Die deutsche Marathonszene im Jahr 2011

Und sie bewegt sich doch
Teil 1: Die meisten Finisher HIER
Teil 2: Das Ranking HIER
Teil 3: Gewinner & Verlierer HIER
Teil 4: Halb- kontra Marathon HIER Teil 5: Die Schnellsten & die Besten HIER Teil 6: Die Frauenquote HIER

Veranstalteranmerkungen sind ausdrücklich erwünscht. Hier aus Berlin

Die große Marathon-Analyse

Teil 1: Die meisten Finisher

Anm.: Wachablösung auf den Podestplätzen. Der BMW Frankfurt Marathon ist mit 12.438 Finishern am HASPA Marathon Hamburg mit 11.288 Finishern vorbei gezogen.

Die Premiere in Augsburg und der evtl. einmalig 2011 in Bielefeld ausgetragene Sparkassenmarathon schafften es sofort in das Top-Ranking, Marathons mit mehr als 300 Finisher. Der Marathon Deutsche Weinstraße hatte 2011 planmäßig seine im Zweijahresrhythmus terminierte Pause. Diese Läufe werden weder mit Plus noch mit einem Minus gekennzeichnet. Ein Pluszeichen gibt es aber auch bereits mit einem Finisher mehr als im Vorjahr, wie beim viertplatzierten Kölner Marathon. Es zeigt dann eben, dass es keine Verluste zu verschmerzen gilt.

Der rote Punkt markiert den Frauenanteil. In den Grafiken sind alle Marathons mit mehr als 300 Finishern. Diese Erfassung ist auf dem Stand zum 15. November. Es können sich noch Veränderungen ergeben.

Die deutsche Marathonszene 2011 - und sie bewegt sich doch

In den letzten Jahren ähnelten sich die bei LaufReport veröffentlichten Saisonrückblicke auf die deutschen Marathons ziemlich. Von stetigem Teilnehmerrückgang war jedes Mal die Rede. Von einem unangefochtenen Dominator namens "Berlin Marathon" konnte man dort jährlich lesen, von einem ewigen Kronprinzen aus Hamburg und zuletzt auch stets von einem sicheren dritten Platz in der Größenrangliste für Frankfurt. Und dann stand dann noch was von einem dichtgedrängten Mittelfeld hinter den Läufen von Köln und München.

Die Frage, was daran denn noch spannend sein sollte, ist angesichts dieser ständigen Wiederholungen vielleicht sogar zulässig. Von massiven Umwälzungen ist in der einheimischen Marathonszene schon lange nichts mehr zu erkennen. Nachdem der bis dahin eher ruhige Laufmarkt in den Jahren vor und nach der Jahrtausendwende von einer regelrechten Welle neuer Veranstaltungen überrollt und ordentlich durcheinander gewirbelt wurde, haben sich die Verhältnisse längst wieder beruhigt.

Doch sind es eben nicht nur die ganz großen Veränderungen, die interessant sein können. Schleichende Entwicklungen bringen langfristig manchmal ähnliche Ergebnisse wie gewaltige Sprünge. Kleinere, anfänglich vielleicht kaum wahrnehmbare Verschiebungen wachsen sich im Lauf der Jahre gelegentlich zu gewaltigen Unterschieden aus. Und in seltenen Fällen schlägt das Ruder sogar tatsächlich einmal gegen den Trend in eine völlig andere Richtung aus.

Inzwischen reicht die LaufReport-Datenbasis für alle größeren deutschen Marathons mehr als ein halbes Dutzend Jahre zurück. Da lassen sich solche, oftmals durchaus überraschende Effekte gleich für etliche der Veranstaltungen hervor holen. Denn in einer so schnelllebigen Zeit sind die Verhältnisse, die noch vor wenigen Jahren herrschten, meist längst wieder vergessen. Und so gibt es auch 2011 wieder eine gründliche Nachbetrachtung der deutschen Marathonläufe.

Das Hauptaugenmerk liegt dabei natürlich auf den Veranstaltungen mit höheren Teilnehmerzahlen. Doch auch Läufe, die man maximal als mittelgroß bezeichnen dürfte, sind zumindest in der Datensammlung mit erfasst, wenn auch in der Folge nicht auf jeden einzelnen davon eingegangen werden kann.

Als ungefähre Grenze für die Berücksichtigung in der Vorauswahl gilt dabei seit einigen Jahren die Marke von zweihundert Zieleinläufen. Rund sechzig Marathons überspringen in Deutschland im Moment diese Marke. Für die den Text ergänzenden Grafiken wurde die Messlatte der besseren Übersichtlichkeit wegen allerdings auf dreihundert Ergebnislisteneinträge nach oben gelegt. Doch auch damit sind noch mehr als vierzig Läufe einzeln aufgeführt.

Zudem werden einige weitere Marathons, die zwar 2011 eigentlich an der Einstiegshürde scheitern, in den letzten Jahren aber darüber lagen oder aber aus einem anderen Grund - wie zum Beispiel einer herausragenden Siegerzeit - beachtenswert sind, mit beobachtet. Insgesamt laufen deshalb sogar mehr als fünfundsiebzig Veranstaltungen in die Gesamtbetrachtung ein, so dass sich daraus auch durchaus ein allgemeiner Trend ableiten lässt.

Noch fehlen einige Marathons, bis das Jahr an Silvester wirklich als abgeschlossen gelten kann. Doch die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine von ihnen noch echte Überraschungen bringen dürfte. Und nur die wenigsten werden überhaupt in die hier eigentlich betrachtete Größenordnung vorstoßen.

Gesamtzahlen lassen sich auch ohne sie längst abschätzen. Und die sind nun schon zum wiederholten Male rückläufig. Zumindest in dieser Hinsicht könnte man also problemlos die Analysen der vergangen Jahre hervor holen und neu verwerten. Selbst die Zahlenwerte ähneln sich enorm, kommen den deutschen Marathonläufen doch zuletzt von Jahr zu Jahr zwischen fünf- und siebentausend Zieleinläufe abhanden.

Nur etwas mehr als 105.000 lassen sich bei allen betrachteten Rennen aufsummieren, im Jahr 2010 waren es noch deutlich über 110.000. Maximal weitere zehntausend lassen sich bei den noch nicht ausgetragenen und den nicht ausgewerteten Marathons schätzen. Also stehen statt ungefähr 120.000 diesmal nur etwa 115.000 Läufer zu Buche.

Wobei sich die genaue Zahl ohnehin nie feststellen lassen wird. Denn am unteren Ende der Skala gibt es schließlich auch jene kaum mehr als eine Privatrunde darstellenden, über eine Handvoll Mitläufer nicht hinaus kommenden Marathons der notorischen Sammler. Wenn man diese unbedingt gezählt haben möchte, dann ließe sich natürlich auch darüber diskutieren, warum nicht jeder zweiundvierzig Kilometer lange Trainingslauf als eigene Veranstaltung gewertet werden sollte.

Auch darum ist die Beschränkung auf eine gewisse Größe sinnvoll. Betrachtet werden wie üblich einzig und allein Zieleinläufe, denn diese lassen sich in den Ergebnislisten eindeutig nachvollziehen. Meldezahlen sind dagegen immer ein wenig mit Vorsicht zu genießen. So mancher der in immer dichterer Folge verkündeten Zwischenmelderekorde, war nach dem Lauf dann nicht mehr wirklich zu erkennen.

Außerdem beschränkt sich die Auswertung einzig und allein auf in Deutschland ausgetragene und organisierte Läufe, selbst wenn schon alleine die Neugier im Laufe des Jahres natürlich immer auch einmal einen Blick in die - insbesondere deutschsprachigen - Nachbarländer mit sich bringt. Das ist zwar interessant, jedoch nicht Grundlage für die Analyse.

Auch Marathons, die zwar einen Teil der Strecke auf deutschem Territorium abgesteckt haben, aber von Veranstaltern aus anderen Ländern ausgerichtet werden, wie der Dreiländermarathon am Bodensee oder der Traditionslauf im luxemburgischen Echternach bleiben bei dieser Definition außen vor.

Wohlgemerkt, es geht dabei einzig und allein um die Zieleinläufe bei deutschen Veranstaltungen. Denn diese lassen sich noch relativ einfach ermitteln. Die Zahl der deutschen Marathonläufer ist dagegen weit weniger leicht feststellbar. Schon alleine wegen der Definition. Denn sollte ein "deutscher Marathonläufer" nun durch einen deutschen Pass oder einen deutschen Wohnort definiert sein? Von Detailproblemen wie doppelten Staatsbürgerschaften oder Zweitwohnsitzen ganz zu schweigen.

Ohnehin kann man eigentlich davon ausgehen, dass sich Auslandsstarts von Deutschen und Ausländerstarts in Deutschland ungefähr die Waage halten. Zwar gelten die Deutschen nicht nur als Reiseweltmeister sondern auch als Exportspezialisten. Doch ist wohl kaum damit zu rechnen, dass im Marathonbereich ein gigantischer Handelsbilanzüberschuss existieren könnte.

Ganz im Gegenteil, die Zahlen scheinen sogar etwas anderes aufzuzeigen. Denn alleine in Berlin lassen sich viertausend Dänen, zweitausend Franzosen, zweitausend Briten und jeweils etwa tausend Niederländer, Schweden und Italiener in der Ergebnisliste finden. Und auch aus Österreich, der Schweiz und Spanien kommen Kontingente im hohen dreistelligen Bereich in die Hauptstadt.

Umgekehrt können weder die siebenhundert Deutschen in Paris noch die jeweils fünfhundert in Stockholm oder Amsterdam diese Werte halbwegs ausgleichen. Und es treten zwar rund zweitausend Deutsche in New York an die Startlinie, aber gerade einmal dreihundert in London. Und bei der Mutter aller Marathons in Boston sind es sogar noch ein paar weniger. Einzig das österreichische Wien lockt mit etwas über tausend mehr Marathonläufer aus dem großen Nachbarland an als es Österreicher nach Berlin zieht.

Und obwohl beim Jungfrau-Marathon und auf Mallorca mit sieben- bis achthundert ebenfalls ziemlich viele deutsche Sportler unterwegs sind, lässt sich damit wohl kaum belegen, dass die heimischen Veranstaltungen nur aufgrund verstärkter Auslandstarts Rückgänge verbuchen würden. Die Daten sind nicht nur bei diesen beiden nämlich seit längerem weitgehend unverändert.

Dass es jedes Jahr mehr als fünftausend weitere Marathonis in die Ferne ziehen sollte, lässt sich angesichts solcher Werte sowieso nicht schlüssig begründen. Wo sollen die denn alle sein? Sogar wenn man die Anzahl der weltweit ausgerichteten Marathons mit zweitausend relativ hoch ansetzt, müsste man schließlich auf jedem von ihnen im Schnitt inzwischen zehn Deutsche treffen, um die Verluste auszugleichen, die von den einheimischen Veranstaltungen im letzten halben Jahrzehnt insgesamt quittiert werden mussten.

Nein, selbst wenn sich keine wirklich exakten Zahlen ermitteln lassen, liefert ein Blick auf die Marathons im Land zusätzlich auch einen recht guten Maßstab für das Interesse der deutschen Laufszene an dieser Strecke überhaupt. Und dieses ist eben auch weiterhin beständig rückläufig.

Die Zahl der Veranstaltungen hat sich jedoch gegenüber dem Vorjahr praktisch kaum verändert. Die Zeit der großen und glanzvollen Premieren ist definitiv vorbei. Doch noch hat auch das befürchtete Wegbrechen kränkelnder Läufe nicht eingesetzt. Fast alle Marathons, die 2010 veranstaltet wurden, standen auch 2011 wieder im Kalender.

Vielleicht gibt man sich tatsächlich inzwischen mit deutlich bescheideneren Ergebnissen zufrieden. Vielleicht kann man mit immer vielfältigeren Nebenstrecken die Verluste beim eigentlichen Namensgeber wirklich überdecken. Und vielleicht ist auch eine Portion Trotz und Sturheit mit dabei, nicht gleich wieder aufzugeben, wo man doch gerade erst vor etwa einem Jahrzehnt mit so viel Schwung und Euphorie begonnen hat.

Einzig und allein in Potsdam hat man endgültig das Handtuch geworfen und will sich in Zukunft auf den Halbmarathon beschränken. Ein anderer diesmal fehlender Lauf, der Marathon Deutsche Weinstraße, hat dagegen einen Zweijahresrhythmus und wird nur in geraden Jahren ausgerichtet.

Wieder aufgetaucht ist allerdings ein alter Bekannter in neuem Gewand. Denn der einst im Advent veranstaltete Marathon von Arolsen fand nach Querelen mit der Gemeindeverwaltung mit einem halben Jahr Verspätung nun erstmals am Pfingstwochenende statt. Doch vom früheren Ruhm ist wenig geblieben. Statt wie früher fünfhundert standen nur noch gut einhundert Langstreckler an der Linie.

Eigentlich ist das zu wenig, um überhaupt in der LaufReport-Analyse noch Berücksichtigung zu finden. Aber aufgrund früherer Verdienste schaut man natürlich trotzdem hin. Das einstige Monopol am Anfang des Winters hat sich mit dem neuen Termin erledigt. Genau wie das Ritual vieler Läufer, die Saison am Twistesee zu beenden. Dafür ist man in eine Zeit gewandert, in der es vor Konkurrenz nur so wimmelt. Es wird sicher spannend sein zu sehen, ob sich die Traditionsveranstaltung zukünftig behaupten kann.

Ein echter Neuling hat dagegen in Augsburg die Bühne betreten. Eigentlich war schon für das Vorjahr die Premiere des sogenannten Friedensmarathons angekündigt. Aber dann wurde diese doch auf 2011 verschoben. Mit 535 Läufern im Ziel hat man im bayrischen Schwaben zwar im Vergleich zu den Neulingen der Boomjahre nicht unbedingt die ganz großen Bäume ausgerissen, aber immerhin eine einigermaßen solide Vorstellung abgeliefert. Bezogen auf das Teilnehmerinteresse scheint einer Fortsetzung also erst einmal nichts im Weg zu stehen.

Ob es dagegen bei einer anderen Veranstaltung, die erstmals im Datentopf auftaucht, eine zweite Auflage geben wird, ist eher fraglich. Denn der Eintrag "Bielefeld" bezieht sich nicht auf den anfangs groß angekündigten, dann aber noch viel grandioser gescheiterten Versuch, am Teutoburger Wald einen Stadtmarathon ins Leben zu rufen.

Vielmehr handelt es sich dabei um den jährlich an einem anderen Ort ausgetragenen Lauf der Sparkassenorganisation, der in Bielefeld zusätzlich auch offen ausgeschrieben war. Angesicht von insgesamt gerade einmal 339 Zieleinläufen ist eigentlich nicht davon auszugehen, dass nach dem Weiterziehen der Bankmitarbeiter daraus eine nennenswerte Größe wird.

In Darmstadt, wo immerhin beim Sparkassenmarathon 2008 fast achthundert Läufer am Start waren, hat man zum Beispiel versucht, darauf eine regelmäßige Nachfolgeveranstaltung aufzubauen. Ein Jahr darauf war man jedoch bereits halbiert. Und mit diesmal nicht einmal mehr hundertfünfzig Marathonis im Ziel gehört der südhessische Lauf längst zu den größten Wackelkandidaten.

Auch der Marathon, den man in Oberursel anlässlich des Hessentags veranstaltete, dürfte eine einmalige Angelegenheit bleiben. Denn dieses Landesfest zieht ebenfalls jedes Jahr in eine andere Stadt um. Mit knapp dreihundert Läufern hat die Veranstaltung zwar ihren Platz in der LaufReport-Betrachtung sicher, stößt aber nicht in Regionen vor, die wirklich bemerkenswert wären.

Neben Arolsen ist noch ein weiterer Traditionsmarathon ordentlich ins Wanken gekommen. Im müsterländischen Steinfurt, wo man im Jahr nach der Maueröffnung, als man die erste große Startmöglichkeit im Westen war, sogar vierstellig Werte vermelden konnte, ist man inzwischen auf 344 Läufer geschrumpft.

Zu wenig für den altbekannten Zwei-Runden-Kurs auf öffentlichen Straßen meinen die Organisatoren und wollen für nächstes Jahr eine Waldstrecke anbieten. Den bekannten März-Termin hat man dafür aufgegeben und veranstaltet dafür als Alternative im November den "ersten Steinfurter Cross-Marathonlauf". Nicht nur im Münsterland dürfte man gespannt auf den Ausgang des Experimentes warten.

Bei genauerem Hinsehen gibt es also doch immer ein wenig Bewegung in der Szene. Und in diesem Jahr ist sie nicht nur im Mittel- und Hinterfeld sondern auch im vorderen Bereich ein wenig durcheinander gekommen. Allerdings nicht ganz an der Spitze, denn an den Berlin Marathon kann bezüglich der Teilnehmerzahlen hierzulande niemand auch nur annähernd heran reichen.

Der Hauptstadtlauf alleine trägt mit beinahe dreiunddreißigtausend Zieleinläufen inzwischen fast schon ein Drittel zur Gesamtsumme bei. Und jedes Jahr vermeldet man in der Hauptstadt "ausgebucht". Nach vierzigtausend eingegangenen Anmeldungen ist Schluss. Mehr gibt die ohnehin bis an die Grenze ausgereizte Logistik auch nicht mehr her.

Obwohl man sich bezüglich des Meldeeinganges - und damit natürlich auch im Hinblick auf das Fließen der Startgebühren - in Berlin also eigentlich keine Sorgen machen muss, gibt es dennoch einen kleinen Wermutstropfen. Denn wie auch in den beiden Vorjahren sind erneut mehr als tausend Läufer weniger als bei der Austragung davor ins Ziel gekommen. Gegenüber dem Rekordwert von 2008 fehlen inzwischen beinahe dreitausend.

Im internationalen Vergleich - und das ist in der momentanen Konstellation die einzige Messlatte für Berlin - hat man dadurch ein wenig eingebüßt. Neben den ohnehin stets die Rangliste anführenden Läufen von New York und London sind inzwischen auch Chicago und Tokio vorbei gezogen. Und Paris ist nicht mehr allzu weit entfernt. Da all diese Veranstaltungen ebenfalls mit einem Teilnehmerlimit arbeiten, sind die Werte allerdings nur bedingt aussagekräftig.

