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21.2.10 - 30. Maratón Popular de ValenciaÖfter etwas Neues beim Traditionsmarathon |
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von Ralf Klink
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Über die Frage, ab wann ein Marathon denn „alt“ bzw. „älter“ oder eine „Traditionsveranstaltung“ ist, kann man sicher ziemlich diskutieren. Über jeden Zweifel erhaben ist sicher Boston, wo nun schon seit weit über hundert Jahren jährlich gelaufen wird. Und auch das slowakische Košice und das amerikanische Yonkers sind mit über achtzig Austragungen inzwischen schon in einem Alter, in dem die Gründungsmitglieder langsam rar werden.
Die sind beim ältesten noch bestehenden deutschen Lauf dagegen durchaus noch denkbar. Seit 1963 wird in Essen zuerst am und nun um den Baldeneysee gelaufen. Fünf Jahre jünger ist der Schwarzwald-Marathon von Bräunlingen als Nummer zwei der nationalen Altersrangliste. Ansonsten kann in Deutschland nur noch der vogtländische Göltzschtallauf auf eine Geschichte bis in die späten Sechzigerjahre zurück blicken.
Immerhin schon im vierten Lebensjahrzehnt sind dann aber der Hornisgrinde-Marathon in Bühlertal, der Bodensee-Marathon in Kressbronn, der Bienwald-Marathon in Kandel, der Königsforst-Marathon in Bergisch Gladbach, die Läufe von Husum oder Monschau. Auch wenn die Liste absolut keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, fällt dennoch auf, dass es sich dabei eigentlich ausschließlich um Landschaftsläufe handelt.
Die Eroberung der Innenstädte durch die Marathons begann nämlich hierzulande erst vor einem guten Vierteljahrhundert. Und so fanden dann auch die beiden einzigen Großstadtläufe, die – abgesehen von Essen, der aber eben auch weiterhin definitiv nicht in die Kategorie „Citymarathon“ fällt – bereits mehr als dreißig Jahre auf dem Buckel haben, nämlich Berlin und Leipzig, anfangs auch weit abseits des Zentrums im Grünen statt.
Da war man in anderen europäischen Metropolen doch ein wenig schneller. Denn in der Periode des ersten großen Aufschwungs im Marathongeschäft entstanden Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger unter anderem in Paris, Stockholm, Dublin und London echte Stadtläufe. Als Katalysator dafür diente sicher auch der große Erfolg des Marathons von New York, der wenige Jahre zuvor von einem Rundkurs im Central Park auf eine Punkt-zu-Punkt-Strecke durch die Stadtteile gewechselt war.
Das Rennen im „Big Apple“ deswegen allerdings als uneingeschränkte „Mutter aller Marathons“ zu sehen, zeugt eher von einer gewissen Unkenntnis. Schließlich feierte man auch in New York – selbst unter Mitzählung der Läufe im Central Park – gerade erst das vierzigste Jubiläum. Und einmal ganz abgesehen von der noch immer fast dreimal so langen Tradition in Boston gibt es alleine in den USA beinahe zwei Dutzend ältere Rennen. Man müsste ja wirklich nur ein paar Kilometer weiter gehen, um eine deutlich längere Geschichte zu finden. Denn Yonkers ist die direkte Nachbarstadt der Millionenmetropole.
Auch in Spanien entstanden zu jener Zeit gleich mehrere noch heute existierende neue Marathonläufe in den großen Städten. Doch sind diese Veranstaltungen – und da unterscheidet sich die iberische Szene deutlich von der hiesigen – eben auch schon diejenigen im Land mit der am weitesten zurück reichenden Geschichte. Denn eine Lauftradition abseits der großen Städte gibt es im Südwesten Europas eigentlich keine. Fast könnte man glauben, die damals neuen Marathons hätten sich bei ihrer Gründung schön brav an die Größenordnung der Städte gehalten.
Denn nacheinander betraten zwischen 1978 und 1985 die Läufe von Madrid, Barcelona, Valencia und Sevilla die internationale Bühne. Und genau in dieser Reihenfolge tauchen diese Namen auch in der Liste der bevölkerungsstärksten spanischen Gemeinden auf.
Ja sogar, was die Teilnehmerzahlen angeht, bricht man nicht aus der Hackordnung aus. Auch da liegen Madrid und Barcelona klar vorne. Bei achttausend Läufern sind die beiden Metropolen inzwischen angekommen. Dahinter folgen Valencia und Sevilla recht dicht beieinander, aber mit klarem Abstand zu den zwei Großen im Bereich von rund dreitausend Startern.
Nur das angesichts von nicht einmal zweihunderdtausend Einwohnern eigentlich nur mittelgroße baskische San Sebastian bringt das ganze System dann doch etwas durcheinander. Denn dort begann man nicht nur im gleichen Jahr wie Madrid mit der Veranstaltung. Man stößt mit deutlich über zweitausend Läufern auch auf Platz fünf der größten spanischen Marathons vor.
Und vier dieser Handvoll sind jetzt eben schon jenseits der Dreißig, der fünfte – nämlich Sevilla – ist nicht mehr allzu weit von dieser Marke entfernt. Als bislang Letzter in den Club der Veranstaltungen mit einer drei am Anfang der Austragungsnummer ist im Jahr 2010 nun auch der „Maratón Popular de Valencia“ vorgestoßen.
Selbst wenn man es ohne große Spanisch-Kenntnisse im ersten Moment vielleicht denken könnte, hat das natürlich nichts – auch schwere Missverständnisse entstehen ja meist durch simple Fehlinterpretationen – mit der „Popularität“ des Rennens zu tun. Vielmehr muss man die Bezeichnung einfach als „Volksmarathon“ ins Deutsche übersetzen.
Von einer reinen Breitensportveranstaltung kann angesichts von Siegerzeiten, die in der Regel stets zwischen 2:10 und 2:20 lagen, dabei allerdings kaum die Rede sein. Nur bei den ersten drei Läufen war man ein bisschen langsamer. Doch auch diese gingen am Ende noch ziemlich klar unter 2:30 weg.
Verglichen mit der langen Historie der Stadt selbst ist der Marathon aber nun wirklich ein Jungspund. Denn bereits seit über zweitausend Jahren gibt es ziemlich genau in der Mitte der iberischen Ostküste das inzwischen über achthunderttausend Einwohner zählende Valencia. Bis zur römischen Gründung von „Valentia“ im Jahr 137 vor der Zeitwende lässt sich die Geschichte der Siedlung zurück verfolgen. Architektonische Überbleibsel aus der Antike gibt es im Stadtbild allerdings nur noch wenige.
