Matthias Deutschmann wurde 50

Der Freiburger Kabarettist ist begeisterter Läufer

von Winfried Stinn im Oktober 2008

Der Kabarettist Matthias Deutschmann feierte kürzlich in Freiburg seinen 50. Geburtstag. Eifrigen LaufReport-Lesern dürfte aufgefallen sein, dass der Namen Matthias Deutschmann immer wieder in Reportagen von Laufveranstaltungen  aus dem Südbadischen erscheint.

Als Kind und Jugendlicher betrieb er nur wenig Sport. Später begeisterte er sich für Tennis und Unterwasser-Rugby. Seine ganz große Leidenschaft war das Schachspielen. 1977 wurde er Badischer Jugendmeister und spielte bis 1988 mit dem „SK Freiburg-Zähringen 1921“ in der Schach-Bundesliga. Seit nunmehr acht Jahren begeistert sich der schwergewichtige „Wahl-Freiburger“ fürs Laufen.

„Das Laufen verdanke ich der Überzeugungsarbeit meiner Frau Antje. Es ist für mich ein notwendiger Ausgleich für das Herumfahren als Kabarettist“, sagt er. Zunächst versuchte er sich über fünf Kilometer. Mit vielen Gehpausen brauchte er 40 Minuten für diese Strecke. „Das war eine Quälerei“, erinnert sich Deutschmann heute. Bei einem Vortrag über Trainingslehre von Herbert Steffny holte er sich wertvolle Tipps. Die wichtigste Erkenntnis aus den Steffny-Vorträgen: Das Laufen macht erst dann Sinn und erzielt Wirkung, wenn man mindestens dreimal wöchentlich trainiert. „Daran versuche ich mich zu halten und laufe bei drei Trainingseinheiten rund 40 km in der Woche.“

Matthias Deutschmann ist seit 8 Jahren begeisterter Läufer (rechts mit Ehefrau Antje beim Schluchseelauf)

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. 2007 schaffte er beim Freiburg-Marathon die Halbmarathondistanz. Wenige Wochen später meisterte er auch die 18 km lange, recht anspruchsvolle Strecke beim Schluchseelauf. „Die Vorbereitung auf den Halbmarathon in Freiburg fiel damals genau in die Endphase für mein neues Programm (Anmerkung: Reise nach Jerusalem). Das hat zwar geklappt, war aber sehr hart. Ansonsten lässt sich das Laufen gut mit meinen Vorführungen verbinden“, so Deutschmann. „Das Laufen tut mir sehr gut. Ich fühle mich wohl danach und nach manchen Läufen bin ich so richtig euphorisch.“ Deutschmann startet für den USC Freiburg.

In Freiburg begann vor 28 Jahren seine kabarettistische Laufbahn. Er zählt seit Jahren zu den besten Köpfen des deutschen Kabaretts: Matthias Deutschmann: „Ja, guten Abend. Schön, dass Sie da sind. Ich fasse mal kurz für Sie zusammen, was Sie bisher versäumt haben...“ So begrüßt Deutschmann gerne zu spät Gekommene in seiner Veranstaltung. Während er im Schnelldurchlauf für die Nachzügler eine Kurzfassung abspult, verdrücken sich diese ob solch zweifelhafter Ehrerbietung geschwind auf ihre Plätze. Was da in typisch Deutschmann’scher Doppelbödigkeit herüberkommt, hat noch eine dritte Dimension. Im Handumdrehen stellt er nämlich so die Nähe zum Publikum her.

Und tatsächlich sind es seine Hände, die gewissermaßen als „Geburtshelfer“ seine Worte in den Raum geleiten, seine Handgelenke, die diese förmlich herausschütteln. Sollten dem Publikum dabei mal die Lacher im Halse stecken bleiben, mag er das als Kompliment verbuchen. Etwa wenn er im aktuellen Programm „Die Reise nach Jerusalem“, seiner Verwunderung darüber Luft macht, warum sich ein großes deutsches Boulevardblatt über die reguläre Haftentlassung ehemaliger RAF-Terroristen so aufregt: „Was ist das für ein Staat, wo Mörder frei herumlaufen dürfen?“ (BILD) „Aber das sind wir doch seit 1945 gewöhnt!“ (Deutschmann)

Mit den Hände - gewissermaßen als „Geburtshelfer“ - die Worte in den Raum geleiten

Deutschmanns Paradedisziplin ist die freie Improvisation. Der Schachspieler Deutschmann, der übrigens auch dem erfolgreichen Schachprogramm „Fritz 5“ seine Stimme geliehen hat, findet auch im Kabarett in schwierigen Situationen schnell gute Züge, die er mit seinen Händen gestenreich in sein Publikum hineinspielt. Das ist die Kür. Zur Pflicht gehören Hammersätze wie: „George W. Bush war der teuerste Horrorfilm, den sich Amerika je geleistet hat. Aber er hat alles wieder eingespielt!“

Und in seinen Veranstaltungen entpuppt sich sein Cello als Gegengewicht zum monumentalen Wort. „Mit dem Cello“, sagt der Hüne, „kämpfe ich gegen die Wortlastigkeit des Kabaretts. Ganz im Ernst: Ich rede zu viel und das geht nicht nur mir so.“ Matthias Deutschmann ist seit nahezu 28 Jahren unterwegs in Deutschland. Kleinere Ausflüge führen ihn regelmäßig in die Schweiz und auch nach Österreich.