Aber bei einer Ausfallquote von nun fast schon einem Fünftel muss man sich vielleicht doch einmal nach den Gründen fragen. Die aufgrund der knappen Plätze immer früher eingehenden Meldungen - ein Effekt, der durch eine Preisstaffel, die sich nicht an Terminen sondern an bereits vergebenen Startnummern orientiert, noch verstärkt wird - kann man dabei als Argument sicher heranführen.

Was sich rein wirtschaftlich eventuell sogar kurzfristig als positiver Effekt darstellt - gleiche Einnahmen durch die Startgelder bei weiter sinkenden Aufwänden wegen immer weniger dann auch tatsächlich antretender Läufer - kann auf Dauer natürlich nicht im Sinne der Berliner Veranstalter sein. Dennoch ist das Gewicht des Hauptstadtmarathons leicht gestiegen. Mit etwas über drei Prozent fallen seine relativen Verluste nämlich sogar noch ein wenig geringer als die aller Veranstaltungen zusammen aus.

Da hat es Hamburg, seit seiner Gründung - abgesehen von 1997, als der Köln Marathon bei seiner Premiere mehr Läufer anlockte - eigentlich die unangefochtene Nummer zwei im Land wesentlich härter getroffen. Innerhalb eines Jahres kamen dem Lauf in der Hansestadt rund dreitausend Teilnehmer und damit mehr als zwanzig Prozent des Feldes abhanden. Nur noch gut elftausend Zieleinläufe wurden gezählt. Ein ziemlich heftiger Einbruch, der so eigentlich kaum voraus zu sehen war.

Noch im Vorjahr war dem Hamburg Marathon an dieser Stelle eigentlich eine gute Prognose erstellt worden. Nach einigen Jahren war mit der Hamburger Sparkasse endlich wieder ein Hauptsponsor gefunden worden, der mehr als nur eine Notlösung darstellte. Und mit den an die Alster gewanderten deutschen Meisterschaften schien ein weiterer Pluspunkt vorhanden zu sein.

Aber auch vermeintliche Fachleute können sich gewaltig irren, wie fast jeden Tag jene Börsengurus belegen, die vor laufenden Kameras erklären, aufgrund welcher unvorhersehbaren Umstände ihre vermeintlich so sicheren Vorhersagen dann doch nicht eingetroffen sind - ohne jedes Anzeichen von Selbstkritik natürlich und gleich mit dem nächsten angeblich hundertprozentigen Tipp.

Das soll hier allerdings nicht passieren. Ein bisschen Selbstkritik muss schon sein. Denn es war sicherlich ein ziemlich grober Schnitzer, bei der Vorausschau im letzten Jahr zu übersehen, dass Hamburg in gewaltige Terminprobleme hinein laufen würde. Denn 2011 fiel in einer eher seltenen Konstellation das Osterfest, das durch seine Wanderung jedes Jahr die Laufkalender durcheinander bringt, auf den traditionellen Marathon-Sonntag Ende April.

Das wäre, solange die Veranstaltung ihr Zentrum im Messegelände hatte, kein echtes Problem gewesen. Doch nachdem man wegen Reibereien mit der Messegesellschaft in eine Zeltstadt auf dem Heiliggeistfeld umgezogen ist, besteht eben die Notwendigkeit, dass die Freifläche auch zur Verfügung steht. Und genau aus diesem Grund konnte man mit dem Datum des Marathons nicht weiter nach vorne wechseln, war diese doch in den beiden Wochen zuvor durch den Dom, das große Hamburger Volksfest blockiert.

Der Sonntag eine Woche nach Ostern war der erste Mai, das nächste Wochenende durch das Hafengeburtstagfest blockiert, so dass man beim ersten überhaupt denkbaren Termin bereits Mitte Mai landete. Die Organisatoren wählten schließlich den 22.Mai, vier Wochen nach dem eigentlichen Datum und kamen damit auf einmal ganz anderen Veranstaltungen als gewöhnlich in die Quere.

Eine davon war ausgerechnet der Marathon in Kopenhagen. Und nicht nur in Berlin sondern selbstverständlich auch im nahen Hamburg stellen die Dänen die mit Abstand stärkste ausländische Fraktion. Dies allerdings als einzige oder zumindest wichtigste Begründung für den deutlichen Teilnehmerschwund anzuführen, wie es zum Teil getan wurde, ist kaum nachvollziehbar.

Zum einen sind selbst in guten Jahren nur zweitausend Läufer aus dem skandinavischen Nachbarland dabei. Und dass diese ansonsten alle innerhalb von vier Wochen beide Marathons in Angriff genommen hätten, ist dazu noch ziemlich unwahrscheinlich. Schon in der Theorie reicht das Argument als alleinige Erklärung für den Rückgang also nicht aus.

In der Praxis war zudem auch 2011 an der Alster ziemlich viel Dänisch zu hören. Und in der Ergebnisliste taucht das Nationenkürzel "DEN" zwar tatsächlich etwas weniger häufig auf, doch ist die Zahl der Einträge trotzdem vierstellig. Selbst bei größtem Wohlwollen lässt sich so gerade einmal ein Drittel der fehlenden Zieleinläufe begründen.

Umgekehrt hat sich zudem die zuvor auch in der Hansestadt gerne einmal vorgebrachte Argumentation, ein langer und harter Winter habe viele Teilnehmer gekostet, bei einem Maitermin ziemlich erübrigt. Das Wetter als Begründung fällt angesichts eines eher zu warmen Frühjahres definitiv aus.

Und das Jubiläum im letzten Jahr, womit erfahrungsgemäß die Teilnehmerzahlen deutlich nach oben getrieben werden, könnte man zwar anführen. Doch hätten sich die Verluste dann nur zeitlich verschoben. Die Langzeitanalyse zeigt nämlich, dass Hamburg seit 2005 mehr als sechstausend Marathonis abhanden gekommen sind. Grund genug die Alarmglocken immer lauter klingeln zu lassen.

Die einst mit einem blendend beleumundete Veranstaltung hat inzwischen - unter anderem auch wegen einiger gelinde gesagt ungeschickter Entscheidungen - ein Imageproblem. Manches, was der Kundschaft dabei eher unangenehm aufgestoßen ist, hat man inzwischen zwar wieder korrigiert. Doch bis einmal verlorenes Ansehen zurück gewonnen ist, dauert es eben seine Zeit.

Der Hamburger Leichtathletikverband, der den Lauf zuletzt komplett an eine Agentur übergeben hatte, ist nun wieder deutlich stärker selbst in die Organisation eingestiegen. Als erste Maßnahme, um das Ruder endlich herum zu reißen, hat man die Einführung eines Staffellaufes angekündigt.

Und die bisher für Kinder und Jugendliche reservierten Samstagsläufe über ein Zehntel der Marathondistanz werden ebenfalls noch für Erwachsene geöffnet. Damit bleibt der Hauptstadtlauf in Berlin nun von allen größeren Marathons endgültig der einzige, der keine zusätzlichen Nebendistanzen anbietet.

Ob die Idee wirklich greift oder man sich sogar selbst ins Fleisch schneidet und weiter schwächt, bleibt abzuwarten. Für beide Varianten ließen sich aus der Vergangenheit Zahlen hervor zaubern. Doch Frankfurt hat ebenfalls einen Staffellauf und scheint damit positive Erfahrungen zu haben. Und auf den Marathon am Main schaut man inzwischen aus dem hohen Norden fast schon mit Neid.

Denn die zuletzt so fest gefügte Reihenfolge der deutschen Läufe ist in diesem Jahr tatsächlich erheblich durcheinander gekommen. Nicht mehr "Hamburg" heißt nämlich die Nummer zwei im Land. Der neue Kronprinz kommt aus Hessen. "Und sie bewegt sich doch" könnte man mit Galileo Galilei über die Marathonszene sagen. Nicht nur im Kleinen gibt es auf einmal bemerkenswerte, ja regelrecht spannende Veränderungen.

Denn diese Spannung bestand für interessierte Beobachter eigentlich schon, seit Hamburg im Frühjahr so deutlich Federn lassen musste. Frankfurt dagegen kann als einziger großer Lauf im Land seit etlichen Jahren auf ein konstantes Wachstum zurück blicken. Selbst wenn man dabei bis 2010 nie in die Fünfstelligkeit vordringen konnte, war die Hansestadt trotzdem auf einmal in Reichweite gekommen. Und als zusätzliches Ass hatte man am Main auch noch das dreißigste Jubiläum des Marathons in der Hand.

Der deshalb als Geschenk an die Marathonis verteilte Rucksack alleine dürfte es allerdings kaum gewesen sein, der für die neue Hackordnung gesorgt hat. Vielmehr hat sich Frankfurt über die Jahre einen ziemlich guten Ruf erarbeitet. Eine reibungslose Organisation und kurze Wege reichen zwar für sich genommen als Erfolgsrezept nicht aus, sind aber wichtige Mosaiksteine. Auch der praktisch konkurrenzfreie Termin zum Abschluss der Stadtmarathonsaison spielt sicher eine gewisse Rolle.

Das wichtigste Verkaufsargument scheint allerdings der Einlauf in der Festhalle zu sein, der zum Beispiel in Luxemburg oder Regensburg bereits Nachahmer gefunden hat. Gerade unter den alten Haudegen ist er nicht völlig unumstritten. Und nicht jeder ist froh, zum Abschluss in die Dunkelheit, stickige Luft und hämmernde Beschallung einer Diskothek hinein zu rennen. Doch für den größeren Teil der Läuferschaft wirkt so ein Ziel anscheinend durchaus verlockend.

Und das gilt nicht nur im Inland. Denn der Ausländeranteil in der Mainmetropole ist nicht zuletzt aufgrund intensiver Bemühungen der Organisationsmannschaft um neue Kundenkreise im Steigen. Frankfurt hat dabei auch den Vorteil, als Standort eines der größten Flughäfen und Sitz der EZB zumindest europaweit ein Begriff zu sein. Insbesondere in den letzten Monaten ist die Stadt ja beileibe nicht nur aus sportlichen Gründen in den Nachrichten aufgetaucht.

Mit beinahe zwölfeinhalbtausend Zieleinläufen hat man Hamburg jedenfalls nicht nur erstmals überholt sondern sogar um mehr als einen Tausender abgehängt. Und praktisch genau jene knapp dreitausend Marathonis, die der Hansestadt fehlen, kann man am Main als Zuwachs verbuchen. Eine einfache Umschichtung von einem zum anderen zu vermuten, verbietet sich schon aufgrund der zeitlichen und räumlichen Entfernung. Doch beachtlich ist diese Beobachtung allemal.

Allzu sicher sollte man sich in Frankfurt allerdings dennoch nicht sein. Der Jubiläumseffekt kann wie das Beispiel Hamburg zeigt und später auch noch München zeigen wird, schon ein Jahr später verpuffen. Und die Hansestadt hat ihr eigentliches Potential zuletzt wohl eher nicht ausgeschöpft.

Doch auch am Main, wo man erstmals das Meldelimit erreichte, ginge vielleicht noch etwas mehr. Immerhin überlegen die Macher schon, wie man eventuell doch noch ein paar Teilnehmer mehr unterbringen könnte. Man darf sicher gespannt sein, wie dieses "Duell" sich in den nächsten Jahren weiter entwickeln wird. Und vielleicht bringt gerade die Konkurrenzsituation ja sogar beide weiter voran.

Jedenfalls gibt es nun - vier Jahre nachdem Köln aus dieser Liga heraus gefallen ist - in Deutschland wieder drei Läufe, die innerhalb eines Jahres die Zehntausendermarke durchbrechen. In der Domstadt ist man allerdings weit davon entfernt, wieder einmal in solche Regionen vorzustoßen. Denn mit fünfeinhalbtausend Läufern ist man seit den Rekordwerten Anfang des neuen Jahrtausends mehr als halbiert worden.

Am Rhein, wo anfangs nur ein reiner Marathon veranstaltet wurde, reagierte man - um wieder einmal das Fachchinesisch der Wirtschaftsmanager zu zitieren - mit immer stärkerer Diversifizierung der Produktpalette. Fast alles, was man sich ausdenken kann, hat man tatsächlich auch im Angebot. Neben der namensgebenden Königsdistanz gibt es einen Halbmarathon, Schul- und Erwachsenstaffeln sowie ein Rennen für Rollschuhfahrer im Angebot.

Immerhin hat man sich vom zwischenzeitlich auch noch ins Programm aufgenommenen Zehner wieder verabschiedet. Vielleicht haben die Kölner doch gemerkt, dass sie sich langsam ein wenig zu sehr verzetteln. Dafür hat man nun einen neuen, angeblich deutlich schnelleren Kurs aus dem Hut gezaubert, der auf der ersten Hälfte weitgehend als Pendelstrecke auf der Rheinuferstraße verläuft.

Ob es daran liegt, dass der Köln Marathon nach heftigen Verlusten in der Vergangenheit in diesem Jahr nicht weiter eingebrochen ist, darüber lässt sich bestimmt streiten. Bei einer lange rückläufigen Tendenz ist - in Umkehr des bekannten Satzes - jedenfalls Stillstand schon ein Fortschritt. Und am Rhein hat man diesmal wirklich eine Punktlandung hingelegt. Genau einen Namen mehr als im Jahr zuvor verzeichnet die Ergebnisliste.

Zumindest war das so, als die Daten für die LaufReport-Analyse erfasst wurde. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass auch einige Zeit später immer wieder leichte Korrekturen vorgenommen werden. Nicht auslösende oder vergessene Zeitmesschips sorgen für einige Ergänzungen. Disqualifikationen - leider gibt es immer wieder auch den einen oder anderen Schummler - lassen die Liste umgekehrt wieder kürzer werden.

Und da es bei beidem sicher eine gewisse Grauzone gibt, die nicht korrigiert wird, könnten die vermeintlich so eindeutigen Daten am Ende eben doch mit einem kleinen Fehler behaftet sein. Die besten Daten für eine halbwegs objektive Beurteilung liefern die Ergebnislisten natürlich dennoch. Ein Plus von einem einzigen Teilnehmer ist aber insbesondere angesichts dieser leichten Unschärfe eben nicht mehr und nicht weniger als eine schwarze Null.

Doch haben sich die Domstädter damit eben trotzdem in der Größenrangliste wieder um einen Platz verbessert. Denn der Aufschwung, den München im letzten Jahr erlebte, war nur von kurzer Dauer. Statt 6404 wurden an der Isar diesmal nur 4773 Zieleinläufe registriert, womit München nicht nur Köln wieder passieren lassen musste, sondern auch noch die Fünftausendermarke unterschritt.

Das ein wenig ungemütliche Wetter am Renntag kann man zwar durchaus als Argument für einige Starter weniger vorbringen. Nur darf dann im Gegenzug nicht unerwähnt bleiben, dass in Köln nur eine Woche davor mit Temperaturen deutlich über zwanzig Grad das Pendel in die andere, genauso wenig läuferfreundliche Richtung ausgeschlagen war.

Auch in München setzt man auf eine möglichst große Bandbreite. Neben dem Halbmarathon und einer Staffel hat man auch noch ein Rennen über zehn Kilometer im Programm. Doch im Gegensatz zur Domstadt, wo die kurze Distanz inzwischen fast doppelt so stark ist wie der eigentliche Hauptwettbewerb, hat der Halbe dem Marathon an der Isar noch nicht völlig den Rang abgelaufen.

Zwar ist die Langstrecke nicht mehr wie noch im Vorjahr der größere von beiden Läufen. Doch weniger weil der Halbmarathon - der ist von der Größe ziemlich gleich geblieben - zugelegt hätte, sondern wegen mehr als sechzehnhundert verlorener Marathonis. Beide Distanzen liegen nun ziemlich in der gleichen Region, der Zehner ist mit weniger als zweitausend Läufern nicht einmal halb so groß. Zumindest diese Verteilung ist in München noch nicht völlig ungesund. Doch ob das die Organisatoren wirklich trösten kann?

Wenigstens muss man sich in München noch nicht ständig sorgenvoll umdrehen, weil die Verfolger bedrohlich nahe heran rücken würden. Rund zweitausend Teilnehmer beträgt der Abstand zu den Nächsten, die also fast eine Verdoppelung benötigen würden, um kurzfristig vorbei zu ziehen.

Das ist - obwohl man sich, wie man oben sieht, ja durchaus irren kann - ähnlich unwahrscheinlich, wie eine abrupte Halbierung der Bayern. Denn die Marathons zwischen dem sechsten und dem achten Platz müssten dazu entweder neue Rekordwerte auf- oder wie Düsseldorf zumindest die schon etwas ältere bisherige Bestmarke einstellen.

Auch auf den Rängen sechs und sieben setzt sich der muntere Platztausch fort. Und zudem wiederholt sich auch noch einmal die Konstellation, dass die nach vorne rückende Veranstaltung eigentlich gar nicht wirklich zulegen muss sondern von den Verlusten des bisher besser platzierten Laufes profitiert.

Denn der zweitgrößte Marathon von Nordrhein-Westfalen, der in der Landeshauptstadt Düsseldorf, ließ angesichts von vierhundert Teilnehmern weniger im Ziel nach einem leichten Aufwärtstrend im Vorjahr nun doch wieder spürbar Federn. Was in Berlin gar nicht weiter beachtet würde, bedeutet am Rhein eben bereits den Verlust von mehr als zehn Prozent des Feldes.

Angesichts von 2606 Einläufen liegt man nun fast genau zweihundert Teilnehmer hinter dem Rennsteigmarathon, der 2804 jener Marathonis im Zielgelände von Schmiedefeld begrüßen konnte, die sich in Neuhaus auf den Weg gemacht hatten. Doch schon seit längerem rangelt sich dieser einzige Naturmarathon, der es regelmäßig ins Vorderfeld schafft, mit Düsseldorf um die Plätze hinter den bislang noch stets an der Spitze unter sich bleibenden fünf Großen.

