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9.10.2011 - 44. Schwarzwaldmarathon BräunlingenBräunlingen - Wiege des Frauenmarathons Rückblick eines ganz besonderen Bräunlingen-Fans |
von Günter Krehl |
Am 29. Mai 1971 erscheint Bräunlingen erstmals auf meiner persönlichen Landkarte. Der TSV Münchingen veranstaltet den 2. Internationalen Strohgäu Volkslauf über wohlwollend vermessene 18 Kilometer. 10 Minuten nach mir läuft Elfriede Rapp aus Dietlingen durchs Ziel. Ihre 76 Minuten waren schon erwähnenswert in einer Zeit, in der Frauen bei Volksläufen als Langstrecke 3.000 m zugewiesen bekamen und auf der Männerdistanz höchstens geduldet, in vielen Fällen sogar unerwünscht waren.
Wäre der Spätwintereinbruch im Hochgebirge ausgeblieben, säße ich an diesem Tage auf dem Gipfel des Piz Buin, so erfahre ich nach meiner Ersatzdauerleistung vom Ehepaar Rapp, dass "in einem kleinen Ort am Ende der Welt" der teilnehmerstärkste Marathon des Erdballs mit mehr als elfhundert Teilnehmern stattfinden würde. Ungläubig vernehme ich, dass eben jene Elfriede Rapp die 2. und 3. Auflage in 4:05 und 3:51 für sich entscheiden konnte und dass mehr als 50 Frauen diese "mörderische Distanz" bewältigt hatten.
Dies ist ein persönlicher Rückblick und der muss sich bescheiden auf wenige Personen und Sachverhalte. Alle großartigen Sieger und Platzierten der letzten 43 Jahre mögen mir verzeihen. Sehr intensiv mit der Geschichte des Laufes hat sich zum 40. Jubiläumslauf mein von mir sehr geschätzter LaufReport-Kollege Werner Sonntag in seinem äußerst lesenswerten Bericht "Wie ein Klassiker entstanden ist" auseinandergesetzt. Er hatte nicht nur 1968 in der Stuttgarter Zeitung vom ersten Schwarzwaldmarathon berichtet, er war auch drei Jahre später sehr interessiert an meiner Zulassungsarbeit "Volkslauf", von der er Auszüge in seinem Blatt veröffentlichte, weil es damals so gut wie keine Texte über Langstreckenlauf gab, sieht man von den ersten Ausgaben der Zeitschrift "Condition" ab.
5 Wochen nach meinem ersten Abenteuer über 100 Kilometer in Unna stehe ich an der Startlinie in Bräunlingen. Mit 1.223 Teilnehmer im Ziel behauptet sich der Lauf weiterhin als Nummer eins. Die Anfahrt mit dem Zug am Vortag war eine kleine Weltreise gewesen, von Donaueschingen bis Bräunlingen schleppte ich meine Sporttasche, die Nacht mit 25 weiteren Sportlern hatte ich auf dem Boden der Sporthalle verbracht. Ein geregeltes Training im Vorfeld war mir zu dieser Zeit fremd. Im Durchschnitt einmal 10 Kilometer die Woche sollte schon gut sein, schließlich hatte es für die Ultradistanz auch gereicht und da war ja noch meine jahrelange Mittelstreckenerfahrung.
Dass diese nichts nützt und Marathon härter als Ultra sein kann, erfahre ich nun leidvoll. Erst fallen die Anstiege leicht, lachend grüße ich Otto Hosse, den Begründer des Volkslaufes in Deutschland, wer kennt ihn noch? Abwärts melden sich erst die Knie, dann bremst mich die Flüssigkeitsaufnahme, der Magen rebelliert, das fehlende Training fordert Gehpausen. Ich schleiche mit 3:35:08 durchs Ziel, hinter mir braust Beifall auf. Elfriede Rapp vollendet ihren Hattrick und stellt mit 3:35:18 einen neuen Streckenrekord auf. Sie wird in den nächsten Jahren noch so manchen Marathon in Süddeutschland gewinnen. Früh muss sie sich vom Leistungssport zurückziehen, als Pionierin der Langstrecke sollte sie unvergessen bleiben.
