Die deutsche Marathonszene im Jahr 2018

Fakten-Check
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER
Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink & Walter Wagner
Grafiken & Foto: Constanze Wagner

Die große Marathon-Analyse

Teil 1: Die Marathons mit den meisten Finishern

Die Balken geben die Gesamtfinisher wieder. Die roten Punkte deuten den darin enthaltenen Frauenanteil an. Die Plus- bzw. Minuszeichen geben an, welcher Marathon Finisher hinzu gewinnen konnte bzw. mit weniger Teilnehmern im Ziel als 2017 abgeschnitten hat. Marathons, die 2017 nicht stattfanden (Marathon Deutsche Weinstraße und Oldenburg), wurden mit dem Vorvorjahr verglichen.
 
Die Grafik umfasst die 41 Marathons mit 300 Finishern und mehr.

Die Einstiegshürde von 300 Zieleinläufen verfehlten 2018: Kyffhäuser-Berg-Marathon mit 289 (2017 = 307), Bottwartal-Marathon mit 284 (2017 = 339), Mitteldeutscher Marathon mit 253 (2017 = 381), Weiltalweg-Landschaftsmarathon mit 249 (2017 = 329).

Neu dabei, bzw. den Wiedereinstieg dank über 300 Finishern schafften 2018 Bad Füssing Johannesbad Thermen-Marathon (2017 = 299) und Kevelaer (2017 = 281).

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2018

Teil 2: Das Ranking
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Platzierung 2018 2017 Änderung
Berlin
1
1
0
Frankfurt
2
3
+1
Hamburg
3
2
-1
Köln
4
4
0
München
5
5
0
Rennsteiglauf
6
6
0
Düsseldorf
7
7
0
Hannover
8
8
0
Münster
9
9
0
Dresden Stadt
10
11
+1
Bremen
11
12
+1
Dresden Oberelbe
12
10
-2
Karlsruhe
13
18
+5
Mainz
14
15
+1
Marathon Deutsche Weinstraße*
15
-
-
Brocken Marathon
16
13
-3
Bonn
17
14
-3
Freiburg
18
17
-1
Ulm
19
25
+6
Gelsenkirchen
20
16
-4
Duisburg
21
20
-1
Leipzig
22
22
0
Essen
23
21
-2
Heilbronn
24
23
-1
Mannheim
25
19
-6
Füssen
26
27
+1
Kandel
27
24
-3
Fürth
28
38
+10
Regensburg
29
28
-1
Monschau
30
29
-1
Oldenburg*
31
-
-
Würzburg
32
30
-2
Kassel
33
35
+2
Lübeck
34
34
0
Schwarzwald Marathon
35
26
-9
Allgäu-Panorama
36
32
-4
Siebengebirge
37
33
-4
Flensburg
38
40
+2
Rurseemarathon
39
38
-1
Kevelaer
40
43
+3
Bad Füssing
41
42
+1

*Marathons, die 2017 nicht stattfanden (Marathon Deutsche Weinstraße und Oldenburg). 2016 rangierte der Marathon Deutsche Weinstraße auf dem 13. Platz. Oldenburg trug 2017 nur einen Halbmarathon aus und lag 2016 mit 273 unter 300 Finishern beim Marathon.

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"Neun deutsche Marathons haben in der Saison 2018 die Marke von mehr als tausend Zieleinläufen durchbrochen". Was sich im ersten Moment für Uneingeweihte wie eine Erfolgsmeldung aus der Feder eines Marketingstrategen liest, ist in Wahrheit eine eher trostlose Beschreibung des aktuellen Zustandes der heimischen Laufszene. Man muss nämlich nur eine gute Dekade zurückgehen, um Jahre zu finden, in denen noch bis zu vierundzwanzig Veranstaltungen diesen Wert übertreffen konnten.

Bis man zum letzten Mal eine geringere Zahl von Marathons mit entsprechend großen Starterfeldern in Deutschland findet, muss man sogar ins letzte Jahrtausend blättern - also in eine Periode, in der weltweit nur zwischen fünfzig und siebzig Rennen überhaupt in dieser Größenordnung vorstoßen konnten. Heute sind es dagegen mehrere hundert.

Und alleine die beiden im Moment größten Marathonmärkte in den USA und in Japan nähern sich inzwischen jeweils dem Wert von einhundert vierstelligen Marathons an. Bei den vereinigten Staaten mag man die verglichen mit Deutschland viermal größere Bevölkerung als Begründung heran ziehen können. Ein Argument, dass im hundertzwanzig Millionen Menschen zählenden Japan allerdings schon nicht mehr wirklich greift.

Für das Land der aufgehenden Sonne ließe sich vielleicht maximal noch eine wahrlich unglaubliche Marathonbegeisterung anführen, die sich in rund zwei Dutzend Rennen niederschlägt, die jedes Jahr sogar die Marke von zehntausend Teilnehmer überbieten können - in der Regel Läufe und Städte, von denen man hierzulande noch nie etwas gehört hat.

Fast alle diese Veranstaltungen sind vollkommen aus- und häufig auch mit einem Mehrfachen der zur Verfügung stehenden Startplätze überbucht. Bei vielen werden die begehrten Nummern deshalb im Vorfeld einfach verlost. Alleine für den Tokyo Marathon wurden zuletzt vierhunderttausend Anmeldungen für die vierzigtausend vorhandenen Plätze kolportiert. Nur um die Dimensionen richtig einschätzen zu können, alle deutschen Marathons zusammen kommen gerade mal auf etwas mehr als einhunderttausend Zieleinläufe.

Langzeitentwicklung der Marathons von 2005 bis 2018

Marktbeherrschend ist Berlin, das die Rubrik 20.000 und mehr ganz alleine belegt und seinen Einfluss erkennbar ausgebaut hat. Einigermaßen stabil zeigt sich der Kasten 10.000 bis 20.000 dahinter, doch weggebrochen sind in Gänze alle Marathons mit 5.000 bis 10.000 Finisher. Der dadurch enstandende gelbe Balken für Marathons mit 4000 bis 5000 Finisher tröstet nicht. Arg gestaucht hat es zudem die Gruppierungen dahinter: 2.000 bis 4.000 Finisher sowie 1.000 bis 2.000 Finisher. Die hellblaue Gruppierung 500 bis 1.000 Finisher speist den Zuwachs mit Absteigern und ist nicht durch Newcomer zunehmend.

Man muss allerdings überhaupt nicht so weit gehen, um zu erkennen, dass die heimische Szene irgendwie ein wenig den Anschluss verloren hat und sich seit längerem genau entgegengesetzt zum fast weltweit zu beobachtenden Expansionstrend entwickelt. So sind Frankreich und Großbritannien - beide übrigens mit rund fünfzehn Millionen Einwohnern weniger ausgestattet - hinsichtlich der Gesamtzahl an Marathon-Zieleinläufen seit einigen Jahren an Deutschland vorbei gezogen.

Ohne allzu großes Suchen lassen sich im Königreich auch knapp doppelt so viele Veranstaltungen über der Tausendermarke finden wie hierzulande. In Frankreich kommt man bei der gleichen Zählung erst jenseits der zwanzig zum Halten. Selbst Italien, das angesichts der Gesamtzahlen noch etwas hinterher hinkt, ist diesbezüglich in der Breite deutlich besser aufgestellt.

Den Italienern fehlt für eine höhere Summe allerdings auch der absolute Mega-Lauf, den die anderen drei Länder mit Berlin, London und Paris zu bieten haben. Denn der dortige Platzhirsch aus Rom bleibt in der Regel meist irgendwo zwischen zwölf- und fünfzehntausend Startern hängen.

Die britischen und französischen Strukturen sind dagegen mit den deutschen beinahe vergleichbar. Insbesondere auf der Insel, wo sich hinter London mit Manchester und Brighton zwei Veranstaltungen mit etwa zehntausend Teilnehmern finden, entdeckt man fast ein Spiegelbild des heimischen Marktes mit dem seit einem Jahrzehnt unveränderten Führungstrio aus Berlin, Frankfurt und Hamburg. Nur dass es dort in der zweiten und dritten Reihe weit mehr entsprechend große Marathons gibt als hierzulande.

Womit man dann auch gleich beim zweiten großen Problem der deutschen Szene angekommen ist. Denn die Berliner Dominanz ist auch 2018 wieder ein bisschen gewachsen. Erstmals konnte man an der Spree mehr als vierzigtausend Zieleinläufe registrieren und die Zahlen aus dem Vorjahr noch einmal um fast siebzehnhundert Teilnehmer übertreffen. Inzwischen überqueren also vier von zehn aller Marathonis in Deutschland die Linie am Brandenburger Tor.

Ähnlich erschreckend ist, dass alle anderen acht deutschen Veranstaltungen mit vier- oder fünfstelligen Teilnehmerzahlen zusammen nicht an den Berliner Wert heran kommen können. Man muss noch zwei weitere, diesmal an der Tausendermarke gescheiterte Marathons hinzunehmen, um diese Zahl dann endlich übertreffen zu können. Würde man die Marathonszene wirklich als einen Markt ansehen, hätte angesichts solcher Relationen eigentlich längst das Bundeskartellamt eingreifen müssen.

Auch hier lohnt ein kleiner Blick zurück in die Vergangenheit. Denn für das Jahr 2005, bis zu dem die LaufReport-Datensammlung inzwischen zurückreichen, war der Anteil der Hauptstadt gerade einmal halb so hoch. Und alleine beim Hamburg Marathon kam man auf beinahe zwei Drittel der Feldgröße der Hauptstadt. Heute ist es dagegen gerade noch ein Viertel.

Fast muss man den Berlinern dafür dankbar sein, dass sie ihre Teilnahmerzahlen weiterhin gedeckelt haben, selbst wenn man die Obergrenze in den letzten Jahren langsam, aber kontinuierlich angehoben hat. Im Gegensatz zu fast allen anderen Rennen kann man sich an der Spree die Feldgröße selbst aussuchen. Ginge es nach dem reinen Interesse der startwilligen Läufer würde die Übermacht wohl noch extremer ausfallen.

Längst ist der Kontakt zum Rest des Landes vollkommen verloren gegangen. Und eigentlich richten sich die Blicke der Macher in Berlin ohnehin eher auf das internationale als das heimische Publikum. Denn nicht einmal bei der Hälfte aller Anmeldungen wird noch das Länderkürzel "GER" hinter dem Namen vermerkt. Vielmehr reist die Mehrheit der Teilnehmer inzwischen aus dem Ausland an.

Auch wenn man natürlich die ihrerseits irgendwo in der weiten Welt startenden Deutschen dagegen rechnen muss, ist dieser Anteil ein weiteres Signal für die zunehmende Schwäche der nationalen Marathonbewegung. Denn die Zahl der Einheimischen hat sich in Berlin gegenüber vor zehn oder fünfzehn Jahren veröffentlichten Statistiken kaum noch verändert. Die Zuwächse wurden praktisch nur jenseits der deutschen Grenzen generiert.

Und dass man zahlungskräftige Lauftouristen vorziehen und dafür den nationalen Markt bewusst vernachlässigen würde, lässt sich angesichts der vorliegenden Daten nicht im Geringsten belegen. Schließlich müsste dann zumindest ein Teil der in Berlin nicht zum Zug gekommenen Sportler bei anderen Veranstaltungen des gerade im September und Oktober gut gefüllten Kalenders auftauchen. Das tun sie aber nicht.

Langzeitentwicklung der Marathons zwischen 4.000 bis 40.000 Finisher 2018

Hamburg und Frankfurt haben laut den in den Ergebnislisten zu entdeckenden Daten inzwischen ebenfalls einen Ausländeranteil von etwa einem Viertel. Dafür dass dieser am Main sogar noch etwas höher liegt als an Elbe und Alster gibt es mit dem größten deutschen Flughafen, von dem man innerhalb von zwei bis drei Stunden praktisch jede größere europäische Stadt direkt erreichen kann, und dem verglichen mit dem Hamburger-April-Termin nicht ganz so umkämpften letzten Oktober-Sonntag wohl mindestens zwei gute Gründe.

In diesem Jahr hatten die Hessen im direkten Vergleich mal wieder die Nase vorne. Und das, obwohl sie gegenüber dem Vorjahr über fünfhundert Zieleinläufe weniger registrierten. Der über alle Medien verkündete neue Teilnehmerrekord schlägt sich in den Ergebnissen der Hauptdistanz also nicht nieder und lässt sich - selbst unter Berücksichtigung der keineswegs optimalen Wetterbedingungen - wohl eher mit einem Zuwachs bei den Staffeln und Schülerläufen erklären.