Dritter im Bunde ist dabei noch der Münster Marathon, dem zwar meist nur Rang acht bleibt, der allerdings in der Regel nicht allzu weit zurückliegt. Diesmal beträgt der Abstand zu den Rheinländern auf Position sieben weniger als zweihundert Läufer, so dass auch hier die Platzierungen nicht für alle Zeiten in Stein gemeißelt scheinen.

Zumal man im Münsterland 2011 bei der Bilanz ein kleines Plus verzeichnen konnte. Das Wachstum fällt zwar mit einundvierzig Marathonis alles andere als gewaltig aus. Doch - lässt man die Neueinsteiger und Einmalveranstaltungen außen vor - kann nicht einmal ein Dutzend der betrachteten Veranstaltungen in absoluten Zahlen einen höheren Wert erreichen.

Und neben dem in dieser Hinsicht eindeutig überragenden Frankfurt Marathon wachsen gerade drei Marathons in Deutschland im dreistelligen Bereich. In Bonn zählt man 123 Läufer mehr, beim Dresdner Stadtmarathon im Oktober sind es 146. Und der Lauf in Leipzig kann zusätzlich 183 Medaillen ausgeben.

Werte, die schon ausreichen, um drei, vier und fünfzehn Plätze in der Rangliste nach oben zu klettern. Doch nirgendwo außer in der Mainmetropole sind es auch nur mehr als zweihundert Läufer Zuwachs. "Stagnation" ist für diese Entwicklung sicher eine eigentlich schon viel zu milde Beschreibung. Die große Wende sieht definitiv anders aus.

Das andere Ende der Skala nimmt nun schon zum zweiten Mal in drei Jahren der Marathon von Hamburg ein, was sicher auch ein gutes Indiz für die dortige Situation ist. München ist der zweite große Verlierer des Jahres. Und wie bereits erwähnt hat auch Berlin vierstellige Verluste im Ziel zu vermelden.

Veranstalter-Anmerkungen

Hier: Thomas Steffens; Sprecher des Veranstalters SCC EVENTS:

Was die Finisherzahlen in Berlin betrifft, ist anzumerken:

Je früher ein Marathon dieser Größenordnung ausgebucht ist, desto höher fällt der Anteil derer aus, die nicht antreten (können). Gründe gibt es viele: Hochzeiten und Todesfälle, Verletzungen, Krankheiten, Dienstreisen uvm. - soweit nichts Neues, nur die Dimension ist natürlich in absoluten Zahlen höher als bei 12.000 Meldungen mit einem Meldeschluss 2-3 Monate vor dem Termin oder gar bei Rennen, wo Nachmeldungen möglich sind.

Ein Vergleich mit New York zeigt, wie man auf höhere Finisherzahlen kommt, wenn man dies unbedingt will: 62.000 wurden akzeptiert, 47.438 Starter, 46.795 Finisher.

Wir hatten diesmal 34.177 Starter und 32.977 Finisher (bereinigte Zahlen) bei knapp 41.000 Meldungen. Dass die Zahl derer, die nicht angetreten sind, diesmal höher war als 2010, liegt sicher daran, dass der Lauf 2011 gut zwei Monate früher ausgebucht war als 2010.

Würden wir unbedingt höhere Finisherzahlen "produzieren" wollen, um in irgendeinem Ranking einen oder zwei Plätze vorzurücken, würden wir 55.000 akzeptieren. Dann stünden 40-42.000 am Start und wir hätten 39-41.000 Finisher. (17.11.11)

Doch dahinter tut sich eine Lücke auf, was natürlich auch daran liegt, dass die meisten deutsche Marathons sich inzwischen in einer Größenordnung bewegen, bei der nach einem vierstelligen Teilnehmerrückgang nichts mehr von der Veranstaltung übrig bleiben würde. Der Verlust von vierhundert Läufern - nimmt man den Wert vom November 2009 als Vergleich der nächsthöchste - hat den Marathon in Arolsen ja schon marginalisiert. Würzburg ist mit dreihundert Teilnehmern weniger schon ein Drittel des letztjährigen Feldes weggebrochen.

Auch in Freiburg und Mannheim vermisst man mit den diesmal fehlenden ungefähr zweihundertfünfzig Marathonis ein Fünftel aller Langstreckenstarter. In Ulm und Kassel reichen für den gleichen Effekt sogar bereits hundertfünfzig nicht eingegangene Meldungen aus. Und für manche Veranstaltung wird die Luft langsam wirklich dünn. In Fürth zum Beispiel, wo man noch einmal fast zweihundert Zieleinläufe verliert und nun nicht einmal mehr vierhundert Marathonläufer hat.

Durchaus interessant ist allerdings, dass die neun Marathons zwischen tausend und zweitausend Teilnehmern - eine Kategorie, aus der sich Mannheim in diesem Jahr verabschiedet hat - in der Summe kaum eingebüßt hat. Nimmt man die Kurpfälzer heraus, beträgt der gesamte Schwund gegenüber dem Vorjahr nicht einmal fünfhundert Läufer. Damit liegt man sogar noch etwas unter dem Durchschnitt.

Geblutet haben diesmal nicht so sehr die in den letzten Jahren doch ziemlich gebeutelten Mittelklasseläufe, in der sich die internen Verschiebungen fast schon ausgleichen. Es sind eher die Großen, die den Hauptanteil tragen. Trotz des enormen Zuwachses in Frankfurt ziehen die Einbrüche von München und Hamburg den Gesamtwert nämlich weit nach unten.

Die Tabelle der Marathons ab 300 bis 1000 Finisher

Allein 25 Marathons sind in dieser Gruppierung aufgeführt. Deren Unterschiede, die in der Gesamtgrafik kaum erkennbar werden, zeigt diese Skalierung

Schwächer wird auch die Gruppe der Veranstaltungen, bei denen zwischen fünfhundert und tausend Marathonis gezählt werden. Und das, obwohl sie mit Mannheim und Neuling Augsburg ja eigentlich Zuwachs bekommen hat. Doch am unteren Ende sind eben noch einige Läufe mehr herausgefallen.

Angesichts von nur noch vierzehn Rennen ist diese Kategorie so schwach wie bisher in keiner Saison seit dem Beginn der LaufReport-Analysen. Und auch die gerade einmal einunddreißig Marathons, die 2011 insgesamt die Marke von fünfhundert Teilnehmern übertrafen, sind in dieser inzwischen sieben Jahre umfassenden Zeitreihe ein neuer Negativrekord.

Mit dem letztjährigen Aufsteiger Hannover und dem Dresdner Herbstmarathon, der sich durch seine Steigerung zwar erstmals so weit vor in der Rangliste schieben kann, aber einer der ganz wenigen Läufe ist, der seinen Teilnehmerstand über die Jahre ohne größere Schwankungen fast konstant hält und sich darum ohnehin eigentlich von Jahr zu Jahr verbessert, enden die ersten Zehn.

Mainz, das den Verlust der deutschen Meisterschaften eigentlich besser überstanden hat als befürchtet, allerdings trotzdem wieder rund hundertfünfzig Marathonis verliert und damit immer mehr zu einem Halbmarathon mit einem längerem Nebenwettbewerb degeneriert, folgt auf Rang elf. Karlsruhe nimmt knapp dahinter Platz zwölf ein. Bonn verbessert sich von sechszehn auf dreizehn.

Doch muss man, um der Wahrheit die Ehre zu geben, wohl doch erwähnen, dass in diesem Bereich Positionsveränderungen auch ziemlich wenig aussagekräftig sind. Zum einen sind die betroffenen Veranstaltungen doch eher regional aufgestellt. Ob Freiburg dabei am Ende vor oder hinter Dresden, Bremen oder Essen steht, ist wohl doch von weit geringerer Bedeutung, als im durchaus vorhandenen Konkurrenzkampf von Frankfurt und Hamburg.

Und zudem spielt der Zufall eine deutlich stärkere Rolle, können doch schon zehn oder zwanzig Läufer mehr oder weniger schon eine Veränderung um mehrere Plätze bringen. So stehen zum Beispiel in diesem Jahr bei Bonn gerade einmal zwei Einträge mehr in der Ergebnisliste als beim ältesten deutschen Marathon in Essen. Selbst ohne die erwähnte leichte Unschärfe solcher Zahlen würde man da wohl doch besser von einem Gleichstand sprechen.

Auch Essen hat in den letzten Jahren kontinuierlich verloren, ist nun sogar unter die Marke von zwölfhundert Läufern gerutscht. Doch hat die Traditionsveranstaltung eben keinen Innenstadtkurs sondern wird auf Seitenstraßen und Uferwegen am Baldeneysee ausgetragen. Da lassen sich ein Rückgang und eine solche Teilnehmerzahl doch wesentlich leichter verschmerzen, als wenn man mit gigantischem Absperraufwand eine ganze Stadt lahmlegen müsste.

Im nächsten Jahr steht zudem das fünfzigste Jubiläum an, was wohl einen verstärkten Zuspruch bedingen dürfte. Dass allerdings ausgerechnet für 2012 der Köln Marathon im Kalender eine Woche nach hinten gewandert ist und damit nicht nur am gleichen Tag wie München sondern eben auch wie Essen ausgetragen wird, wird man am Baldeneysee wohl durchaus als unfreundlichen Akt interpretieren.

Freiburg hält sich mit achtundvierzig Läufern in der Vierstelligkeit. In Duisburg - neben Frankfurt und Berlin einer der ältesten deutschen Stadtmarathons - sind es sogar nur fünfunddreißig über Tausend. Vor zwei Jahren war man an der Ruhrmündung bereits einmal aus dieser Kategorie heraus gefallen, hat sich dann durch ein Plus von zweihundert Teilnehmern aber zurück gekämpft. Nachdem man davon die Hälfte wieder verloren hat, rückt die psychologisch wichtige Marke erneut näher.

Der Oberelbe Marathon beendet mit 1031 Zieleinläufen die Aufzählung der Veranstaltungen oberhalb der Tausender-Grenze, an der Bremen trotz eines leichten Zuwachses erneut scheitert. Dresden ist damit die einzige Stadt, die gleich zwei größere Läufe über die Marathon-Distanz beherbergt. Doch haben beide einen unterschiedlichen Charakter, denn im Frühling läuft man auf einer Punkt-zu-Punkt-Strecke an der Elbe entlang.

Genau wie die lokale Konkurrenz im Herbst gehört das Rennen von der Sächsischen Schweiz in die sächsische Hauptstadt jedenfalls zu den wenigen Einzelfällen in der Szene, die seit Jahren ihr Niveau ziemlich konstant halten. Im Bereich zwischen tausend und zwölfhundert landete man zuletzt eigentlich immer und rutschte so Position für Position weiter nach vorne.

Wie die beiden Dresdner Veranstaltungen, verteilen sich auch die übrigen großen deutschen Marathons praktisch ausschließlich auf Frühling und Herbst. Von den zwanzig teilnehmerstärksten Rennen wurde kein einziger nicht im April und Mai oder September und Oktober ausgerichtet. Unter den ersten dreißig fallen nur Füssen, Augsburg und Monschau, die in dieser zeitlichen Reihenfolge zwischen Ende Juli und Mitte August stattfanden, sowie Kandel im März aus dem Rahmen.

Ziemlich gleichmäßig sind die Marathons dabei quantitativ verteilt. Zehn zu zehn lautet das Ergebnis zwischen Frühjahr und Herbst unter den zwanzig Führenden in der Größenrangliste. Nimmt man noch zehn weitere dazu hat der Frühling sogar leichtes Übergewicht. Doch qualitativ ergibt sich ein völlig anderes Bild. Denn etwa zwei Drittel aller Marathonzieleinläufe in Deutschland werden innerhalb der zwei Monate September und Oktober gezählt.

Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass abgesehen von Hamburg alle Großen innerhalb von wenigen Wochen im Kalender zu finden sind. Und diese vier alleine bringen mit über fünfundfünfzigtausend Teilnehmern schließlich bereits rund die Hälfte aller Marathonis im Land zusammen. Der Rest der Herbstrennen steuert dann kaum noch zehntausend zusätzliche Läufer bei.

Nun kann man durchaus argumentieren, dass die Szene auch deshalb nicht voran kommt, weil sich die großen Marathons damit ja regelrecht auf den Füßen stehen. Während gerade einmal vierzehn Tagen folgten Berlin, Köln und München im Wochenabstand aufeinander und scheinen dadurch alles zu erdrücken. Doch haben gerade München und Köln ja ihrerseits zahlenmäßig schwer gelitten und keinesfalls von den Rückgängen der mittleren Veranstaltungen profitiert, sind also vielleicht selbst eher Opfer als Täter.

Umgekehrt zeigt Frankfurt ja, dass man auch trotz des dichtgedrängten Terminkalenders im Oktober weiter wachsen kann. Das ist zwar die große Ausnahme. Und im nächsten Jahr gilt es zudem den großen Sprung von 2011 erst einmal einigermaßen zu bestätigen, ohne allzu tief in das bei anderen zu beobachtende Nach-Jubiläumsloch hinein zu fallen.

Aber man hat am Main eben seit Jahren langsam, aber beständig zugelegt und bietet damit vielleicht der deutschen Marathonszene auch ein positives Beispiel dafür, dass man sich nicht unbedingt mit der meist eher tristen Lage abfinden muss. Es gibt eben doch noch Bewegung. Und sogar eine Bewegung nach oben.

Die große Euphorie für die Marathonstrecke mag hierzulande vorbei sein. Die Medien haben sich, nachdem sie eine Zeit lang die Begeisterungswelle aufgebaut hatten, bald wieder anderen Themen zugewandt. Und die wenigsten Pseudohelden der "Von-0-auf-42-Aktionen" sind wirklich dauerhaft zu Läufern geworden.

Vermutlich ist diese Konsolidierung allerdings gar nicht einmal so ungesund, für die Szene und vor allem für viele der Kurzzeitsportler selbst. Es gilt sich nun wieder dem eigentlichen Publikum zuzuwenden, dieses längerfristig und vor allem dauerhaft für das Laufen über lange Strecken zu interessieren. Wie sich inzwischen gezeigt hat, ist mit Eintagsfliegen niemandem gedient.

Aber selbst wenn der deutsche Markt im Moment fast gesättigt scheint, zeigt ein Blick über die Grenzen des deutschsprachigen Raumes, dass anderswo inzwischen jenes Wachstum angesagt ist, das hierzulande nun fehlt. Es gilt natürlich auch dieses Potential weiter anzuzapfen. Im Zentrum Europas und mit in der Regel gut organisierten Veranstaltungen hat man da durchaus den einen oder anderen Trumpf in der Hand.

Neue Ideen sind also weiterhin gefragt. Denn es wäre einfach schade, wenn die hiesige Marathonvielfalt in den nächsten Jahren wieder verschwinden würde.

Teil 2: Das Ranking

Platzierung 2011 2010 Ändrg.
Berlin
1
1
-
Frankfurt
2
3
+1
Hamburg
3
2
-1
Köln
4
5
+1
München
5
4
-1
Rennsteiglauf
6
7
+1
Düsseldorf
7
6
-1
Münster
8
8
-
Hannover
9
9
-
Dresden Stadt
10
14
+4
Mainz
11
10
-1
Karlsruhe
12
11
-1
Bonn
13
16
+3
Essen
14
13
-1
Freiburg
15
12
-3
Duisburg
16
15
-1
Dresden Oberelbe
17
18
+1
Bremen
18
20
+2
Mannheim
19
17
-2
Leipzig
20
35
+15
Würzburg
21
19
-2
Brocken-Marathon
22
26
+4
Ulm
23
21
-2
Füssen
24
25
+1
Weiltalweg-Marathon
25
31
+6
Regensburg
26
29
+3
Kandel
27
27
-
Heilbronn
28
24
-4
Kassel
29
22
-7
Augsburg
30
-
neu
Monschau
31
32
+1
Magdeburg
32
30
-2
Mittelrhein-Marathon
33
33
-
Schwarzwald-Marathon
34
36
+2
Bottwartal-Marathon
35
39
+4
Fürth
36
28
-8
Lübeck
37
40
+3
Spreewald Marathon
38
42
+4
Rursee Marathon
39
38
-1
Steinfurt
40
41
+1
Bielefeld
41
-
Spk
Obermain-Marathon
42
50
+8

Im Jahr 2011 haben 42 Marathons 300 und mehr Finisher (Stand 15.11.11). Neu waren der Augsburg Friedensmarathon und der Bielefeld Marathon (Sparkassen Marathon).

Teil 3: Die Gewinner und Verlierer

Absolut

Zur besseren Übersichtlichkeit sind nur die 21 Marathons grafisch aufgeführt, die aus den Marathons ab 300 Finisher eine signifikante Änderung aufweisen. Genauer, auf der Plusseite alle mit einem Zuwachs ab 41. Auf der Minusseite alle ab 111 weniger im Ziel. Nicht dabei die Neuen: Augsburg (535 TN) und Bielefeld, der Sparkassenmarathon (339 TN)

In der Grafik fehlen somit: Regensburg (+15), Rennsteiglauf (+14), Dresden Oberelbe (+11), Spreewald Marathon (+10), Brocken Marathon (+9), Köln (+1), Bottwartal Marathon (-1), Monschau-Marathon (-4), Lübeck (-4), Füssen (-29), Schwarzwald-Marathon (-29), Steinfurt (-33), Kandel (-42), Mittelrhein-Marathon (-44), Magdeburg (-50), Hannover (-54), Rursee Marathon (-55), Heilbronn (-71) sowie Essen (-77)

Relativ

Zur besseren Übersichtlichkeit sind nur die 23 Marathons grafisch aufgeführt, die aus den Marathons ab 300 Finisher eine signifikante Änderung aufweisen. Genauer, auf der Plusseite alle mit einem Zuwachs ab 9 Prozent. Auf der Minusseite alle ab 8 Prozent weniger im Ziel. Nicht dabei die Neuen: Augsburg (535 TN) und Bielefeld, der Sparkassenmarathon (339 TN)

In der Grafik fehlen somit: Bremen (+4,71%), Spreewald Marathon (+2,78%), Regensburg (+2,62%), Münster (+1,72%), Brocken-Marathon (+1,41%) Dresden Oberelbe-Marathon (+1,08%), Rennsteiglauf (+0,50%), Köln (+0,02%), Bottwartal-Marathon (-0,25%), Monschau-Marathon (-0,75%), Lübeck (-1,05%), Berlin (-3,28%), Hannover (-3,38%), Füssen (-4,53%), Essen (-6,16%), Schwarzwald-Marathon (-6,17%) und Kandel (-6,81%).