Schon wenige Sekunden später kennt die Begeisterung keine Grenzen. Die dreiundfünfzigjährige Eva-Maria Westphal, Zahnarzthelferin aus Hamburg erreicht das Ziel, in Unna hatte sie die 100 Kilometer in 10:11:51 gewonnen. Diese außergewöhnliche Frau, nicht unbedingt mit einer Läuferfigur gesegnet, schrieb in den Anfängen des Frauenausdauersports Geschichte. Noch zwei Jahrzehnte belebte sie mit ihrer fröhlichen Art die Szene, auch wenn die junge Generation der Vahlensiecks, Winters oder Preuß` diese nun bestimmten.
Gut getan hat mir dieser erste Marathon nicht. Ich kann keine Flüssigkeit zu mir nehmen, muss mich lange übergeben, nach Donaueschingen trampen, bin erst eine halbe Stunde nach Mitternacht zu Hause gut, dass noch Semesterferien sind.
725 Trainingskilometer stehen in meinem Lauftagebuch für das Jahr 1972. Noch immer habe ich nichts gelernt. Im Oktober schnüre ich drei Mal meine Sportschuhe, zwei mal davon zum Marathon. Diesmal erfolgt die Anfahrt mit dem Auto drei Stunden über die Landstraße, die Bodenseeautobahn existiert noch nicht. Mit ähnlichen Zwischenzeiten geht es mir auf der zweiten Hälfte noch schlechter als im Vorjahr. 2:05 Minuten vor mir erreicht Werner Sonntag nach 3:49:58 das Ziel. Die Heimfahrt verbringe ich liegend auf dem Rücksitz meines Käfers. Meine Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Petra hat ihr Rennen nach 4:48 wesentlich besser verdaut und fährt. Die Teilnehmerzahl in Bräunlingen erhöhte sich auf 1.434.
1973 und 1974 steigern wir unser Training über 1 bis 2 mal die Woche auf 2 bis 3 mal. Der Schock meiner beiden Bräunlingenstarts sitzt so tief, dass wir in diesen Jahren gemeinsam laufen und uns über 4:40 auf 4:05 steigern. Ein Erdbeben sind die jeweiligen Siegerzeiten von Gabriela Schiess (3:09:02) und Gerda Reinke (3:09:03). Ich sehe die junge Schweizerin auf der geschmückten Bühne der alten Turnhalle stehen und bestaune sie, wie ein Wesen von einem anderen Stern. Noch ahnt niemand, dass sie 11 Jahre später bei den Spielen in Los Angeles als Gaby Andersen-Schiess traurigen Weltruhm erlangen wird. Weiterer Aufwärtstrend: 1.700 Teilnehmer, darunter 86 Frauen, ein Jahr später sogar 1.964 inklusive 110 Frauen im Ziel.
1975 ist das Jahr des Durchbruchs im Langstreckenlauf der Frauen. Organisator Roland Mall bekommt vom DLV den Zuschlag, die 1. Deutsche Marathonmeisterschaft für Frauen auszutragen. Weltweit sind es die ersten nationalen Titelkämpfe und die DLV Asse sind neben den Amerikanerinnen führend. 1973 veranstaltete Dr. med. van Aaken in seinem Heimatort Schwalmtal-Waldniel den 1. Internationalen Frauenmarathonlauf und ein Jahr später kam es dort sogar zum Länderkampf Deutschland gegen die USA. Mit Liane Winter (2:50), Chantal Langlance (2:51) und Christa Vahlensiek (2:54) lagen drei spätere Weltrekordlerinnen ganz vorn. Nach neuem Beschluss des Weltverbandes IAAF im Jahre 2011 sollen "Weltrekorde" der Frauen nur noch in separaten Rennen aufgestellt werden. Gemeinsam mit Männern können dann nur noch "Weltbestzeiten" aufgestellt werden.
