In 80 Tagen um die Welt

Heppenheimer Sportler wollen gemeinsam 40.075 Kilometer laufen

von Axel Künkeler (15.12.2020)  

Es ist hinlänglich bekannt: Corona hat die Welt verändert und die Laufsportszene weitgehend zum Stillstand gebracht. Erst wurde die Frühjahrs-, dann die Sommer- und Herbst-Laufsaison verschoben. Derzeit stirbt auch die Hoffnung auf die Winterlaufserien und Crossläufe. Aber Laufen an sich ist weiterhin erlaubt, Wälder und Felder blieben - anders als zuweilen in dem einen oder anderen Nachbarland - hierzulande während der gesamten Pandemie geöffnet.

Laufen als Individualsport, jeder für sich oder in Corona-Verordnungsgerechten Kleingruppen, bleibt also möglich. Um wenigstens ein bisschen Gemeinschafts-Erlebnis oder Wettkampf-Feeling zu erzeugen, sind zahlreiche virtuelle Laufwettbewerbe entstanden. Zuweilen wurden herkömmliche Veranstaltungen kurzerhand ins Internet verlegt, zuweilen wurden aber völlig neue Formate entwickelt.

Ein besonders schönes Beispiel für Letzteres ist eine inzwischen dreistufige Aktion des HC VfL Heppenheim. Die Handballer der südhessischen Kreisstadt können ihren Ballsport überhaupt nicht ausüben, die Hallen sind gesperrt, Trainings- und Spielbetrieb schon auf Monate hinweg ausgesetzt. In dieser Situation hatte der Trainer der männlichen C-Jugend Stefan Schäfer eine Idee, um seine Jungs weiterhin bei der Stange zu halten.

Initiator Stefan Schäfer (rechts) hält den Ziel-Schal der Deutschland-Umrundung für die Läufer mit den meisten Kilometern

Mit der MJC veranstaltete er schon im Corona-Sommer einen ersten virtuellen Lauf: von der Spielstätte des HC VfL, der Heppenheimer Nibelungenhalle zur Handball-Arena des THW Kiel. Nachdem seine 15 Jungs die 520 Kilometer absolviert hatten, schickte Christian Sprenger, der ehemalige Nationalspieler des THW, sogar einen Video-Glückwunsch. Nach der erfolgreichen Premiere dachte Schäfer schnell daran, die Aktion auf den gesamten Verein auszuweiten.

So entstand die Idee, mit Hilfe der Lauf-App Runtastic Deutschland virtuell zu umrunden. Die Distanz beträgt immerhin 3358 Kilometer, da müssen also weit mehr als nur die Jugendlichen mitmachen. Er begeisterte den Trainer des Bezirksoberligisten Timo Leister und auch die Trainer der übrigen Mannschaften, die ihre Spieler per WhatsApp informierten.

Die Absage des Spielbetriebs war dann der letzte Impuls, loszulaufen. Am 27. Oktober fiel der Startschuss für die Aktion: Laufen als zusätzliches Training, vor allem aber als Motivation dazu. Nach genau einem Monat hatten die Heppenheimer Handballer ihre virtuelle Deutschland-Umrundung abgeschlossen. Bis 26. November haben 81 Sportler insgesamt 3.379 Kilometer zurückgelegt, also 21 mehr als eigentlich nötig waren.

Mit Stefan Schäfer an der Spitze starteten die Heppenheimer Handballer am Bruchsee ihre virtuelle Deutschland-Umrundung

Der Erfolg brachte den Initiator Stefan Schäfer und Vorstandsmitglied Susanne Marx auf die Idee, mit Unterstützung der Heppenheimer Sportvereine das nächste große Ziel in Angriff zu nehmen: "In 80 Tagen um die Welt", so das Motto der dritten Stufe. Seit Anfang Dezember wollen nun Sportler mehrerer Vereine der Kreisstadt die 40.075 Kilometer lange Strecke am Äquator im virtuellen Wettstreit schaffen.

Das Ziel des HC VfL Heppenheim, diese Distanz in 80 Tagen zu absolvieren, erweist sich jedoch als echte Herausforderung, die wohl nur schwer zu bewältigen ist. Nach zwei Wochen, Mitte Dezember haben die bislang 92 Läuferinnen und Läufer mit rund 3200 km fast schon wieder eine Deutschland-Umrundung geschafft - also sogar in der Hälfte der Zeit, die von den HC-Handballern dafür benötigt wurde.

In Teamstärke ist der Lauftreff des Heppenheimer Skiclubs mit von der Partie - beim Altstadtlauf ebenso wie bei der Aktion "In 80 Tagen um die Welt"

Auch die Rechnung von Schäfer schien durchaus realistisch: "Wir brauchen 200 Läufer, die jeweils 200 Kilometer laufen". Doch von 200 Teilnehmern ist die Aktion noch weit entfernt, obwohl einige Läufer aus anderen Vereinen mitmachen. Vor allem die Ausdauersportler vom Lauftreff des Heppenheimer Skiclubs sind gleich mit mehreren Läufern sehr stark vertreten. Allen voran André Wahlig, der sich über die Idee der Handballer freut.

