeisterten Berichten anderer Lauftreff-Teilnehmer entziehen? Ohne die vielen Lauftreffs würde es viel weniger Volksläufe geben.

Es gibt keine Zahlen, bestenfalls Schätzungen darüber, wie viele Lauftreffs in Deutschland existieren. Allein die (übrigens sehr gut gemachte) Internetseite www.laufen-in-koeln.de weist 48 Lauftreffs in Köln aus, dazu noch 37 außerhalb von der Dommetropole. Sie heißen "1. Peter Maffay Stiftungslauf", "Kölner Laufstall", "Marathonpauer" (sic!) oder einfach "Lauftreff GSV Köln-Porz". Der Verfasser dieser Zeilen nahm in den 1990er Jahren eine Zeitlang am Lauftreff des ASV Köln teil.

Gruppenfoto beim Baden-Marathon 2012, nicht wenige Memler sind immer wieder offizielle Teilnehmer, die als Maßstab für andere Läufer ein ganz bestimmtes Tempo bzw. eine ganz bestimmte Endzeit laufen. Diese ist auf den großen Ballons zu lesen

Als Beispiel soll jedoch ein anderer Lauftreff herhalten, 300 Kilometer weiter südlich: Der Karlsruher Lauftreff "memler", meist als "memler.de" in den Ergebnislisten der südwestdeutschen Region zu finden. Die Memler sind ein klassischer Lauftreff und weisen darüber hinaus ein paar Besonderheiten auf. Im Kern steht ein wöchentlicher, fester Lauftrefftermin (bei vielen anderen Lauftreffs sind es oft zwei), bei den Memlern ist es Mittwoch um 19 Uhr vor dem Haupteingang zur Karlsruher Europahalle. Zwischen April und September wird die "Sommerrunde" gelaufen, in der übrigen Zeit die "Winterrunde". Die Sommerrunde ist rund 14 Kilometer lang und kann bequem auf bis zu 6 Kilometer abgekürzt werden. Charakteristisch ist der (gefühlte) Wunsch vermutlich vieler Lauftreffstrecken bzw. dessen Benutzer, die urbane Mitte der Städte zu verlassen und sich ins Grüne zu begeben. Das gelingt bei der memlerschen Sommerrunde gut und man findet sich bald die gesamte Strecke auf Wald und Flur wieder. Das man auf dieser Strecke eine Fleischfabrik, ein Asylantenheim und eine Außenstelle eines landwirtschaftlichen Technologiezentrum passiert, mutet einem wie ein Rundgang durch aktuelle gesellschaftliche Fragen an. Am Schönsten ist es jedoch, wenn gerade Segelflugzeuge auf einem nahen Feld- und Wiesenflugplatz starten und landen.

Die "Winterrunde" ist rund 12 Kilometer lang und orientiert sich daran, wo man einerseits ungestört, andererseits unter Straßenlaternen laufen kann. Denn der gemeine Lauftreff-Teilnehmer weiß, er kann auch noch so blinken und leuchten wie ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum, er wird dennoch von dem ein oder anderen Autofahrer ignoriert oder übersehen.

Lauftreff-Gruppe der Memler bei einem gemeinsamen Trainingslauf im August 2010 "Memler International": Gruppenbild im französischen Reims

On nun Sommer- oder Winterrunde: Innerhalb der Teilnehmenden gibt es zu Beginn eine Einteilung nach Geschwindigkeit. Maß ist die Einheit Minuten pro Kilometer, sie ist einfach zu berechnen. Favorit bei dem Memlern ist die "6er Gruppe", also eine Geschwindigkeit von 6 km pro Minute, was heißt, für einen klassischen 10km-Lauf würde man mit diesem Tempo genau ein Stunde benötigen. Die Memler sind kein Hochleistungsklub, die fitteste Gruppe läuft selten schneller als 5min/km, die langsamste Gruppe läuft 6:30 bis 7 Minuten pro Kilometer. Es gilt der Grundsatz, dass keiner "abgehängt" wird und wenn es sich mal doch schneller als angekündigt entwickelt, ist eine kleine Erinnerung an das voran gewählte Tempo nicht ehrenrührig.

Die Memler treffen sich in erster Linie, um Spaß am Laufen zu haben. Gerne gewählte Gesprächsthemen sind vergangene und zukünftige Volkslaufteilnahmen, bei denen Veranstaltungen mit hohem Genusswert im Vordergrund stehen. Der gemeine Memler ist eher ein Lauf-Genießer als ein Strecken-Schinder. Das spiegelt sich in der Wahl des Logos der Memler wieder: Drei etwas pummelige Männchen laufen da um die Wette, entworfen und gezeichnet von der Kinderbuch-Illustratorin Anna-Karina Birkenstock. Sie nahm einst in Karlsruhe an einem Kurs teil, der die Teilnehmer darauf vorbereiten sollten, einen ganzen Marathon zu laufen.