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Die ersten Meter werden auf der Albereda històrica absolviert | Albereda nova nennen die Valencianos den anschließenden, mit modernen Hochhäusern bebauten Straßenteil |
Ohnehin wird man, auch was das touristische Interesse betrifft, von den beiden großen spanischen Metropolen klar in den Schatten gestellt. Und einige andere Städte insbesondere in Andalusien – nicht nur Sevilla sondern zum Beispiel auch Cordoba oder Granada – stehen unter den Kulturreisenden ebenfalls noch deutlich höher im Kurs. Dabei könnte man sich als Besucher in Valencia zumindest ein paar Tage lang recht gut beschäftigen, ohne auch nur einen einzigen Programmpunkt wiederholen zu müssen.
Doch nur ganz langsam kann sich die Stadt einen Ruf als Reiseziel aufbauen. So ist dann auch der Jubiläumsmarathon genau wie seine Vorgänger eine hauptsächlich spanische Angelegenheit. Während beim zuletzt in der Regel vierzehn Tage später ausgerichteten Marathon von Barcelona vierstellige Zahlen von wintermüden Nord- und Mitteleuropäern die Frühjahrssaison einläuten, bleiben dreihundert Kilometer südlich die Einheimischen doch eher unter sich.
Allerdings ist die Chance, dass man bereits Mitte Februar bei angenehmen Laufbedingungen unterwegs sein kann, in Valencia wirklich nicht schlecht. Denn selbst in den Wintermonaten kommen die Temperaturen stets auf zweistellige Durchschnittswerte. Und Frost, dem man in den höher gelegenen Städten des spanischen Binnenlandes zu dieser Jahreszeit durchaus ab und zu begegnen kann, ist direkt an der Mittelmeerküste fast schon ein spektakuläres Naturereignis.
Am Tag vor dem Marathon 2010 steht das Quecksilber jedenfalls deutlich näher an der Marke von zwanzig Grad als am Zehnerstrich. Und nur wenige Schönwetterwolken lassen sich am Himmel blicken. Angesichts solcher Witterungsbedingungen ist es dann auch kein Wunder, dass die Olympischen Winterspiele in Vancouver deutlich weniger Beachtung finden als im Norden und der Mitte des europäischen Kontinents.
Doch sind die spanischen Athleten von den vorderen Rängen auch recht weit entfernt. Die bei uns in diesen zwei Wochen allgegenwärtigen und gerade angesichts des Leibesumfangs der Debattierenden manchmal eigentlich nur peinlichen Diskussionen, wo „wir Olympiasieger geworden sind, wir Gold gewonnen, wir eine Medaille geholt haben“, bekommt man schon aus diesem Grund nicht zu hören.
Dass im Falle eines Misserfolgs der einheimischen Sportler, dann allerdings meist nicht mehr „wir“ sondern nur „die versagt haben“, ist noch viel peinlicher. Der Medaillenspiegel, in den man auch, aber nicht nur hierzulande meist viel zu viel „nationale Größe“ hinein interpretiert, ist schon mangels eigener Einträge in Spanien jedenfalls völlig uninteressant.
Abgesehen vom nach Querelen mit dem deutschen Verband in Richtung Iberien abgewanderten Allgäuer Johann Mühlegg, dessen überlegene Siege von Salt Lake City ihm später aufgrund von positiven Dopingproben wieder aberkannt wurden, erklang die textlose spanische Hymne „Marcha Real“ bei Winterspielen bisher erst ein einziges Mal. Als nämlich 1972 in Sapporo überraschend Francisco Fernández Ochoa im Slalom siegte. Zwanzig Jahre später gewann seine Schwester Blanca in Albertville mit Bronze in der gleichen Disziplin die andere Medaille für das Land.
So muss man sich andererseits wundern, dass zumindest Teledeporte, der Sportkanal des spanischen Fernsehens, immer wieder einmal in den Westen von Kanada schaltet. Manchmal sogar zu Wettbewerben, in denen gar keine Iberer antreten. Dennoch ist die „Copa del Rey“, der spanische Basketballpokal an diesem Wochenende natürlich viel interessanter. Bis ins Halbfinale stößt dabei das Team aus Valencia vor.
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Das nach der Königin benannte Opernhaus erinnert an ein UFO | Auch das Museu de les Ciencies Príncipe Felipe ist ziemlich futuristisch |
Doch dann unterliegt es doch den Basketballern des eigentlich hauptsächlich als Fußballclub bekannten FC Barcelona. Aus dieser Sportart kennt man auch die Finalgegner der – je nachdem ob man Katalanisch oder Spanisch bevorzugt – „Blaugranas“ oder „Azulgranas“ nämlich die “Blancos” von Real Madrid. Und wieder einmal sind damit die beiden großen Metropolen des Landes an der Spitze unter sich. Die übliche Rangordnung wird also auch hier gewahrt.
Zwar ist das Datum für eine Laufveranstaltung im Februar aufgrund der voraussichtlichen Wetterbedingungen sicher gut gewählt. Doch ist gerade in dieser Zeit die Konkurrenz in Spanien eben auch besonders hoch. Denn nicht nur in Barcelona sondern genauso in Sevilla wird im Normalfall gerade einmal im Wochenabstand zum Marathon von Valencia gestartet. Immerhin sind die wenigen größeren Veranstaltungen des Landes noch so clever, einer direkten Terminkollision aus dem Weg zu gehen.
Erstmals seit fünf Jahren sind bei der dreißigsten Austragung dann in Valencia auch wieder deutlich über dreitausend Teilnehmer dabei. Ein Jubiläum zieht anscheinend überall auf der Welt ein wenig stärker, zumal es natürlich meist auch von Seiten der Veranstalter hervorgehoben und besonders beworben wird. Im Ziel werden sie schließlich für die Ergebnisliste den neuen Rekord von 3107 Namen notieren können.
Über den Preis wird das Werben um die Läufer dagegen nicht unbedingt geregelt. Denn da geben sich die großen spanischen Marathons nicht wirklich viel, da bewegt man sich fast überall auf ziemlich dem gleichen Niveau. Nur das von der Stadtverwaltung ausgerichtete Rennen in Sevilla fällt in dieser Beziehung deutlich nach unten aus dem Rahmen.