Den Sponsoren dürfte es wohl ziemlich egal sein, welche Strecke die von ihnen mit Werbegeschenken beglückten Läufer zurücklegen. Doch es bleibt trotzdem festzuhalten, dass die Zahl der in der Festhalle ankommenden Marathonis nicht mehr so niedrig war, seit man in Jahr 2011 die Marke von zehntausend Teilnehmern erstmals durchbrochen hatte.

Während die Frankfurter bis zur Grenze zwischen Vier- und Fünfstelligkeit noch mehr als sechshundert Läufer Luft hatten, konnte man sich in Hamburg gerade noch hauchdünn über diese Hürde mogeln. Fast zweitausend Sportler weniger als 2017 bewältigten in diesem Jahr die zweiundvierzig Kilometer durch die Hansestadt. Das ist selbstverständlich der größte absolute Verlust und mit einem Minus von sechzehn Prozent auch in relativen Zahlen ein heftiger Rückschlag.

Ein wenig könnte man bei LaufReport nun in Triumphgeheul ausbrechen. Denn genau diese Entwicklung war in der letzten Saisonnachbetrachtung wegen der von den Organisatoren angekündigten Einführung eines Halbmarathons über die zentralen Teilstücke der Strecke vorhergesagt worden.

Es überwiegt allerdings doch eher die Traurigkeit über den langsamen Niedergang eines Laufes, der um die Jahrtausendwende stets zu den zehn bis zwölf größten Marathons der Welt gehörte und mit einer attraktiven Stadt, einem abwechslungsreichen Kurs, einem begeisterungsfähigen Publikum und einer guten Logistik auch weiterhin eigentlich alles mitbringt, um erfolgreich zu sein.

Dass es die Kölner Konkurrenz im Laufe der Jahre noch viel heftiger gebeutelt hat, dürfte für die Hanseaten da eher ein schwacher Trost sein. Trotz leichter Zuwächse dümpelt der Marathon durch die Domstadt nämlich nur noch bei einem guten Drittel seiner einstigen Teilnehmerzahlen herum und kommt erneut nicht über die Fünftausendermarke.

Doch ist gerade die Karnevalshochburg eben auch ein Paradebeispiel dafür, wie man bei einer Veranstaltung mit eigentlich zur Belebung eingeführten Nebenwettbewerben den vermeintlichen Hauptlauf nur noch weiter schwächen kann. Denn längst ist dort der Halbmarathon das wichtigere Rennen, mehr als doppelt so stark besetzt wie der Marathon und damit auf dieser Distanz die Nummer zwei in Deutschland.

Für die ebenfalls um zweihundert Läufer leicht wachsenden Bayern aus München blieb 2018 erneut Rang fünf. Eine Überraschung ist das alles nicht. Denn genauso lange wie Hamburg und Frankfurt auf Platz zwei und drei haben sich die Marathons von Köln und München auf den beiden Rängen dahinter festgesetzt. Selbst wenn man dabei untereinander gelegentlich einmal die Position tauscht, ist die Hackordnung insgesamt extrem fest gefügt.

In Anlehnung an den bei Safaris in Afrika gebräuchlichen Begriff für Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard könnte man also auch hier fast schon von den "Big Five" sprechen. Und auch auf den vier Plätzen dahinter, auf denen sich der Rennsteiglauf, Düsseldorf, Hannover und Münster tummeln, tut sich eher wenig. Man muss schon das Jahr 2009 hervor holen, um einmal einen anderen Marathon zu finden, der in diese Regionen vorstoßen konnte. Es war damals übrigens das inzwischen auf Platz vierzehn zurück gefallene Mainz.

Langzeitentwicklung der Marathons zwischen 1.000 bis 3.500 Finisher 2018

Fast immer landet der - inzwischen tatsächlich auf die ominösen 42,195 Kilometer vermessene und nicht mehr leicht überlange - Rennsteigmarathon dabei auf Position sechs. Und meist absolvieren mehr als dreitausend Läufer die Strecke über den berühmten Kammweg zwischen Neuhaus und Schmiedefeld. Zwar hat man 2018 einige Dutzend Teilnehmer verloren, doch sind die Schwankungen über die Jahre praktisch nirgendwo geringer als bei der Thüringer Traditionsveranstaltung, die sich als einziger Landschaftslauf konstant im Vorderfeld behauptet.

Dass der Marathon auf dem Rennsteig eigentlich nur die "Nebenstrecke" ist und die wichtigsten Siege des Tages beim dreiundsiebzig Kilometer langen Ultra ausgekämpft werden, der aus genau entgegengesetzter Richtung von Eisenach nach Schmiedefeld führt und seinerseits jedes Jahr auch rund zweitausend Starter zählt, macht diesen Marathon ebenfalls zu einem Exoten in der Spitzengruppe.

Dahinter halten Düsseldorf, Hannover und Münster genauso ihre Positionen. Alle drei verzeichnen zudem einen leichten Zuwachs, der zwar mit mittleren einstelligen Prozenten überall in eher homöopathischer Dosis ausfällt, aber in einem weiterhin schwächelnden Umfeld durchaus schon einen gewissen Erfolg darstellt.

In Niedersachsen springt man dabei sogar erstmals in diesem Jahrtausend auf knapp über zweitausend Teilnehmer - höhere Werte hatte man an der Leine zuletzt in den Neunzigern des zwanzigsten Jahrhunderts verzeichnen können. Hannover ist neben Berlin und Frankfurt allerdings auch der einzige Marathon, bei dem sich seit der ersten LaufReport-Datenerhebung ein klarer Aufwärtstrend verzeichnen lässt.

Ob die Zahlen auch im nächsten Jahr wieder schwarz sind, wird man abwarten müssen. Zumindest im Falle von Düsseldorf darf man aber durchaus Bedenken anmelden. Denn die neue Organisationsmannschaft um die frühere Spitzenathletin Sonja Oberem plant für 2019 ebenfalls die zusätzliche Einführung eines Halbmarathons, also genau jener Distanz, die schon so bei vielen anderen Veranstaltungen dem Hauptereignis das Wasser abgegraben hat.

Absolut

Zur besseren Übersichtlichkeit sind nur die 21 Marathons grafisch aufgeführt, die aus den Marathons ab 300 Finisher eine signifikante Änderung aufweisen. Auf der Plusseite alle mit einem Zuwachs ab 54 Finisher. Auf der Minusseite alle ab 85 Finisher weniger im Ziel.

In der Grafik fehlen somit: Kevelaer (+28), Füssen (+26), Kassel (+22), Leipzig (+7), Flensburg (+6), Bad Füssing (+6), Duisburg (+5), Rursee (-4), Lübeck (-5), Allgäu Panorama (-23), Regensburg (-27), Siebengebirge (-34), Monschau (-48), Bremen (-49), Heilbronn (-54), Freiburg (-57), Würzburg (-58), Rennsteig (-63), Kandel (-67), Essen (-76).

Marathons, die 2017 nicht stattfanden (Marathon Deutsche Weinstraße und Oldenburg), wurden mit dem Vorvorjahr verglichen.

Halten sich in den oberen Rängen trotz des einen oder anderen sichtbaren Ausschlags die Gewinne und Verluste weitgehend die Waage, wird die Bilanz im folgenden Block bis zur Fünfhundert-Läufer-Grenze meist deutlich roter. Einzig Karlsruhe und Ulm können ihre Teilnehmerzahlen in spürbarer Größenordnung steigern. Was sich als relatives Wachstum allerdings durchaus bemerkenswert darstellt, sind eigentlich nicht mehr Marathonis als in Berlin während der Stoßzeit innerhalb weniger Sekunden die Ziellinie überqueren.

Zwar sind die Verluste der meisten anderen Marathons in absoluten Zahlen auch nicht wirklich höher. Den heftigsten Rückschlag gibt es mit knapp dreihundert Läufern weniger noch beim Dresdner Oberelbe-Marathon, der dadurch genau wie die lokale Konkurrenz vom Stadtmarathon im Oktober unter die Tausendermarke rutscht. Doch da der Trend bei vielen Veranstaltungen aus dieser Kategorie schon jahrelang nach unten zeigt, wird mancherorts die Luft langsam wirklich dünn.

So manch traditionsbewussterem Sportler dürfte in der Seele wehtun, dass darunter auch etliche Läufe mit einer ziemlich langen Geschichte zu finden sind. So kommt der älteste noch existierende deutsche Marathon am Essener Baldeneysee bei seiner sechsundfünfzigsten Auflage nur noch auf wenig mehr als fünfhundert Teilnehmer. Vor gerade einmal einem Jahrzehnt waren es noch dreimal so viele.

Der fast noch bekanntere Schwarzwald-Marathon in Bräunlingen ist nach der kurzen Erholung zum fünfzigsten Jubiläum im letzten Jahr wieder spürbar zurückgefallen. Wirklich überraschend ist dies natürlich nicht. Nach einem runden Geburtstag sinken die Werte beinahe immer. Doch statt bei über zweitausend Läufern, mit denen man in den Siebzigern einmal der größte Marathon weltweit war, bewegt man sich nun bei drei- bis vierhundert Startern.

In Bühlertal auf der gegenüberliegenden Seite des Schwarzwaldes beim Hornisgrinde Marathon, der fast genauso alt ist und in jenen Jahren immerhin die damals ziemlich beachtliche Zahl von fast tausend Teilnehmern anlocken konnte, kämpft man inzwischen sogar darum überhaupt noch hundert Startwillige zusammen zu bekommen. Damit wären die Badener eigentlich längst aus der für die LaufReport-Analyse betrachteten Größenordnung heraus gefallen. Es sind eher nostalgische Gründe, dass ihr Wert weiterhin jedes Jahr erfasst wird.

Auch der Landschaftsmarathon in Monschau hat schon mehr als vier Jahrzehnte auf dem Buckel und ist von vierstelligen Werten, die man um die Jahrtausendwende stets locker erreichen konnte, mit nur noch vierhundert Marathonis weit entfernt. Dass man auf dem inzwischen zusätzlich angebotenen Ultra weitere zweihundert Läufer begrüßen konnte, wiegt den Rückgang bei weitem nicht auf.

Kaum anders als im nahegelegenen Essen sieht es in Duisburg bei einem der allerersten Stadtmarathons in Deutschland aus. Sechshundert Läufer statt mehr als zweitausend wie in den besten Zeiten der Veranstaltung stehen nun zu Buche. Der kaum jüngere Karlsruhe Marathon zeigt im laufenden Jahr nach längerer Durststrecke immerhin wieder einen gewissen. Aufwärtstrend. Doch auch hier fehlen mehr als fünfzig Prozent des Feldes früherer Jahre.

Ein wirkliches Muster lässt sich in dieser Aufzählung nicht erkennen. Denn egal ob Stadt- oder Naturlauf, alle mussten im Laufe der letzten Jahre ziemlich Federn lassen. Und um gleich dem Eindruck vorzubeugen, es würden nur die "Alten" gebeutelt, weil sie vielleicht irgendwo den Anschluss an einen Trend verpasst hätten, so manchen mit viel Tamtam und Trara gestarteten Neueinsteiger aus der Boom-Periode zu Anfang des Jahrtausends hat es in der gleichen Zeit noch viel heftiger zerlegt.

Anschaulich macht das unter anderem der Ruhrmarathon, der in seiner ziemlich kurzen Blütezeit auf den beiden unterschiedlichen angebotenen Marathonstrecken zusammen ebenfalls beinahe zehntausend Laufwillige anlockte und schon wenige Jahre später - auch mangels Masse - bereits wieder von der Bildfläche verschwunden war. Sein Nachfolger in Gelsenkirchen quält sich mit sechshundert Marathonis in Größenordnungen herum, die man nebenan mit deutlich weniger Organisations- und Absperraufwand auch am Baldeneysee zusammen bekommt.

Was machen die europäischen Nachbarn also besser, dass praktisch überall die Zahlen von Teilnehmern und Veranstaltungen nach oben gehen, während hierzulande nun schon seit mehr als einer Dekade der Trend in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Nun kann man sicher darüber philosophieren, dass Deutschland zuvor ja viele Jahre lang Vorreiter gewesen wäre und es nun bei den anderen einfach einen Nachholeffekt gäbe.