Schade, dass Funktionäre sich leider wieder frauenfeindlich rückwärts entwickeln. Logischerweise sollten dann die männlichen Weltrekorde mit Tempomachern auch nur Weltbestzeiten sein. Dass 1975 noch getrennte Meisterschaftsläufe stattfinden, war verständlich, schließlich steht man am Beginn einer stürmischen Entwicklung, die schon 9 Jahre später mit dem Olympialauf in Los Angeles seinen vorläufigen Höhepunkt erreichen sollte.
Am Samstag, dem 11. Oktober 1975 steht ein kleines Häuflein Athletinnen in Bräunlingen am Start. 55 Frauen werden bei der Meisterschaft gewertet, 16 davon bei den gleichzeitig ausgetragenen 1. Baden-Württembergischen Titelkämpfen, 9 beinhaltet die internationale Gästeklasse. Christa Vahlensiek gewinnt in der noch heute gültigen Streckenbestzeit von 2:45:43 vor Manuela Preuß (2:56:30) und Liane Winter (2:58:15). Meine Frau Petra wird 27. in 3:46:25, einen Platz vor Elfriede Rapp (3:47:11), drei Ränge vor der 1. Bräunlinger Marathonsiegerin Marthel von der Berge (3:47:50) auf Position 32 läuft die nun siebenundfünfzigjährige Eva-Maria Westhpal (3:52:07).
Als 5. steigert sich die Siegerin des Vorjahres, Gerda Reinke, auf 3:07:26. Ihren Doppelstart am nächsten Tag beim 8. Schwarzwald Marathon beendet sie nach 3:15:37 nur um 2 Sekunden geschlagen als Zweite. Mir gelingt nach Verdoppelung der Trainingskilometer auf etwa 3.000 mit 3:08:30 endlich ein einigermaßen vorzeigbares Resultat.
Durch die schnellere Anfahrt sind für uns die Nächte auf dem Hallenboden nun Geschichte. 1976 beginnt die Zeitspanne getrennter Starts. Frauen und Jugendliche laufen um 9 Uhr los, die Männer folgen eine halbe Stunde später. Liane Winter (3:10) startet in diesem Jahr ihren Hattrick. Beim Bostonmarathon im Frühjahr war sie als Vorjahressiegerin bei den Amerikanern eine richtige VIP gewesen. Später wird sie mit 2:40 sogar Weltrekordhalterin werden.
Zwar ist der direkte Vergleich unter Geschlechtsgenossinnen sicher reizvoll, für viele der 119 Damen dürfte die Einsamkeit auf der 1. Hälfte aber bedrückend und das ständige Überholen durch schnellere Männer auf dem 2. Teil nervig sein. Petra wird 8. in 3:36:36 und besiegt mich (3:36:49) im indirekten Vergleich zum 2. Mal nach Boston, wo sie mich um 13 Minuten deklassiert hatte. Mehr als 2 000 Wettkämpfer erreichen das Ziel. An diesem Tage schwöre ich, nie mehr beim Marathon zu trinken und damit beginnt eine lange Serie relativ schneller Wettkämpfe auf der klassischen Distanz.
Bis 1988 ist Bräunlingen wie Ostern, Weihnachten und Sommerferien eine feste Größe in unserem Kalender. Meist dient der hügelige Kurs als guter Testlauf, im Schnitt um die 2:50, für einen schnellen Herbstmarathon eine oder zwei Wochen später. Ein richtig schnelles Rennen (1982: 2:42:30) ist mir nie gelungen.
1978 bekommen die Frauen eine ganze Stunde Vorsprung. Ein halbes Jahr nach der Geburt von Töchterchen Tanja gewinnt meine Frau (3:46) das Verfolgungsrennen und rettet sich sicher vor mir (2:50) ins Ziel. 19 Schüler heutzutage nicht mehr erlaubt und 42 Jugendliche stehen in der Ergebnisliste, sie waren mit den 117 Frauen ins Rennen gegangen. Insgesamt sind mehr als 1.800 Teilnehmer im Ziel.
1979 überschreitet der Schwarzwaldmarathon wieder die Zweitausendergrenze, inzwischen ist Boston jedoch an ihm vorbeigezogen. Die Oma als Kinderbetreuerin ermöglicht uns wieder einen Doppelstart. Petras Bestzeit von 3:32:06 reicht nur zu Rang 15 im starken Frauenfeld. Ich begleite einen Mannschaftskameraden. Bräunlingen dient als ideale Vorbereitung für Neuf-Brisach (2:31:59) 14 Tage später.
1980 dürfen die Männer wieder um halb zehn starten. Bei Kälte und Nässe gelingt mir eine elf Minuten schnellere zweite Hälfte. 500 Meter vor dem Ziel kann ich Petra (3:16:28) einholen und diesmal das Verfolgerduell zu meinen Gunsten entscheiden (2:46:15). 1981 ist sie (3:21:37) dank ungenauer Startzeiten wieder 15 Sekunden vor mir im Ziel (2:51:19).
1982 dürfen die B-Jugend, die weibliche A-Jugend und die Schüler nur noch als Volkslauf ausgeschrieben und gewertet werden. Am 9. Oktober 1983 finden die Süddeutschen- und Baden-Württembergischen Meisterschaften im Rahmen des 16. Schwarzwald-Marathons statt. Der Freudenstädter Karl-Heinz Scheder wiederholt im Trikot des VfL Sindelfingen seinen Vorjahreserfolg und stellt mit 2:24:25 einen bis heute gültigen Streckenrekord für die große Runde auf. Zwanzig Jahre später wird der Kenianer Moses Cheserek zwar 1:27 Minuten schneller sein, er läuft den Rekord allerdings auf der zwischenzeitlich wieder aufgegebenen flacheren zwei Runden Strecke. Maria Ganter startet mit 2:53:28 ihre vierfache Siegesserie, 1989 wird sie mit ihrem 5. Erfolg Rekordgewinnerin. Petra erreicht Platz 9 mit 3:12:54.
Am 14. Oktober 1984 starten die Frauen endlich wieder mit uns gemeinsam. Grund genug, nach 10 Jahren mal wieder mit Petra Seite an Seite zu laufen. Jetzt aber mit dem Ziel, in der Frauenwertung ganz vorne zu landen und die drei Stunden zu streifen. Trotz Platz 3 in der Gesamtwertung hat meine Frau nicht den besten Tag, vielleicht bekommt ihr einfach der Tempomacher nicht. 3:14:25 ist aus späterer Sicht so schlecht nicht, heute jedoch Enttäuschung pur. 1.843 Teilnehmer, darunter 156 Frauen im Ziel zeigen noch keinen Einbruch. Es sind die Jahre der Leistungsläufer, die Spaßrunner liegen noch in den Windeln, Frankfurt und Berlin feiern ihren 4. Geburtstag und haben Bräunlingen die Nummer eins in Deutschland endgültig abgeluchst.
Traditionell stehen noch immer die besonderen Mannschaftswertungen auf dem Programm: Militär-Marathon-Cup, Firmen-Cup, Bräunlinger Marathon-Cup für Senioren, Fürstenberg-Marathon-Trophy für Männer und der Frauen-Marathon-Cup. 1985 gibt es 2.056 Finisher, inklusive 171 Frauen.