In Valencia ist man bei Voranmeldung bis Ende Dezember jedenfalls mit zweiundvierzig Euro dabei, danach mit fünfzig. Womit die Anmeldung zwar nicht wirklich günstig ist, aber durchaus noch ein klein wenig unterhalb der hierzulande inzwischen üblichen Werten bleibt. Und wer bereits am vom gleichen Veranstalter aber zu einem anderen Termin ausgerichteten Halbmarathon dabei war, darf ohnehin schon für dreißig Euro auch über die doppelte Distanz starten.
Das dafür gebotene Leistungspaket ist allerdings – wie im Süden Europas eigentlich nahezu immer – ebenfalls nicht unbedingt dürftig. Denn neben der Jubiläumsmedaille im Ziel gehört zum Beispiel auch das fast obligatorische und in Valencia von einer großen spanischen Sportartikelfirma beigesteuerte Funktions-T-Shirt dazu. Dessen knalliges Gelb kann man unterwegs auf der Marathonstrecke dann auch des Öfteren zu Gesicht bekommen. Schließlich wird es zusammen mit den Startunterlagen schon freitags und samstags vor dem Rennen verteilt.
Weil die „Dorsales“ nach der darauf ausgedruckten Nummer ausgegeben und im Vorfeld keinerlei Meldebestätigungen verschickt werden, ist es dabei durchaus nicht von Nachteil, wenn man sich als Ausländer im Vorfeld einmal mit den Zahlen im Spanischen beschäftigt hat. Die im internationalen Vergleich eher schwachen Fremdsprachenkenntnisse der Iberer führen schließlich sogar zu einem Fernsehkanal, in dem es um nichts anderes geht, als ihnen die Vokabeln, die Grammatik und vor allem die Aussprache des Englischen näher zu bringen.
Doch selbst, wer seine Zifferfolge in flüssigem Spanisch loswerden kann, kommt nicht um die Vorlage eines Ausweises herum. Das nimmt man ziemlich genau. Unter fremden Namen zu starten, ist nicht drin. Das steht auch ganz genau im an ein Gesetzesblatt erinnernden „Regolamento“, wo „Artículo“ für „Artículo“ geregelt ist, wie der Marathon abzulaufen hat. Fast wirkt es ein wenig abschreckend, aber zumindest in Spanien, Italien und Frankreich ist diese streng formale Aufbereitung der Renn-Informationen allgemein üblich.
Startnummer, T-Shirt sowie den Beutel mit den anderen kleinen Werbegeschenken erhält man ein ganzes Stück nördlich der Innenstadt in einem Hotel. Genauer gesagt im als Sponsor auftretenden „offiziellen Marathonhotel“, das einen seiner Säle für die Startnummernausgabe und die kleine Marathonmesse zur Verfügung stellt. Ein gerade bei mittelgroßen Veranstaltungen nicht nur in Spanien durchaus normales Vorgehen.
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Ciutat de les Arts i de les Ciències |
Unverkennbar ziemlich neueren Datums ist das Gebäude, das sich dank einer in der Nähe haltenden Metrolinie auch ohne längeren Fußmarsch noch halbwegs günstig erreichen lässt. Doch das ganze Viertel inklusive des benachbarten, vom Team des Stararchitekten Norman Forster geplanten Konferenzzentrums „Palacio de Congresos“ hat sich erst in den letzten beiden Jahrzehnten erst auf dem Reißbrett und dann auf der grünen Wiese entwickelt. Und wie in der Nähe stehenden Baukräne zeigen, wächst die Stadt in dieser Ecke noch immer.
Auch der Gutschein für eine Pasta-Party liegt den Startunterlagen bei. Doch findet diese überraschend nur zwischen dreizehn und fünfzehn Uhr statt. Ungewöhnlich ist das zwar auch, weil man das Aufladen der Kohlenhydratspeicher bei anderen Läufen wesentlich später anbietet. Vor allem aber deshalb, weil ausgerechnet in Spanien um diese Uhrzeit ansonsten eigentlich nur wenig gegessen wird, ist man erstaunt. Denn das – zudem noch relativ spät eingenommene – Abendessen ist die eigentliche Hauptmahlzeit im Land.
Das Ganze nennt sich dann auch „Comida de la Pasta“, womit man sich eben eher auf ein Mittagessen bezieht. Doch sowohl dies wie auch die englische Bezeichnung „Pasta Lunch“ – alle Informationen sind zweisprachig abgefasst – treffen nicht ganz zu. Denn auf dem Speiseplan steht außer Nudeln noch etwas, was hierzulande oft als das spanische Nationalgericht an sich gilt. Gemeint ist die Paella.
Die gibt es zwar längst auch anderswo in Spanien. Doch die eigentliche Heimat dieser Reispfanne liegt in Valencia. Und das ist durchaus etwas anderes. Denn nicht allein die Stadt trägt diesen Namen sondern auch die „Comunidad Valenciana“. Und das ist mitnichten – da wären wir wieder bei Missverständnissen – die „Gemeinde“. Die richtige Übersetzung des Wortes lautet nämlich „Gemeinschaft“.
In siebzehn, den deutschen Bundesländern entsprechende sogenannte „Autonome Gemeinschaften“ ist Spanien politisch aufgeteilt. Valencia ist eine von ihnen. In einem rund hundert Kilometer breiten und dreihundert Kilometer langem Streifen erstreckt sich ihr Gebiet an der mittleren spanischen Ostküste. Die ihm den Namen gebende Stadt befindet sich darin dann ziemlich in der Mitte.
Im allgemeinen Gebrauch wird es auch mit dem nicht offiziellen „Valencianisches Land“ – auf Spanisch „País Valenciano“ – bezeichnet. Doch eigentlich gehört man gar nicht zum spanischen Sprachgebiet. Im Norden grenzt Valencia nämlich an Katalonien, mit dem man sich eine gemeinsame Sprache, das Katalanische teilt. So sehen es zumindest die meisten Wissenschaftler.
Doch die Dialekte sind recht unterschiedlich. Und so gibt es durchaus auch Leute, die behaupten beim Valencianischen würde es sich um eine andere Sprache handeln. Allerdings muss man berücksichtigen, dass solche Äußerungen oft durchaus auch einen politischen Hintergrund haben. Denn man möchte eben ungern als Anhängsel von Katalonien verstanden werden und sich vom nördlichen Nachbarn vereinnahmen lassen.