Teil 4: Halbmarathon kontra Marathon

Wozu braucht man denn noch Marathon?

Man sollte eigentlich meinen, eine "Analyse der deutschen Marathonszene" würde sich mit nichts anderem als Läufen über etwas mehr als zweiundvierzig Kilometer beschäftigen. Das tut sie auch hauptsächlich. Doch kommt man eben auch nicht umhin einen kleinen Seitenblick darauf zu werfen, was die Veranstalter ansonsten noch so alles in ihrem Programm anbieten. Denn bis auf eine ziemlich überschaubare Zahl an Ausnahmen ist der Marathon eben kein Einzelkind sondern hat meist auch noch - oft sogar mehrere - Geschwister.

Der Berlin Marathon ist einer dieser Sonderfälle. Er ist alleine groß geworden und seine Eltern planen auch nicht daran etwas zu ändern. Die Macher sind mit diesem seit einigen Jahren wirklich von der Größe her nur noch schwer zu beherrschenden Sprössling, schon voll und ganz ausgelastet. Zwar richten sie auch noch weitere Rennen aus, allerdings nicht gemeinsam mit dem größten deutschen Marathon. Vielmehr sind diese Läufe übers ganze Jahr verteilt.

In Hamburg blieb die lange Distanz auch ein volles Vierteljahrhundert alleine und damit zusammen mit der Hauptstadt die einzige unter den größeren Veranstaltungen, bei der man tatsächlich nur auf den Namensgeber setzte. Doch nachdem das Kind zuletzt doch immer stärkere Probleme machte, hat man sich nun in reifem Alter entschlossen, im nächsten Jahr mit einem Staffellauf tatsächlich noch einmal Nachwuchs zu bekommen.

Von allen deutschen Marathons, die mit zweihundert Zieleinläufen im Jahr 2011 die Einstiegsmarke für eine genauere Betrachtung übertrafen - es handelt sich dabei immerhin um sechzig Veranstaltungen - hat ansonsten tatsächlich nur noch der Lauf im niederrheinischen Kevelaer keine weitere Strecke für Erwachsene im Angebot.

Nicht immer allerdings ist der Marathon der Stammhalter, in einigen wenigen Fällen hat er noch einen großen Bruder. Beim Rennsteiglauf etwa, dem mit inzwischen fast zweitausend Teilnehmern eindeutig größten deutschen Ultra, ist der Marathon zumindest für die Traditionalisten unter den Startern nur "der Kurze".

Langzeitentwicklung der Marathonläufe mit mehr als 4000 Finishern

Zwar ist auch dort das Programm längst um etliche weitere Distanzen ergänzt. Doch die beiden klassischen Rennen führen eben von den Startorten Eisenach und Neuhaus nach Schmiedefeld. Und die wichtigsten Sieger werden dabei auch weiterhin auf der zweiundsiebzig Kilometer langen Strecke gemacht.

Selbst wenn man in Remscheid im Bergischen Land bei Weitem nicht die lange Geschichte der Thüringer hat, ist auch beim dortigen Röntgenlauf der Ultra keineswegs ein später angefügtes Anhängsel des Marathons für ein paar Spezialisten, die den Hals nicht voll genug bekommen können, sondern - zumindest vom Konzept her - von Anfang an Mittelpunkt der Veranstaltung.

Doch auch neben diesen beiden "Exoten" findet man eben jene Distanz auf dem Meldezettel, die eigentlich inzwischen nur absoluten Standardergänzung geworden ist. Nämlich ein Halbmarathon. Neben den schon erwähnten drei bieten von den fünfzig größten deutschen Marathons gerade einmal neun weitere keinen Lauf über einundzwanzig Kilometer an.

Zwei Veranstaltungen aus dem hinteren Mittelfeld, der Marathon in der Fränkischen Schweiz und der um den Rursee haben aufgrund der örtlichen Gegebenheiten stattdessen ähnliche aber krumme Streckenlängen gewählt. Die sieben übrigen - Frankfurt, Düsseldorf, Münster, Essen, Monschau, Steinfurt sowie der Weiltalmarathon - haben unterschiedliche Staffeln im Programm.

Dass die drei erstgenanten dabei in der Rangliste der größten Marathonläufe im Land die Plätze zwei, sieben und acht belegen, kann eher zufällig sein, muss es aber nicht. Zumindest ist bei einem doch recht niedrigschwelligen Einstiegsangebot - das zudem noch in allen Fällen bei der Zahl der Startplätze begrenzt ist - nicht unbedingt zu erwarten, dass man in der eigentlichen Zielgruppe zu stark wildert und die Hauptdistanz damit schwächt.

Bei anderen Veranstaltungen bietet der Halbmarathon dagegen oft zumindest einen Rettungsanker, um wegbrechende Marathonfelder finanziell aufzufangen. Und den meisten Sponsoren ist es vermutlich auch egal, über wie viele Kilometer ein Teilnehmer läuft. Sie interessiert eher ob die Gesamtzahlen groß genug sind, um entsprechende Werbeeffekte zu generieren.

Einige Organisatoren haben die Halbdistanz auch erst in ihre Planungen aufgenommen, als es mit der Hauptdistanz schon spürbar bergab ging. Köln ist so ein Beispiel. Auch Mannheim, wo man sich anfangs sogar gegen die Aufweichung gewehrt hatte, musste irgendwann klein beigeben. Traditionsveranstaltungen wie Duisburg oder Kandel, die ebenfalls als reine Marathons begonnen hatten, waren schon vorher schwach geworden.

Langzeitentwicklung der Marathons mit mind. 1500 & weniger als 4000 Finisher

Doch eines ist ganz klar zu beobachten, die Tendenz geht auch weiter eindeutig zur kürzeren Strecke. Die muss dabei in vielen Fällen nicht einmal wirklich zulegen. Schon ein immer schwächer werdender Marathon reicht um die Gewichte weiter zu verschieben. Und nicht immer sind die Verhältnisse dabei noch wirklich gesund.

Zumindest darf man sich manchmal schon die Frage stellen, ob der Name "Marathon" überhaupt noch gerechtfertigt ist. Unter allen Veranstaltungen, die diese Kombination anbieten und in der LaufReport-Datenbasis aufgenommen sind gibt es ganze drei, bei denen der Marathon noch die teilnehmerstärkere Distanz ist. Der Rest wartet dagegen mit einem quantitativ besser besetzten Halbmarathon auf.

Allerdings sind weder der König-Ludwig-Marathon von Füssen mit seinen knapp fünfzig Prozent noch der Hornisgrinde-Marathon in Bühlertal bei dem die kurze Strecke im Vergleich zur langen nur neun Zehntel der Zieleinläufe hat - also genau die beiden mit dem niedrigsten Quotienten - nun unbedingt repräsentativ. Bei beiden wird schließlich schon samstags Halbmarathon und erst sonntags Marathon gelaufen.

Und auch die Nummer drei, bei der zumindest beide Rennen am gleichen Tag ausgetragen werden, reißt die Sache nicht unbedingt heraus. Denn angesichts von 128 Marathonis zu 126 Halbdistanzlern muss man beim Eifel Marathon zum einen eigentlich bereits von einem Gleichstand sprechen. Und zum anderen kann man bei einer solchen Größenordnung natürlich nicht wirklich etwas zum Gesamtbild beitragen.

So ist dann München, wo der Halbmarathon den Marathon nur um drei Prozent übertrifft, mehr oder weniger der einzige Lauf mit annähernd ausgeglichenen Verhältnissen. Noch im vergangenen Jahr war dort die lange Distanz sogar die stärkere. Doch profitierte man damals eben auch von einem Jubiläumsbonus.

Denn so enorm gewachsen ist das Rennen über einundzwanzig Kilometer gar nicht einmal. Nur etwa hundert Teilnehmer wurden dort in diesem Jahr mehr im Ziel gezählt. Es ist das starke Einbrechen der Königsdistanz, auf der ein Viertel aller Läufer verloren gegangen sind, die das Bild nun hat kippen lassen.

Noch gut positioniert ist auch der Harzgebirgslauf mit dem Brockenmarathon, wo man noch auf ein Verhältnis von 123 Prozent kommt. Und auch der Neueinsteiger in Augsburg ist mit 129 Prozent vernünftig aufgestellt. Doch bleibt dabei abzuwarten, wie die Entwicklung im zweiten Jahr der Veranstaltung verläuft.

Langzeitentwicklung der Marathons mit mind. 1100 & weniger als 1500 Finisher

Erfahrungswerte der letzten Jahre zeigen einfach zu oft, dass Marathons nach der Premiere deutlich Teilnehmer verlieren. Die Sammler suchen sich dann schnell neue Ziele, selbst wenn diese in einem bröckelnden Markt langsam rarer werden. Und Läufer aus der Region lassen sich meist auch nur für ein oder zwei Auflagen begeistern.

Gute Beispiele dafür sind die Marathons in Mainz und Freiburg, bei denen das einst beinahe ausgeglichene Verhältnis in diesem Jahr die Marke von eins zu fünf durchbrochen hat. Die Südbadener nähern sich sogar schon der Grenze von eins zu sechs. Der Aufschwung, den die lokale Laufszene durch die neugegründeten Marathons erhalten hatte, war in beiden Fällen nur von kurzer Dauer. Bei beiden Veranstaltungen ist die lange Strecke inzwischen eigentlich nur noch das Rahmenprogramm. Die Musik spielt längst woanders.

Und das kann man sogar fast wörtlich nehmen. Gibt es doch bei Zwei-Runden-Kursen - zu denen sowohl Freiburg als auch Mainz gehören - die Tendenz, dass viele Zuschauer nicht mehr auf den zweiten Durchlauf der von Jahr zu Jahr immer weniger werdenden Langstreckler warten und die Straßerand-Party frühzeitig für beendet erklären. Ein Teufelskreis, der nämlich wiederum viele Läufer auf die zweite Schleife verzichten lässt.

In Ulm läuft man beide Rennen zwar auf unterschiedlichen, nur zum Teil überlappenden Strecken. Doch das Ergebnis ist das Gleiche. Nein eigentlich ist es sogar noch eklatanter. Denn inzwischen absolvieren dort fast siebenmal so viele den Halbmarathon, wie sich auf die lange Strecke trauen. Übrigens auch nicht etwa deswegen, weil über einundzwanzig Kilometer so viel mehr Meldungen eingegangen wären. Ein weiterhin schwächelnder Marathon ist die Ursache.

Sieht man einmal von Darmstadt und Saarbrücken ab, wo weniger als hundertfünfzig Marathonläufer rund tausend Halbmarathonis gegenüber stehen, ist seit Jahren allerdings der "Trollinger" von Heilbronn unangefochtener Spitzenreiter in Bezug auf Unausgewogenheit. Denn regelmäßig übertrifft man am Neckar sogar die Quote von eins zu sieben. Fünf- bis siebenhundert zu weit über viertausend lauten die absoluten Zahlen.

Ein Wert der ausreicht, um damit locker unter die ersten Zwanzig auf der Liste der größten Halbmarathons zu gelangen. Für Mainz und Freiburg, die bei weiter steigender Tendenz inzwischen über sechstausend Läufer auf dieser Distanz bieten können, springt dabei sogar ein Platz unter den ersten fünf heraus.

Und Köln, wo man 2011 knapp die Zehntausendermarke überspringt, kann sich hinter dem Berliner Frühjahrslauf zumindest in diesem Bereich Nummer zwei im Land nennen. Noch ist man am Rhein "nur" ungefähr doppelt so groß wie der Marathon am gleichen Tag. Doch neigt sich auch hier in den letzten Jahren die Waage immer mehr auf die Seite der kürzeren Strecke.

Es ist durchaus bemerkenswert, dass nur wenige "reine" Halbmarathons in dieser Rangliste vorne landen. Berlin ist die eine große Ausnahme. Stuttgart, wo man selbst in der - heute im Rückblick fast schon als "Marathonhysterie" zu bezeichnenden - Phase vor acht bis zehn Jahren auf die Ausrichtung eines Rennens über zweiundvierzig Kilometer verzichtet und stattdessen weiter auf die Halbdistanz gesetzt hatte, die andere.

Langzeitentwicklung der Marathons mit mind. 1000 & weniger als 1100 Finisher

Und praktisch nur in Städten, in denen es keinen Marathon gibt - wie neben der schwäbischen Metropole zum Beispiel noch in Heidelberg - oder aber im Rahmen des Marathons keine Halbdistanz angeboten wird - wie in Berlin, Hamburg oder Frankfurt - kann sich ein eigenes Rennen mit mehreren tausend Teilnehmern etablieren. Anscheinend besteht da doch ein gewisser Zusammenhang.

Dass die Namensgebung "Marathon" nicht nur bei Sponsoren die Türen öffnet sondern auch Läufer anzieht, die bei eine Feld-Wald-und-Wiesen-Veranstaltung nie die Schuhe schnüren würden, obwohl man dort für vielleicht ein Fünftel des Startgeldes ebenfalls über einundzwanzig Kilometer antreten könnte, lässt sich immer wieder bemerken, wenn man in der Szene Augen und Ohren offen hält.

Ein "Event" sollte es wenn möglich schon sein. Mit viel Publikum und Unterhaltung am Straßenrand. Eine Medaille gehört dazu, die man gegebenenfalls präsentieren kann. Und am besten auch ein T-Shirt mit der Aufschrift "Marathon XY, ich war dabei". Das kann ein normaler Volkslauf - und sei es durch noch so schöne Landschaft - halt einfach nicht bieten. Nicht mehr nur die Freude an der Bewegung zählt. Dafür bewundert und gefeiert zu werden, ist vielen wohl mindestens genauso wichtig.

Dagegen ist nicht einmal unbedingt etwas zu sagen. Doch darf man sich durchaus einmal die Frage stellen, was passieren würde, gäbe es den Marathon nicht mehr und die Organisatoren beließen es tatsächlich nur noch bei der viel mehr nachgefragten Halbdistanz. Wäre der Zuspruch auf und neben der Strecke dann wirklich noch genauso?

In Potsdam hat man diesen Schritt gemacht und über vierhundert Teilnehmer verloren. Das kann natürlich durchaus eine irrtümlich Verknüpfung gar nicht zusammenhängender Tatsachen - eine sogenannte Scheinkorrelation - sein. Doch wird es spannend sein zu beobachten, was geschieht, wenn weitere Veranstalter sich genötigt sehen, diesen Schritt zu gehen.

Wenn sie es denn tun und nicht am Ende doch gleich lieber ganz aufgeben. Was bei der Veröffentlichung des ersten Teiles des Rückblickes noch nicht wirklich bekannt war, ist nun längst öffentlich. Mit Regensburg hat eine weitere Veranstaltung für 2012 das Handtuch geworfen. Innerhalb von sieben Jahren beim Marathon auf nur noch ein Drittel der Teilnehmer - nicht einmal sechshundert kamen in diesem Jahr ins Ziel - zusammen geschrumpft, hat man in der Donaustadt die Notbremse gezogen.

Der immerhin noch über zweitausend Läufer starke Halbmarathon konnte da auch nicht mehr viel retten. Zumal auch dort bei einem Rückgang um zweihundert Zieleinläufe erste Krisenanzeichen zu sehen waren. Mit etwas über sieben Prozent bewegt man sich dabei relativ gesehen allerdings noch im normalen Rahmen. Die meisten der betrachteten Veranstaltungen zeigen beim Halbmarathon nur einstellige Änderungsraten. Auf der langen Distanz ist da oft doch wesentlich mehr Bewegung.

Größere Verluste lassen sich einzig und allein in St. Wendel mit einem Minus von mehr als zwanzig Prozent und in Duisburg mit etwas über dreizehn Prozent entdecken. Zweistellige Zuwächse sind dagegen nicht nur ein klein wenig häufiger, sie fallen wie in Bremen mit zweiunddreißig und in Kandel mit achtundzwanzig Prozent gelegentlich auch ziemlich deutlich aus.

Langzeitentwicklung von Marathons mit noch über 1000 Finisher 2005

Insgesamt jedenfalls steigen im Gegensatz zum Marathon die Zahlen noch leicht an. Daraus allerdings einen Trend abzuleiten wäre übertrieben. Denn diese Zuwächse gleichen die Verluste auf der langen Strecke weder in der Summe noch in vielen Einzelfällen aus. Es ist eben keine reine Verschiebung zum Halbmarathon. Sogar wenn man beide Werte zusammen nimmt, sind sie oft rückläufig, selbst wenn die Halben in der Regel bei Weitem noch nicht so notleidend sind wie ihre großen Geschwister.

Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Ob die Lösung dann auf Dauer daraus bestehen kann, auf noch kürzere Distanzen zu setzen, die Einstiegshürde noch niedriger zu hängen, die Veranstaltung immer weiter zu verwässern, immer mehr Nachwuchs an neuen Programmpunkten zu produzieren, nur um die Gesamtzahlen zu halten, darf wohl bezweifelt werden.

Beim Rennsteiglauf hat man schon vor einigen Jahren ein Programm namens "geh auf's Ganze" kreiert, um eine Teil des Läuferstromes, der den Halbmarathon überschwemmt, ganz im Gegensatz dazu auf längere Strecken umzuleiten. Vielleicht ist das ja doch der bessere Ansatz zur Lösung des bei vielen längst herrschenden Ungleichgewichtes.

Teil 5: Wer ist denn nun der Schnellste?

"Der schnellste Marathon?" Die meistgenannte Antwort ist eigentlich vollkommen klar. "Natürlich Berlin, was denn sonst. Da haben sie doch gerade Weltrekord gelaufen." Und falsch ist sie ganz sicher nicht. Selbstverständlich kann man so argumentieren. Eine solche Bewertung ist schließlich offensichtlich und leicht einsichtig.