Wahlig gehört derzeit zu den stärksten Heppenheimer Marathonläufern mit einer Bestzeit von unter drei Stunden. Er liefert sich in der Gruppe "Around the world", die auf der Lauf-App Runtastic die Einzelergebnisse zusammenfasst, einen packenden Zweikampf mit Martin Borgenheimer. Der Erbacher, der als Repräsentant für den Schweizer Laufschuh-Hersteller On tätig ist, zählt ebenfalls zu den besten Langstreckenläufern der Kreisstadt. 2019 kam er beim 12. Heppenheimer Altstadtlauf nach einem spannenden Duell mit Triathlet Luca Füßler vom Schwimmclub auf Rang zwei.

Traditionell gehen viele Läufer beim Heppenheimer Altstadtlauf an den Start. Die im September geplante 13. Auflage fiel jedoch Corona zum Opfer André Wahlig vom Heppenheimer Lauftreff, hier beim Altstadtlauf 2019, hat bislang die meisten Kilometer für die Weltumrundung gesammelt

Die Beteiligung geht inzwischen bereits über die hessische Kreisstadt hinaus, hat sogar etwas internationales Flair. Denn mit Michael Buchbauer beteiligt sich ein Marathonläufer aus Graz. Der Österreicher ist vor Corona bei zahlreichen Marathons weltweit mitgelaufen - ob Toronto oder St. Petersburg, ob beim Big Sur in Kalifornien oder beim Victoria Falls in Simbabwe. Aber in der Pandemie neigt auch er zur Vorsicht, hat alle Laufreisen bis auf weiteres gecancelt. Er hofft auf 2021/22, wenn internationale Marathons wieder stattfinden werden. Derzeit läuft er individuell oder eben virtuell in der Gruppe "Around the world".

Dabei geht es für die Läufer nicht um Zeiten und Platzierungen, allein die Frage "Wer schafft wie viel Kilometer?" sorgt für ein wenig Wettkampf-Feeling. Und da führen André Wahlig (254 Kilometer) und Martin Borgenheimer (237) die Dezember-Wertung mit großem Vorsprung an. Die Führung zwischen den Beiden wechselt ständig hin und her, mal liegt André, dann wieder Martin vorn. Insgesamt haben Wahlig und Borgenheimer allein fast 600 der aktuell rund 3200 Kilometer absolviert.

Dahinter folgen mit großem Abstand die erste Frau, Jay Schuster sowie der laufende Reporter (beide je 160 Kilometer). Auch um Platz drei der Gesamtwertung also ein interessantes Duell. Noch mehr beschäftigt etliche Teilnehmer jedoch die Frage: "Wer eigentlich ist diese Jay?" In der regionalen Laufszene ist die Frau mit dem männlichen Vornamen jedenfalls ebenso wenig bekannt wie beim HC VfL. "Jay kenne ich nicht", bestätigt Stefan Schäfer.

Einige vermuten hinter dem Phantom "Jay Schuster" schon einen bekannten Heppenheimer Läufer, Jay als Pseudonym für Tobi. Doch Tobias Schuster vom Lauftreff, ebenfalls ein Drei-Stunden-Marathonläufer winkt ab, während etliche Lauftreffler wie Wahlig, Patrick Keuschen oder Michael und Ulrike Blesing mit ihren Kindern eifrig Kilometer für die Aktion sammeln.

Der M40er Martin Borgenheimer wurde beim Altstadtlauf 2019 Zweiter hinter Luca Füssler. Ebenso spannend verläuft sein Duell mit André Wahlig Michael Buchbauer beim Big Sur Marathon 2017 an der Pazifikküste "Ist das Jay?", Jay Schuster, die Frau mit den meisten Kilometern? Offenbar nicht, denn hier läuft erkennbar ein Mann - Tobias Schuster vom Lauftreff, der rein zufällig den gleichen Familiennamen trägt. Jay bleibt ein "Phantom" Auch Lauftreffler Michael Blesing, hier beim Lorscher Triathlon 2018, sorgt dafür, dass das Ziel "40.075 Kilometer in 80 Tagen" noch erreicht werden kann

Sie und viele andere sind denn auch mit großer Begeisterung dabei, laufen weiter fürs große Ziel, in 80 Tagen die Welt zu umrunden. Das würde bedeuten, dass 500 Kilometer Tag für Tag von den Teilnehmern bewältigt werden müssten. Davon ist die Aktion bislang weit entfernt, aber noch bleiben ja neun Wochen. Weitere Mitstreiter, ob aus Heppenheim oder nicht, sind jedenfalls willkommen, zum Erfolg von "Hepprum runs around the world" beizutragen. "Jeder Kilometer zählt", motiviert Initiator Stefan Schäfer zum Mitmachen.

Wer noch mitlaufen will, kann die App kostenlos laden und sich registrieren unter: www.runtastic.com/groups/around-the-world.

Bericht und Fotos von Axel Künkeler

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