Der 13. Oktober beginnt mit Kühle und Nebel. Meine siebenjährige Tochter Tanja sitzt gut verpackt im Rennkinderwagen, als um 9.30 Uhr der Böllerschuss ertönt. Noch ist der Babyjogger nicht erfunden und wo unser Gespann in der Vergangenheit aufgetaucht war, hatte es immer für Verwunderung gesorgt. Nettozeiten fanden sich erst 20 Jahre später in den Listen
Nach 100 Sekunden fahren wir am Ende des Feldes über die Startlinie. Auf Asphalt läuft es gut, alle Mitläufer sind unheimlich nett, machen gerne Platz, keiner meckert. Viele Streckenteile sind dieses Jahr neu gerichtet. Im weichen Sand graben sich die schmalen Rennräder tief ein. Ausnahmsweise sind die Kilometerschilder mehrmals nicht am richtigen Ort. Nach Streckenhälfte (1:50:27) rollt es besser. Ein Ordner will mich aus dem Rennen nehmen. Mit einem großen Schlenker weiche ich aus und fahre beinahe in den Graben.
Bei einem kleinen Anstieg vor dem Forsthaus ist es dann so weit. Ein bärenstarker Zehnkämpfertyp hält den Kinderwagen fest. Er packt mich am Arm, ich schreie ihn an, Tanja ist entsetzt. Mitläufer setzen sich für uns ein: "Lassen sie den Mann los" (Da war doch mal was, irgendwann in Boston!). Der Kerl streicht meine Startnummer mit einem dicken Stift durch. Endlich lässt er mich los. Abends in der Badewanne werde ich einen blauen Fleck am Oberarm entdecken. Vielleicht wird er 2011 meinen Bericht lesen und sich melden, damit ich ihm vergeben kann.
Vollgepumpt mit Adrenalin rollen wir die letzten Kilometer im 4:30er Schnitt. Wie lange der Zwangsstop gedauert hat, lässt sich im Nachhinein nicht sagen, 3:26:14 nach dem Startschuss sind wir jedenfalls wieder zurück. Unsere "Bruttozeit" steht in der offiziellen Ergebnisliste. Tanjas Mutter läuft mit 3:12:36 persönliche Streckenbestzeit. Den 2. und letzten Kinderwagenmarathon werden wir als Familie zwei Jahre später in Karlsruhe bestreiten, dann steigt das Töchterchen mit neun endgültig aus dem Gefährt und wird ein weiteres Jahr später die 10 Kilometer auf eigenen Beinen in 44 Minuten zurücklegen.
1986 gibt es meines Wissens nach Teilnehmerrekord sowohl bei den Frauen (196) als auch insgesamt (2.321). Beim 20. Jubiläumslauf 1987 wird die Zweitausendermarke (2.043) zwar wieder überschritten, der Rückgang ist aber deutlich. Am 9. Oktober 1988 brauchen wir auf der Bodenseeautobahn nur mehr 70 Minuten nach Bräunlingen. Dafür dauert der "Abschiedslauf" bei mir fast drei Stunden. Petra geht es noch schlechter, sie muss erstmals aussteigen. Daraufhin beschließen wir, ein Jahr zu pausieren. Weniger als 1.600 kommen ins Ziel.
Wir tragen einen Teil Mitschuld am Teilnehmerschwund "unseres Bräunlinger Marathons". Wie ein Liebender, der nach treuen 18 Jahren seine Gefährtin verlässt, um ein Jahr in der Fremde zu weilen, aber nie mehr wiederkehrt, so finde ich den Weg auf die Baar nicht mehr. Aus der Ferne lesen wir jedes Jahr die Berichte des Schwarzwälder Boten, erst sind es noch Sonderseiten, dann wird die Berichterstattung immer kleiner.
Gut, dass das Internet ins Leben tritt, nun kann man endlich wieder Ergebnislisten aus Bräunlingen lesen. Die werden immer kleiner und lassen nichts Gutes ahnen, kämpft der Lauf doch um sein Überleben. Streckenänderungen, Aufnahme von Rahmenwettbewerben, Ideen und Innovationen in ungeahnter Hülle und Fülle fruchten nach anfänglichen Schwierigkeiten. Das neue Team um Klaus Banka ist motiviert bis in die Haarspitzen.
Trotzdem ist es wie im richtigen Leben: Manch schöne Stadtmarathonmaid oder manch hübsches Citylaufgirl kann sich vor Verehrern kaum retten, obwohl die Starter einen hohen Preis zahlen müssen und manchmal ganz schön angeschmiert werden. Unser herbes Schwarzwaldmädel bietet viel für wenig Geld. Trotzdem muss es seine Stammläufer mit Natur pur immer wieder neu locken und frische Verehrer von seiner Ehrlichkeit und Sinnlichkeit überzeugen.
18 Jahre war ich in der Fremde gewesen, Ausreden, die Heimkehr zu verschieben gab es zuhauf: Länderkämpfe, Bahn- und Bergläufe, Meisterschaften auf allen Ebenen, Krankheiten, Verletzungen. Zum 40. Jubiläum ist es soweit. Heimkehr des Ausgewanderten, Rückkehr in die Heimat, Wiedersehen mit der Jugendliebe. Wie hat sie sich verändert, ist noch ein bisschen Glanz und Schönheit von einst zu sehen? Wie wird sie sich mir gegenüber verhalten? Hat sie mein Fernbleiben verziehen?
Mit Kribbeln im Bauch genieße ich Halle, Marathonsteele, Stadttor, vieles ist so, wie wenn ich nie weggewesen wäre, anderes hat sich geändert. Ohne die alte Leidenschaft aber mit ganz viel inniger Verbundenheit stehe ich am Start und begebe mich in großer Gelassenheit auf die Strecke. Viele Teile des Kurses sind mir noch immer vertraut, selbst die gefürchtete Abwärtspassage habe ich in Gedanken meinem operierten Knie genauso vorgespielt. Um die Nettozeit meines Kinderwagenlaufes zu erreichen, laufe ich einen Negativsplit von 13 Minuten.
Walter Wagner von LaufReport fotografiert und grüßt in der Nähe des Kirnbergsees. Noch ahne ich nicht, dass er mich 4 Jahre später bitten wird, für sein Internetmagazin von der 44. Auflage meiner alten Marathonliebe zu berichten. Nach dem See belaufe ich Neuland, die letzten Meter sind mir wieder vertraut, wie wenn ich gestern dort trainiert hätte.
Plötzlich stutze ich, Liane Winter sitzt kurz vor Kilometer 40 in ihrem Rollstuhl und feuert jeden der 550 Marathon- und wohl auch die 1 341 Halbmarathoneilnehmer mit großer Begeisterung an. Bewundernswert, wie die einstige Weltklasseläuferin ihr Schicksal meistert. Sie ist für mich ein großes Vorbild. Wie viele ehemalige Supersportler verschwinden von der Bildfläche und wollen mit ihrer einstigen Liebe nichts mehr zu tun haben. Direkt nach dem Zieleinlauf schnalle ich mir meine Skikes an die Füße und fahre zurück zu Liane. Es ist mir ein Herzenswunsch, ihr meine Hochachtung auszudrücken. Ich bin wieder daheim in Bräunlingen.
Nachtrag: Wer Klaus Banka erst in jüngster Zeit kennengelernt hat, kann kaum glauben, dass dieser stattliche Mann einst die Marathonstrecke in 2:25 Stunden zurückgelegt und zu den besten Langstreckenläufer des Landes gehört hat. Noch mehr erstaunt mich persönlich aber die 5:43:08, mit denen er sich vor wenigen Tagen in Berlin seinen Traum von einer "Wiederkehr" nach 25 Jahren Abstinenz verwirklicht hat. Hoffen wir, dass der rührige Organisator in den nächsten Jahren noch für manche Überraschung gut ist, was die Zukunft "seines Laufes" betrifft und diese sichert.
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Bericht von Günter Krehl im September 2011 LaufReport über den Schwarzwaldmarathon 2022 HIER Zu aktuellen Inhalten im LaufReport HIER |
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