Direkt zu den Grafiken
Der Schnellste - relativ zum Weltrekord HIER
Absolut Männer HIER Absolut Frauen HIER
Wo fanden Leistungsläufer noch Gruppen HIER
Wo treffen Leistungsläuferinnen aufeinander HIER
Neu: Die Frauendichte unter 3 h HIER Anteil der Finisher unter 4 Stunden HIER

Doch ist "der Schnellste" eben wie so vieles andere nicht eindeutig definiert und hängt vom jeweiligen Blickwinkel ab. Die Laufzeit des Herrensiegers ist darum eben keineswegs das einzige Kriterium, nach dem sich diese Frage beantworten ließe. Es gibt noch viele weitere Aspekte, die man bei der Beurteilung zu Rate ziehen kann.

Vielleicht interessieren sich ja nicht nur militante Emanzen dafür, wann die erste Frau im Ziel war. Man kann sich zudem fragen, welcher Zusammenhang zwischen den Siegerzeiten von Damen und Herren besteht. Man kann den Blick weiter nach hinten schweifen lassen, um sich anzusehen, wie es hinter den Gewinnern weiter ging, also die Leistungsdichte der Spitze untersuchen.

Oder eben auch das große Feld hinter den Eliteläufern betrachten. Schließlich geht es ja auch dort in der Regel um möglichst gute Ergebnisse. Und so mancher sucht sich seine Marathonstarts durchaus danach aus, wo man die Distanz vermeintlich besonders zügig absolvieren kann. Es gibt also viele verschiedene Möglichkeiten der Untersuchung. Und nicht immer kommt dabei das Gleiche heraus.

Dass die Leistungen der - manchmal für ziemlich viel Geld - verpflichteten Profiathleten an der Spitze nur eines von vielen Indizien dafür sind, wie schnell es bei einer Veranstaltung tatsächlich zugeht, lässt sich anhand des Zahlenwerkes jedenfalls recht eindrucksvoll vorführen. Denn es gibt durchaus Ranglisten, in denen die vielgepriesene Weltrekordpiste aus Berlin weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen landet.

Wo wurde in Deutschland absolut am schnellsten gelaufen

Männer

In der Grafik sind alle Marathons mit mehr als 300 Finishern berücksichtigt, mit Männersieger unter 2:31 Stunden (23 Stück). Der Häufung an Leistungen knapp über der begehrten 2:29:59 Marke tragen wir Rechnung.
Berlin Makau, Patrick
2:03:38
Frankfurt/M Kipsang, Wilson
2:03:42
Köln
Barmao, Samson Kiprono
2:08:56
Hannover April, Lusapho
2:09:25
Düsseldorf Kimaiyo , Nahashon
2:10:54
Hamburg
Gudisa, Shentema Kudama
2:11:03
Kassel Muriuki, Julius
2:13:00
Münster
Kipkemoi Yator, Elijah
2:13:10
Karlsruhe Maswai, Samwel
2:13:12
Mainz
Tola, Bane
2:13:30
Würzburg Kosgei, Titus Kipchumba
2:14:10
Bonn Ajema Jeyi, Fikru
2:18:00
München Friedrich, Richard
2:19:27
Essen Graute, Matthias
2:20:57
Dresden Stadt Cheruiyot, Isaac
2:21:51
Mannheim Cheruyiot, Isaak
2:24:01
Mittelrhein Abderazzak, Charai
2:27:31
Leipzig Stiller, Jakob
2:27:59
Kandel Neuschwander, Florian
2:28:17
Freiburg Schallner, Nils
2:28:25
Regensburg Chepkopol, Joel
2:30:18
Duisburg Ngolepus, Richard
2:30:28
Heilbronn Hendriksen, Jon-Paul
2:30:29
Marathons mit weniger als 300 TN aber Männerzeiten bis 2:31
St.Wendel Marathon / 255 TN Melly, Wilson
2:19:23
Goitzsche Marathon / 103 TN Thuo, Paul Muigai
2:19:26

Ja selbst mit dem Weltrekord ist das so eine Sache. Denn in der deutschen Hauptstadt mag zwar mit 2:03:38 von Patrick Makau die neue offizielle Bestmarke aufgestellt worden sein. Die schnellste Marathonzeit des Jahres 2011 war das aber mitnichten. Denn beim ältesten Rennen über diese Distanz, dem seit 1897 ausgetragenen Klassiker in Boston waren der Sieger Geoffrey Mutai und der Zweite Moses Mosop mit 2:03:02 sowie 2:03:06 über eine halbe Minute flotter unterwegs.

Gleich aus doppeltem Grund taugen diese aber nicht für eine Anerkennung durch den Weltverband. Man hat sich nämlich darauf verständigt, weder Ergebnisse anzuerkennen, bei denen der Kurs um mehr als ein Promille der Renndistanz abfällt, noch solche, bei denen zwischen Start und Ziel in der Luftlinie mehr als fünfzig Prozent der ausgeschriebenen Streckenlänge liegen.

Vom Vorort Hopkinton, wo die "Mutter aller Marathons" traditionell beginnt, bis zu dem Zielgerüst in der Innenstadt gehen allerdings mehr als einhundert Höhenmeter verloren. Und die direkteste Verbindung der beiden lässt sich auf der Landkarte zudem nur mit weit über dreißig Kilometer ausmessen.

Zugegebenermaßen ist die Festlegung auf diese beiden Werte eine ziemlich willkürliche Entscheidung, bei der durchaus auch eine gewisse Rücksichtnahme auf einige der Platzhirsche im internationalen Marathongeschäft eine Rolle gespielt haben dürfte. So gelten jedenfalls die beiden Läufe in London und New York noch als regulär, obwohl sie ebenfalls mit leichtem Gesamtgefälle von Punkt-zu-Punkt führen.

Dafür, dass man eine diesbezügliche Regelung allerdings durchaus für sinnvoll halten kann, ist eben genau jener letzte Lauf von Boston ein gutes Argument. Denn der während des gesamten Rennens von hinten kommende Wind soll dabei - vorsichtig ausgedrückt - eine gewisse Rolle gespielt haben. Die dortige Strecke, deren wohl berühmteste Passage trotz des vermeintlichen Gefälles unter "Heartbreak Hill" bekannt ist, könnte ansonsten nämlich wirklich nicht unbedingt als potentieller Bestzeitenkandidat gelten.

Übrigens half das Wetter in Boston nicht zum ersten Mal. Beim Marathon 1994 herrschte dort ein mindestens genauso starker Rückenwind. Deshalb wurden sowohl bei den Männer wie bei den Frauen damals vier der fünf besten Zeiten des Jahres während des Klassikers in Massachusetts erzielt. Und die durch Siegerin Uta Pippig erzielten 2:21:45 wurde als deutscher "Sternchenrekord" erst vierzehn Jahre später in Berlin von Irina Mikitenko mit nun auch offiziell anerkennungsfähigen 2:19:19 unterboten.

Jene Irina Mikitenko lieferte auch 2011 an gleicher Stelle die mit Abstand beste Leistung einer DLV-Athletin ab. Doch ihre 2:22:18 reichten in der deutschen Hauptstadt für den ersten Platz keineswegs aus. Florence Jebet Kiplagat war mit 2:19:44 über zweieinhalb Minuten schneller. Und wie bei den Männern ist dieses Ergebnis aus Berlin die drittschnellste Zeit des Jahres. Liliya Shobukhova mit einer 2:18:20 aus Chicago und Mary Keitany mit einer in London erzielten 2:19:19 führen die Liste an.

Wo wurde in Deutschland absolut am schnellsten gelaufen

Frauen

In der Grafik sind alle Marathons mit mehr als 300 Finishern berücksichtigt, die eine Frauensiegerin (24 Stück) hatten, die unter drei Stunden gelaufen war.
Berlin Kiplagat, Florence
2:19:44
Frankfurt/M Daska, Mamitu
2:21:59
Düsseldorf Mohammed , Merima
2:28:15
Hamburg Dergo, Fatuma Sado
2:28:30
Mainz Roba, Asha Gigi
2:31:08
Hannover Rono, Georgina
2:31:19
Köln Aberume, Mekuria
2:32:24
Münster Kouhan, Sviatlana
2:35:35
Karlsruhe Barsosio, Sally
2:37:15
München Pichlmaier, Bernadette
2:38:02
Würzburg Antonios, Mihiret Anamo
2:39:51
Kassel Nyetipei, Jacquline
2:40:01
Essen Krull, Silvia
2:43:29
Dresden Stadt Bonsa, Ayisha
2:43:39
Duisburg Krull, Silvia
2:46:13
Bonn Krull, Silvia
2:47:11
Bottwartal Kimaiyo, Edna
2:48:23
Kandel Rauschenberg, Eve
2:49:43
Dresden Oberelbe Maissenbacher, Simone
2:50:59
Leipzig Södermark, Frida
2:51:33
Bielefeld Heckmann, Kirsten
2:52:28
Mannheim Biwott, Salome
2:55:49
Heilbronn Vogler, Katrin
2:56:51
Steinfurt Kulgemeyer, Christin
2:56:51
Marathons mit weniger als 300 TN aber Frauenzeiten bis 3:00 h
St.Wendel Marathon / 255 TN Macharia, Esther
2:41:51
Mitteldeutscher Marathon Halle/Saale/ 213 TN Renz, Sylvia
2:59:44

Im eigenen Land nimmt Berlin also sowohl bei den Männern wie auch bei den Frauen - und damit selbstverständlich auch in der Kombination von beiden - bezüglich der Siegerzeiten die oberste Position ein. Eine Rolle, die man in den letzten Jahren eigentlich fast immer besetzt hat. Doch so unangefochten ist diese Stellung eben doch nicht mehr. Denn Frankfurt hat zuletzt mächtig aufgerüstet. Und zumindest im Vorjahr konnten die Hessen sogar die jeweils besseren Leistungen präsentieren.

Dennoch nahmen es die meisten zwar zur Kenntnis aber nicht übermäßig ernst, als in der Bankenmetropole auf den Presseterminen vor dem Rennen von einem Angriff auf den nagelneuen Weltrekord die Rede war. Irgendetwas besonders Spektakuläres habe man den oft nur bedingt sachkundigen Reportern der lokalen Zeitungen ja zum Jubiläum anbieten müssen, um deren Interesse - und damit auch das der Leserschaft - zu wecken, dachte so mancher beim Lesen der entsprechenden Überschriften.

Doch weit gefehlt, die Ankündigungen waren keineswegs nur eine Werbemaßnahme der PR-Abteilung. Sie hatten vielmehr einen ziemlich realen Hintergrund. Denn tatsächlich wackelte am Main die gerade erst einen Monat alte Bestmarke gewaltig. Ganze vier Sekunden fehlten Wilson Kipsang in der Festhalle am Ende zum ganz großen Paukenschlag. Der Frankfurt Marathon hatte damit natürlich dennoch weit über die nationalen Grenzen hinaus die erhofften Schlagzeilen.

Im allgemeinen Jubel über das herausragende Ergebnis im Männerrennen gingen die 2:21:59 der Äthiopierin Mamitu Daska - immerhin die sechsbeste Zeit des Jahres insgesamt und sogar die viertschnellste Siegerzeit - dann beinahe schon unter. Auch dabei steht man also dem Hauptstadtmarathon kaum nach und agiert - selbst wenn Berlin diesmal wieder zweimal die Nase knapp vorne hatte - praktisch auf Augenhöhe.

Frankfurt hat sich damit zumindest bezogen auf die an der Spitze erzielten Leistungen in die erste Liga der großen Stadtmarathons hinein katapultiert und bewirbt sich damit auch um eine Rolle, auf die bisher Rotterdam abonniert zu sein schien. Nämlich die der eher "kleinen" Veranstaltung, die sich zusammen mit den Megaläufen von Berlin, Chicago und London im direkten Wettbewerb um Rekorde befindet.

So dicht wie am Main war das Feld aber praktisch nirgendwo sonst besetzt. Gleich sechs Läufer blieben unter der Marke von 2:07 und sorgten so dafür, dass ein volles Fünftel der schnellsten dreißig Zeiten des Jahres mit der Ortsangabe "Frankfurt" in der Bestenliste geführt wird. Ansonsten waren nur noch in Boston und Amsterdam genauso viele Athleten in diesem Zeitbereich, während dagegen in Berlin Patrick Makau mehr als vier Minuten Vorsprung auf den Zweiten Stephen Kwelio Chemlany hatte.

Dass dessen 2:07:55, mit denen man noch vor wenigen Jahren zur absoluten Weltspitze gerechnet worden wäre, nicht einmal für einen Platz unter den besten Sechzig reichen, zeigt eindrucksvoll, wie die Leistungen inzwischen explodiert sind. Ganz egal, wo man den Strich in der Jahresbestenliste zieht, ob bei 2:10, 2:09 oder 2:08, nie zuvor wurden die jeweiligen Marken häufiger unterboten.

Sechsunddreißigmal fiel die Barriere von 2:07, dabei siebzehnmal auch noch die 2:06 und davon wieder siebenmal die 2:05. Werte, mit denen sich die Beobachtungen aus den letzten zwei bis drei Jahren nahtlos weiter fortsetzen und die trotzdem noch einmal eine weitere Steigerung bedeuten. Von den vier Läufern unter 2:04 - ein Zeit, die zuvor nur ein einziges Mal von Haile Gebrselassie geknackt wurde - sowieso ganz zu schweigen

Nicht nur in Berlin, Boston und Frankfurt wurden die Streckenrekorde verbessert, auch in London (2:04:40, Emmanuel Mutai), Chicago (2:05:37, Moses Mosop) und New York (2:05:05, Geoffrey Mutai) - also bei praktisch allen wichtigen Stadtmarathons - blieb man zum Teil deutlich unter den alten Bestmarken. Und alleine in den Niederlanden mussten bei gleich drei Läufen, nämlich Rotterdam, Amsterdam und - eher überraschend - Eindhoven die Gewinner schneller als 2:06 laufen, um ganz oben zu stehen.

Dazu vermelden noch die Rennen aus Otsu in Japan, Paris und Los Angeles - ebenfalls ein Bergabkurs - Siegerzeiten unter 2:07. Im koreanischen Chunchon, in Prag und Houston schrammt man nur um wenige Sekunden daran vorbei. Doch solche Ergebnisse, die noch vor einem Jahrzehnt eine absolute Sensation gewesen wären und zumindest die Fachpresse in Aufruhr versetzt hätten, sind inzwischen längst zum absoluten Normalfall geworden.

Nun ist sogar immer öfter die Rede davon, wann die Zwei-Stunden-Grenze fallen könnte. Immerhin sind, seit Ronaldo da Costa die ein volles Jahrzehnt nahezu unangefochten stehenden 2:06:50 von Belayneh Dinsamo in Berlin erstmals unterbot und die Bestmarke auf 2:06:05 drückte, gerade einmal dreizehn Jahre vergangen. Und seitdem ist der Weltrekord noch sechsmal verbessert worden, viermal davon alleine in Berlin. Wieso sollten also nicht weitere Steigerungen möglich sein?

Gelaufen wurden all diese Zeiten jedoch fast ausschließlich durch Athleten aus einer einzigen Nation - Kenia. Von den besten einhundert Ergebnissen des Jahres 2011 gehen unglaubliche neunundsechzig auf das Konto kenianischer Läufer. Und unter den gut zwölfhundert Datensätzen in den bei 2:18 endenden Statistiken des Weltverbandes IAAF trägt noch immer fast die Hälfte das Kürzel "KEN".

Lässt man die nicht für die Bestenlisten taugliche Boston-Strecke einmal außen vor, auf der die Äthiopier Gebregziabher Gebremariam und Abreham Cherkos 2:04:53 und 2:06:13 sowie der US-Amerikaner Ryan Hall 2:04:58 liefen, machen die Kenianer die ersten fünfundzwanzig Plätze der Weltrangliste ganz alleine unter sich aus. Die Übermacht ist beinahe schon erdrückend.

Kenia hat bei der Nominierung des Olympiakaders jedenfalls ein absolutes Luxusproblem. Denn neben den bereits Genannten hat man mit dem in Titelrennen bewährten Doppelweltmeister Abel Kirui ja noch ein weiteres Ass im Ärmel. Und gerade einmal drei Startplätze pro Nation stehen für London zur Verfügung.

Da scheint selbst für Wilson Kipsang und Chicago-Sieger Moses Mosop - abhängig von der Regel-Auslegung die jeweils zweitschnellsten Marathonläufer der Welt - kaum noch eine Position frei zu sein. Und ein in Kenia praktisch schon chancenloser Mann wie Wilson Kwambai Chebet, der mit 2:05:27 und 2:05:53 sowohl in Rotterdam wie auch in Amsterdam siegte, wäre wohl in jedem anderen Verband längst fest für die Spiele gesetzt.

Man darf sicher gespannt sein, wie sich die kenianische Auswahl am Ende dann wirklich zusammen setzen wird. Insbesondere da bei den letzten Großereignissen nicht mehr taktiert sondern analog zu den Stadtmarathons von Beginn an gnadenlos aufs Tempo gedrückt wurde, scheint es für die kenianischen Spitzenleute fast schwerer zu sein, einen Platz im Team zu bekommen als danach tatsächlich im Kampf um die Medaillen eine Rolle zu spielen.

Das Reservoir wirkt nahezu unerschöpflich. Mehrere Tausend Laufprofis gibt es angeblich inzwischen im ostafrikanischen Hochland. Und deshalb ist vermutlich auch nicht davon auszugehen, dass die Zeitenjagd in der nächsten Saison - wie bisher meist sonst in Olympiajahren - wirklich zum Stillstand kommt. Zu viele kenianische Weltklasseathleten werden einfach durchs Auswahlraster fallen und sich dann insbesondere bei den Herbstrennen zeigen wollen, um ihren Marktwert zu halten.

Selbst die großen Konkurrenten aus Äthiopien können dem nur noch wenig entgegen setzen. Sie steuern zwar immerhin sechszehn der hundert besten Zeiten bei und sind über zweihundert Mal in der gesamten Rangliste verzeichnet, doch weder in der absoluten Spitze noch in der Breite sind sie ähnlich gut aufgestellt wie die Rivalen aus dem Nachbarland. Irgendwie passt es dazu, dass Haile Gebrselassie ausgerechnet in dem Rennen, in dem ein Kenianer seinen Weltrekord unterbot, vorzeitig ausstieg.