Doch eine so lange Durststrecke, wie man sie hierzulande beobachten kann, passt nur bedingt zu dieser Argumentation. Auch in den USA - einem anderen, wohl noch wichtigeren Pionier der weltweiten Laufbewegung - schimmerten die Teilnehmerbilanzen schon gelegentlich einmal leicht rötlich. Doch lange angehalten hat das nie. Und am Ende einer leichten Delle ging es dann nur noch heftiger hinauf.

Relativ

Zur besseren Übersichtlichkeit sind nur die 26 Marathons grafisch aufgeführt, die aus den Marathons ab 300 Finisher eine signifikante Änderung aufweisen. Auf der Plusseite alle mit einem Zuwachs ab 5,59 Prozent. Auf der Minusseite alle ab 7,66 Prozent weniger im Ziel.

In der Grafik fehlen somit: Düsseldorf (+4,88%), München (+4,65%), Berlin (+4,31%), Hannover (+2,75%), Bad Füssing (+2,01%), Flensburg (+1,87%), Leipzig (+1,18%), Duisburg (+0,84%), Rursee (-1,23%), Lübeck (-1,37%), Rennsteig (-1,95%), Frankfurt (-4,72%), Bremen (-5,13%), Regensburg (-5,91%), Allgäu Panorama (-6,07%).

Marathons, die 2017 nicht stattfanden (Marathon Deutsche Weinstraße und Oldenburg), wurden mit dem Vorvorjahr verglichen.

Weit mehr als eine halbe Million Menschen laufen in den Vereinigten Staaten pro Jahr über eine Marathonziellinie, was neben dem in ähnliche Regionen vorstoßenden und tatsächlich ein wenig einen Sonderfall darstellenden Japan, natürlich den höchste Wert darstellt. Und schon der Blick auf die amerikanische Geographie zeigt, dass dieses Ergebnis zu einem extrem hohen Prozentsatz auf einheimische Läufer zurückgehen dürfte.

Hat hierzulande vielleicht tatsächlich nur eine simple Fernsehsendung wie "von 0 auf 42" die Begeisterung für Marathon in unvorhersehbare Höhen gejagt, ohne dabei ein richtig stabiles Fundament für die Folgezeit zu legen? Denn selbst wenn viele Hunderttausende oder gar Millionen zur Erhaltung der eigenen Fitness gelegentlich einmal eine Runde in Laufschuhen drehen. Wer unter ihnen interessiert sich wirklich für diesen Sport?

Dass man beim Durchschalten der Programme im Fernsehen auf einen in voller Länge direkt übertragenen Crosslauf stoßen könnte, wie es auf der iberischen Halbinsel, in Frankreich oder Großbritannien durchaus schon einmal - wenn auch natürlich nur auf einem Spartenkanal - vorkommt, ist hierzulande längst unvorstellbar.

Und wenn auf den Sportsendern tatsächlich einmal Höhepunkte wie die Marathons von New York oder London übertragen werden, hat man oft eher das Gefühl, dies geschehe nur, weil die Planer bei der Zusammenstellung ihrer Termine gerade kein passendes Billard- oder Poker-Turnier gefunden haben.

Den Veranstaltern alleine die Verantwortung in die Schuhe zu schieben, geht jedenfalls am Kern des Problems vorbei. Der eine oder andere hat zwar tatsächlich Entscheidungen getroffen, die im Rückblick wenig glücklich erscheinen. Aber die meisten von ihnen zappeln sich wirklich ab, um ihren Lauf irgendwie wieder aus dem Abwärtsstrudel heraus zu bekommen.

Ein Leichtathletik-Verband, der erst auf die Marathonszene aufmerksam wurde, als jemand feststellte, dass dort gutes Geld zu verdienen ist, stellt ebenfalls keine wirkliche Hilfe dar. Auch weiterhin findet der Großteil der Funktionäre keinen echten Draht zum Sport außerhalb des Stadions. Und andererseits haben sich die Läufer längst weitgehend vom DLV und seinen Strukturen gelöst. Nur die wenigsten trainieren ohnehin noch gemeinsam in Vereinen oder Lauftreffs.

Selbst wenn man auch in der europäischen Nachbarschaft eine ähnliche Tendenz beobachten kann, ist diese deutlich abgeschwächter. Auch in den hinteren Reihen der Starterfelder lassen sich dort noch zuhauf Vereinstrikots entdecken. Auch bei den großen Marathons hierzulande sieht man ab und zu größere Gruppen in einheitlichen Trainingsanzügen. Die wenigsten von ihnen stammen aber aus Deutschland. Man spricht Italienisch, Französisch, Spanisch oder Englisch.

Wie es auch gehen kann zeigt der Blick nach Südafrika, wo richtig große Laufclubs locker mehrere hundert oder auch schon einmal über tausend aktive Mitglieder haben können. Dort fahren dann auch gerne einmal drei, vier oder fünf vollbesetzte Busse von einem einzigen Verein zum Comrades oder Two Oceans Marathon. Die räumliche und lange Zeit auch politische Abgeschiedenheit des Landes am Kap der Guten Hoffnung hat zu einer vollkommen verschieden aufgebauten Laufszene geführt.

Allerdings hat man diese beim dortigen Verband auch frühzeitig integriert und gefördert, während die Veranstalter hierzulande über Jahrzehnte eher noch Steine in den Weg gelegt bekamen. Als Ergebnis regt sich in Südafrika zum Beispiel niemand darüber auf, dass Einheimische bei den großen Ultra-Läufen nur als Vereinsmitglied und dazu noch sogar einzig und allein im passenden Trikot starten dürfen. Ganz im Gegenteil, praktisch jeder trägt die Farben der eigenen Gemeinschaft mit großem Stolz.

Dafür ist es jetzt in Deutschland natürlich zu spät. Die Strukturen haben sich längst in eine andere Richtung entwickelt und lassen sich nun wohl nicht mehr einfangen. Doch trifft diese Individualisierung, bei der sich keiner mehr irgendwo an einen Verein binden will, keineswegs nur den Laufsport. Fast alle anderen Sportarten - zumindest die traditionellen - sind ebenfalls betroffen.

Konnte früher jede Ortschaft neben mindestens einer Fußballmannschaft auch noch Handball-, Volleyball- oder Tischtennisteams stellen, deren Derbys mit den Nachbardörfern stets für vollbesetzte Ränge sorgten, müssen heutzutage gleich mehrere genau dieser Vereine zusammenfinden, um überhaupt noch eine einzige spielfähige Truppe auf die Beine stellen zu können.

Im Laufsport lässt sich der Nachwuchsmangel zudem problemlos aus den Ergebnislisten ablesen. Keineswegs unüblich ist es schließlich, dass dort die fünf Jahrgänge in den Alterskategorien 40, 45 oder 50 jeweils ungefähr doppelt so große Anteile zum Gesamtfeld beisteuern wie die zehn oder zwölf Jahrgänge umfassenden Hauptklassen. Und gerade bei kleinen bis mittelgroßen Läufen sind oft mehr Teilnehmer in ihren Sechzigern als in den Zwanzigern.

Daran dass bei den vielen Volksläufen vorne die Vierzig- und Fünfzigjährigen um die Gesamtsiege kämpfen, während man die Hauptklassensieger manchmal erst auf dem zweiten oder dritten Blatt der Resultate findet, hat man sich zwar gewöhnt. Wirklich normal ist es aber bei nüchterner Betrachtung irgendwie nicht. Denn mit der Gliederung in Altersklassen sollten doch eigentlich die Alten vor den - zumindest den auf dem Papier - deutlich leistungsstärkeren Jungen geschützt werden und nicht umgekehrt.

Natürlich lässt sich nicht jedes im Ausland erfolgreiche Konzept so einfach auf deutsche Veranstaltungen übertragen. Die meist eher an einen schnelleren Fastnachtsumzug erinnernden Weinläufe, die es inspiriert vom Médoc Marathon inzwischen in beinahe jedem französischen Anbaugebiet gibt, haben anderswo wohl kaum eine Chance. Trotz ähnlichem Terrain haben die Rennen in Heilbronn und an der Weinstraße dann auch einen völlig anderen Charakter.

Und genauso fremd wirkt es hierzulande auch, dass im angelsächsischen Sprachraum viele Tausende einen Marathon hauptsächlich deshalb absolvieren, um damit Geld für Wohltätigkeitsorganisationen zu sammeln, die ihrerseits daraus ein regelrechtes Geschäftsmodell gemacht haben. Man tritt dann eben für die Krebs-, Alzheimer- oder Diabetes-Forschung, für mehr Blindenhunde oder Seenotrettungsboote an.

Als sogenannter "Charity-Runner" kann man dafür im Gegenzug meist auf ein eigenes Startplatzkontingent abseits des allgemeinen Anmeldeverfahrens zugreifen. In Berlin gibt es so etwas inzwischen ebenfalls. Doch geht es dabei keineswegs um den heimischen sondern hauptsächlich um den britischen und nordamerikanischen Markt. Diese Beispiele zeigen sehr schön, dass es selbstverständlich erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Laufszenen gibt.

Doch damit ist immer noch nicht geklärt, was die heimische so speziell macht, dass sie sich genau entgegen zu einen praktisch weltweiten Trend entwickelt - und insbesondere, wie man endlich eine Schubumkehr erreichen kann. Noch haben wir auch in Deutschland eine beachtliche Auswahl an Marathon-Veranstaltungen. Und es ist zu hoffen, dass dies auch in der Zukunft so bleibt.

Text: Ralf Klink  

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2018

Teil 4: Halbmarathon kontra Marathon

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Dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn kleine Brüder größenmäßig vorbei ziehen, können sicher etliche ältere Geschwister bestätigen. Kaum anders verhält es sich bei dem Pärchen Marathon und Halbmarathon, von dem Letzterer längst einen weit größeren Zuspruch beim laufenden Kundenkreis findet.

Dabei ist es doch ein absoluter Jungspund. Denn während Marathon nun schon seit mehr als zwölf Dekaden existiert und auch die endgültige Normung der Streckenlänge auf die berühmte Zahlenkombination 42195 inzwischen fast hundert Jahre zurück liegt, hat sich der Halbmarathon erst in den letzten beiden Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts wirklich durchgesetzt.

Zuvor wurden in Kontinentaleuropa meist zwanzig oder fünfundzwanzig Kilometer als Distanz zwischen den fünfundzwanzig Bahnrunden und dem vollen Marathon absolviert. Bei den verbissen die gewohnten Meilen verteidigenden Briten und Amerikanern waren es zehn oder fünfzehn ihrer Längeneinheiten.

Dass Halbmarathon sowohl in metrischer als auch in "imperialen" Maßen einen krummen Wert ergibt und so keiner auf die Denkweise des anderen umschwenken musste, hat vielleicht auch zum weltweiten Siegeszug dieser Strecke beigetragen. Viel wichtiger dürfte aber doch gewesen sein, dass in ihrem Namen ein Zauberwörtchen enthalten ist, das für eine enorme sportliche Leistung und riesige Ausdauer steht.

Und so ist es längst nicht unüblich, sich auch für die Bewältigung dieser Distanz feiern zu lassen. Gerade Läufer älterer Jahrgänge können darüber oft nur müde lächeln. Schließlich haben sie solche Entfernungen früher nicht selten mehrfach pro Woche im Training absolviert - und das häufig auch noch in einem deutlich höheren Tempo als es die heutigen "Helden" im "Wettkampf" hinbekommen.

Man braucht zudem keineswegs bis zum steinzeitlichen Jäger zurück zu gehen, um in einer Ära zu landen, in der praktisch jeder solche Strecken Tag für Tag bewältigen musste. Es genügen eigentlich nur wenige Generationen. Noch unsere Urgroßeltern legten sie regelmäßig bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin zu Fuß - wenn auch selten im Laufschritt - zurück. Doch lässt sich das den bewegungsentwöhnten Menschen der heutigen Zeit kaum noch vermitteln.

Der Höhenflug des Halbmarathons in den letzten Jahrzehnten hat andererseits aber auch eine deutliche Ausdünnung des Streckenangebots zur Folge. Denn fast überall hat der Halbe die traditionellen Volkslauf-Zwanziger oder Straßen-Fünfundzwanziger ersetzt. Nur noch ganz wenige hartnäckige Veranstalter halten zäh an ihrer ursprünglichen Streckenlänger fest.

Selbst bei einem der absoluten Pioniere der deutschen Stadtläufe, den 25 km von Berlin, hat man inzwischen geglaubt, einen Halbmarathon als Nebendistanz einführen zu müssen. Über den tieferen Sinn einer solchen Maßnahme kann man angesichts von gerade einmal vier Kilometer Differenz bei der Streckenlänge durchaus streiten. Immerhin ist die geschichtsträchtige längere Distanz hier weiterhin die teilnehmerstärkere.

Viele der größten Halbmarathons sind in eine Marathonveranstaltung integriert. Von den 32 Halbmarathons mit über 2.000 Finishern, sind 20 an einen Marathon angedockt (rote Balken). In die Top-ten kamen 3 Läufe ohne Marathon (blaue Balken). Die y-Achse zeigt die jeweiligen Halbmarathonfinisher an. Die Plus- bzw. Minuszeichen geben an, welcher Halbmarathon Finisher hinzu gewinnen konnte bzw. mit weniger Teilnehmern im Ziel als 2017 abgeschnitten hat. Der Hamburg Marathon* hatte 2018 erstmals einen Halbmarathon im Programm.

Bei praktisch allen Marathons, die ihr Angebot mit einem Halben ergänzt haben, hat dieser dem Hauptlauf hinsichtlich des Interesses längst den Rang abgelaufen. Der kleine Bruder ist über den großen hinaus gewachsen. Doch damit ist der Vergleich mit einem menschlichen Geschwisterpaar auch schon am Ende.

Denn während es sich bei diesem meist nur um einen Unterschied von einigen Zentimetern handelt, was in Prozent ausgedrückt sogar eine noch kleinere Zahl ergibt, kann das Größenverhältnis zwischen Marathon und Halbmarathon auch schon einmal auf eins zu acht nach oben schnellen. Nur ganz selten kann man die Relation bei den Veranstaltungen, die beide Distanzen offerieren, noch als wirklich gesund beschreiben.

Berechnen lässt sich dieser Quotient inzwischen nahezu überall. Denn von den fünfzig größten deutschen Marathons hatten 2018 gerade noch neun keinen Halbmarathon im Programm. Zieht man die Grenze etwas weiter und nimmt auch Läufe über ein wenig längere oder kürzere Distanzen hinzu, wird die Zahl noch kleiner.

Und sie schrumpft immer weiter. Nachdem man in Hamburg im angelaufenen Jahre ein Rennen über die Halbdistanz ergänzt hatte, wird im kommenden Jahr auch Düsseldorf, wo es wie in Frankfurt oder Münster bisher nur eine Staffel als unterschwelliges Angebot gab, nachziehen.

Ein reiner Marathon ohne jeden Zusatz existiert ohnehin eigentlich nur noch in Berlin, wo man hinsichtlich der Teilnehmerzahlen allerdings auch eher das umgekehrte Problem hat als die meisten anderen Lauforganisatoren. Denn während der Megamarathon an der Spree wächst und wächst, schrumpfen praktisch überall sonst die Felder auf der langen Distanz immer stärker in sich zusammen.

Dass die Ausrichter unter diesen Umständen dem Anreiz nachgeben, das enger werdende Budget durch Startgelder auf kürzeren Strecken aufzubessern, ist absolut nachvollziehbar. Doch schwächen sie mit solchen Maßnahmen in der Regel die ohnehin schon notleidende Hauptdistanz nur noch mehr. Auch dort wo es die Unterdistanz schon länger gibt, lässt sich ein kaum abgeschwächter Trend weg vom ganzen und hin zum halben Marathon erkennen.

Insbesondere Zwei-Runden-Kurse landen dabei in einem regelrechten Teufelskreis. Denn warum soll man sich als Läufer dort eine weitere Schleife antun, wenn von vorne herein klar ist dass diese eher einsam wird, weil sowohl Feld als auch Publikum auf dieser deutlich ausdünnen. Als Ergebnis werden Feld und Publikum dann erneut kleiner und weitere potentielle Starter kommen ins Grübeln.

Dass neben dem neuen "Spitzenreiter" Bonn, bei dem erstmals mehr als acht Halbmarathonläufer auf einen Marathoni kommen, mit Freiburg und Mainz zwei weitere Rennen dieser Kategorie unter den fünf Veranstaltungen mit der schlechtesten Relation auftauchen, ist deswegen vermutlich auch nicht wirklich zufällig. Doch eine Lösung für dieses Dilemma gibt es bisher weder in den genannten Städten noch in anderen mit ähnlichen Problemen.

Zwar taucht auch Heilbronn weiterhin im Vorderfeld dieser wenig vorteilhaften Wertung auf. Allerdings handelt es sich dabei irgendwie doch um einen Ausreißer, der sich nicht in den allgemeinen Trend einfügen will. Denn Verhältnisse von eins zu sieben bis eins zu acht zwischen beiden Läufen gibt es beim "Trolli" schon beinahe seit seinen Anfangstagen. Die rote Laterne hat man seit zwei Jahren einfach nur deswegen abgegeben, weil die anderen schlechter geworden sind.

Was anfangs die Ausnahme war, ist gerade bei den mittelgroßen deutschen Marathons längst zur Normalität geworden. Die Läufer, die sich für die lange Distanz entscheiden, sind inzwischen eine absoluten Minderheit. Dass es sich die meisten Veranstaltungen eigentlich um einen Halbmarathon mit einem Marathon im Rahmenprogramm handelt, dürften die Organisatoren zwar nicht gerne hören, ist aber leider die Realität.

Am anderen Ende der Skala findet sich mit dem Marathon von Hamburg jener Lauf, der in diesem Jahr erstmals auf einen zusätzlichen Halben setzte. Doch wirklich aussagekräftig ist der Wert vorerst nicht. Schließlich war die Zahl der zur Verfügung stehenden Startplätze auf der Kurzstrecke an Elbe und Alster stark gedeckelt.

Selbst wenn das auch für die nächste Auflage - allerdings bereits mit leicht erhöhtem Angebot - gilt, ist man ein wenig geneigt, ein "noch" hinterher zu schieben. Denn was passiert, wenn man in der Hansestadt irgendwann einmal die diesmal wirklich nur hauchdünn übertroffene Marke von zehntausend Teilnehmern beim Marathon reißt, bleibt abzuwarten.

Ansonsten ist durchaus auffällig, dass es hauptsächlich Landschaftsläufe sind, die mit den niedrigsten Quotienten aufwarten. In Füssen gilt das zwar fast noch eher für den auf einer großen Schleife entlang der umliegenden Seen ausgetragenen Marathon als für den am Tag zuvor auf zwei Runden ausgetragenen Halben. Beim Brockenmarathon führen allerdings beide Strecken beinahe ausschließlich durch die Wälder des Harzes.

Neben Hamburg sind diese beiden Veranstaltungen auch die einzigen, bei denen die lange Distanz mehr Sportler anzieht als die kurze. Knapp über der Gleichverteilung landet der Siebengebirgsmarathon. Und auch im Allgäuer Sonthofen sind die Marathonis keineswegs Exoten. Wer will, könnte dort beim fast siebzig Kilometer langen Ultra ohnehin noch viele weitere Strecken- und Höhenmeter sammeln.

Blickt man über die LaufReport-Einstiegsgrenze von dreihundert Teilnehmern, finden sich ein wenig darunter mit dem Usedom- und dem Kyffhäuser-Marathon zwei weitere Naturläufe mit einem beinahe ausgeglichenen Verhältnis. Einzig München kann als großer Stadtmarathon mit einem noch annähernd vergleichbaren Wert aufwarten. Jedoch gibt es hier mit einem Rennen über zehn Kilometer einen weiteren Wettbewerb mit noch kürzerer Distanz, der zusätzliche dreitausend Läufer anzieht.

Genau umgekehrt verhält es sich beim Rennsteiglauf, wo es neben dem Marathon ja auch noch den größten deutschen Ultralauf gibt. Berücksichtigt man dessen rund zweitausend Starter, wird klar, dass der Anteil des "Kurzen" an der Gesamtteilnehmerzahl eigentlich erheblich kleiner ist, als es der reine Marathon-Halbmarathon-Quotient aussagt.

Allerdings muss man auch erwähnen, dass die Startplätze über einundzwanzig Kilometer beim Traditionslauf im Thüringer Wald ebenfalls begrenzt sind. Mehr Meldungen als zur Zeit könnte man gar nicht annehmen. Mit beinahe siebentausend Halbmarathon-Läufern sind die Wanderwege zwischen Oberhof und Schmiedefeld sowieso schon längst an der Kapazitätsgrenze angelangt.

33 Marathonveranstaltungen mit mehr als 300 Finishern haben zudem einen Halbmarathon im Programm. Die y-Achse zeigt das Verhältnis der Halbmarathonfinisher zu den Marathonfinishern an. Die x-Achse zeigt die Marathons in der Reihenfolge der Abweichungen.

Ebenfalls noch unter einem Verhältnis von eins zu zwei - und damit in einem als einigermaßen akzeptabel zu bezeichnenden Bereich - landet der Marathon Deutsche Weinstraße, dessen anfangs von vielen Fachleuten eher skeptisch gesehene Zwei-Jahres-Rhythmus längst zu einem Erfolgsrezept geworden zu sein scheint.

Dass am Fuß des Pfälzer Waldes die Halbmarathonmeldung wegen Erreichen des Limits vorzeitig geschlossen wurde, ist bei der Beurteilung jedoch genauso in Betracht zu ziehen wie der gemeinsame Start beider Strecken und die Möglichkeit zum fliegenden Umsteigen, der dies dann genau wieder konterkariert. Im Vergleich von Melde- und Ergebnislisten lassen sich jedenfalls etliche Einträge entdecken, die unverkennbar auf dieses Angebot zurück zu führen sind.

Man kann den Blick nun aber nicht nur von den größten deutschen Marathons auf die ihnen angeschlossenen Halbmarathons richten sondern muss sich umgekehrt auch einmal die Konstellationen bei den größten Läufe über einundzwanzig Kilometer im Land betrachten. Und diese Variante fördert ganz ähnliche Beobachtungen zu Tage. Denn weit mehr als die Hälfte dieser Rennen firmiert offiziell als Nebendistanz einer Marathonveranstaltung.

Immerhin ist der teilnehmerstärkste deutsche Halbe ein Solist. Wie auf der doppelt so langen Strecke hat sich auch hier Berlin von der nationalen Konkurrenz weit entfernt. Aber ganz so groß ist die Dominanz dann doch nicht. Während man in der Hauptstadt beim Marathon fast viermal so viele Teilnehmer wie die Nummer zwei aus Frankfurt begrüßen kann, kommt man für den Halbmarathon im April nur auf einen Faktor von etwas über zwei.

Mit diesmal 25595 Läufern im Ziel fällt das Teilnehmerfeld trotz immer noch riesiger Ausmaße zudem deutlich kleiner aus als beim großen Bruder im September. Ein wenig erstaunlich wirkt das auf den ersten Blick zwar schon. Schließlich wären halb so viele Kilometer doch einfacher zu bewältigen. Allerdings stellt der hinter beiden Läufen stehende SCC Berlin beim zuletzt ebenfalls stets ausgebuchten Halbmarathon von vorne herein erheblich weniger Startplätze zur Verfügung.

Und hinsichtlich der deutschen Teilnehmer halten sich die zwei Veranstaltungen ohnehin ziemlich die Waage. Denn von einem inzwischen bei über fünfzig Prozent liegende Anteil aus dem Ausland angereister Lauftouristen wie beim großen Bruder ist der Halbe noch ein ganzes Stück entfernt. Selbst wenn das Feld auch hier längst recht international besetzt ist, sind die Einheimischen weiterhin in der Überzahl.

Im weltweiten Vergleich steht der Berliner Halbmarathon damit übrigens gar nicht so schlecht da. Auch in fast allen anderen Städten mit großen Marathons gibt es zwar ein oder mehrere separate Rennen über die Halbdistanz. Doch obwohl die meisten von ihnen auf vorderen Plätzen in der internationalen Rangliste zu finden sind, kommen diese fast immer hinsichtlich der Teilnehmerzahlen bei weitem nicht an den Lauf über die lange Strecke heran.

Am größten ist noch der "Semi de Paris", der mit weit über sechsunddreißigtausend Sportlern nur etwa sechstausend Zieleinläufe weniger als der Marathon registriert. Klar übertroffen wird er allerdings von den Veranstaltungen im schwedischen Göteborg und im britischen Newcastle, die sich jedes Jahr um den Titel des teilnehmerstärksten Halbmarathons streiten. Zwischen vierzig- und fünfzigtausend - und damit etwa in der Größenordnung der bekannten Megamarathons - da lagen die Starterzahlen zuletzt immer.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass in beiden Städten kein echter Citymarathon existiert. Übrigens führt keiner der Läufe den Begriff "Halbmarathon" im Namen. Vielmehr tritt man zum "Great North Run" und zu "Göteborgsvarvet" - der "Göteborg-Runde" - an. An der Bezeichnung alleine lässt sich also Erfolg vielleicht doch nicht festmachen.

Der Halbmarathon Nummer zwei in Deutschland ist dann jedoch bereits Bestandteil einer Marathonveranstaltung, nämlich in Köln. Zwischen elf- und zwölftausend Läufern haben sich die Werte in der Domstadt seit einiger Zeit eingependelt. Die Konstanz verwundert angesichts eines gleichbleibenden Teilnehmerlimits eigentlich nicht. Nur dass von diesen fünfzehntausend Sportlern jedes Jahr mehr als zwanzig Prozent auf dem Weg zwischen Anmeldung und Ziel verloren gehen, überrascht irgendwie.

Erreichen bei den Marathons drei Veranstaltungen fünfstellige Ergebnisse bei den Zieleinläufen, sind es unter den Halbmarathons nur zwei. Der "richtige" Halbmarathon von Hamburg bleibt als Dritter mit knapp neuntausend Läufern nämlich klar unter dieser Grenze hängen. Immerhin scheint dem Sommerlauf die neue Konkurrenz, die ihm im April durch den Marathon-Ableger auf fast identischer Streckenführung entstanden ist, nicht geschadet zu haben.

Vielmehr sind die Teilnehmerzahlen gegenüber dem Vorjahr sogar ein wenig gewachsen. Das war aber auch bitter nötig, um die eigene Platzierung zu sichern. Denn Verfolger Hannover - dies wieder ein Lauf im Rahmen eines Marathons - hat noch deutlicher zugelegt und übertrifft damit den Vorjahreswert aus der Hansestadt ebenfalls.

Ein Plus von fast eintausend Sportlern gegenüber dem Vorjahr bilden - natürlich abgesehen von Läufen die 2017 nicht oder noch nicht stattfanden - den größten Zuwachs der Saison. Dass an der Leine die deutschen Meisterschaften ausgetragen wurden, taugt übrigens nicht als Argument für diesen spürbaren Sprung nach oben. Das war nämlich auch zwölf Monate zuvor der Fall.

Mit dem Rennsteiglauf - genau wie im Marathonbereich der einzige Landschaftslauf im absoluten Vorderfeld - und München folgen zwei weitere Langstreckenableger auf den nächsten Plätzen. Stuttgart ist auf Rang sieben dann die erste Stadt, in der es - egal, ob mit dem Halben gekoppelt oder nicht - überhaupt keinen Lauf über die doppele Distanz gibt.

Die letzten drei Positionen unter den besten Zehn gehen dann an das schon erwähnte Trio Bonn, Mainz und Freiburg, so dass immerhin sieben an einen Marathon angeschlossenen Läufen gerade einmal drei reine Halbmarathons gegenüber stehen. Auch dahinter ändert sich das Bild nur sehr langsam, obwohl die Zahl der Rennen über einundzwanzig Kilometer im Land natürlich wesentlich höher als die der Wettbewerbe über die doppelt so lange Strecke ist.

Doch scheint vielerorts tatsächlich das Wörtchen "Marathon" im Namen nötig zu sein, um eine Veranstaltung attraktiv zu machen. Von zweiunddreißig Läufen, die es über die Marke von zweitausend Zieleinläufen schafften, sind schließlich gerade einmal zwölf eigenständig. Und von den zwanzig weiteren, die dahinter noch die Vierstelligkeit erreichten, gehört die Hälfte ebenfalls zu einem Marathon.

Wie hat sich die Verhältnismässigkeit bzw. das Halbmarathonübergewicht entwickelt?
Bei den Top13-Platzierten (Mannheim hatte 2008 noch keinen Halbmarathon) zeigt der Vergleich der Jahre 2008 und 2018 dass sich die Schere zum Nachteil des Marathons weiter öffnet. Nur Heilbronn ist konstant und konnte durch Beharrlichkeit die rote Laterne abtreten. Die y-Achse zeigt das Verhältnis der Halbmarathon- zu den Marathonfinishern, die x-Achse die Marathons mit der 2018 größten Abweichung

Anhand dieser Zahlen kann man aber auch erkennen, dass sich der Halbmarathonmarkt weit ausgeglichener und breiter aufgestellt präsentiert als es beim großen Bruder der Fall ist. Wirklich große Bewegungen im Angebot gibt es jedoch keine mehr. Der Markt scheint auch hier weitgehend gesättigt.

Mit dem Hamburg Marathon findet sich gerade mal ein echter Neueinsteiger unter den größten fünfzig Rennen des Landes. Dazu kommen noch der im Vorjahr ausgefallene Lauf am Leipziger Völkerschlachtdenkmal und der Weinstraßenmarathon mit seinem traditionellen Zwei-Jahres-Rhythmus. Dafür fehlt der ebenfalls nur jedes zweite Jahr ausgerichtete Bamberger Welterbe-Lauf. Und selbst wenn es etwas mehr Verlierer als Gewinner gibt, bleibt die Zahl der Halbmarathonläufer insgesamt nahezu konstant.

Schon wenn man sich einzig und allein auf die vierstelligen Veranstaltungen beschränkt, ist diese fast doppelt so hoch wie die Summe aller Zieleinläufe der deutschen Marathons. Und angesichts der Tatsache, dass es natürlich weit mehr Rennen über diese Distanz gibt, weil sie bei einer Vielzahl von Volksläufen mit angeboten wird, kann man wohl mindestens von einem Faktor zwischen drei und vier ausgehen.

Lässt sich der Marathonszene noch einigermaßen vollständig überblicken, ist der Versuch, ähnliches für den Halbmarathon zu tun, aufgrund der Fülle des Veranstaltungen praktisch von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Doch die Tendenz ist klar zu erkennen. Der Trend geht weiterhin zu kürzeren Distanzen. Einundzwanzig Kilometer sind dabei für viele die absolute Obergrenze.

Während man einen Halbmarathon eben noch mit einem ziemlich überschaubaren Training bewältigen kann, muss man für längere Strecken eben doch ein bisschen mehr tun - ein Aufwand, den in den letzten Jahren anscheinend immer weniger treiben wollen oder aus unterschiedlichsten Gründen auch können. Und die meisten Versuche der Veranstalter über den Halbmarathon neue Läufer anzufüttern und an die Marathondistanz heran zu führen sind bisher weitgehend gescheitert.

So werden vermutlich auf absehbare Zeit die meisten Marathons in Deutschland aus wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen nur mit einem zusätzlichen Halbmarathon überleben können. Wenigstens bleibt so die vorhandene Angebotspalette weiter erhalten und auch jene, die sich tatsächlich auf die ganz langen Strecken begeben wollen, können zwischen einer größeren Anzahl von Veranstaltungen auswählen.

Text: Ralf Klink   

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2018

Teil 5: Die Schnellsten & die Besten

Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Wenn in einem Marathon ein bestehender Herren-Weltrekord mit 2:01:39 beinahe schon pulverisiert wird und zudem bei den Frauen nebenbei noch eine Jahresweltbestzeit abfällt, ist die Wahl zum "schnellsten Rennen" des Jahres eigentlich schon entschieden.

Ganz so einfach ist die Sache dann aber doch nicht. Denn während im Damebereich neben der 2:18:11 von Gladys Cherono auch noch zwei weitere der sechs besten Ergebnisse der Saison 2018 auf Berliner Asphalt gelaufen wurden, klafft hinter dem neuen Weltrekordhalter Eliud Kipchoge eine gewaltige Lücke von fast fünf Minuten.

Erst nach 2:06:23 konnten die Zeitnehmer am Brandenburger Tor mit Amos Kipruto den zweiten Läufer registrieren - eine Leistung, die vor zwei Jahrzehnten noch Weltrekord gewesen wäre, inzwischen allerdings nur noch zu Platz neununddreißig auf der Jahresbestenliste reicht.

In Dubai bleiben hingegen gleich sieben Sportler - alle übrigens Äthiopier - unter 2:05. In Amsterdam und Valencia sind es immerhin noch jeweils drei. Insgesamt wird diese noch zur Jahrtausendwende in weiter Ferne liegende Marke sogar siebzehnmal - und damit so häufig wie nie zuvor - unterboten. Selbst wenn dabei niemand auch nur annähern an Kipchoges Traumlauf heran kommt, wird die Leistungsdichte auch in diesen Zeitbereichen immer größer.

In Valencia, das sich trotz einer langen Historie eigentlich erst in den letzten Jahren zum größten und schnellsten Lauf Spaniens entwickelt hat, bleiben zudem ebenfalls sieben Athleten unter der Zeit des Zweiten von Berlin. Für Chicago liegt der entsprechende Wert bei fünf. Amsterdam und Rotterdam können beide mit vier besseren Zeiten aufwarten.

Ist Berlin also wirklich so unangefochten, wie es auf den ersten Blick erscheint, der "schnellste Marathon" der Welt? Und auch über die weit verbreitete Annahme, dass nirgendwo als an der Spree eine bessere Strecke für herausragende Zeiten existiert, kann man angesichts dieser Beobachtungen sicher diskutieren.

Schnellste deutsche Marathons - relativ zum Weltrekord

Grundlage der Bewertung sind die Siegerzeiten, die zum Männer- bzw. Frauenweltrekord ins Verhältnis gesetzt werden (Eliud Kipchoge 2:01:39 und Paula Radcliffe - 2:15:25). Aus der Summe der aus den prozentualen Abweichungen ermittelten Faktoren ergibt sich der Rang. Der relativ schnellste Marathon hat nach dieser Methode dann die niedrigste Summe.

* In der Betrachtung sind zu den Marathons mit mindestens 300 Finishern einige aufgrund der persönlichen Leistungen hinzugekommen.

Die Grafik endet beim Gesamtfaktor 59,82 (23 Stück), weitere in folgender Tabelle:
Ort Männersieger Zeit Frauensiegerin Zeit
Faktor ges.
Berlin Eliud Kipchoge
2:01:39 Gladys Cherono
2:18:11
2,04
Frankfurt/M Kelkile Gezahegn Woldaregay
2:06:37 Meskerem Assefa Wondimagegn 2:20:36
7,91
Hamburg Solomon Deksisa
2:06:34 Shitaye Eshete 2:24:51
11,01
Düsseldorf Gilbert Kollum Yegon
2:13:55 Volha Mazuronak 2:25:25
17,47
Hannover Seboka Negussa Erre
2:09:44 Agnes Jepkemboi Kiprop 2:32:35
19,32
Kassel Edwin Kosgei
2:12:52 Brendah Kebeya 2:36:44
24,96
Münster Justus Kiprotich
2:09:28 Sheila Jeptto Rono 2:45:46
28,84
Bonn Dickson Kurui
2:19:06 Sintayehu Kibebo 2:39:13
31,92
Köln Tobias Blum
2:16:57 Rebecca Robisch 2:46:03
35,20
Mainz Ivan Babaryka
2:24:36 Olga Ochal-Kalendarova 2:41:21
38,02
Dresden Stadt Edwin Kosgei
2:11:09 Sandra Boitz 2:56:48
38,37
München Andreas Straßner
2:28:00 Susanne Schreindl 2:49:40
46,95
Karlsruhe Simon Stützel
2:24:37 Simone Raatz 2:55:44
48,65
Essen Benedikt Hoffmann
2:24:23 Annika Vössing 2:56:25
48,96
Duisburg Nikki Johnstone
2:28:42 Annika Vössing 2:57:27
53,28
Gelsenkirchen Elias Sansar
2:26:16 Dioni Gorla 3:00:36
53,60
Flensburg Bjarne Langsig
2:41:33 Jessika Ehlers 2:44:27
54,24
Mannheim Nikki Johnstone
2:28:20 Merle Brunnée 3:01:12
55,74
Kevelaer Nikki Johnstone
2:31:55 Carolin Joeken 3:00:49
58,41
Füssen Wouter Decock
2:41:58 Katherine Wood 2:49:50
58,56
Bremen Jan Knutzen
2:27:02 Katharina Preuschoff 3:07:55
59,64
Fränkische-Schweiz * Firaol Eebissaa
2:33:33 Marija Vrajic 3:00:47
59,72
Heilbronn Dickson Kurui
2:31:15 Simone Raatz 3:03:28
59,82
Kandel
Andreas Straßner
2:33:26 Nina Vabic 3:02:41
61,03
Leipzig Gabriel Svajda
2:35:23 Juliane Meyer 3:00:37
61,11
Oldenburg Jens Nerkamp
2:26:23 Birgit Schönherr-Hölscher 3:11:12
61,53
Dresden Oberelbe Marc Schulze
2:40:51   Daniela Oemus 2:55:29
61,81
Bad Füssing Marco Bscheidl
2:32:18 Veronika Limberger 3:05:28
62,16
Bottwartal * Kay-Uwe Müller
2:34:26 Jasmin Klotz 3:04:00
62,83
Freiburg Lukas Naegele
2:34:22 Marianne Okle 3:04:30
63,14
Rennsteiglauf Sebastian Nitsche
2:42:52 Nora Kusterer 2:56:22
64,12
Fürth Giovani Gonzalez
2:40:19 Maria Magdalena Veliscu 2:59:54
64,63
Weinstraßen Marathon Jonas Lehmann
2:31:38 Sabine Schmitt 3:09:36
64,66
Schwarzwald Nils Schallner
2:33:36 Svenja Mann 3:09:06
65,91
Pleinfeld * Andreas Straßner
2:31:49 Carolin Schmidt 3:12:22
66,85
Würzburg Marius Mayer
2:41:20 Friederike Schoppe 3:02:09
67,13
Regensburg Felix Mayerhöfer 2:38:09 Angela Brito Bravo 3:08:55
69,51
Lübeck Sören Bach
2:35:28 Britta Giesen 3:11:55
69,52
Ulm Richard Schumacher
2:37:42 Julia Laub 3:09:37
69,66
Hornisgrinde Marathon* Jochen Uhrig
2:34:02 Katia Hirtz 3:17:0
72,11
Kyffhäuser *
Friedemann Barth
2:55:37 Juliane Totzke 2:57:50
75,69
Weiltalweg * Florian Neuschwander
2:29:15 Eva Skalsky 3:29:03
77,06
Monschau Roger Königs
2:39:48 Tanja Schmitt 3:18:25
77,88
Königsforst * Dominik Fabianowski
2:34:03 Susanne Loewen 3:27:22
79,77
Siebengebirge Johnstone Nikki
2:33:11 Picado Laureen
3:32:25
82,79
Rursee Markus Mey
2:51:19 Katrin Esefeld 3:16:22
85,84
Brocken Thomas Kühlmann
2:51:55 Marita Wahl 3:55:31
115,24
Allgäu-Panorama Hannes Pongruber 3:28:03 Caroline Kopp 3:50:15
141,05
* In der Betrachtung sind zu den Marathons mit mindestens 300 Finishern einige aufgrund der besonderen Leistungen hinzugekommen.

Eines lässt sich den Berliner Machern aber absolut nicht absprechen. Sie haben eindeutig ein gutes Händchen dafür, wie man Elitefelder zusammenstellen muss, um eine möglichst gute Siegerzeit zu bekommen. Schließlich wurden in den letzten beiden Jahrzehnten bei keinem anderen Rennen so viele Weltrekorde und Jahresweltbestzeiten gelaufen.

Und gerade für die Beachtung in den Medien ist es eben tatsächlich hauptsächlich die Siegerzeit, auf die es ankommt. Das Läuferfoto mit dem Zielband und der darüber zu sehenden Uhr wird in den Zeitungen gedruckt und im Internet veröffentlicht - bei herausragenden Leistungen auch weit über die jeweiligen Regionen oder Länder hinaus. Ob die Zweiten, Dritten oder Vierten nur knapp dahinter oder Minuten zurück liegen, interessiert dagegen kaum jemanden.

Deswegen ist es natürlich durchaus sinnvoll, sich diese Ergebnisse genauer zu betrachten und daraus auch national eine Rangliste aufzubauen. Zu dieser muss allerdings auch klar gesagt werden, dass diese nur sehr bedingt etwas darüber aussagt, ob ein Kurs besonders geeignet für Rekorde ist. Eine viel größere Rolle spielt in einer solchen Rangliste, wie viel die jeweiligen Veranstalter für Antritts- und Preisgelder ausgeben können oder wollen.

Denn bei immer weniger deutschen Marathons setzt man noch auf internationale Eliteläufer, die sich natürlich hauptsächlich im Osten Afrikas finden lassen. Um absolute Spitzenzeiten, mit denen man sich relativ weit oben in der Weltrangliste finden kann, bemühen sich neben Berlin hauptsächlich noch Frankfurt und Hamburg. Nachdem sich unter den "fünf Großen" im Land München schon länger von einer solchen Ausrichtung verabschiedet hat, setzt man auch in Köln inzwischen eher auf einheimische Sportler.

Während sich bei den Herren die nationalen Nummern zwei und drei mit den 2:06:34 von Solomon Deksisa (Hamburg) und den 2:06:37 von Kelkile Gezahegn Woldaregay (Frankfurt) fast exakt die Waage halten, gibt die 2:20:36, mit denen Meskerem Assefa Wondimagegn als Frauensiegerin in die Festhalle einlief, klar den Ausschlag zugunsten der Hessen. Denn nach der langen Runde entlang von Elbe und Alster wurden für Shitaye Eshete nur 2:24:51 gestoppt.

Und mit diesem Ergebnis, dass noch vor wenigen Jahren als absolute Weltklasseleistung gegolten hätte, landet man 2018 gerade noch für Platz zweiundachtzig der IAAF-Rangliste. Konnte man in der Vergangenheit Zeiten unter 2:20 praktisch immer im wahrsten Wortsinne an einer Hand abzählen, sind diesmal auch zwei Hände nicht mehr genug. Es sind nämlich elf. Die Frankfurt-Siegerin findet man erst auf Platz vierzehn. Nicht nur bei den Herren wird die Leistungsdichte beinahe von Jahr zu Jahr größer.

Wo wurde in Deutschland absolut am schnellsten gelaufen

Männer

In der Grafik sind zu allen Marathons mit mehr als 300 Finishern weitere aufgrund der dort erbrachten persönlichen Leistungen berücksichtigt worden. Alle mit Männersiegern unter 2:35 Stunden - 33 Stück
Berlin Eliud Kipchoge
2:01:39
Hamburg Solomon Deksisa
2:06:34
Frankfurt/M Kelkile Gezahegn Woldaregay
2:06:37
Münster Justus Kiprotich
2:09:28
Hannover Seboka Negussa Erre
2:09:44
Dresden Stadt Edwin Kosgei
2:11:09
Kassel Edwin Kosgei
2:12:52
Düsseldorf Gilbert Kollum Yegon
2:13:55
Köln Tobias Blum
2:16:57
Bonn Dickson Kurui
2:19:06
Essen Benedikt Hoffmann
2:24:23
Mainz Ivan Babaryka
2:24:36
Karlsruhe Simon Stützel
2:24:37
Gelsenkirchen Elias Sansar
2:26:16
Oldenburg Jens Nerkamp
2:26:23
Bremen Jan Knutzen
2:27:02
München Andreas Straßner
2:28:00
Mannheim Nikki Johnstone
2:28:20
Duisburg Nikki Johnstone
2:28:42
Heilbronn Dickson Kurui
2:31:15
Weinstraßen Marathon Jonas Lehmann
2:31:38
Kevelaer Nikki Johnstone
2:31:55
Bad Füssing Marco Bscheidl
2:32:18
Siebengebirge Johnstone Nikki
2:33:11
Kandel Andreas Straßner
2:33:26
Schwarzwald Nils Schallner
2:33:36
Freiburg Lukas Naegele
2:34:22
* Marathons mit weniger als 300 TN aber Männerzeiten bis 2:35
Weiltalweg / 249 TN Florian Neuschwander
2:29:15
Pleinfeld / 232 TN Andreas Straßner
2:31:49
Fränk.-Schweiz / 210 TN Firaol Eebissaa
2:33:33
Hornisgrinde / 80 TN
Jochen Uhrig
2:34:02
Königsforst / 186 Dominik Fabianowski
2:34:03
Bottwartal / 284 Kay-Uwe Müller
2:34:26

Nur unwesentlich langsamer als die Hamburg-Siegerin lief in Düsseldorf die Weißrussin Volha Mazuronak. Ihre 2:25:25 reichen gerade noch für einen Platz unter den ersten hundert der Weltrangliste. Darin steht mit elf Einträgen übriges kein Lauf häufiger als der Frankfurt Marathon. Berlin wird achtmal genannt. Und Hamburg taucht immerhin zweimal auf. Also wurden bei den Frauen mehr als ein Fünftel der schnellsten Zeiten des Jahres auf deutschem Boden erzielt.

Im Herrenbereich sind es mit viermal Berlin, fünfmal Hamburg und sechsmal Frankfurt unter den ersten hundert dann doch einige Weltklasse-Ergebnisse weniger. Und die 2:13:55, die Gilbert Kollum Yegon in der Hauptstadt von Nordrhein-Westfalen zum Sieg reichten, muss man dort ganz sicher nicht suchen. Denn mehr als sechshundert Läufer waren 2018 rund um den Globus besser. Eine weitere interessante Zahl, an der sich die Leistungsexplosion der letzten Jahrzehnte ablesen lässt.

Deutlich schneller - nämlich 2:09:44 und damit auf Platz 198 der Weltrangliste - lief da dann doch der Äthiopier Seboka Negussa Erre in Hannover. Da Agnes Jepkemboi Kiprop allerdings am Maschsee mit 2:32:35 deutlich hinter der Düsseldorf-Zeit zurück blieb, landen die Niedersachsen in der Siegerzeiten-Rangliste auf Rang fünf.

Wo wurde in Deutschland absolut am schnellsten gelaufen

Frauen

In der Grafik sind zu allen Marathons mit mehr als 300 Finishern weitere aufgrund der dort erbrachten persönlichen Leistungen berücksichtigt worden. Alle mit Frauensiegerinnen unter 3 Stunden - 21 Stück
Ort Frauensiegerin Zeit
Berlin Gladys Cherono
2:18:11
Frankfurt/M Meskerem Assefa Wondimagegn
2:20:36
Hamburg Shitaye Eshete
2:24:51
Düsseldorf Volha Mazuronak
2:25:25
Hannover Agnes Jepkemboi Kiprop
2:32:35
Kassel Brendah Kebeya
2:36:44
Bonn Sintayehu Kibebo
2:39:13
Mainz Olga Ochal-Kalendarova
2:41:21
Flensburg Jessika Ehlers
2:44:27
Münster Sheila Jeptto Rono
2:45:46
Köln Rebecca Robisch
2:46:03
München Susanne Schreindl
2:49:40
Füssen Katherine Wood
2:49:50
Dresden Oberelbe Daniela Oemus
2:55:29
Karlsruhe Simone Raatz
2:55:44
Rennsteiglauf
Nora Kusterer
2:56:22
Essen Annika Vössing
2:56:25
Dresden Stadt Sandra Boitz
2:56:48
Duisburg Annika Vössing
2:57:27
Fürth Maria Magdalena Veliscu
2:59:54
* Marathons mit weniger als 300 TN aber Frauenzeiten bis 3:00 h
Kyffhäuser / 289 TN Juliane Totzke
2:57:50

Dabei ist es übrigens vollkommen egal, ob man die beiden Resultate einfach stumpf addiert oder - um beide Geschlechter den gleichen Einfluss auf das Gesamtergebnis zu geben - anhand der jeweiligen Weltrekorde oder Weltjahresbestzeiten gewichtet. Gab es dabei zwischen den deutschen Marathons in der Vergangenheit durchaus auch im Vorderfeld die eine oder andere Verschiebung, ist diesmal gleich auf den ersten vierzehn Plätze die Reihenfolge unabhängig von den exakten Berechnung ziemlich festgezurrt.

Jedoch gibt es abgesehen von den Spitzenzeiten eben auch andere Kriterien, um zu beurteilen, ob ein Marathon "schnell" ist. Denn wenn man als Zuschauer nach dem Durchlauf der Elite erst einmal gemütlich einen Kaffee trinken gehen kann, weil sich eine Lücke von einer Viertelstunde oder noch mehr auftut, könnte man schließlich trotz Klasseleistungen der Sieger eben zu einer ganz anderen Einschätzung kommen.

Um die Dichte im Leistungsbereich auch jenseits der wenigen Profisportler zu beurteilen, ist es zum Beispiel viel interessanter, wie viele Läufer unter der Drei-Stunden-Marke ins Ziel kommen. Es wundert wenig, dass Berlin hierbei ebenfalls die Nase vorne hat. Insgesamt 1699 Zeiten - 1586 Männer und 113 Frauen - mit einer Zwei am Anfang lassen sich in den Ergebnissen finden.

Leistungsdichte Männer unter 3:00 h

Wo fanden Bestzeitenjäger in Deutschland starke Gruppen

Der Marathon mit den schnellsten Siegerzeiten muss nicht zwangsläufig zur persönlichen Bestzeit führen. So gelingt es den besten Eliteläufern mit nur wenigen Sekunden Verlust Streckenschwierigkeiten zu meistern. Für einen Spitzenplatz im Ranking reicht es, einen Mann und eine Frau gut durchzubringen. Dafür wird von Veranstalterseite mitunter auch ein Service geleistet, der weit bessere Bedingungen liefert, etwa mit persönlichen Tempomachern, als sie "Otto Normalverbraucher" vorfindet.

Bei welchem Marathon die Chancen auch für schnellere Teilnehmer gut sind, eine Gruppe zu finden, ist anhand der Grafiken leicht abzulesen.

Unberücksichtigt bleibt hier, dass sich bei Marathons etwa mit zeitgleich startendem Halbmarathonfeld und bei sich auf der Strecke tummelnden frisch eingewechselten Staffelläufern zusätzlich Gruppen bilden, die der Einsamkeit des Langstreckenläufers entgegen wirken.

In der Grafik sind 10 Marathons (> 300 TN), die mindestens 31 Männer unter 3:00 h hatten (2017 waren es 12).

Das hat irgendwie natürlich auch etwas von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Denn gerade weil Berlin ja den Ruf hat, eine schnelle Strecke zu besitzen, zieht es viele ambitionierte Läufer auf der Jagd nach Bestzeiten in die deutsche Hauptstadt. Prompt fallen deswegen wieder etliche Klasseergebnisse an, die sich als Bestätigung der These heran ziehen lassen. Und der Kreislauf setzt sich mit der nächsten Auflage nahtlos fort.

So hoch die Zahlen auch erscheinen mögen, der neue Berliner Teilnehmerrekord hat trotzdem keine neue Rekordzahl an Drei-Stunden-Läufern zur Folge. Im Vorjahr waren es nämlich noch achtundsiebzig mehr. Und das, obwohl fast siebzehnhundert Zieleinläufe weniger registriert wurden. Noch zwei Jahre zuvor zählte man sogar 1.856 entsprechend schnelle Sportler.

Leistungsdichte Männer unter 3:00 h

Vergleich 2018 zu 2017

In der Grafik sind 8 Marathons (> 1000 TN)

Wer richtig weit in der Historie zurückgeht, findet allerdings für Berlin noch einen deutlich höheren Wert. Denn im Jahr 1990 beim erstmals durchs Brandenburger Tor führenden "Vereinigungsmarathon" kamen stolze 2256 Sportler unter dieser Grenze ins Ziel - wohlgemerkt bei einem Starterfeld, das damals nur etwas mehr als die Hälfte der heutigen Größe besaß. Während die Dichte an der absoluten Spitze in den letzten Jahrzehnten also zugelegt hat, bröckeln die Leistungsreihen dahinter immer weiter ab.

Ein wenig an alte Zeiten erinnern noch die Ergebnisse in Frankfurt. Denn mit 1102 Resultaten errechnet sich dort beim einzigen deutschen Marathon eine Drei-Stunden-Quote von mehr als zehn Prozent. Von dem Berliner Wert liegt man damit außerdem auch in der Summe gar nicht so weit entfernt. Und das obwohl Berlin fast viermal so viele Teilnehmer im Ziel registriert. In dieser Wertung geht der erste Platz also ganz klar an das Rennen durch die Hessenmetropole.

Leistungsdichte Frauen unter 3:20 h

Wo fanden Bestzeitenjägerinnen in Deutschland starke Gruppen

Da es in Deutschland keine reinen Frauenläufe gibt, ist die Aufzeichnung für Marathonläuferinnen unter 3:20 h im Ziel, mehr ein Hinweis, wo es evtl. was zu verdienen gibt. Es kann unterstellt werden, dass bei Marathons mit vielen männlichen Teilnehmern, die unter 3 Stunden bleiben, auch im Bereich bis 3:20 h eine höhere Teilnehmerdichte zu erwarten ist.

Dass wir nicht auch Grafiken für längere Laufzeiten erstellt haben, hat nur den Grund, dass sich die Einsamkeit des Langstreckenläufers erst wieder am Ende des Feldes einstellt. Mitunter wäre im Mittelfeld eine umgedrehte Betrachtung interessant: Wo kann ich z.B. bei einer Laufzeit von 4 Stunden mit ausreichender Bewegungsfreiheit rechnen. Dies ist aber etwa aufgrund zeitversetzer Startgruppen statistisch kaum anhand reiner Zahlen zu ermitteln.

In der Grafik sind 9 Marathons (> 300 TN), die mindestens 7 Frauen unter 3:20 h hatten (2017 waren es 14).

Eigentlich kommt diesem Ergebnis nur noch der Düsseldorfer Marathon mit einem Quotienten von 9,1 Prozent nahe. Die absoluten Werte sind allerdings aufgrund des deutlich kleineren Feldes längst nicht so beeindruckend. Doch sind 249 Läufer unter drei Stunden gar nicht so schlecht, wenn der mehr als dreimal so große Hamburg Marathon am gleichen Tag auch nur 310 zusammen bekommt. Dass am Rhein die deutschen Meisterschaften ausgetragen wurden, darf dabei aber auch nicht unerwähnt bleiben.

Ansonsten schaffen es nur noch Köln mit 168 und München mit 121 auf dreistellige Werte. Insgesamt kommen für diesen Zeitbereich in Deutschland keine viereinhalbtausend Ergebnisse mehr zusammen, so dass sich ein landesweiter Schnitt von knapp über vier Prozent ergibt. Sowohl in absoluten Zahlen als auch in der Quote lässt sich erneut ein leichter Rückgang feststellen.

Dass Berlin den Durchschnitt genau trifft ist zwar schon ein bisschen Zufall, aber so überraschend dann auch wieder nicht. Schließlich stammen inzwischen ja zwei von fünf Marathonzeiten aus der Hauptstadt. Viel erstaunlicher ist allerdings, dass es - selbst unter Berücksichtigung von kleineren Läufen - nur wenig mehr als ein halbes Dutzend Rennen gibt, die eine bessere Relation bieten können.

Leistungsdichte Frauen unter 3:20 h

Vergleich 2018 zu 2017

In der Grafik sind 8 Marathons (> 1000 TN). Düsseldorf profitierte von den Deutschen Meisterschaften.

Sicherlich können Landschaftsläufe in dieser Beziehung schon aufgrund ihres Profils nicht wirklich mithalten. Doch langsam fällt es auch vielen Stadtmarathons der zweiten Reihe - also jene mit hohen dreistelligen Teilnehmerzahlen - immer schwerer noch mehr als zwanzig oder dreißig Drei-Stunden-Läufer anzulocken. Und Frauen in diese Leistungsklasse findet man bei einigen Rennen sogar überhaupt keine mehr.

Ohne ihre durchaus bemerkenswerten Leistungen schmälern zu wollen, ist die nicht gerade vielköpfige Konkurrenz natürlich auch ein Grund, warum Namen wie "Andreas Straßner" und "Nikki Johnstone" oder im Frauenbereich "Annika Vössing" und "Simone Raatz" gleich mehrfach in der Liste der Sieger auftauchen.

Ist die Zahl der Zeiten unter drei Stunden ein gutes Maß für die Dichte im Leistungsbereich, lässt sich für das breite Feld eine ganz brauchbare Beurteilung treffen, wenn man die Grenzlinie eine Stunde dahinter zieht. Und dabei gibt es nach dem Berechnen der Werte gleich einmal eine ziemliche Überraschung.

Denn für den vermeintlich "schnellsten Marathon der Welt" ergibt sich ein Prozentsatz, der ihn weit am Ende der Rangliste mitten zwischen den Landschaftsläufen landen lässt. Während an der Spitze ein Weltrekord und eine Weltjahresbestzeit erzielt werden, knacken in Berlin weiter hinten gerade einmal vierzig Prozent aller Teilnehmer die Vier-Stunden-Marke.

Im Vergleich mit der nationalen Konkurrenz waren die Werte an der Spree schon lange ziemlich niedrig. Um das letzte Mal ein Verhältnis von über fünfzig Prozent zu finden, muss man schon ein ganzes Stück in den Aufzeichnungen zurück blättern. Es war nämlich im Jahr 2013. Aber so gering wie diesmal war der Anteil noch nie. Noch einmal hat man über vier Prozentpunkte eingebüßt.

Anteil der Finisher unter 3 Stunden

Von allen 41 Veranstaltungen mit mehr als 300 TN hat nur ein schwieriger Landschaftsmarathon (Allgäuer Panoramamarathon) keine Zeit unter 3 h aufzuweisen

Der Septembertermin, der gerade für Läufer, die noch über die Mittagszeit hinaus auf der Strecke unterwegs sind, durchaus auch die Gefahr höherer Temperaturen birgt, ist alleine als Begründung wohl nicht ausreichend. Dass man bei einer solchen Massenveranstaltung mitten im dichten Pulk nicht wirklich frei laufen kann, dürfte den Effekt des flachen Asphalts vermutlich viel stärker konterkarieren.

Und selbstverständlich spielt auch eine Rolle, dass der größere Teil der Starter inzwischen aus Lauftouristen aus dem Ausland besteht. Und davon kommt dann wiederum etwa die Hälfte sogar aus Übersee. Alleine aus den USA, die nicht unbedingt für schnelle Marathonzeiten im mittleren und hinteren Teil des Feldes bekannt sind, reisen fast viertausend Läufer an. Auch bei vielen anderen ist sicher eher das Dabeisein bei einem der größten Marathons weltweit als die Hatz auf neue Bestzeiten die Motivation für den Start.

In Hamburg ist man mit gerade noch zweiundvierzig Prozent ebenfalls deutlich abgerutscht. München registriert nur einen guten Prozentpunkt mehr als die Hanseaten. Und eine ganze Reihe weiterer Stadtmarathons landet erstmals weit unter der Fünfzig-Prozent-Marke. Die Veränderungen sind zum Teil erheblich und gehen oft weit über das statistisch übliche Maß hinaus. Doch insbesondere für die Frühjahrsrennen lässt sich mit den schon ab April auf sommerliche Werte angestiegenen Temperaturen eine akzeptable Begründung finden.

Am anderen Ende der Skala war jahrelang der Bienwald-Marathon von Kandel auf die erste Position abonniert. Diese Führungsposition hat man im abgelaufenen Jahr verloren. Gleich um mehrere Plätze sind die Südpfälzer in der Rangliste zurück gefallen. Doch können sie sich mit der weiterhin einen Spitzenwert darstellenden Vier-Stunden-Quote von über sechzig Prozent zumindest ein bisschen trösten.

Anteil der Finisher unter 4 Stunden

Alle 41 Veranstalter mit mehr als 300 TN

Vorbei gezogen sind unter anderem Düsseldorf und der Dresdner Stadtmarathon, die ihre Werte aus dem Vorjahr spürbar gesteigert haben. Auch Frankfurt ist nun vor Kandel platziert und widerlegt damit wieder einmal die Allgemeingültigkeit der These, dass bei großen Marathons in der Breite tendenziell langsamer gelaufen wird. Schließlich sind die Hessen hinsichtlich der Teilnehmerzahlen die Nummer zwei im Land.

Das für Zuschauer ziemlich ungemütliche Wetter am letzten Oktobersonntag, hatte für die Zeiten wohl sogar positive Auswirkungen - und sei es nur, weil die Läufer einfach so schnell wie möglich wieder in die warme Festhalle wollten. Wirklich neu ist die Bankenmetropole in den vorderen Rängen allerdings nicht. Auch in den Jahren zuvor hatte man unter den großen Marathons in der Regel die mit Abstand besten Ergebnisse.

Neuer Spitzenreiter unter den Veranstaltungen mit mehr als dreihundert Teilnehmern ist ein Lauf, bei dem die Verwendung des Begriffs "Wetterprobleme" noch viel weniger wahrscheinlich als in Frankfurt auf zu große Hitze hindeutet. Es handelt sich um den Thermenmarathon von Bad Füssing, der bei einem Termin im Februar wohl eher einmal mit Schnee, Eis oder starken Frost zu kämpfen hat.

Leistungsschädlich scheinen winterliche Temperaturen jedenfalls nicht zu sein. Denn dass ungefähr zwei Drittel ihrer Teilnehmer weniger als vier Stunden benötigen, ist für die Niederbayern seit Jahren absolut normal. Verwundern kann dies allerdings nicht wirklich. Wer in Bad Füssing läuft, weiß vermutlich ganz gut was er tut. Gelegenheitsmarathonis und Novizen werden sich hingegen eher selten um diese Jahreszeit an die Startlinie stellen.

Auch bei dieser Betrachtung sind also genau wie bei allen anderen genannten Kriterien Ursache und Wirkung nur schwer voneinander zu trennen. Neben Höhenprofil und Wetterbedingungen gibt es halt noch viele andere, oft ziemlich subtile Parameter, die Auswirkungen auf das Aussehen einer Ergebnisliste haben und diese zum Teil deutlich verändern können.

Dass sich aus dieser wahrscheinlich gleich wieder Rückkopplungen für die nächste Auflage ergeben und es eben nicht wie bei naturwissenschaftlichen Untersuchungen möglich ist, einen Versuch ohne Einflüsse von außen beliebig oft zu wiederholen, macht konkrete Schlussfolgerungen bei nüchterner Betrachtung eigentlich zur reinen Kaffeesatzleserei. Und jede Beurteilung kann einzig und allein subjektiv sein.

Der Versuch, irgendeinen eindeutigen und allgemeinen Maßstab für die "Schnelligkeit" einer Marathonstrecke aus den Ergebnissen heraus zu lesen, ist deswegen von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Interessant und spannend sind die unterschiedlichen Betrachtungen allerdings irgendwie doch jedes Mal.

Text: Ralf Klink   

Die deutsche Marathonszene im Jahr 2018

Teil 6: Die Frauenquote
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Ende des Jahres 2006 wurde bei LaufReport erstmals ein Rückblick auf die abgelaufene Marathonsaison in Deutschland veröffentlicht. Und seitdem gibt es diese Betrachtung in jeden Winter neu, womit man nun schon bei der - Abergläubische jetzt bitte einmal wegsehen - dreizehnten Auflage angelangt ist.

 

Über die Zeit lassen sich dabei eine ganze Reihe nahezu konstant verlaufende Entwicklungen erkennen. Die immer größer werdende Dominanz von Berlin gehört genauso dazu wie der Teilnehmerschwund bei der Breite der Veranstaltungen oder der Trend zum angeschlossenen Halbmarathon. Aber noch eine Beobachtung kann man praktisch jedes Mal machen. Sie lautet: "Die Frauenquote ist gestiegen".

Und diese Aussage gilt sowohl für die Summe aller deutschen Marathons als auch nahezu jedes Jahr für jede einzelne dieser Veranstaltungen. Die Ausnahmen, bei denen die Quote doch einmal um einige Zehntelpunkte hinter dem Komma sinkt, sind in der Regel ziemlich überschaubar und problemlos mit ein oder zwei Händen abzuzählen.

Schafften es vor einem Jahrzehnt gerade einmal Berlin und Hamburg die zwanzig Prozent knapp zu übertreffen oder zumindest zu streifen, knacken inzwischen mehr als zwei Dutzend Veranstaltungen diese Marke ohne Mühe. Und Berlin gelingt 2018 sogar erstmals der Sprung über die Grenze von dreißig Prozent., was wegen des enormen Einflusses der Hauptstadt auf das Gesamtergebnis auch dafür sorgt, dass im Schnitt hinter ziemlich genau einem Viertel aller Ergebnislisteneinträge ein "W" zu lesen ist.

Dass Berlin auch diesmal wieder den mit Abstand höchsten Einzelwert beisteuert, ist alles andere als überraschend. Auch diese Beobachtung lässt sich jedes Jahr machen. Denn tendenziell steigt der Frauenanteil zumeist mit der Größe der Veranstaltung. Und der deutsche Platzhirsch bewegt sich diesbezüglich inzwischen in einer ganz anderen Kategorie als die nationale Konkurrenz.

Diese Tendenz lässt sich übrigens nicht nur in Deutschland sondern eigentlich weltweit erkennen. Denn auch in den meisten anderen Ländern liegen die größten Veranstaltungen hinsichtlich der Frauenquote klar über den ansonsten üblichen Werten und damit auch dem nationalen Durchschnitt.

Doch in Berlin kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Denn wie schon mehrfach erwähnt ist die Megaveranstaltung am Brandenburger Tor bei einem zu über der Hälfte aus ausländischen Lauftouristen bestehenden Starterfeldes eigentlich längst nicht mehr mit rein deutschen Maßstäben zu messen.

Bei knapp viertausend Anmeldungen aus den USA und unwesentlich weniger aus Großbritannien stellen alleine diese beiden Nationen schon mehr als ein Sechstel aller Teilnehmer. Und nimmt man weitere britisch geprägte Länder wie Kanada, Australien, Neuseeland oder auch Irland hinzu, spricht rund ein Viertel des Feldes Englisch als Muttersprache.

Wer sich ein bisschen in der Marathonszene auskennt, dem ist zudem bekannt, dass nirgendwo sonst auf der Welt die Frauenanteile höher sind als im angelsächsischen Kulturraum. In Nordamerika sind seit vielen Jahren die Zahlen zwischen den Geschlechtern beinahe schon gleichverteilt. Und auch auf den britischen Inseln ist zumeist mindestens ein Drittel aller Marathonstarter weiblich.

Wenn die aus diesen Ländern nach Berlin gereisten Läufer ihre heimischen Verteilungen mitbringen, ist es kaum verwunderlich, dass die Werte auch in der deutschen Hauptstadt deutlich nach oben schnellen. Zumal dazu noch mehrere tausend Skandinavier kommen, bei denen zu Hause in der Regel ebenfalls etwas höhere Quoten als hierzulande beobachtet werden können.

Will man wirklich realistische Werte für den deutschen Markt haben, ist also eher sinnvoll den Blick nach Frankfurt und Hamburg, Köln und München zu richten. Dort gibt es natürlich zwar ebenfalls eine nicht unerhebliche internationale Beteiligung. Doch der weitaus größte Teil der Starter stammt eben bei diesen Läufen trotzdem noch immer aus dem Inland.

Mit Frauenquoten im niedrigen Zwanzigerbereich landen auch die vier übrigen großen deutschen Marathons ziemlich weit im Vorderfeld. Allerdings schafft es kein einziger über den landesweiten Durchschnittswert. Ein weiterer Beleg für den gewaltigen Einfluss, den der Hauptstadtlauf auf das Gesamtergebnis inzwischen entwickelt hat. Denn eigentlich stellt er in dieser Berechnung ja einen klaren Ausreißer nach oben dar.

Noch eine weitere Zahl ist diesbezüglich sicher interessant. Während nämlich insgesamt knapp vierzig Prozent aller Zieleinläufe in Deutschland auf das Berliner Konto gehen, ist es bei den Frauen nun fast schon die Hälfte. Weit mehr als zwölftausend Läuferinnen an der Spree stehen 2360 in Hamburg und 2304 in Frankfurt gegenüber. Köln landet mit elfhundert gerade noch über die Tausendermarke, an der München schon scheitert.

Nur eine einzige Veranstaltung kommt mit 27,2 Prozent überhaupt in Sichtweite der Berliner. Überraschend dabei ist, dass es sich nicht um einen der großen Stadtmarathons handelt sondern um den praktisch nur durch den Wald führenden Rennsteiglauf. Immerhin auch noch 863 Frauen bewältigen die zweiundvierzig Kilometer auf dem berühmten Wanderweg zwischen Neuhaus und Schmiedefeld.

Ziemlich genau zehn Prozentpunkte weniger als beim Marathon errechnen sich dort allerdings für den gleichzeitig ausgetragenen Ultralauf, der von Eisenach den Zielort aus entgegengesetzter Richtung ansteuert. Doch so schlecht wie er auf den ersten Blick wirkt, ist dieser Wert eigentlich gar nicht. Vielmehr befinden sich die Thüringer damit in recht guter Gesellschaft.

Denn während bei den Marathon mit vierstelligen Teilnehmerzahlen einzig und allein Hannover einige Zehntelpunkte unter den zwanzig Prozent hängen bleibt, sind für die Veranstaltungen der nächstkleineren Kategorie die Quoten deutlich niedriger. Von den sechzehn Läufen zwischen fünfhundert und tausend Läufern schafft es nur der Marathon Deutsche Weinstraße sein Feld zu mehr als einem Fünftel mit Frauen zu füllen - und das dann auch nicht wirklich deutlich.

Es widerspricht ein wenig der These, dass die weibliche Beteiligung mit der Größe einer Veranstaltung steigt, wenn sich für die Läufe unter fünfhundert Teilnehmer wieder ein etwas höherer Schnitt berechnen lässt. Doch sollte man dabei eben auch bedenken, dass für Läufe in diesem Bereich aus statistischer Sicht kaum noch ernsthafte Auswertungen möglich sind, weil bereits kleine Zufälle das Ergebnis erheblich verändern können.

Ein einziges voll besetztes Auto mit einem Frauenlauftreff, das zusätzlich auf den Parkplatz rollt, zieht die Quote eines Marathons nämlich schon um ein bis zwei Prozentpunkte nach oben. Da ist es dann auch kein Wunder, dass die Werte nirgendwo stärker streuen als in dieser Kategorie. Es gibt sowohl Läufe, die an den Gesamtdurchschnitt von einem Viertel heran kommen, als solche, für die sich nur halb so hohe Anteile ergeben.

 

Eindeutig an den Daten zu belegen ist allerdings die Behauptung, dass Frauen noch viel stärker die kürzeren Strecken präferieren, als es die Männer tun. Denn bei ausnahmslos allen Marathons, die auch einen Halbmarathon anbieten, sind die Quoten beim Einundzwanziger weitaus höher. Das gilt übrigens nicht nur für 2018. Auch in den Vorjahren lässt sich nirgendwo auch nur ein einziges Gegenbeispiel entdecken.

Rund zehn Prozentpunkte höher als auf der Langdistanz sind die Werte sowohl im Durchschnitt als auch bei den meisten Veranstaltungen. Hierbei sind die Quoten gegenüber dem Vorjahr ebenfalls fast überall leicht gestiegen. Unterschiede zu den Ergebnissen bei reinen Halbmarathons gibt dabei eigentlich nicht. Nahezu überall liegen die Frauenquoten in der Nähe von dreißig Prozent oder sogar darüber.

Und einige Veranstaltungen schaffen es inzwischen sogar über die Vierzig-Prozent-Marke. Dass sich darunter auch die drei größten deutschen Läufe befinden, bestätigt irgendwie die für die zweiundvierzig Kilometer gemachten Beobachtungen. Für den Halben des Kölner Marathons ist die Vier als erste Ziffer bereits ein alter Hut. Nun sind auch die reinen Halbmarathons von Berlin und Hamburg in dieser Region angelangt.

Ein Halbmarathon mit mehr Frauen als Männer im Ziel haben wir nicht im Portfolio, aber die Annäherung beim Halbmarathon ist erfreulich......

Am höchsten ist der Frauenanteil allerdings bei der neu eingeführten lokalen Konkurrenz des letztgenannten Rennens. Denn bei der Premiere des mit dem Hamburg Marathon ausgetragenen Halbmarathons stehen in der Ergebnisliste 1394 männlichen immerhin 1326 weibliche Sportler gegenüber.

Selbstverständlich hat ein solcher Einzelwert nur sehr bedingte Aussagekraft. Doch unverkennbar nähern sich die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern gerade beim Halbmarathon immer stärker an. Wenn die Entwicklung so bleibt, wie sie sich in den letzten Jahren gezeigt hat, werden in absehbarer Zeit auch bei einem großen deutschen Lauf einmal die Frauen in der Überzahl sein.

Beim Marathon besteht trotz der jährlichen Zuwächse zwar noch ein wenig Nachholbedarf. Doch steigt eben auch dort die weibliche Beteiligung von Saison zu Saison - und zwar nicht nur anteilig. Denn während die absolute Zahl der Zieleinläufe in Deutschland beinahe stetig abnimmt, kamen zuletzt jedes Jahr in der Summe tausend bis zweitausend Frauen in den Ergebnislisten hinzu. Mehr "Frau" war beim Marathon hierzulande noch nie. Und ohne sie sähe die Bilanz vermutlich noch ein wenig trostloser aus.

Statistiken & Auswertungen von Ralf Klink
Grafiken/Foto Constanze Wagner
Die deutsche Marathonszene wird seit 2006 mit Akribie ausgewertet. Siehe Inhaltsverzeichnis unter Vermischtes im LaufReport HIER
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