Neben den valencianischen Regionalisten verbreiten in Spanien ausgerechnet die Verfechter einer zentralistischen Politik die Theorie, dass es sich beim Valencianisch um eine echte Sprache und nicht nur um einen Dialekt handelt. Ihnen geht es darum, das Katalanische im Königreich klein zu halten und nicht zu wichtig werden zu lassen. So kommt es gelegentlich zur seltsamen Situation, dass ausgerechnet Leute die Eigenständigkeit einer Sprache propagieren, die von ihr kaum ein Wort verstehen.
Die Argumentation, dass Valencianisch schließlich schon seit dem Mittelalter als Sprache einen eigenen Namen hat, ist jedenfalls ziemlich dürftig. Mit dem gleichen Recht könnte man ja dann schließlich auch deutschen Mundarten wie Bayerisch, Schwäbisch oder Sächsisch eine Eigenständigkeit zugestehen. Schließlich gibt es für die auch eigene Begriffe und auch nicht jeder ist in der Lage sie zu verstehen.
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Die Ágora ist das neueste Gebäude der Ciutat de les Arts i de les Ciències | Im Hafen von Valencia lagen die Yachten, die den America's Cup aussegelten |
In der Stadt Valencia ist das Spanische noch relativ weit verbreitet. Doch auf dem Land ist gerade im nördlichen und östlichen Teil der Region das Valencianische nach der jahrzehntelangen Unterdrückung während des Franco-Regimes wieder deutlich im Kommen. Während hierzulande lokale Besonderheiten insbesondere im sprachlichen Bereich als „provinziell“ gelten, ausgeprägte Dialekte verpönt sind und man sich sogar über sie lustig macht, kann man in Spanien noch immer einen Trend zur Regionalisierung beobachten.
Auch in der Hauptstadt der Autonomen Gemeinschaft sind die Beschriftungen in der Regel deshalb zweisprachig gehalten. Schließlich ist Valencianisch neben dem Spanischen offizielle Amtssprache. So gibt es dann eben auch die "Comunitat Valenciana“, die neben der spanischen „Comunidad“ auf den Schildern an den Behörden auftaucht. Das „País Valencià“ schreibt sich in der einheimischen Form ebenfalls ein wenig anders.
Ja sogar dem Namen der Stadt selbst kann man in zwei unterschiedlichen Varianten begegnen. Man muss allerdings schon ziemlich genau hinsehen, denn einzig ein Akzent stellt die Differenz zwischen dem spanischen – das von den Angehörigen der anderen Sprachgruppen im Land lieber „Castellano“, also „Kastilisch“ genannt wird – „Valencia“ und dem valencianischen „València” her.
Weit im Süden, ganz am anderen Ende dieser Stadt und nicht im Hotel selbst findet mehr als fünf Kilometer entfernt die Nudelparty statt, was natürlich auch etwas mit Sponsoring zu tun hat. Selbst wenn man von der Startnummernausgabe dorthin Pendelbusse anbietet, ist das Ganze dennoch etwas mühselig. Eine Veranstaltung der kurzen Wege ist der Maratón Popular de Valencia nun wirklich nicht unbedingt.
Denn auch Start und Ziel finden sich wieder an einer ganz anderen Stelle. Die allerdings ist dann doch etwas näher am eigentlichen Stadtkern und auch verkehrstechnisch deutlich besser zu erreichen. Nur wenige Schritte entfernt findet sich nämlich eine U-Bahn-Station. Und alle Läufer werden angehalten diese doch bitte auch zu benutzen, um die Verkehrsbelastung zu senken und die Parkplatzsituation zu entspannen.
Eine den Startunterlagen beiliegende am Wettkampftag gültige Fahrkarte für das gesamte Metronetz – auch die Verkehrsbetriebe sind ein Kooperationspartner der Veranstaltung – soll den eher zum Auto hin orientierten Einheimischen den Umstieg erleichtern. Die auswärtigen Lauftouristen, die ohnehin auf die U-Bahn zurück gegriffen hätten, sparen so zumindest etwas Geld. Ja, man bietet sogar Fahrradstellplätze in Zielnähe an.
Ganz egal welches Verkehrsmittel man allerdings wählt, viel Zeit hat man zur morgendlichen Anreise nicht. Denn bereits für 8:30 ist der Start angesetzt. Da ist es in Valencia kaum mehr als eine Stunde hell. Und auch noch recht kühl. Die relativ frühe Uhrzeit ist aber wohl weniger der drohenden Wärme am Mittag als der Verkehrslage geschuldet. Zumal das Wetter sich zum Marathon ohnehin deutlich unfreundlicher zeigt als in den Tagen zuvor.
Denn mit Temperaturen nur knapp über zehn Grad und gelegentlichen Schauern treffen die Bedingungen, die von den Wetterforschern prognostiziert worden waren, auch tatsächlich ein. Für schnelle Zeiten sind solche Verhältnisse zwar gar nicht einmal schlecht, doch der strahlende Frühling legt zum Renntag an der spanischen Ostküste halt doch eine kleine Verschnaufpause ein. In Bezug auf die um diese Jahreszeit üblichen Temperaturen liegt man jedenfalls eher am unteren als am oberen Wert.
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Ciutat de les Arts i de les Ciències |
Valencia dehnt sich zwar längst bis ans Mittelmeer aus. Das eigentliche Zentrum allerdings findet sich einige Kilometer von dessen Ufern entfernt an einer Biegung des Rio Turia, der die Altstadt deshalb an zwei Seiten im Norden und Osten begrenzt. Zumindest war das einmal so. Denn weil der Fluss mit regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen Valencia unter Wasser setzte, leitete man ihn in den Sechzigern weiträumig um die Stadt herum.
Das alte Bett des Turia ist allerdings noch deutlich zu erkennen. Denn nach vielen und langen Diskussionen, bei denen unter anderem auch eine Autobahn mitten durch die Stadt angedacht wurde, konnten sich schließlich doch die Initiativen durchsetzen, die eine Umgestaltung zu einem großen Park forderten. Als der Marathon von Valencia das Licht der Welt erblickte wurde noch fleißig daran gewerkelt. Jedenfalls erstreckt sich nun ein rund acht Kilometer langer Grüngürtel quer durch Valencia. Auch mehrere neue Sportanlagen wurden darin errichtet.