Neben sechs Ergebnissen von Marokkanern, zwei von Eritreern, je einem von Läufern aus Burundi und Uganda sowie einem Katarer mit dem wenig arabischen Namen Nicholas Kemboi schaffen es als Nichtafrikaner einzig der Brasilianer Marilson dos Santos, der Japaner Yuki Kawauchi sowie - gleich doppelt - Ryan Hall unter den schnellsten einhundert Marathonzeiten aufgeführt zu werden.

Diese Überlegenheit der Afrikaner bringt den Laufsport in eine echte Zwickmühle. Denn das mediale Interesse schwindet zusehends. Es lässt sich eben kaum noch vermarkten, wenn immer neue Athleten aus immer den gleichen Nationen in weitem Abstand vorneweg laufen. Um Aufmerksamkeit zu erregen bleibt insbesondere den Veranstaltern kaum noch etwas anderes als die Hatz auf immer neue Rekordmarken.

Die ansonsten bei dem Kreieren zusätzlicher Wettbewerbe durchaus einfallsreiche IAAF hat aus diesem Grund die Cross-Weltmeisterschaften ja schon vom Ein- auf den Zweijahresrhythmus gestreckt. Allerdings kann man den Kenianern und Äthiopiern andererseits eigentlich nicht vorwerfen, dass sie so gut sind. Und wenn man hohe Geldprämien ausschreibt, ist es doch nur zu logisch, dass diejenigen, die eine Chance haben sie sich zu verdienen, es dann auch tatsächlich tun.

Außerdem darf man sich durchaus einmal fragen, ob das Thema ähnlich brisant wäre, würden einige europäische Länder die Szene beherrschen. Rodelwettbewerbe finden ja auch noch statt und bekommen sogar ausgiebige Fernsehsendezeiten, obwohl dort auch immer die gleichen zwei, drei Nationen die Sieger unter sich ausmachen und die deutschen Damen sogar viele Jahre völlig ungeschlagen blieben. Ist es am Ende bei der Beurteilung, ob eine Disziplin "langweilig" wird, vielleicht doch nur entscheidend, welche Flagge ganz oben am Mast flattert?

Im Marathon ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese die Farben schwarz-rot-gold hat, jedenfalls eher gering. Bereits mehr als achthundert Namen hat man nämlich in der Rangliste gelesen, bis man auf den ersten DLV-Athleten stößt. Mit 2:15:40 ist dort Jan Fitschen notiert. Dreihundert Ränge dahinter taucht mit Sören Kah noch ein weiterer Eintrag mit dem sich anschließenden Kürzel "GER" auf. Die dazu gehörende Zeit lautet 2:17:58. Doch damit ist die Aufzählung aus der offiziellen IAAF-Weltrangliste dann auch schon beendet.

Mit Marian Blazinski (2:18:49), Markus Weiß-Latzko (2:19:03), Sven Weyer (2:19:06) und Richard Friedrich (2:19:25) kommen 2011 immerhin noch vier weitere deutsche Läufer bei einem Marathon unter der Marke von 2:20 ins Ziel. Was sich im ersten Moment eher enttäuschend liest, ist gegenüber dem rabenschwarzen Vorjahr allerdings schon wieder eine deutliche Steigerung. Denn 2010 unterboten gerade einmal zwei Sportler diese Grenze.

In die Nähe der vom DLV - der aufgrund der zuletzt zu beobachtenden Wurflastigkeit eigentlich schon eher "Schwer-Athletik-Verband" heißen müsste - ziemlich hoch angesetzten Olympianorm von 2:12 gelangt jedoch keiner von ihnen. Und einige Athleten, die gegen sie anrennen, wie André Pollmächer oder Falk Cierpinski - beide immerhin mit einer Bestzeit von 2:13 ausgestattet - gaben ihre Versuche auf, als das Limit außer Reichweite geriet, und stiegen frustriert aus.

Ob es auch damit zu begründen ist, dass die Sportler aus den beiden ansonsten vermeintlich eher dem Skifahren anhängenden Alpenrepubliken deutlich schnellere Zeiten anbieten können, darf man zumindest einmal hinterfragen. Sowohl der Österreicher Günther Weidlinger als auch Marathon-Europameister Viktor Röthlin haben das Ticket nach London jedenfalls sicher in der Tasche, obwohl sie 2011 "nur" 2:12:23 und 2:12:26 anbieten können.

Röthlins zweite Zeit des Jahres ist mit 2:12:44 zwar nicht einmal zwanzig Sekunden langsamer, findet sich allerdings in der Weltrangliste erst dreißig Plätze weiter hinten. Ein weiteres Zeichen für die enorme Leistungsdichte. Genau wie die Tatsache, dass man mit solchen Ergebnissen gerade einmal auf Rängen jenseits der vierhundert landet. Christian Pflügl, der mit 2:15:58 zweitschnellste Österreicher, hat dann sogar fast schon neunhundert Einträge vor sich.

Sowohl Weidlinger als auch Pflügl liefen ihre Zeiten übrigens in Frankfurt. Deutschsprachige Spitzenläufer - und seien sie auch aus dem ansonsten hierzulande gerne einmal belächelten Nachbarland - sind mangels großer Alternativen natürlich von den Veranstaltern hochbegehrt. Gerade Weidlinger wurde in Frankfurt sogar fast schon zu einem richtigen Zugpferd aufgebaut. Und zwar nicht nur um auf dem österreichischen Markt Aufmerksamkeit zu bekommen und damit vielleicht den einen oder anderen Hobbyläufer zusätzlich anzulocken.

Man ist vielmehr über jeden Athleten froh, der bei Pressekonferenzen den Journalisten ohne Dolmetscher Auskunft geben kann und dessen Namen diese sich auch noch behalten haben, wenn sie den Raum wieder verlassen. Dass man - wie im Vorjahr geschehen - in Deutschland einen österreichischen Rekord mit großen Schlagzeilen feiert, hat ganz sicher nicht nur mit dem Zusammenwachsen Europas zu tun.

In anderen Ländern sieht es aber auch nur wenig besser aus als hierzulande. Nationen mit großer Marathontradition und vielen Medaillen wie die Briten, Franzosen, Italiener, Spanier, Portugiesen oder Polen sind längst weitgehend abgehängt. Selbst wenn bei ihnen die Jahresbestzeiten dann jeweils doch noch ein bisschen besser ausfallen als hierzulande, steuert keine von ihnen mehr als ein Dutzend Ergebnisse für die Weltrangliste bei.

Schnellste Europäer im Jahr 2011 sind mit dem Ukrainer Oleksandr Sitkovsky in 2:09:26 und dem Russen Dmitriy Safronov in 2:09:35 zwei Läufer aus den beiden Ländern, die sich aus europäischer Sicht noch am besten behaupten. Doch reichen den Russen unter den zwölfhundert vom Weltverband aufgeführten Namen gerade einmal achtundzwanzig Nennungen, um bereits gemeinsam mit den US-Amerikanern die fünftstärkste Nation zu sein.

Einzig die Japaner können zumindest in der Breite gegen Kenianer, Äthiopier und Marokkaner, die zusammen mehr als zwei Drittel der Weltrangliste schreiben, bestehen. Über achtzig Zeiten steuert das Land, in dem Marathon bei Zuschauern und Medien so populär ist wie vielleicht nirgendwo sonst auf der Welt, bei. Das sind sogar fast doppelt so viele wie Marokko, das man eigentlich auf Position drei erwartet hätte.

Auch bei den Damen ist Japan die dritte Kraft. Und die Nationen davor heißen ebenfalls Äthiopien und Kenia. Dennoch sind hier die Verhältnisse noch ein wenig anders als bei den Herren. Zum einen sind die Äthiopierinnen nämlich zahlenmäßig stärker als ihre Nachbarn vertreten. Zum anderen ist die Vorherrschaft der zwei ostafrikanischen Nationen zwar vorhanden, allerdings noch lange nicht so stark ausgeprägt wie im Männerbereich.

Mit der Weltranglistenersten Liliya Shobukhova, die nicht nur die schnellste sondern zudem auch noch die viertbeste Zeit des Jahres beisteuert, und Irina Mikitenko auf Platz neun mischen zumindest zwei Sportlerinnen ganz vorne mit, die nicht aus Ostafrika stammen. Und ein bisschen bunter als bei den Herren sieht die Aufzählung auch dahinter noch aus.

Doch ganz egal, wo man den Strich zieht - ob nach einhundert, zweihundert, dreihundert oder vierhundert Einträgen - jeweils etwa die Hälfte der bis dahin verzeichneten Ergebnisse ist von Sportlerinnen aus den beiden dominierenden Läuferländern erzielt. Selbst, wenn es streng genommen aus statistischer Sicht eigentlich nicht korrekt ist, Schlüsse anhand nur weniger ausgewerteter Jahre zu ziehen, scheinen sich auch hier die Gewichte zuletzt immer mehr in diese Richtung zu verschieben.

Noch ist die Leistungsdichte bei den Damen bei weitem nicht so hoch wie bei den Herren. Während sich die schnellsten hundert Männer auf gerade einmal fünf Minuten verteilen sind es im Frauenbereich noch mehr als acht. Doch die Tendenz ist eindeutig steigend. Fast zweihundertmal knackten Läuferinnen im Jahr 2011 die Marke von 2:30, womit der aus dem Vorjahr stammende bisherige Spitzenwert gleich einmal um mehr als fünfzig überboten wurde.

Selbst wenn der bei 2:15:25 stehende Fabelweltrekord von Paula Radcliffe weiter außer Reichweite zu sein scheint, wird die Konkurrenz immer größer. Unter 2:25 muss man bei einem großen Marathon inzwischen auf jeden Fall laufen, um vorne dabei zu sein. Und Siegerzeiten von 2:21 oder 2:22 sind im weltweiten Straßenlaufzirkus längst keine Seltenheit mehr sondern nun beinahe schon Dutzendware.

So schaffen es Sabrina Mockenhaupt und Susanne Hahn, die in Frankfurt 2:28:08 und 2:28:49 laufen und damit hinter Irina Mikitenko - mit ihrer 2:24:24 von London ein weiteres Mal verzeichnet - die nächsten Plätze der nationalen Rangliste belegen, international nicht einmal mehr unter die ersten Hundert.

Und um Silke Optekamp, die in Berlin 2:37:17 läuft, Bernadette Pichlmaier mit ihrer 2:38:02 aus München oder Katharina Heinig (2:42:10, Hannover) zu finden, muss man schon in Regionen weit jenseits der fünfhundert nach hinten blättern. Da dürfte die DLV-Olympianorm von 2:30 auch im Frühjahr kaum machbar sein. Bei den Damen ist man hierzulande also ebenfalls nicht wirklich breit aufgestellt.

Wenn nicht eine Läuferin, die sich bisher eher auf kürzeren Distanzen getummelt hat, kurzfristig umschwenkt und eine Überraschung schafft, scheinen neben den schon qualifizierten Mikitenko, Mockenhaupt und Hahn der Papierform nach höchstens noch die nach Babypause wieder zurück ins Wettkampfgeschehen strebende Ex-Europameisterin Ulrike Maisch und vielleicht Melanie Kraus eine realistische Chance auf die Unterbietung des Limits und einen Platz im London-Team zu haben.

Schnellste deutsche Marathons - relativ zum Weltrekord

Es gibt verschiedene Möglichkeiten den schnellsten Marathon zu ermitteln. Die schnellste Zeit ohne Rücksicht auf das Geschlecht ist dabei sicher am wirkungsvollsten. Die schnellste Frauenzeit gewinnt dankenswerter Weise an Gewicht. Also nimmt man den schnellsten Mann und die schnellste Frau zusammen als Grundlage der Bewertung. Die reine Addition beider Zeiten wäre denkbar, doch haben wir mit der Verhältnismäßigkeit zum jeweiligen Weltrekord eine Lösung gefunden, einen interessanten Vergleich anzustellen. Bei den Männern ist die Zeit von Patrick Makau 2:03:38 die Messgröße und bei den Frauen ist es die 2:15:25 von Paula Radcliffe. Die Summe beider Abweichungen zum Weltrekord ergibt unseren Wert für den relativ schnellsten deutschen Marathon.

In der Betrachtung sind alle Marathone mit mindestens 300 Teilnehmern. Die Grafik geht bis zum Gesamtfaktor 60 - in der Tabelle aufgelistet sind weitere.
Ort Männersieger Zeit
Fakt.
Frauensiegerin Zeit
Fakt.
Su.
Berlin
Makau, Patrick
2:03:38
0,00
Kiplagat, Florence
2:19:44
3,19
3,19
Frankfurt/M
Kipsang, Wilson
2:03:42
0,05
Daska, Mamitu
2:21:59
4,85
4,90
Düsseldorf
Kimaiyo , Nahashon
2:10:54
5,88
Mohammed , Merima
2:28:15
9,48
15,35
Hamburg
Gudisa, Shentema Kudama
2:11:03
6,00
Dergo, Fatuma Sado
2:28:30
9,66
15,66
Hannover
April, Lusapho
2:09:25
4,68
Rono, Georgina
2:31:19
11,74
16,42
Köln
Barmao, Samson Kiprono
2:08:56
4,29
Aberume, Mekuria
2:32:24
12,54
16,83
Mainz
Tola, Bane
2:13:30
7,98
Roba, Asha Gigi
2:31:08
11,61
19,59
Münster
Kipkemoi Yator, Elijah
2:13:10
7,71
Kouhan, Sviatlana
2:35:35
14,89
22,60
Karlsruhe
Maswai, Samwel
2:13:12
7,74
Barsosio, Sally
2:37:15
16,12
23,86
Kassel
Muriuki, Julius
2:13:00
7,58
Nyetipei, Jacquline
2:40:01
18,17
25,74
Würzburg
Kosgei, Titus Kipchumba
2:14:10
8,52
Antonios, Mihiret Anamo
2:39:51
18,04
26,56
München
Friedrich, Richard
2:19:27
12,79
Pichlmaier, Bernadette
2:38:02
16,70
29,49
Essen
Graute, Matthias
2:20:57
14,01
Krull, Silvia
2:43:29
20,73
34,73
Bonn
Ajema Jeyi, Fikru
2:18:00
11,62
Krull, Silvia
2:47:11
23,46
35,08
Dresden Stadt
Cheruiyot, Isaac
2:21:51
14,73
Bonsa, Ayisha 2:43:39
20,85
35,58
Duisburg
Ngolepus, Richard
2:30:28
21,70
Krull, Silvia
2:46:13
22,74
44,45
Kandel
Neuschwander, Florian
2:28:17
19,94
Rauschenberg, Eve
2:49:43
25,33
45,27
Mannheim
Cheruyiot, Isaak
2:24:01
16,49
Biwott, Salome 2:55:49
29,83
46,32
Leipzig
Stiller, Jakob
2:27:59
19,70
Södermark, Frida
2:51:33
26,68
46,38
Dresden Oberelbe
Janicki, Jaroslaw
2:31:00
22,14
Maissenbacher, Simone
2:50:59
26,26
48,40
Bottwartal
Rotich, Amos Kimeli
2:33:42
24,32
Kimaiyo, Edna
2:48:23
24,34
48,66
Heilbronn
Hendriksen, Jon-Paul
2:30:29
21,72
Vogler, Katrin
2:56:51
30,60
52,31
Bielefeld
Schulz, Konrad 2:37:20
27,26
Heckmann, Kirsten 2:52:28
27,36
54,62
Steinfurt
Szymandera, Pawel
2:37:16
27,20
Kulgemeyer, Christin
2:56:51
30,60
57,80
Freiburg
Schallner, Nils
2:28:25
20,05
Iseler, Judith
3:06:21
37,61
57,66
Mittelrhein
Abderazzak, Charai
2:27:31
19,32
Vielmeier, Regina 3:10:06
40,38
59,70
Regensburg
Chepkopol, Joel
2:30:18
21,57
Pivetta, Daniela
3:13:01
42,54
64,10
Bremen Sebrantke, Oliver
2:35:56
26,13
Fichtner, Frauke
3:07:39
38,57
64,70
Ulm Schumacher, Richard
2:36:10
26,31
Schneider, Nicole
3:08:17
39,04
65,35
Schwarzwald Dörr, Hans-Jörg
2:45:03
33,50
Doll, Steffanie
3:00:38
33,39
66,89
Lübeck Hendriksen, Jon-Paul
2:36:15
26,38
Becker, Verena
3:10:31
40,69
67,07
Weiltalweg Larionov, Alexei
2:41:20
30,49
Kollmeyer, Katrin
3:05:00
36,62
67,11
Fürth Janker, Andreas
2:42:05
31,10
Hoffmann, Sigrid
3:05:26
36,94
68,04
Augsburg Müller, Kay-Uwe
2:41:29
30,61
Veith, Pamela
3:06:09
37,46
68,08
Magdeburg Löbel, Yves
2:38:27
28,16
Hoffmann, Sigrid
3:09:40
40,06
68,22
Füssen Masai, Ben
2:38:39
28,32
Del Frari, Mara
3:19:21
47,21
75,54
Spreewald Siegler, Markus- Kristan 2:40:40
29,95
Raabe, Inge
3:17:59
46,20
76,16
Rennsteiglauf Fritsch, Alexander 2:40:23
29,72
Jakob, Anja
3:23:43
50,44
80,16
Monschau Collet, Andre 2:43:05
31,91
van Rinsum, Ines
3:26:48
52,71
84,62
Obermain Bäuerlein, Uwe 2:44:42
33,22
Lieb, Stephanie
3:28:16
53,80
87,01
Brocken Kersten, Ulf 2:49:15
36,90
Lehmann, Diana
3:25:04
51,43
88,33
Rursee Probst, Andreas 2:43:48
32,49
Offermann, Eva 3:33:14
57,46
89,95

Ganz anders sieht das Bild allerdings aus, wenn man sich nicht anschaut, wer eine Zeit läuft sondern wo sie erzielt wurde. Denn dann ist Deutschland auf einmal ziemlich präsent. Nicht nur wegen der Serie der Berliner Weltrekorde im letzten Jahrzehnt wird nämlich fast nirgendwo schneller gelaufen. Unter den gut zwölfhundert Männerzeiten unter 2:18 stammen stolze 110 von deutschem Asphalt. Damit liegt man praktisch gleichauf mit den USA (115) und Japan (104), den anderen beiden großen "Marathonmärkten".