Einmal im Jahr wird gewandert: 2011 in Herrenschwand im Schwarzwald Memler (hier in roten Shirts) kümmern sich beim Mini-Marathon am Vortag des Baden-Marathons um die Laufwettbewerbe der Kleinsten und deren Teilnehmer

Diese Kurse gab es bis 2010, sie hießen "Mein-erster-Marathon". Und hier zeichnet sich auch schon ab, warum die Memler Memler heißen, was bei einigen Stadionsprechern mitunter zu Irritationen führte und die Karlsruher Lauftreffler als "Memel-ler" angekündigt wurden, als hätten sie irgendetwas mit dem Fluss an der Ostgrenze des Deutschen Reiches zu tun. Nein, "Memler" ist so eine Art gebeugtes Akronym, entstanden aus den Anfangsbuchstaben des Laufkurses "Mein-erster-Marathon". Der oft verwendete Zusatz ".de", also "Memler.de" weist auf ein wichtiges Kommunikationsmittel der Memler hin, die Internetseite. Wichtigste Infos dort sind die Termine zu "Laufen nach Absprache", die das Mittwochabendangebot der Sommer- und Winterrunde erweitern. Der Mittwochabend- und damit eigentliche Lauftreff wiederum kam aus den Initiativen ehemaliger Kursteilnehmer. "Das ist fließend entstanden", so Agnes Mussler, ehemalige Kursleiterin und heutige Lauftreffteilnehmerin, "...die Teilnehmer wollten nach dem Kurs nicht aufhören zu laufen und haben das selbst organisiert". (Den Kurs "Mein-erster-Marathon" gab es von 2001 bis 2010 und wurde vom Lauftherapeut Reinhard Mussler und Physiotherapeut Frank Schmelcher geleitet).

Diese drei Memler (in der Mitte Barbara Zilly-Stump) haben nur noch wenige Meter bis zum Ziel in Rheinzabern Beim Rißnertlauf in Karlsruhe-Rüppurr 2014 waren diese beiden Memlerinnen (in Gelb) unterwegs

Dass die Memler ein eigenes Trikot (meist gelb und mit den oben beschriebenen Männchen bedruckt) haben, ist nicht die einzige Besonderheit des Lauftreffs, es gibt dort noch mehr Dinge, die über einen konventionellen Lauftreff hinausgehen, der im Grunde ja nur ein zwangloses Treffen Laufbegeisterter sein soll: Einmal im Monat gibt es einen Memler-Stammtisch beim "Griechen" im Clublokal des SV Karlsruhe-Beiertheim; neben einem Saisoneröffnungs-Wochenende im Schwarzwald wird noch ein Lauftrainingslager, eine Wanderung und ein Sommerfest organisiert. Darüber hinaus gibt es noch "Memler International": Einmal im Jahr organisieren Memler eine Laufreise (immer die Kombination Marathon mit Halbmarathon-Möglichkeit) ins Ausland, letztes Jahr war es ein Kurztrip zum "Swiss City Marathon" nach Luzern, dieses Jahr geht es nach Irland. Auf der Liste des bisherigen "Memler International"-Termine stehen u.a. Reims, Lissabon und Athen.

Schneller Memler: Armin Buchmüller auf der Strecke der Winterlaufserie 2013/2014 in Rheinzabern Marathon-Vielstarter Gerd Jacobi beim Rißnertlauf in Karlsruhe-Rüppurr 2014

Viele Karlsruher sind unter Umständen mit Memlern in Kontakt gekommen, ohne es zu merken: Beim jährlichen "Mini-Marathon" am Vortag des "großen" Baden-Marathons im September. Mindestens 70 Memler müssen (und wollen) dann nämlich als Helfer bereit stehen, um den Massen an infanti- bis jugendlichen Läufern im Beiertheimer Stadionrund Herr zu werden, wenn diese ihre eigenen kleinen Marathons laufen. Wer schon mal eine große Bambini-Laufveranstaltung (inklusive dauerfotografierender Eltern) gesehen hat, wird schnell erkennen, dass ein Theaterstück von Yasmina Reza ("Der Gott des Gemetzels") kein unpassender Vergleich ist.

Diese drei Memler in Gelb haben nach nur knapp zwei Kilometern auf der Rheinzaberner Winterlaufstrecke noch gut lachen Memlerin Claudia Klumpp im Ziel des Lußhardtlaufs im nordbadischen Hambrücken

Es sind also ziemlich viele Aktivitäten, die die Memler immer wieder erfolgreich stemmen. Ein Verein wollen die Memler jedoch nicht werden: "Das würde gegen unsere Leitlinien verstoßen", so Memlerin Barbara Zilly-Stump. Ohne umständliche Vereinssatzung, Jahreshauptversammlung, Kassenprüfer und Rechenschaftsberichten lebt es sich doch besser, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Das Laufen.

Das Porträt der "memler.de" erstellte Hannes Blank
Fotos © Hannes Blank & Tobias Mark

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