Das alles befindet sich einige Meter unter dem sonstigen Straßenniveau. Wie zu den Zeiten, als an dieser Stelle noch Wasser in Richtung Meer floss, stellen Brücken für den Autoverkehr die Verbindung auf die andere Seite her. Deshalb ergibt sich eine völlig kreuzungsfreie Spazier-, Lauf- und Radelstrecke, auf der dann auch zu eigentlich fast jeder Tageszeit Betrieb herrscht.
Am ehemaligen östlichen Ufer des Flusses, gegenüber der Innenstadt sind Start und Ziel des Marathons auf dem Paseo de la Alameda aufgebaut. So heißt er zumindest auf Spanisch, die valencianische Namensvariante lautet dagegen „Passeig de l'Albereda”. Doch eine Promenade, wie die korrekte Übersetzung lauten würde, ist das keineswegs. Längst ist aus dem einstigen Spazierweg am Rio Turia ein breiter Boulevard geworden, der für den Marathon mehr als ausreichend Raum bietet.
Es ist der dritte Startplatz innerhalb der letzten drei Austragungen. Ein Jahr zuvor fand sich beides einige Kilometer östlich in der Nähe des Hafens. Und 2008 begann und beendete man das Rennen am nordwestlichen Ende des Stadtzentrums, also genau in der anderen Richtung. Trotz seines doch nun schon etwas gesetzteren Alters ist der Maratón Popular de Valencia irgendwie noch nicht wirklich zur Ruhe gekommen.
Regelmäßig wird von den Veranstaltern an Konzept und Streckenführung herum gebastelt. Zwar lässt man nicht mehr wie bei der Premiere vor knapp drei Jahrzehnten aus dem Stadtgebiet hinaus laufen und benutzt bei der Streckenplanung auch eigentlich jedes Mal die gleichen Straßenzüge. Allerdings werden diese Versatzstücke eben doch ziemlich oft neu gemischt und verknüpft. Eine echte Traditionsstrecke hat die Traditionsveranstaltung noch nicht gefunden.
So wie die Startstraße, nämlich Alameda, was man ungefähr mit „Pappelallee“ übersetzen könnte und wie viele andere mit der Silbe „Al“ beginnende Bezeichnungen auf der iberischen Halbinsel ursprünglich aus dem Arabischen stammt, hat man auch die Metrostation benannt, aus deren Ausgängen im alten Bett des Turia die Marathonis ins Freie strömen.
Direkt über ihnen überspannt der moderne Puente de la Exposición bzw. Pont de l'Exposició als eine von inzwischen beinahe zwanzig Brücken aus völlig unterschiedlichen Zeitaltern den früheren Fluss. Mit ihrer auffälligen, um einige Grad zur Seite geneigten Bogenkonstruktion zählt die “Ausstellungsbrücke” – deren Bezeichnung vom gleichnamigen, auf einem früheren Ausstellungsgelände entstandenen Stadtviertel herrührt, in das sie hinein führt – zu den markantesten unter diesen Übergängen. Vor zwei Jahren zierte sie sogar das offizielle Marathonplakat, allerdings in stilisierter Form und mit einer Tartanbahn anstelle einer Straße.
Direkt unter ihr, zwischen den U-Bahn-Ausgängen finden die Marathonis die “Guardarropa“. Ein Wort, das in deutschen Ohren ohnehin schon leicht missverständlich ist, durch das im Infomaterial schlecht ins Englische übersetzte „Cloak Room“ aber endgültig zu einer völligen Fehlinterpretation führen kann.
Denn von einem Garderobenraum, gar einer überdachten Umkleidekabine oder ähnlichem ist natürlich nichts zu sehen. Gemeint ist einfach nur eine Taschenaufbewahrung unter freiem Himmel bzw. eben auf der Freifläche unter der Brücke. Um sich seines Trainingsanzuges zu entledigen und sein Lauftrikot über zu werfen, bleiben als Alternative einzig und allein die Parkanlagen nebenan übrig.
Viele Marathonis benutzen dabei auch eine neue Variante zur Befestigung der Startnummer. Denn dieser hat man nicht wie üblich vier Sicherheitsnadeln beigepackt. Stattdessen finden sich an Druckknöpfe erinnernde Clips im Beutel, die man von der Außenseite der Nummer und der Innenseite des Trikots aufeinander stecken soll. Ob damit der Stoff schonender behandelt wird oder das Papier seltener einreißt, sei einmal ganz dahin gestellt. Etliche Skeptiker und Traditionalisten greifen jedenfalls unübersehbar auch weiterhin auf das altbewährte Verfahren – dann eben mit eigenen Nädelchen – zurück.
Oben auf der Straße sind links schon die hohen Gitter zur Absperrung des Zielbereichs aufgebaut. Auch die Versorgungsstände darin sind bereits mit Material bestückt und warten auf die Läufer, die sich in drei oder vier Stunden an ihnen bedienen werden. Zum ebenfalls eingezäunten Start geht es dagegen erst einmal nach rechts.
„Salida“ steht über dem Bogen. Das gleiche Wort hatte allerdings auch kurz zuvor noch zu den Ausgängen der U-Bahn geleitet. Es hat nämlich im Spanischen eine Doppelbedeutung, die in anderen romanischen Sprachen – dort heißt „Start“ nämlich „Partenza“, „Partida“ oder „Départ“, der „Ausgang“ dagegen „Uscita“, „Saída“ und „Sortie“ – so nicht vorhanden ist.
Wenn man sie erst einmal verstanden hat, ist sie allerdings ganz amüsant und angesichts des zwei Meter hohen Pferches zu beiden Seiten des Aufstellungsraumes, der Läufer und Zuschauer voneinander trennt, sogar ein wenig berechtigt. Zumindest das wie überall in Spanien mit „Meta“ überschriebene Ziel kann man dann aber nicht umgekehrt auch noch als „Eingang“ interpretieren.
Die Titelmelodie von Chariots of Fire erklingt aus den Boxen und sorgt für eine ziemliche Gänsehaut. Sie stammt aus einem Film, der zufällig genau im gleichen Jahr wie der Maratón Popular de Valencia entstand, nämlich 1981. Der erzählt zwar eigentlich nicht vom Langstreckenlauf sondern von zwei Sprintern. Doch seine mit einem Oscar ausgezeichnete Musik breitete sich schnell über die gerade im Entstehen begriffene Stadtmarathonszene aus.