Ein volles Dutzend deutscher Veranstaltungen ist dort aufgeführt. Und neben Berlin und Frankfurt können auch Köln (Samson Kiprono Barmao in 2:08:56) und Hannover (Lusapho April, 2:09:25) Siegerzeiten unter 2:10 präsentieren. Dahinter trennen Düsseldorf (Nahashon Kimaiyo, 2:10:54) und Hamburg (Shentema Kudama Gudisa, 2:11:03) nur wenige Sekunden.

Und auch Kassel (2:13:00), Münster (2:13:10), Karlsruhe (2:13:12) und Mainz (2:13:30) liegen nicht allzu weit auseinander. Außerdem wird noch in Würzburg, Bonn, St.Wendel, Bitterfeld sowie in München unter 2:20 gelaufen. In der bayerischen Hauptstadt gibt es mit Richard Friedrich übrigens auch den schnellsten einheimischen Sieger. Matthias Graute ist in Essen, wo man ebenfalls eher auf regionale Asse setzt, mit 2:20:57 erfolgreich.

Die restlichen Gewinner kommen dagegen wie erwartet aus Afrika. Mit zehnmal Kenia und dreimal Äthiopien stimmen die Relationen auch ungefähr mit dem schon beobachteten Kräfteverhältnis überein. Statistischer Ausreißer ist der Südafrikaner Lusapho April, der zwar aus einem laufverrückten Land stammt, allerdings aus dortiger Sicht doch eher auf einer "Kurzstrecke" erfolgreich ist.

Mit Abstand am besten besetzt ist dabei nicht etwa Berlin sondern vielmehr Frankfurt. Vierundvierzig Läufer unterbieten dort die Marke von 2:20. Beim Hauptstadtmarathon schaffen das dagegen nur achtundzwanzig Herren sowie die Siegerin Florence Kiplagat. Schon in den Jahren zuvor waren die Konstellationen ähnlich.

Denn während man in Berlin bei der Zusammenstellung des Feldes eher auf einzelne Stars setzte, die sich wie insbesondere Haile Gebrselassie natürlich besser vermarkten lassen, wählte man in Frankfurt meist unbekanntere - und damit auch für weniger Geld zu verpflichtende - Athleten der zweiten Reihe aus. Diese allerdings dann in deutlich größerer Zahl mit einer höheren Chance, dass einige von ihnen am Ende eine Klassezeit abliefern.

Nur eine einzige Veranstaltung weltweit kann in dieser Hinsicht noch mehr bieten als die deutsche Bankenmetropole. Doch handelt es sich nicht etwa um Rotterdam, London, Chicago oder New York. Im kenianischen Nairobi muss man trotz einer Höhe von mehr als sechzehnhundert Metern über dem Meer noch einmal volle zwei Minuten schneller rennen als am Main, um die Plätze vierzig oder fünfzig zu erreichen. Wenig überraschend ist dabei, dass kein einziger dieser Athleten eine Anreise aus einem anderen Land benötigte.

Nicht nur die schon erwähnten deutschen und österreichischen Jahresbestzeiten werden übrigens in Frankfurt erzielt. Auch für Polen und Frankreich stehen zum Beispiel bei den Männern Ergebnisse ganz oben in der Rangliste, die in der Festhalle gestoppt wurden. Und aus Berlin stammen 2011 die Marken für Griechenland, Großbritannien und Neuseeland.

Noch viel auffälliger ist das Ganze sogar bei den Damen. In Berlin lief hinter Irina Mikitenko die amtierende Weltrekordlerin Paula Radcliffe als Dritte immerhin britischen Saisonrekord. Maja Neuenschwanders Leistung wird in der Schweiz ebenfalls an erster Stelle geführt. Außerdem sind auch in Italien, Norwegen und Finnland Zeiten aus der deutschen Hauptstadt an der Spitze notiert.

Aus Frankfurt ließen sich die Frauen-Jahresbestzeiten für Australien, Dänemark, Ungarn und die Slowakei vermelden. Die Österreicherin Andrea Mayr lief sich mit 2:32:33 dort genauso an die Führungsposition der nationalen Rangliste, und wie ihr Landsmann Weidlinger zudem in den Olympiakader Austrias.

Ob dafür nun die große Attraktivität der meist gut organisierten und mit schnellen Strecken ausgestatteten deutschen Rennen für ausländische Spitzenläufer oder eher die Suche der einheimischen Veranstalter nach wenigsten ein paar nichtafrikanischen Profis im Vorderfeld verantwortlich ist, kann man sich angesichts einer solchen Liste durchaus fragen? Vermutlich dürfte aber beides eine Rolle spielen.

Kaum weniger Zeiten als Berlin steuert der maximal mittelgroß zu nennende Marathon von Hannover, wo immerhin neunzehn Läufer die 2:20 unterbieten, zur Weltrangliste bei. Dass auch dort wie in Frankfurt Christoph Kopp für die Zusammenstellung des Feldes verantwortlich ist, dürfte kein Zufall sein. Trotz einer besseren Siegerzeit schaffen in Köln dagegen nur neun Läufer diese Marke. In Hamburg, lange Zeit nicht nur bezogen auf die Teilnehmerzahlen die unangefochtene Nummer zwei im Land, sind es nicht mehr als sieben.

Genauso viele registriert man auch in Düsseldorf. Und Karlsruhe, Münster und Kassel können immerhin ein halbes Dutzend vermelden. Dafür verantwortlich ist allerdings ausschließlich die immer größer werdende Zahl afrikanischer Laufprofis, die solche Leistungen für Antritts- und Preisgelder abliefern, bei denen Europäer kaum die Schuhe schnüren würden. Dahinter klafft dann aber in der Regel ein Loch von einer Viertelstunde, bevor im Zeitbereich von 2:35 bis 2:40 die ersten Einheimischen auftauchen.

Leistungsdichte Männer unter 3:00 h

Wo fanden Bestzeitenjäger 2011 in Deutschland starke Gruppen

Der Marathon mit den schnellsten Siegerzeiten muss nicht zwangsläufig zur persönlichen Bestzeit führen. So gelingt es den besten Eliteläufern mit nur wenigen Sekunden Verlust, Streckenschwierigkeiten zu meistern. Für einen Spitzenplatz im Ranking reicht es, einen Mann und eine Frau gut durchzubringen. Dafür wird von Veranstalterseite mitunter auch ein Service geleistet, der weit bessere Bedingungen liefert, als sie "Otto Normalverbraucher" vorfindet.

Leistungsorientierten Läuferinnen und Läufern aus dem Freizeitsportbereich nützt die persönliche Betreuung der Elite an der Spitze gar nichts. Kaum verwunderlich ist es dennoch, dass es die starken Gruppen genau bei den bekannten Großen der Marathonszene gibt. Wir behalten deshalb die Reihenfolge nach der Anzahl der Gesamtteilnehmer im Ziel bei, um so die Unterschiede noch deutlicher zu machen. Bei welchem Marathon die Chancen auch für schnellere Teilnehmer gut sind, eine Gruppe zu finden, ist anhand der Grafiken leicht abzulesen.

Unberücksichtigt bleibt hier, dass sich bei Marathons etwa mit zeitgleich startendem Halbmarathonfeld und bei sich auf der Strecke tummelnden frisch eingewechselten Staffelläufern zusätzlich Gruppen bilden, die der Einsamkeit des Langstreckenläufers entgegen wirken.

Während bei den Männern also Frankfurt in der Breite der Spitze deutlich die Nase vorne hat, kann man im Damenbereich eigentlich ein Unentschieden zwischen der Finanzmetropole und der Hauptstadt beobachten. Bis Platz acht ist Berlin ein wenig besser in der Weltrangliste platziert, dann wird das Feld am Main etwas dichter. Zwölf zu zehn für die Hessen lautet das Ergebnis, wenn man die Damen unter 2:30 zählt. Mehr sind es nur in London und Boston.

Über ein Zehntel der ziemlich genau zweihundert Ergebnisse aus diesem Zeitbereich stammt damit aus deutschen Rennen. Denn aus Düsseldorf (Merima Mohammed, 2:28:15) und Hamburg (Fatuma Sado Dergo, 2:28:30) kommen gerade noch zwei weitere Läuferinnen dazu. Beinahe noch dominanter als bei den Herren sind damit aber die beiden 2011 größten einheimischen Läufe in der absoluten Spitze.

Das hat zwar bestimmt auch ein wenig mit der geringeren Leistungsdichte bei den Frauen zu tun. Allerdings setzen einige Marathons ihre begrenzten Geldmittel wohl doch eher dafür ein, schnelle Männer zu verpflichten. Das mag ungerecht erscheinen, doch aus rein wirtschaftlichem Blickwinkel dürfte es trotzdem sinnvoll sein. Denn eine 2:09, 2:10 oder 2:11 des Gesamtsiegers wird in Medien und bei Sponsoren eben doch eher registriert, als wenn die schnellste Läuferin eine Zeit um 2:30 abliefert.

In der gesamten bis 2:43 reichenden Weltrangliste der IAAF sind deutsche Läufe dennoch kaum weniger häufig vertreten. Achtundachtzig von etwas mehr als neunhundert Einträgen sind es dort. In Mainz (Siegerzeit 2:31:08), Hannover (2:31:19), Köln (2:32:24), Münster (2:35:35), Karlsruhe (2:37:15), München (2:38:02), Würzburg (2:39:51), Kassel (2:40:01) und St. Wendel (2:41:51) werden sie gelaufen.

Statt einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen amerikanischen, deutschen und japanischen Veranstaltungen wie bei den Herren dominieren in der Frauen-Rangliste allerdings eindeutig die Marathonzeiten aus den USA. Fast doppelt so oft wie hiesige Städte tauchen in der Aufzählung Ortsangaben von jenseits des Atlantiks auf.

Und zudem taucht noch ein weiterer "Konkurrent" um die schnellsten Strecken auf. Denn in China wird ebenfalls noch ein wenig häufiger flott gerannt als in Deutschland. In Europa wenig beachtet entsteht auch im "Reich der Mitte" gerade eine Stadtmarathonszene. Noch fehlen dort zwar die großen Starterfelder, doch natürlich gibt es ein riesiges Potential.

Der Blick nach Japan, wo man jahrzehntelang hauptsächlich auf Eliterennen setzte, zeigt wie schnell die Entwicklung gehen kann. Drei der zehn größten Marathons weltweit werden - mit jeweils mehr als zwanzigtausend Teilnehmern - nämlich inzwischen im Land der aufgehenden Sonne veranstaltet. Nur fünf Jahre zuvor war es kein einziger.

Der am häufigsten in der Weltrangliste genannte Lauf ist jedoch der WM-Marathon von Daegu. Während das Meisterschaftsrennen bei den Männern neben Nairobi und Frankfurt auch vom japanischen Otsu in der Breite überboten wird, kann bei den Damen nur London noch einigermaßen mit den Titelkämpfen mithalten. Doch ist dies hauptsächlich den noch deutlich weiter auseinander liegenden Leistungen im Frauenbereich geschuldet.

Als schnellte deutsche Marathonsiegerin des Jahres 2011 konnte sich Bernadette Pichlmaier in München feiern lassen. Und wie bei den Männern folgt mit der 2:43:29 laufenden Silvia Krull die Siegerin aus Essen auf dem zweiten Platz. In Duisburg (2:46:13) und Bonn (2:47:11) kann sie bei noch zwei weiteren Veranstaltungen der zweiten Reihe auf die oberste Treppchenstufe klettern.

Leistungsdichte Frauen unter 3:20 h

Wo fanden Bestzeitenjägerinnen 2011 in Deutschland starke Gruppen

Da es in Deutschland keine reinen Frauenläufe gibt, ist die Aufzeichnung für Marathonläuferinnen unter 3:20 h im Ziel, mehr ein Hinweis, wo es evtl. was zu verdienen gibt. Es kann unterstellt werden, dass bei Marathons mit vielen männlichen Teilnehmern, die unter 3 Stunden bleiben, auch im Bereich bis 3:20 h eine höhere Teilnehmerdichte zu erwarten ist.

Dass wir nicht auch Grafiken für längere Laufzeiten erstellt haben, hat nur den Grund, dass sich die Einsamkeit des Langstreckenläufers erst wieder am Ende des Feldes einstellt. Mitunter wäre im Mittelfeld eine umgedrehte Betrachtung interessant: Wo kann ich z.B. bei einer Laufzeit von 4 Stunden mit ausreichender Bewegungsfreiheit rechnen. Dies ist aber etwa aufgrund zeitversetzer Startgruppen statistisch kaum anhand reiner Zahlen zu ermitteln.

NEU Leistungsdichte Frauen unter 3:00 h

Wo fanden Bestzeitenjägerinnen 2011 in Deutschland starke Gruppen

In der Grafik sind alle Marathons ab 300 TN mit mehr als 3 Frauen unter 3:00 h. (13 Stück) - interessant dass in Frankfurt mehr Frauen unter 3 h gelaufen sind als in Berlin

Die relativ guten Frauenergebnisse sorgen dafür, dass sich in der Gesamtbetrachtung der Siegerzeiten Düsseldorf und Hamburg, hinter den beiden weit vorne liegenden Veranstaltungen von Berlin und Frankfurt, auf den Rängen drei und vier wieder finden. Gerade für die zuletzt doch ziemlich gebeutelten Hansestädter ist das aber wohl nur ein kleines Trostpflaster.

Köln bietet zwar den drittschnellsten Gewinner, doch in der Kombinationswertung liegt auch Hannover noch vor den Domstädtern. Diesmal spielt es bei dieser Bewertung übrigens keinerlei Rolle, ob man die Zeiten einfach nur addiert oder zu Weltrekord bzw. Jahresbestleistung in Relation setzt. Im Mittelfeld gibt es allerdings zwischen den verschiedenen Maßstäben doch die eine oder andere Verschiebung.

Doch darf man sich durchaus einmal fragen, ob - selbst wenn es meist so verkauft wird - die Ergebnisse der Spitzenläufer wirklich zeigen, wie schnell ein Marathon ist. Oder zeigen sie vielleicht doch nur, wo das meiste Geld für Antritts- und Platzprämien zur Verfügung steht? Auf den bekannt welligen Strecken von Boston und New York werden schließlich auch Weltklassezeiten gelaufen. Und selbst die Pisten von Berlin und Frankfurt sind trotz Rekord und Fast-Rekord keineswegs so bretteben, wie man meist glaubt.

Einen weiteren Eindruck kann man zum Beispiel bekommen, wenn man sich ansieht, wo besonders häufig unter drei Stunden gelaufen wird. Und dort bietet sich ein völlig anderes Bild. In absoluten Zahlen ist der Marathon in der Hauptstadt mit fast zwölfhundert Teilnehmern unter dieser Marke dabei zwar wenig überraschend vorne. Schließlich werden dort ungefähr ein Drittel aller Zieleinläufe im Land registriert.

Doch bezogen auf die Größe des gesamten Starterfeldes findet man sich mit 3,6 Prozent nur im Mittelfeld. Und obwohl am Main immerhin mehr als achthundert Läufer und damit 6,6 Prozent diese Zeit, die einst als Grenze zwischen ernsthaften Läufern und reinen Freizeitsportlern angesehen wurde, unterbieten, reicht das dennoch nicht für die Spitzenposition der relativen Wertung sondern nur zu Rang vier.

Immerhin laufen nirgendwo im Land mehr Frauen so schnell. Mit sechsundfünfzig sind es nämlich sechs mehr als in Berlin. In Hamburg sind es immerhin dreißig. Die integrierten deutschen Meisterschaften bringen dabei sicher einige zusätzliche Leistungsläuferinnen an Elbe und Alster. Ansonsten schafft nur noch Münster mit elf Frauen schneller als hundertachtzig Minuten die Zweistelligkeit. In Köln und München - bezogen auf die Teilnehmer Nummer vier und fünf - sind es hingegen gerade einmal acht und sieben.

Etwas häufiger als in Frankfurt wird in Leipzig unter drei Stunden gelaufen. 46 von 688 lautet die Quote, womit man in Sachsen einen Zehntelprozentpunkt höher liegt. Immerhin 7,6 Prozent kann der "Rund um den Baldeneysee Marathon" von Essen bieten. Doch ziemlich unangefochtener Spitzenreiter ist mit 8,3 Prozent der Traditionslauf in Kandel.

Für die Pfälzer ist das sogar ein eher schwacher Wert. In den letzten Jahren lag man immer wieder einmal im zweistelligen Bereich. Und in der ferneren Vergangenheit galten auf der ebenfalls als "schnell" beworbenen Strecke durch den Bienwald dreißig und mehr Prozent Dreistundenläufer als völlig normal.

Nur daraus aber direkt zu folgern, dass der Kandeler Kurs das absolute Nonplusultra für Bestzeitenjäger darstellt, ist jedoch genauso wenig sinnvoll, wie der alleinige Blick auf die Leistungen der Sieger. Auch dieser Maßstab ist nur bedingt objektiv. Denn unterschiedliche Veranstaltungen ziehen unterschiedliche Läufertypen an. Und die Zusammensetzung der Felder ist nicht nur an der Spitze sondern auch weiter hinten meist nicht absolut repräsentativ und vergleichbar.

Kandel hat sich eben über die Jahre den Ruf erarbeitet, dass man dort ziemlich schnell laufen kann. Andererseits fehlt diesem größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch den Wald führenden Marathon die Attraktivität für mehr an vielen Zuschauern und Partystimmung als an guten Ergebnissen interessierten Freizeitsportlern im Mittel- und Hinterfeld.

Ganz ähnlich verhält es sich auch mit dem ältesten noch existierenden deutschen Marathon in Essen. Wobei dieser im Gegensatz zur im März stattfindenden Veranstaltung von Kandel immerhin einen Oktobertermin hat und deshalb keine Vorbereitung im Winter erfordert. Doch auf den zwei Runden um den größten Stausee der Ruhr ist trotzdem nicht unbedingt das gleiche Publikum unterwegs wie bei den großen Stadtmarathons.