1997 war er „Artist in residence“ bei den Wiener Festwochen. Das gleiche Jahr verzeichnet aber auch heftige Scharmützel mit dem Bürgermeister von Müllheim, der Deutschmann und sein Kabarett aus der Müllheimer Martinskirche verbannt. Die Kirche ist zwar seit über hundert Jahren profan und diente zwischenzeitlich sogar als Stadthalle in der auch Fasnet gefeiert wurde, aber alles Argumentieren half nicht. Der Bürgermeister attestierte dem alten Gemäuer „eine Restsakralität“ die es verbiete, dort Kabarett aufzuführen. Der Gemeinderat nickte die Entscheidung ab. Deutschmann zog bis vor den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim und kassierte eineNiederlage.

Mit dem Cello kämpft Matthias Deutschmann gegen die Wortlastigkeit des Kabaretts

Zehn Jahre später taucht der Martinskirchenstreit in der juristischen Fakultät der Universität Freiburg wieder auf: Als Lehrmaterial für juristische Fehlentscheidungen durch die Instanzen. Ist es ein schönes Gefühl Recht zu behalten, auch wenn man es nicht bekommen hat? Deutschmann winkt ab: „Der Streit mit dem regierenden Bürgermeister hat mir sogar einen Platz im Gemeinderat beschert. Dort erinnerte ich mich dann an die Warnung eines Müllheimer Insiders: Ohne Bauerwartungsland in den Stadtrat? Das macht keinen Sinn.

Viel kritisiert und doch konsequent zog Deutschmann 2000 wieder nach Freiburg, dass er 1989 in Richtung Berlin verlassen hatte. „Ich habe damals überlegt, ob ich nach Köln oder Berlin gehen soll. In Berlin hatte ich mir in den 80er Jahren ein Publikum erspielt. Das war für mich die Grundlage den Sprung zu wagen.“ „Die Welthauptstadt des Kalten Krieges“ war dann für den Südbadener wohl etwas zu kalt. Der Umzug nach Berlin blieb ein Gastspiel. Deutschmann kehrte 1991 zurück. „Es war zu spät für eine neue Heimat. Ich habe meine Wurzeln hier zwischen Kandel und Schauinsland. Leider hat das den Nachteil einer vermehrten Reisetätigkeit. Der Verkehr ist in den letzten 10 Jahren zäh geworden und die A5 zieht sich gewaltig.“

Mit der „Reise nach Jerusalem“ wird er voraussichtlich bis 2009 unterwegs sein. Das Programm hat sich seit der Premiere von Monat zu Monat verändert. Aktualität ist ihm wichtig und es gibt kaum einen Kabarettisten der schneller reagiert und improvisiert als Deutschmann. Aber: „Als Kabarettist darf ich nicht zulassen, dass sich der Abend in noch so aktuellen Petitessen verliert. Mit dem Publikum die Tageszeitung nachzuarbeiten ist ein zweifelhaftes Vergnügen.“

Der Kabarettist und Läufer Matthias Deutschmann von Winfried Stinn eingefangen

Am Anfang eines politischen Programms steht bei Deutschmann immer das starke Verlangen große Themen auf die kleine Bühne zu bringen. Für die Reise nach Jerusalem hat Deutschmann ausgiebig recherchiert. Die Geschichte des Nahen Ostens, Israel und Palästina. „Da kann man sich leicht verirren und verlieren. Irgendwann kommt immer der Zeitpunkt, da muss ich raus aus den Büchern, die Skizzen müssen zu einem Text werden und der muss alles was an Papier erinnert verlieren, wenn er auf der Bühne Bestand haben soll.“

Heiße Eisen aber sind eine Leidenschaft des Mannes, der schon im Kindesalter in seiner Heimatgemeinde den Wunsch geäußert haben soll, einmal Kabarettist zu werden. Während seines Studiums in Freiburg - wo er sich in Biologie, Philosophie und Germanistik versuchte – kam er schließlich darauf zurück. Schlüsselerlebnis war die Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk in Wyhl. Die erlebte er 1975 im Wyhler Wald hautnah mit. Sie war für ihn der Anstoß, sich politisch einzumischen.

Sein kabarettistischer Weg führte ihn als Mitbegründer der Freiburger Studenten-Kabarettgruppe „Schmeißfliege“ (1980) zu einer kurzen und heftigen Autorentätigkeit für das Düsseldorfer Kom(m)ödchen und schließlich zum ersten Soloprogramm. Das entwickelte er mit literarisch-künstlerischem Anspruch jenseits der „branchenüblichen satirischen Auslegware“ (Deutschmann). Wo immer der Mann sein Cello aus dem großen roten Kasten auspackt, verspricht der Abend raumfüllende Bühnenqualität. Unzählige Tourneen innerhalb von 25 Jahren und auch zahlreiche Fernsehsendungen haben dafür gesorgt, dass die Liebhaber der Spezies Deutschmann überall in der Republik verstreut sind.

Weitere Infos und alle Termine www.matthiasdeutschmann.de

Das Portrait "Matthias Deutschmann" erstellte Winfried Stinn
Fotos © Winfried Stinn

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