13./14.10.2007 - 40. Int. Schwarzwald-MarathonWie ein Klassiker entstanden ist |
von Werner Sonntag |
Vor allem aber ist der Schwarzwaldmarathon weltweit der erste Marathon, zu dem ganz offiziell Frauen zugelassen waren. Das war nicht die Frucht ideologischen Kampfes von Frauenrechtlerinnen, sondern entsprang eher pragmatischen Überlegungen des Initiators, des Diplom-Volkswirts Roland Mall. Er war unter anderem auch Sportwart im Skiclub 1900; dem Verein gehörten Frauen und Mädchen an, die den Skilauf als Leistungssport betrieben. Wesentlicher Bestandteil des ganzjährigen Trainings war der Langstreckenlauf. Bereits 1951 hatte im Schwarzwald die erste Deutsche Skimeisterschaft im Damen-Skilanglauf stattgefunden. Die Vizemeisterin kam aus Donaueschingen. Auch später waren, wie Roland Mall schrieb, die Skiläuferinnen aus dem Gebiet von Donaueschingen bei Schwarzwald- und bei Deutschen Meisterschaften erfolgreich und hatten sogar internationale Erfahrungen sammeln können. Auf das Potential von Skilangläuferinnen konnte sich Roland Mall stützen, als er mit dem Schwarzwaldmarathon den ersten Marathon auch für Frauen ausschrieb. Das Ausdauertraining der Skiläuferinnen hatte ihn auf diesen Gedanken gebracht. Er hatte beobachtet, daß die Mädchen und Frauen nicht, wie damals angenommen, weniger, sondern mindestens genauso belastbar gewesen waren wie das männliche Geschlecht. Warum also, fragte er sich, sollten die Frauen bei dem geplanten Marathonvorhaben ausgeschlossen werden?
Roland Mall schrieb mir später (7.12.1983): Allerdings gab es dabei einen großen Haken: Er bestand darin, daß die erste Ausschreibung eines Frauenmarathons illegal war, nämlich weder durch nationale noch durch internationale Regeln gedeckt war.
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Würde es bei diesem Vorhaben zu gesundheitlichen Schäden von Frauen kommen, dann stand dem Vereinsvorstand und Organisationschef nicht nur der Staatsanwalt, sondern auch noch der Zivilrichter ins Haus. Die Tatsache anzuführen, daß schon früher gelegentlich die eine oder andere Frau teils mit teils ohne Wissen des Veranstalters an einem Marathon teilgenommen hatte, konnte dabei ebensowenig etwas nützen wie der Hinweis auf die Ausdauerleistung der Skidamen. War diese doch über weit kürzere Strecken erbracht worden. Um daher im Ernstfall nicht ganz ungedeckt dazustehen, wurden einige Sportärzte mit Hinweis auf die Ski-Langläuferinnen über das Donaueschinger Vorhaben informiert und um Stellungnahme gebeten. Erfolg: Schweigen im Walde. Darauf bemühte man sich, das Vorhaben beim DLV-Volkslauf unterzubringen. Aber auch dieser Plan mußte scheitern. Dort waren derart lange Strecken nicht im Programm. |
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Initiator des Schwarzwald-Marathon: Roland Mall |
Um nun das Risiko eines Strafverfahrens und einer womöglich noch folgenschwereren Zivilklage auf das Niedrigste herunterzuschrauben, mußte als erstes das Zeitlimit in der Ausschreibung sehr großzügig bemessen werden.“ In der Tat betrug die Sollzeit nicht weniger als 10 Stunden. Ein 71jähriger sportlicher Geher bewältigte die Strecke in wenig mehr als 6 Stunden. Der offenbar letzte Teilnehmer benötigte 8:06:20 Stunden. Noch 1970 war der Zielschluß erst nach 9 Stunden.
Eine Klippe war für Roland Mall das Genehmigungsverfahren. „Mit keinem Wort war bei dem seinerzeitigen Vereinsantrag auf Veranstaltungsgenehmigung durch den DLV von dem geplanten Frauenstart die Rede gewesen. Nicht einmal der Badische Leichtathletik-Verband wußte etwas davon. Im gegenteiligen Fall hätte man mit einem Verbot expressis verbis rechnen müssen. So hatte sich die DLV-Genehmigung nur auf den Männerlauf bezogen. Dieser Genehmigungsvermerk war indes auf der Ausschreibung so plaziert worden, daß Nichtinformierte meinen mußten, dieser gelte auch für den Frauenmarathon.... Natürlich ist dem DLV das Unternehmen der Schwarzwälder nicht verborgen geblieben.
Doch da ein späteres Veto genauso ausgeblieben war wie eine gravierende Frauenausfallziffer, hatte man bereits im November 1970 den Antrag auf DLV-Genehmigung des Frauenlaufs gestellt. Es zeugt von dem aufgeschlossenen Sinn des damaligen DLV-Sportwarts Fallak, daß er diesem Antrag am 27. Januar 1971 entsprochen hat. Somit ist der DLV im ganzen internationalen Verbandssektor der erste Landesverband gewesen, der einen Frauenmarathon genehmigt hatte. Wesentliche Verbandsimpulse dazu waren aber auch von den DLV-Vizepräsidenten Ilse Bechthold, Frankfurt, und Helmut Rang, Karlsruhe, ausgegangen. Speziell die Erstgenannte hat sich dadurch in das Buch der Sportgeschichte eingeschrieben, daß sie gegen den massivsten Widerstand anderer Landesverbände den Langstreckensport der Frauen für den ganzen IAAF-Bereich durchgedrückt hatte.“ |
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Werner Sonntag beim Schwarzwald-Marathon 1971 |
Die Anmeldungen von Frauen wuchs bald zu einer dreistelligen Zahl. Davon hat dann Ernst van Aaken profitieren können. Als er 1973 in Waldniel seinen ersten Marathon allein für Frauen veranstalten wollte, lagen bis zum Schluß der Anmeldefrist nur drei Meldungen vor. Ernst van Aaken erkannte dann dankbar an, daß ihm die Kartei des Schwarzwaldmarathons zur Verfügung gestellt wurde, so daß der Frauenmarathon doch noch stattfinden konnte. 1974 wurde beim 7. Internationalen Schwarzwaldmarathon, erstmals in der Sportgeschichte, ein verbandsoffizieller Ländervergleichskampf der Frauen im Marathon ausgetragen. 1975 schrieb der DLV als erster Verband in Europa und als zweiter nach den USA die erste Nationale Meisterschaft der Frauen im Marathonlauf aus. Die Ausrichtung wurde dem Schwarzwaldmarathon übertragen, womit die Pionierleistungen in der Entwicklung des Frauenmarathons honoriert wurden.
Mall hatte das Glück, bereits im September 1945 aus Gefangenschaft freizukommen, und er machte in Donaueschingen sein Versprechen wahr, indem er mit Gleichgesinnten die Sportvereinigung Donaueschingen mit sieben selbständigen Fachabteilungen gründete. Mall war nicht nur Vorsitzender, sondern auch als Sportwart in den Abteilungen Leichtathletik, Ski und Schwimmen aktiv. Der von ihm ins Leben gerufene Schwarzwaldmarathon, organisiert von der SV Donaueschingen und dem TuS Bräunlingen, ist also nur das überregional bedeutende Erbe jener Aufbaujahre. 1980 hielt es Roland Mall für an der Zeit, sich zurückzuziehen, nicht aus gesundheitlichen Gründen, wie er mir mitteilte, sondern weil er es geraten hielt, den Altersabstand zwischen Leistungssportlern und Funktionär nicht so groß werden zu lassen.
Bereits zum 4. Schwarzwaldmarathon hatten sich 1505 Teilnehmer angemeldet, beim Zehn-Jahr-Jubiläum waren es 2118, davon 130 Frauen. Damit war der Schwarzwaldmarathon zum teilnehmerstärksten Marathon der Welt geworden. Zum Vergleich: Am 1. New York-Marathon 1970 im Central Park starteten 126 Männer und eine Frau, und selbst beim ersten Marathon durch die fünf Stadtteile 1976 waren es nur 2002 Männer und 88 Frauen. Aus dem sprunghaften Anstieg der Teilnehmerzahlen - bis schließlich auf etwa 2700 im Jahr 1986 - ergab sich eine weitere Besonderheit: Die Veranstalter führten 1972 erstmals in der Sportgeschichte die elektronische Datenerfassung bei einer Laufveranstaltung ein. Seit jenem Jahr gilt die erzielte Marathonzeit als Nachweis zum Erwerb des Deutschen Marathon-Testabzeichens.
Auf meiner Altersklassenliste (L 3 - Jahrgang 1915 - 1927) aus dem Jahr 1968 entdecke ich Theo von dem Berge, Alfons Ridder, Hans Jürgensohn (Begründer des Hoechst-Marathons), Rolf Brokmeier (mit seinem Konkurrenten Alfred Pohlan lange Jahre der Läufer mit den meisten Marathons), Otto Hosse (der Veranstalter des ersten deutschen Volkslaufes und Bundesvolkslaufwart) - meine Marathonzeit (es war der dritte Marathon) betrug 4:18:51 Stunden. Im Jahr darauf erreichte Meinrad Nägele (der Organisator der Interessengemeinschaft älterer Langstreckenläufer e.V.) den zweiten Platz der M 3 und lief der spätere Bundeslauftreffwart Friedemann Haule seinen ersten Marathon.
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1971 erzielte Hans Gulyas, später Inhaber des Karlsruher Laufshops, mit 2:27:16 den Streckenrekord. und Gabriele Schiess (die nämliche, die 1984 in Los Angeles durch ihre Hitzeschädigung Schlagzeilen machte) mit 3:09:02 den Streckenrekord der Damen. Auf meinen Listen finde ich bekannte Namen wie Martha von dem Berge, Christel Vollmershausen, Eva-Maria Westphal, Johanna Lutter. Es liefen hier Julius Hannappel, Harry Arndt, Kurt Vögeli, Günter Krehl, mit dem ich erst im vorigen Jahr korrespondiert habe, Heinz Hüglin, Heinrich Kuhaupt, der Organisator des Bad Arolser Adventsmarathons, Hansmartin Bresch, der spätere Vorsitzende der IGÄL, sowie sein Vater. Robert Dürrschnabel aus dem nahen Villingen gehörte zu den häufigen Startern. |
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Werner Sonntag beim Schwarzwald-Marathon am 8. Okt. 1972 |
Dies ist nur ein zufälliger Querschnitt durch die mir aus elf eigenen Teilnahmen vorliegenden Listen; man wird sagen können, wer in der Laufgeschichte während der Blütezeit des Schwarzwaldmarathons durch sein Profil oder seine Leistung eine Rolle gespielt hat, ist auch in Bräunlingen gestartet. Vielleicht vermag diese Erinnerung an den Pioniercharakter dem deutschen Klassiker der Landschaftsmarathons, zumal da er zu seiner klassischen Streckenführung zurückgekehrt ist, neue Freunde zuzuführen.
Werner Sonntag - Fotos und Listen © Werner Sonntag
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