Das beste Beispiel ist dazu der Lauf in Köln, wo nur ganze fünfundsiebzig Teilnehmer unter drei Stunden im Ziel sind. Das sind sogar dreizehn weniger als beim fünfmal kleineren Rennen in Essen. Auf gerade einmal 1,4 Prozent des Feldes beläuft sich die Quote in der Domstadt. Schlechter schneiden praktisch nur noch mit etlichen Höhenmetern versehene Landschaftsläufe ab.

Anteil der Finisher unter 4 Stunden

Die angeblich nun deutlich schneller angelegte neue Kölner Strecke zeigt in der Breite keinerlei statistische Auswirkung. Oder interessiert sich der typische Teilnehmer in der Karnevalshochburg vielleicht am Ende gar nicht dafür, ob man auf diesem Kurs gute Zeiten erzielen kann? Dass am Rhein gerade einmal 37,4 Prozent des Feldes unter vier Stunden bleibt, scheint dafür ein weiterer Beleg zu sein. Doch eine Ausnahme ist das unten den Großen keineswegs, denn Hamburg kann mit 39,4 Prozent kaum mehr bieten.

Und auch auf der Weltrekordpiste von Berlin schaffen es nicht einmal fünfzig Prozent unter vier Stunden. Der dortige Wert errechnet sich zu 45,4 Prozent. Von dem vermeintlich schnellen Berliner Asphalt ist weiter hinten nicht viel zu merken. Zum einen dürfte es vielen gar nicht darauf ankommen. Zum anderen ist das Feld wohl schon längst viel zu groß, als dass man mittendrin sein eigenes Rennen in Richtung persönliche Bestzeit bestreiten könnte.

Eine Regel kann man daraus aber auch nicht unbedingt ableiten. Frankfurt und München, die letzten beiden der fünf Großen im Land, schaffen es nämlich auf 58,1 und 59,2 Prozent Vier-Stunden-Läufer. Das reicht immerhin noch für Plätze im dicht gedrängten vorderen Mittelfeld dieser Wertung. Auch hier sind Kandel (71,3 %) und Essen (67,6 %) vorne mit dabei. Dazwischen schiebt sich der Marathon von Ulm, wo man 69,8 Prozent registriert.

Am allerbesten schneiden allerdings zwei kleine Veranstaltungen ab. Der Thermen-Marathon von Bad Füssing überbietet den Wert von Kandel noch einmal um einen Prozentpunkt. Und beim Koberstädter Waldmarathon in Egelsbach sind es sogar mehr als vier Fünftel aller Teilnehmer. Herren-Siegerzeiten von knapp unter 2:40 und Frauen-Gewinnerinnen weit jenseits der drei Stunden liefern aber gleich wieder Argumente, sie aus dem Wettbewerb um den schnellsten Marathon des Landes ausscheiden zu lassen.

Doch wer ist denn nun wirklich der Schnellste? Auch wenn man im Bereich des Sports immer an eindeutigen Ranglisten interessiert ist, muss man wohl einfach anerkennen, dass es wie so oft im Leben einen eindeutigen Gewinner einfach nicht geben kann. Zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen, zu unterschiedlich die Bewertungsmaßstäbe. Vor- und Nachteile, Pro- und Contra-Argumente wiegen sich manchmal regelrecht gegeneinander auf.

Je nachdem ob man auf Spitzenathleten, Leistungssportler oder Hobbyläufer blickt, ergeben sich neue Ergebnisse. Aber selbst wenn sie keinen echten Sieger liefern können, haben sie eines gemeinsam: Es kann eben durchaus interessant sein, sie sich einmal genauer zu betrachten.

Teil 5: Die Frauenquote

Ist Marathon nur etwas für Männer?

"Sport ist was für Männer". Zumindest, wenn es darum geht beim Bier über so wichtige Dinge wie Abseitsentscheidungen bei den letzten Spielen der Fußballbundesliga zu diskutieren, mag das sogar immer noch stimmen. Schließlich handelt es sich dabei ja um eine Regel, die einer weit verbreiteten Stammtischmeinung nach einem weiblichen Wesen ohnehin nicht zu vermitteln ist.

Die Statistiken des Deutschen Olympischen Sportbundes sprechen dann allerdings doch eine ganz andere Sprache. Über vierzig Prozent der Mitglieder in Sportvereinen sind nämlich Frauen, womit ihr Anteil zwar noch nicht ganz dem Verhältnis in der Gesamtbevölkerung entspricht, sich diesem aber zumindest immer mehr annähert.

Disziplinen, die noch vor wenigen Jahrzehnten für Frauen völlig undenkbar waren, werden längst als selbstverständlich akzeptiert. Skispringerinnen und Bobfahrerinnen kämpfen nun um Olympia- und WM-Medaillen. Ringerinnen und Gewichtheberinnen sind inzwischen ebenfalls unter den fünf Ringen dabei. Und wer erinnert sich denn noch daran, dass beim so populären Biathlon die ersten Wettbewerbe für Damen überhaupt erst in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts stattfanden.

Nur wenige Jahre länger ist es her, dass die Oberen des Deutsche Fußballbundes den in ihrem Verband bis dahin nicht willkommenen Damen offiziell das Treten gegen den Ball erlaubten. Wie hätten diese Herren damals wohl reagiert, wenn man ihnen erzählt hätte, dass eine Frauen-Weltmeisterschaft einmal große Stadien füllen würde? Oder dass eine Schiedsrichterin einmal Profispiele der zweiten Liga pfeifen dürfte? Womit übrigens eindrucksvoll widerlegt wäre, dass kein weibliches Wesen die Abseitsregel verstehen kann.

Auch der Frauenmarathon hat keine wirklich lange Geschichte. Die erste große internationale Meisterschaft, auf der die Damen über diese Distanz antreten durften, war die EM 1982 in Athen, wo die Portugiesin Rosa Mota siegte. Ein Jahr später gewann Grete Waitz aus Norwegen den ersten Weltmeistertitel in Helsinki. Und die dritte große Protagonistin dieser frühen Jahre, die US-Amerikanerin Joan Benoit, war bei den Spielen 1984 in Los Angeles vorne, als Marathonläuferinnen zum ersten Mal bei Olympia dabei sein durften.

Wie wenig überzeugt man damals noch von Frauen auf langen Distanzen war, zeigt die Tatsache, dass bei allen drei Veranstaltungen die nächstkürzere Strecke keineswegs zehn oder zumindest fünf Kilometer betrug. Nein, gerade einmal dreitausend Meter waren als "Langstrecke" ausgeschrieben. Und das war schon ein gewaltiger Fortschritt. Denn erst 1972 in München durften Frauen überhaupt über fünfzehnhundert Meter antreten.

Die Zeiten, in denen sich laufende Frauen von Passanten fragen lassen mussten, ob sie denn zu Hause keine Arbeit hätten, sind zwar endgültig vorbei. Doch selbst wenn man inzwischen ungefähr genauso vielen weiblichen wie männlichen Joggern zu begegnen scheint, ist man in den Ergebnislisten von Laufveranstaltungen von einer Gleichverteilung noch ein ganzes Stück entfernt.

Insbesondere wenn die Distanzen länger werden kann man entsprechende Beobachtungen machen. Denn gerade einmal neunzehn Prozent aller Zieleinläufe bei Marathons in Deutschland gehen auf das Konto von Frauen. Legt man die Summen der gleichzeitig ausgetragenen Halbmarathons daneben, dann ist der Wert zumindest neun Prozentpunkte höher, was aber im Umkehrschluss dennoch bedeutet, dass knapp drei Viertel aller Teilnehmer auch weiterhin Männer sind.

Während sich damit auf der Halbdistanz das Verhältnis aus dem Vorjahr mehr oder weniger exakt wiederholt und sich erst in der zweiten Nachkommastelle überhaupt eine Abweichung feststellen lässt, wächst der Frauenanteil beim Marathon immerhin erneut um drei Zehntelprozentpunkte. Eine langsame Steigerung, die man bereits seit längerem beobachten kann, die aber eben auch eine nur einigermaßen ausgeglichene Verteilung in weiter Ferne erscheinen lässt.

Es überrascht wenig, dass der Marathon von Berlin beim Zustandekommen dieses Wertes einen großen Beitrag leistet. Schließlich werden rund ein Drittel aller Zieleinläufe hierzulande alleine in der Hauptstadt registriert. Doch zudem lässt sich an der Spree schon seit Jahren auch der jeweils größte Einzelwert entdecken. Diesmal sind es 22,4 Prozent, also weit mehr als drei Punkte über dem Durchschnitt.

Auch in Berlin hat sich das Verhältnis zudem noch einmal ein Stück zugunsten der Frauen verändert. Denn während man gegenüber dem Vorjahr insgesamt mehr als tausend Teilnehmer verloren hat, fehlen trotzdem gerade einmal fünfzig Ergebnislisten-Einträge mit einem "W" in der Altersklassen-Bezeichnung.

Ähnliches lässt sich in der Gesamtsumme aller Veranstaltungen ebenfalls beobachten. Denn der auch diesmal wieder festzustellende Rückgang bei den Starterzahlen geht eher auf das Konto der Männer. Während verglichen mit 2010 rund fünftausend Läufer fehlen, bleibt der Schwund der weiblichen Kundschaft im dreistelligen Bereich. Doch ist dieser Sachverhalt allerdings auch nur zu logisch, wenn der Frauenanteil steigt.

Auch beim nun zweitgrößten Marathon des Landes in Frankfurt steigt der Prozentsatz. Und zwar sogar deutlich, Neben mehr als zweitausend Männern kann man nämlich auch fast siebenhundert Damen zusätzlich im Ziel in der Festhalle begrüßen. Rund ein Viertel des deutlichen Zuwachses beim Jubiläumslauf kommt also durch Frauen zustande.

Aufgrund der nun gewachsenen Bedeutung der Hessen hat das natürlich ebenfalls spürbare Auswirkungen auf die Gesamtbetrachtung. Allerdings hatte man am Main in dieser Hinsicht bisher auch einen gewissen Nachholbedarf und befand sich in der Regel immer etwas unterhalb des Durchschnitts. Nun übertrifft man ihn immerhin um einen Zehntelpunkt.

Dennoch können nicht einmal zwei Hände voll Veranstaltungen im Land höhere Werte als die Frankfurter bieten. Mehr als sechzig der über siebzig Marathons in der LaufReport-Datensammlung liegen unter dem Mittelwert. Was im ersten Moment völlig seltsam erscheint, wird durchaus logisch, wenn man erfährt, dass mit Hamburg (20,3 %) und Köln (19,9 %) auch die nationale Nummer drei und vier überdurchschnittliche Werte haben. Und alleine in diesen vier Städten werden auf deutschem Boden drei Fünftel aller Marathonis gezählt.

Als einziger der großen Fünf liegt München ein wenig unterhalb des Gesamtschnittes. Doch kann das den vom Marktführer aus Berlin nach oben getriebenen Wert eben kaum noch nach unten ziehen. Zumal sich die in der Größenrangliste dahinter geführten Rennen aus Düsseldorf und Münster sowie am Rennsteig ebenfalls im Bereich von achtzehn und neunzehn Prozent einsortieren.

Auch diese Werte reichen noch für einen Platz unter den besten Fünfzehn in dieser Kategorie. Es ist durchaus auffällig, dass neben den schon aufgezählten Veranstaltungen nur noch einige kleine und kleinste Marathons mit maximal einigen hundert Teilnehmern in diese Regionen vorstoßen.

Selbst wenn unter diesen der eine oder andere Name wie zum Beispiel der Hornisgrinde-Marathon von Bühlertal von Jahr zu Jahr immer wieder einmal auftaucht, sind diese aus statistischer Sicht nur bedingt aussagekräftig und müssen als eher zufällig angesehen werden. Denn bereits fünf oder zehn Frauen zusätzlich können in solchen Fällen den Wert deutlich verschieben.

Die mittelgroßen Marathons zwischen ein- und zweitausend Teilnehmern fallen dagegen schon deutlich ab und bewegen sich zwischen 13,5 % (Mainz) und 16,5 % (Dresden Oberelbe) Frauenquote. Betrachtet man einzig und allein diese - inzwischen nur noch neun Veranstaltungen umfassende - Gruppe sinkt deren Mittelwert auf nur noch fünfzehn Prozent.

Diese Beobachtung lässt sich bei weitem nicht zum ersten Mal machen. Man kann die Schlussfolgerung, dass den Damen anscheinend größere Felder deutlich lieber sind, deshalb also kaum vermeiden. Die Kluft zwischen den ersten acht und den zweiten neun der Größenrangliste ist allerdings der größte Bruch. Denn bei den Marathons mit weniger als tausend Läufern sinkt der Mittelwert - trotz der schon erwähnten deutlich höheren Schwankungsbreite - nicht mehr weiter ab, sondern bleibt weitgehend konstant.

Dort wo in die Marathonveranstaltungen der zweiten Reihe ein Halbmarathon integriert ist, zeigt dieser beim Frauenanteil dagegen meist leicht überdurchschnittliche Werte. Auch das ist kein Widerspruch sondern bestätigt sogar eher die These, dass Läuferinnen die größeren "Events" bevorzugen.

Schließlich gehören diese Rennen zu den teilnehmerstärksten Halbmarathons des Landes. Im ersten Dutzend der größten Läufe über diese Distanz befinden sich mit dem Berliner Halbmarathon in Frühjahr - mit über zwanzigtausend Startern die absolute Nummer eins - und dem Stuttgarter Lauf auf Rang vier gerade einmal zwei, die keinem Marathon angeschlossen sind.

Die ersten drei - neben Berlin noch Köln mit etwas über zehntausend Läufern und Mainz mit beinahe siebentausend Startern - können dabei sogar deutlich über dreißig Prozent Frauenquote bieten. Den mit Abstand höchsten Wert liefert dabei die Domstadt, denn dort ist auf der Halbdistanz bereits mehr als ein Drittel des Feldes weiblich. Mit 35,2 Prozent errechnet sich der Anteil der 3529 Damen, die in der Metropole am Rhein über einundzwanzig Kilometer das Ziel erreichen.

Während hierzulande Marathons von solchen Verhältnissen nur träumen können, sind sie international gar nicht so selten. Beim Lauf in London fällt es zum Beispiel noch um einige Hunderstel besser aus als beim Kölner Halben. In New York liegt man noch einen weiteren Prozentpunkt höher. Und Chicago - zwischen den beiden auf Rang zwei der Größenrangliste - kann gar mit mehr als dreiundvierzig Prozent Frauenanteil glänzen.

Sowohl im "Big Apple" wie auch in der "Windy City" kommen dabei mit fast siebzehntausend und deutlich über fünfzehntausend kaum weniger Frauen ins Ziel, als es in ganz Deutschland zusammen sind. Auf etwa zwanzigtausend addieren sich nämlich die Zahlen aller Rennen hierzulande.

Für amerikanische Läufe sind solche Quoten völlig normal. Auch beim Klassiker in Boston kommen mehr als zehntausend Läuferinnen an. Und obwohl Washington, Los Angeles und Honolulu jeweils zwölf- bis dreizehntausend Teilnehmer weniger als Berlin zählen, sind dort in absoluten Zahlen mehr Damen als in der deutschen Hauptstadt dabei.

Alle anderen großen Veranstaltungen auf dem mit Abstand größten Marathon-Markt - rund eine halbe Million Zieleinläufe gibt es unter dem Sternebanner und von den zwei Dutzend Rennen mit fünfstelligen Teilnehmerzahlen befinden sich alleine acht in den USA - haben ebenfalls einen Frauenanteil von über vierzig Prozent. New York stellt trotz der aus hiesiger Sicht hohen Quote eigentlich den Ausreißer nach unten dar, was vermutlich auf das mit rund zur Hälfte aus dem Ausland stammende Starterfeld zurück zu führen ist.

Denn nirgendwo sonst sind die Verhältnisse ähnlich ausgeglichen wie in Nordamerika. Auf den britischen Inseln hat man noch die besten Werte. Aber mit ungefähr dreißig Prozent liegen diese bereits deutlich niedriger. Zusammen mit den skandinavischen finden sich die deutschen Veranstaltungen, die es unter die größten Marathons schaffen, im Mittelfeld.

Weiter südlich am Mittelmeer kommt man dagegen selbst bei ein wenig stärker von Lauftouristen geprägten Rennen wie Rom, Florenz, Barcelona, Madrid oder Athen nicht im Entferntesten in die Nähe von zwanzig Prozent. Und auch in Japan, wo mit zweihunderttausend inzwischen fast doppelt so viele Marathonis registriert werden wie hierzulande, bewegt man sich - abgesehen vom innerhalb weniger Jahre in die Riege der Megarennen aufgestiegenen Tokio Marathon - meist im Bereich von etwa fünfzehn Prozent.

So gesehen könnten sich die deutschen Veranstaltungen zwar durchaus auch zurück lehnen und den in den letzten Jahren sehr wohl leicht gewachsenen Frauenanteil schon als Erfolg werten. Doch gerade angesichts der seit längerem rückläufigen Teilnehmerzahlen zeigt der Blick über den Großen Teich eben, wo die vermutlich größten Potenziale liegen, um endlich eine Trendwende zu erreichen.

Kurzfristig ist das natürlich nicht zu erreichen. Und die Veranstalter alleine haben auch nicht die Möglichkeit eine Änderung in diesem Bereich zu erzwingen. Aber Marathon laufen ist eben dennoch keineswegs nur etwas für Männer. Wenn Frauen die ihnen doch angeblich nicht zu vermittelnde Abseitsregel in den Griff bekommen haben, warum sollte ihnen das nicht auch mit zweiundvierzig Kilometern gelingen.

Zusammengetragen und vorgestellt von Ralf Klink
Grafik und Foto © Constanze Wagner
Die deutsche Marathonszene wird seit 2006 im LaufReport analysiert.
Siehe Inhaltsverzeichnis der Rubrik Unterhaltung im LaufReport HIER
Aktuelles im LaufReport HIER

© copyright
Die Verwertung von Texten und Fotos, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung auch in elektronischer Form, ist ohne Zustimmung der LaufReport.de Redaktion (Adresse im IMPRESSUM) unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt.