Der Waldweg ist die neue TartanbahnSportnachwuchs im Corona-Alltag |
von Almuth Steinhoff (3.6.2020) |
Mit Alina Glomb, Justine Wehner und Luna Nowak trainieren drei junge Sprinterinnen in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts, die das Leichtathletik-ABC quasi vor der Haustür im Jerichower Land erlernt haben. Alina und Luna haben beim SV Chemie Genthin begonnen, Justine bei der TSG "Grün-Weiß" Möser.
Seit zwei Wochen sind die Sportstätten wieder freigegeben, die Trainingsgruppen können unter Beachtung der Hygieneregeln üben. Hinter dem Trio liegen Wochen des "homeschooling" und des isolierten Trainings, allein und nur unterstützt durch Trainingsplan und online-Coaching - hier lesen Sie Eindrücke aus diesen Wochen:
Normalerweise ist das Tartanoval des Leichtathletik-Stadions am Olympiastützpunkt Magdeburg das "zweite Zuhause" für Alina, Luna und Justine. Die drei Leichtathletinnen aus dem Jerichower Land trainieren in normalen Zeiten ein- bis zweimal täglich unter professionellen Bedingungen und gehören mit ihren Disziplin-Leistungen zur nationalen Spitze. Doch das Tor zum Sportgelände ist abgeschlossen, der Zutritt zur Laufhalle und zum Kraftraum nur den Olympiakadern per Sondergenehmigung erlaubt. Auch das nahe gelegene Sportgymnasium öffnet die Türen vorerst nur für die Zwölftklässler, die ihre Abiturprüfungen schreiben und zurzeit Konsultationsunterricht haben.
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Luna beim Lauftraining |
Für Alina und Justine, die in der elften Klasse lernen, gibt es seit der Schulschließung Mitte März ein straffes "Corona-Schulbüro". Für jede Woche stehen Aufgaben für vier oder fünf Fächer auf dem Plan. Meist ist das E-Mail-Fach am Montag gut gefüllt und wartet auf Abarbeitung. Mehrere Stunden täglich und per E-Mail mit den Lehrern verbunden versuchen die beiden Mädchen "am Unterrichtsstoff dranzubleiben, der ja Grundlage für die Abiturprüfungen ist." Auch Achtklässlerin Luna lernt zu Hause und hält täglich einen selbst gesteckten dreiteiligen Zeitplan ein. "Schulaufgaben bis zum Mittag, danach Training nach Plan und noch einen kleinen Block Schularbeit", beschreibt die Fünfzehnjährige ihre Tage zu Hause in Parchen. Freie Minuten sind eher selten, denn Luna nimmt das Doppelpack Schule/Training sehr ernst.
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Alle drei Leichtathletinnen werden von ihren Trainern mit detaillierten Trainingsprogrammen versorgt. Diese umfassen zum einen das Abarbeiten der geforderten Übungen, aber auch die Rückmeldung per Internet-Nachrichtenübermittlung oder Video und die Korrektur der Abläufe. Im Gegensatz zu ihren fußballspielenden Schulkameraden, die mindestens einmal wöchentlich per Videokonferenz gemeinsames Athletiktraining durchführen, werden die Mädchen im Einzelcoaching versorgt. |
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Justine mit ihrem Bruder beim Lauftraining im Külzauer Forst |
"Eigentlich hat sich nicht so viel geändert. Das Grundlagentraining verlagern wir nun auf die Waldwege", schildert Justine ihren neuen "Arbeitsplatz" im Külzauer Forst. Alina blickt schon auf die zweite Jahreshälfte: "Die Saison haben wir nun nach hinten geschoben, wenn sie überhaupt stattfindet." Als einzige Nachwuchsmeisterschaft stehen die Deutschen Jugendmeisterschaften (24.7. - 26.7.) in Ulm noch im Terminplan des DLV. Vor einem Jahr an gleicher Stelle sicherte sich Justine auf der flachen Stadionrunde den Deutschen Meistertitel. Langhürdlerin Alina wurde Fünfte im B-Finale. Während sie nun ab Januar in der Altersklasse U20 startet, steht für Justine das zweite U18-Jahr an. "Die U18-EM in Rieti wurde abgesagt, so wären Stand heute die DM mein Saisonhöhepunkt mit dem Ziel, den Titel zu verteidigen." Auch Luna hätte bei den Deutschen Schülermeisterschaften das Potential, auf das Podest zu sprinten. Aktuell belegt sie im 60m-Ranking der fünfzehnjährigen Mädchen Platz drei. Über die Hallenrunde (200m) erreichte sie beim letzten Wettkampf der Wintersaison in der ARENA Leipzig 25,60s (Platz zwei national). Falls der Saisonhöhepunkt für die jüngeren Athleten in den August verschoben wird, steht für Luna an erster Stelle, den Staffeltitel des letzten Jahres mit ihren Vereins-Mädchen vom SC Magdeburg zu verteidigen.
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Alina mit Schäferhündin Aika, ihrer Trainingspartnerin | Alina beim Techniktraining auf einem Feldweg nahe Genthin |
Aber das sind lediglich coronabedingte Gedankenspiele, schillernde Seifenblasen, welche die drei Mädchen erstaunlich abgeklärt vertreiben. Das "Tagesgeschäft" sind die Trainingsaufgaben, welche mehrmals wöchentlich online ausgewertet und aktualisiert werden. Ein weiterer Lichtblick ist die Öffnung der Schule zumindest für die Elftklässler ab 4. Mai, "so dass man wenigsten dort die Sportkameradinnen sieht", so Alina. Kleine Schritte zurück in die Normalität, die dann vielleicht auch wieder offene Türen zur Trainingsstätte zulässt.
Doch in jeder Krise steckt auch eine Chance: Alina nutzt die freie Zeit für Dinge, die im Internatsalltag sonst zurückstehen müssen. Schäferhündin Aika genießt die langen Ausläufe, und die Inliner und das Trampolin werden regelmäßig genutzt. Luna kann sich ebenfalls um ein vierbeiniges Familienmitglied kümmern; der zwölf Wochen alte Golden Retriever Asko braucht viel Beschäftigung und Auslauf. Justine wiederum ist täglich auf den Waldwegen rund um die Gartenstadt Möser unterwegs und erlebt den Frühling ganz intensiv.
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Luna nutzt auch das Fahrrad als Alternative |
Doch natürlich wünscht sich das Trio nichts mehr als die Rückkehr zur Normalität. Würde man einfach hinlaufen können, wären die die drei schnellen Mädchen mit Sicherheit ganz vorn dabei.
Ein kleiner Schritt zur Normalität stellt die Öffnung der Schulen dar. In A- und B-Gruppen unterteilt lernen die Schüler in den letzten Tagen des Schuljahres. Auch wenn gerade häusliches Lernen angesagt ist - trainiert wird nun täglich im "zweiten Zuhause", auf der roten Tartanbahn am Olympiastützpunkt.
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