Egon Swarowsky

Wir brauchen unseren langen Atem

 

Wer kennt sie nicht, die Läuferschar des LT Rheinhessen-Pfalz, die allwöchentlich bei fast jedem Laufevent zu sehen ist. Nicht zu übersehen ist, sollte man wohl besser sagen, denn die Laufshirts und z.T. auch Shorts, Strümpfe und Schuhe leuchten einem von weitem in Orange entgegen. Auch Egon Swarowsky gehört zu der privat organisierten Gruppe, die auf den Laufdistanzen über 5km, 10km, HM, Marathon und Walking Läuferinnen und Läufer jeden Leistungsniveaus ins Rennen schickt.

Egon Swarowsky ist nicht nur passionierter und ambitionierter Läufer, sondern auch leidenschaftlicher Schreiber. Mit nur wenig Input von seinen "orangenen Brüdern und Schwestern" bringt er fantasievolle und sprachlich versierte rheinhessisch-pfälzische Laufberichte als Rundbrief zu Papier, die oft die Summe der Wochenend-Läufe in einen ansprechenden Text gießen.

"Momentan ist man bei jedem einsamen Lauf für kleinste Ablenkung dankbar, freut sich, wenn ein Hase den Weg kreuzt, ein Mäusebussard-Pärchen am Himmel seine Kreise zieht, ein verrücktes Wiesel mich einige Meter begleitet oder eine kleine Rehfamilie aus dem Unterholz prescht." Es liegt auf der Hand, dass auch Egon Swarowsky nicht nur das Laufen im Wettkampfmodus vermisst, sondern auch die damit einhergehenden Begegnungen und Sozialkontakte. Es ist ja nicht das Laufen allein, sondern die beiläufigen Gespräche beim Einlaufen, nach dem Duschen das Zusammensitzen in größerer Runde, fachsimpeln oder plaudern, etwas Kleines essen, vielleicht einen Ne... , Moh… ähm Schokokuss von Misaki genießen - Geselligkeit eben. Und die fehlt, das tut fast schon ein bisschen weh.

Aber wir wollen nicht vergessen, dass es andere Länder gibt, in denen man das Haus nur zum Einkaufen oder für den Weg zur Arbeit verlassen darf. "Zum Glück ist uns das einsame Laufen nicht weggebrochen, jeder Lauf ist momentan ein Höhepunkt weg vom Alltagstrott, ich versuche jeden Kilometer bewusst zu genießen, was leider nicht oft klappt…" Einmal traf Egon beim Lauf am Wochenende keinen Geringeren als Jochen Heringhaus, dieser mit dem Rad, Egon per Laufschuh, und im Vorbeiradeln wurden einige Worte gewechselt. Auch Jochen Heringhaus, diesem exzellenten Urgestein der Laufmoderation, wird unsere Gegenwart als unwirkliches Szenario erscheinen, auch wenn er sich nach dem letzten Frankfurt Marathon aus dem aktiven Lauf-Geschehen verabschiedet hat.

Egon Swarowsky empfiehlt, bei den einsamen Trainingsläufen die Streckenlänge, -Profil und das Tempo zu variieren, um wenigstens etwas Abwechslung und Anreiz zu schaffen. Dennoch fehlen die Volksläufe, der Kontakt unter den Läufer*innen, und, darf man es verraten? "…Beim Wochenend-Lauf ziehe ich mein oranges LT-Shirt an, um wehmütig an die coronalose Zeit zu denken..."

Alsdann, gelaufen wird, und es wird auch geschrieben. Denn obwohl nach Einsetzen der Ausgangssperre erst für einige Wochen die Motivation und die Erlebnisse fehlten, halten die Aktiven des LT Rheinhessen-Pfalz so gut es geht Kontakt, und wer will schickt seine Trainingsergebnisse oder -erlebnisse, die dann zu einer Geschichte verarbeitet werden. "Uns ist es wichtig, dass wir den Kontakt halten, Zusammenhalt demonstrieren, versuchen abzulenken. Klar, jeder kämpft auf seine Weise mit der Lage, wir werden die Zeit rumkriegen, und der Tag kommt, an dem wir wieder Startnummer-geschmückt durch Felder, Wiesen, Wälder und Dörfer laufen."

Wenn es dann so weit ist, werden wir vermutlich auch ein Gefühl von - sagen wir ruhig: Dankbarkeit - verspüren, weil wir dann wissen werden, dass manches, was wir als normal empfinden, gar nicht selbstverständlich ist.

Beitrag von Anette Judith Scholl
Foto © Ekkehard Gübel

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