Auch anderswo auf der Welt und nicht nur in Valencia begegnet man ihr noch immer ziemlich häufig bei großen Laufveranstaltungen, insbesondere in der Startphase. Weiterhin wird sie – gerade bei Zeitlupenaufnahmen – sehr gerne zum Unterlegen der Fernsehbilder eines Marathons benutzt. Längst hat sie sich verselbständigt. Nur noch wenige erinnern sich an den Film, wenn sie ertönt. Kaum jemand kennt den Namen. Aber mit Laufen bringen sie sogar Nichtläufer in Verbindung.
Selbst wenn diese Klänge als Startbegleitung inzwischen hierzulande oft von wesentlich schnelleren, laut hämmernden Rhythmen – vielleicht aufgrund der doch etwas veränderten Kundschaft, die eher eine große Party erwartet – verdrängt worden ist, etwas ähnlich Emotionales haben die für die musikalische Hintergrunduntermalung Zuständigen auch nach drei Jahrzehnten anscheinend noch nicht gefunden.
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Auf der Plaza del Ayuntamiento finden die Höhepunkte des Fallas-Festes statt |
Nicht ein einziger Schuss schickt das Feld auf die Reise. Punkt halb neun kracht ein richtiges Feuerwerk in den trüben grauen Himmel. Doch mit Böllern und Raketen kennen sich die Valencianos eben auch ziemlich gut aus. Ohnehin gibt es kaum ein Fest in der Stadt, bei dem man darauf verzichtet. Insbesondere die wichtigste Fiesta Valencias hat ziemlich viel mit Feuerwerk und auch Feuer zu tun. Schon ihr Name zeigt das. Sie wird nämlich „Fallas“ – bzw. auf Valencianisch „Falles“ – genannt, was ins Deutsche übersetzt nichts anderes als „Fackeln“ bedeutet.
In den Tagen zwischen dem fünfzehnten und dem neunzehnten März, dem Josefstag spielt sich diese Feier ab. Ihren Ursprung hat sie darin, dass am Namenstag ihres Schutzpatrons irgendwann die Zimmerleute Valencias begannen, ihre nicht mehr verwendbaren Holzreste in Freudenfeuern zu verbrennen. Nach und nach wurden dann auch Strohpuppen oder später irgendwelche von den Handwerkern gebastelten Holzfiguren ein Raub der Flammen.
Spätestens, als man mit Pappmaché einen nahezu idealen Werkstoff zur Gestaltung solcher Skulpturen fand, wurden diese immer phantasievoller und zu regelrechten Kunstwerken. Die einzelnen Viertel der Stadt wetteifern längst jedes Jahr darum, wer die schönste, bunteste und kreativste unter ihnen hat. Mehrere hundert dieser zum Teil haushohen, aus vielen Einzelfiguren zusammengesetzten und fünfstellige Beträge verschlingenden Gebilde kann man während der Festtage in Valencia bewundern.
Und alle werden dann am letzten Festtag einfach angesteckt. Nur eine einzige Figur, die in den Augen der Bevölkerung schönste unter ihnen, wird offiziell „begnadigt“, dadurch vor dem Feuer gerettet und wandert anschließend ins Fallasmuseum. Alle zur Wahl stehenden Ninots – das valencianische Wort für Puppe – kann man schon Wochen vorher bei einer Ausstellung in einem eigens dafür errichteten Festzelt bewundern. Auch am Marathonwochenende ist diese geöffnet.
Viele der Skulpturen haben satirische Züge, karikieren Persönlichkeiten aus Politik, Sport und Medien. Ein wenig erinnern sie schon an jene Wagen, die in den Hochburgen des rheinischen Karnevals am Rosenmontag durch die Straßen rollen. Ohnehin gibt es da durchaus Parallelen. Denn auch die Umzüge der verschiedenen Fallas-Gesellschaften mit ihren bunten Kostümen passen gut ins Bild. Und wohl nicht ganz zufällig ist eine der Partnerstädte von Valencia ausgerechnet die deutsche Fastnachtsmetropole Mainz.
Natürlich brennt man während der Festtage auch ständig Feuerwerke ab. Wobei es dabei zwei ziemlich unterschiedliche Spielarten gibt. Da sind zum einen die bunten abends gezündeten, bei denen Raketen Lichteffekte in den Himmel zaubern. Und dann gibt es noch die sogenannten „Mascletàs“, die man tagsüber abbrennt.
Bei ihnen geht es nicht um Farben sondern eher um Lärm, denn sie bestehen hauptsächlich aus Böllern, Heulern und Krachern. Allerdings wird da nicht planlos herumgeballert wie hierzulande an Silvester. Trotz aller Lautstärke sind diese Feuerwerke regelrecht durchkomponiert, eine Symphonie aus Donnerschlägen und Pfeiftönen. Gute Pyrotechniker können in Valencia fast schon Kultstatus erreichen.
Genau so eine Mascletà schallt den Marathonis hinterher, als sie bald nach dem Start von der „Albereda històrica“ auf die „Albereda nova“ hinüber wechseln. Der offizielle Name der Straße hat sich zwar nicht verändert, doch machen die Valencianos da schon einen kleinen Unterschied. Denn im südlichen Teil präsentiert sich die frühere Uferpromenade ein wenig anders. Während oberhalb eher Bauten aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende das Bild bestimmen, dominieren nun moderne Büro- und Hochhäuser das Bild.
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Bei Kilometer zwölf biegt der Kurs ins Stadtzentrum ab | Der Jugendstilbahnhof heißt Estación del Norte, liegt aber im Süden der Stadt | Ein Triumpfbogen nimmt die Stelle der früheren Porta de la Mar ein |
Nicht nur auf der linken Seite gibt es Bebauung. Ein Gebäude ragt auch rechts in das ehemalige Flussbett hinein. Von der Straße aus gesehen hat der Palau de la Música eine eher unscheinbare Front aus Beton. Die wesentlich reizvolleren Ansichten bietet die in den Hang hinein gebaute Musikhalle vom Turia-Park aus. Nicht nur wegen ihrer gewölbten Glasfront und der Säulenreihe davor. Auch wegen des großen Beckens, hinter dessen immer neuen aus unzähligen Fontänen sprühenden Wasserspielen sie sich erhebt.
Noch spektakulärer sind allerdings dann die weiteren Gebäude, die sich wenig später aus der Parklandschaft erheben. Denn während links noch immer – architektonisch zwar manchmal durchaus reizvolle, aber eben auch in jeder anderen Stadt vorstellbare – Hochhaustürme in den Himmel wachsen, scheint es sich bei dem, was man da auf der anderen Seite zu Gesicht bekommt, eher um die Kulisse zu einem Science-Fiction-Film als um etwas Reales zu handeln. Doch der futuristische Baukomplex der „Ciudad de las Artes y de las Ciencias“ existiert tatsächlich und ist der ganze Stolz des modernen Valencia.
Als erstes können sich die Marathonis in der „Stadt der Künste und Wissenschaften“ den „Palacio de las Artes Reina Sofía“ näher betrachten. Das nach der aktuellen Königin des Landes benannte Opernhaus, erinnert je nach Blickrichtung und Perspektive mal an ein gerade gelandetes UFO, mal an eine sich öffnende Muschel oder auch an ein astronomisches Observatorium.
Fünfundsiebzig Meter misst das erst vor wenigen Jahren eingeweihte Bauwerk in der Höhe. Die beiden Hauptsäle haben jeweils ein Fassungsvermögen von über fünfzehnhundert Menschen. In ganz Europa gibt es jedenfalls weder in der Größe noch in der spektakulären Formgebung etwas Vergleichbares auf diesem Gebiet.
Das dahinter errichtete „Museo de las Ciencias Príncipe Felipe“ oder – um wieder einmal die Zweisprachigkeit der Stadt nicht außer Acht zu lassen – Valencianisch „Museu de les Ciencies Príncipe Felipe“ hat seinen Namen vom Sohn der Königin und aktuellen Kronprinzen. Auch zu diesem interaktiven Technikmuseum gibt es völlig unterschiedliche Beschreibungen. Und sie ändern sich ebenfalls je nachdem, aus welcher Richtung man blickt.
Dinosaurier- oder Walskelett wird da zum Beispiel benutzt. Aus anderen Perspektiven könnte man die Dachstruktur auch für ein Sägeblatt halten. Und selbst der Gedanke an eine überdimensionale Maschine kann – recht passend zum Inhalt des Museums – angesichts der ungewöhnlichen Formen in den Sinn kommen. Doch sind durchaus auch Ähnlichkeiten mit einem gigantischen Ausstellungspavillon oder auch einer Abflughalle eines Flughafens nicht zu verleugnen.
Über die Form des aus dem großen Becken zwischen den beiden nach Personen der Königsfamilie heißenden Gebäuden heraus schauenden Hemisfèric gibt es dagegen weniger Diskussionen. Einfach zu sehr erinnert das als erstes Bauwerk in der „Ciutat de les Arts i de les Ciències“ – um auch einmal den valencianischen Begriff zu benutzten – errichtete Planetarium und 3D-Kino an ein Auge. Und gerade bei Betrachtung dieser regelrecht aus dem hellblauen Wasser wachsenden ovalen Kuppel fühlt man sich fast unweigerlich in ferne Welten aus „Raumschiff Enterprise“ oder „Krieg der Sterne“ versetzt.
Vor und hinter Museum und Planetarium schlagen zwei neue Brücken den Bogen über den früheren Fluss und stellen die Verbindung zwischen den beiden Ufern her. Neben dem Opernhaus überquert die in einer weiten Kurve verlaufende Puente bzw. Pont de Montolivet das alte Turiabett. Auf der anderen Seite ragt noch viel markanter der schräge und 125 Meter hohe Turm der nagelneuen, erst Ende 2008 dem Verkehr übergebenen Pont des l'Assut de l'Or auf.
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Die Plaza de Toros erinnert an antike Vorbilder | Stierkampfarena und Nordbahnhof liegen direkt nebeneinander |
Allerneueste Errungenschaft in der Stadt der Künste und Wissenschaften ist jedoch die Ágora, eine fünftausend bis sechstausend Menschen fassende Halle für Sportveranstaltungen und Popkonzerte. Noch ist die Dachkonstruktion nicht endgültig fertig gestellt, aber in dem mit blauen Mosaikkacheln verzierten „Versammlungsplatz” – was ja die eigentliche Bedeutung des griechischen Begriffs Agora ist – wurde im November 2009 nach einer provisorischen Eröffnung bereits ein ATP-Tennisturnier ausgetragen.
Bis zum letzten und südlichsten Bestandteil des futuristischen Stadtviertels, dem Oceanogràfic kommen die Marathonis nicht. Denn am großen Kreisel bei Pont de l'Assut de l'Or und Ágora drehen sie vom früheren Verlauf des Rio Turia weg und damit der Ciudad de las Artes y de las Ciencias den Rücken zu. Doch von außen ist das Aquarium, das viele unterschiedliche maritime Lebensräume vorstellt und von der Größe her in Europa ebenfalls kaum Konkurrenz zu fürchten hat , trotz einiger interessanter Kuppelbauten auch weniger sehenswert als von innen.
Eher unspektakulär sind die nächsten beiden Kilometer. Doch dann nähert man sich dem Hafen. Nicht dem Containerhafen, der zu den größten des Landes zählt, sondern der kleinen inneren Bucht, die seit 2007 als America‘s Cup Hafen bezeichnet wird. Denn nachdem ein Schweizer Team 2003 vor Neuseeland gesiegt hatte, wurden die Eidgenossen bei der mangels eines eigenen Meeres nötigen Suche nach einem geeigneten Austragungsort für die Titelverteidigung in Valencia fündig.
Die Stadt bemüht sich schließlich seit längerem als Sportmetropole wahrgenommen zu werden. Nicht nur Marathon, Tennisturnier oder America’s Cup sollen dazu beitragen. Man war zum Beispiel im Jahr 1998 auch Ausrichter der Leichtathletik-Hallen-WM. Genau ein Jahrzehnt später traf sich an gleicher Stelle die Elite gar zur Weltmeisterschaft. Ja man denkt sogar ziemlich ernsthaft über eine Olympia-Bewerbung für die Sommerspiele 2020 nach.
Und auch ein Rennen in der Formel Eins findet in Valencia statt. Sogar genau auf jener Hafenstraße, die von den Marathonis gerade unter die Füße genommen wird. Mit diesem Stadtkurs versucht man sich ein wenig an Monaco anzulehnen. Dabei wurde vor gar nicht allzu langer Zeit nur rund zwanzig Kilometer von Valencia entfernt eine komplett neue Rennpiste eingeweit. Die Frage allerdings, was dieses Spektakel überhaupt mit Sport zu tun hat, bleibt unbeantwortet.
Doch kann man sich das gleiche natürlich auch beim America’s Cup fragen, wo in der Zwischenzeit ebenfalls dreistellige Millionenbeträge für die Entwicklung investiert werden. Und längst kämpft man auch nicht nur auf dem Wasser miteinander sondern auch vor ordentlichen Gerichten. Denn nachdem der Alinghi-Crew ihre erste Titelverteidigung gelungen war, ging es für die nächste Runde, die ebenfalls vor Valencia ausgetragen werden sollte, in eine lange Serien von Klagen und Gegenklagen.
Die Teams und ihre Anwälte stritten bezüglich des Regelwerkes und des Rechtes auf Herausforderung, das ein Richter schießlich einem amerikanisches Syndikat – ein Begriff, der tatsächlich offiziell so verwendet wird, aber dennoch einen negativen, angesichts dieser Methoden allerdings gar nicht einmal unpassenden Beigeschmack hat – zusprach. Was nun das alles noch mit Sport zu tun haben soll, kann man sich ernsthaft fragen. Aber nichts ist eben wichtiger als Gewinnen. Das “Wie” ist dagegen meist egal.
Jedenfalls war der dreiunddreißigste America’s Cup der vorerst letzte in valencianischen Gewässern. Nach angesichts des jahrelangen Hickhacks lächerlichen zwei Rennen wurde die Serie wenige Tage vor dem Marathon mit einem Sieg der Amerikaner beendet. Die nächsten Wettfahrten werden dann wohl wieder – selbstverständlich vorbehaltlich irgendwelcher Gerichsturteile – vor der Westküste der Vereinigten Staaten ausgesegelt.
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Ciutat de les Arts i de les Ciències |
Nur einen Kilometer bleibt man im Hafengebiet, aber viel weiter käme man in dieser Richtung. nämlich nach Osten ohnehin nicht. Denn dort würde das offene Meer warten. Wirklich zu Gesicht bekommen es die Läufer nicht, selbst wenn sie eigentlich nur einen weiten Steinwurf von den Wellen des „Mar Mediterráneo” entfernt sind. Der Kurs verläuft zwar parallel zur Küstenlinie, doch biegt er nicht direkt auf die Straße entlang des Levante-Strandes ein.
Dieser trägt einen Begriff im Namen, der in Spanien im Allgemeinen eine etwas andere Bedeutung hat als im Rest von Europa, wo man darunter eigentlich immer die Länder des östlichen Mittelmeeres versteht. Die Iberer meinen mit „Levante” zwar auch so etwas wie das Morgenland, also die Gegend in der die Sonne zuerst aufgeht, allerdings zu allererst einmal ihr eigenes. Fällt also in Spanien dieses Wort, geht es in der Regel um die Ostküste der iberischen Halbinsel. Und nicht nur in Valencia gibt es deshalb auch eine „Playa de Levante”.
Beim letzten Marathonjubiläum fünf Jahre zuvor hatten die Kurssetzer den mehrere Kilometer langen Sandstreifen auch noch im Programm. Doch diesmal orientiert sich die Laufstrecke einen Block davon entfernt an den Gleisen der Metrolinie mit der Nummer vier. Auch als diese in der Nähe der angesichts ihrer Größe kaum zu übersehenden Markierung “6 km” wieder nach Westen abdreht und auf die Stadt zusteuert, folgt die Marathonroute ihrem Verlauf.
Selbst wenn sie als Metro ausgeschildert und als dunkelblauer Strich in deren Netzplan eingezeichnet ist, handelt es sich bei dieser Linie allerdings nicht um eine U-Bahn sondern um eine lupenreine Straßenbahn. Und so müssen dann auch zwei ihrer Züge eine ganze Zeit lang warten, als das noch recht dichte Marathonfeld bald darauf ihre ebenerdigen Schienen quert.
Die Marathonis haben ebenfalls ihre blaue Linie, jedoch eine eher hellblaue. Auch in Valencia ist wie bei vielen internationalen Rennen gerade über diese Distanz der Verlauf der Strecke im Vorfeld auf der Straße markiert worden. Und bei der Stadtbesichtigung am Vortag ist wohl auch so mancher Teilnehmer – wenn auch nur im bildlichen Sinn – schon einmal über sie gestolpert.
Dass dies aber ausgerechnet in dem gerade durchlaufenen Stadtteil passiert sein sollte, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Denn in das eher wenig interessante Wohngebiet dürften sich ohne den Marathon nur wenige Besucher verirren. Die meisten Sehenswürdigkeiten Valencias ballen sich nämlich auf relativ kleinem Raum.
Die mit dem alten Turia-Bett auf zwei und einer Ringstraße auf den beiden anderen Seiten gut abzugrenzende Altstadt misst im Durchmesser keine zwei Kilometer. Nimmt man dazu noch die beiden früheren Flussufer bis zur sich noch einmal ein bis zwei Kilometer weiter nach Süden ausdehnenden Ciutat de les Arts i de les Ciències dazu, hat man schon all das, was in einem klassischen Reiseführer Erwähnung findet, flächenmäßig abgedeckt.
Wie einige andere spanische Städte auch ist Valencia erst relativ spät, dann aber ziemlich schnell aus dem mittelalterlichen Kern heraus gewachsen. Innerhalb der letzten hundert Jahre haben sich die Bevölkerungszahlen vervierfacht. Als Ergebnis erstrecken sich rund um das Zentrum viele ziemlich austauschbare Siedlungen aus mehrstöckigen Wohnhäusern im Stil der Sechziger- und Siebzigerjahre. Den größeren Teil der Strecke wird man sich zwischen ihnen aufhalten.
Sie säumen auch die breite Allee in die man nach einem guten Sechstel der Gesamtdistanz einbiegt. Seit Jahren landet diese Avenida de Vicente Blasco Ibáñez im Streckenplan des Maratón Popular de Valencia, wenn auch jedes Mal in völlig anderen Abschnitten der Distanz. Und beim – wie in den meisten großen Städten des Landes als vollkommen eigenständiges Rennen ausgetragenen – Halbmarathon im November ist sie ebenso meist dabei.
Grund für diese Vorliebe der Kursarchitekten ist sicher auch, dass durch den Grünstreifen in der Mitte dieser Allee Läufer und Autos gut zu trennen sind. Denn keineswegs alle Straßen sind während des Rennens vollständig für den Verkehr gesperrt. Oft ist auch nur eine Spur mit Hütchen für den Marathon abgeteilt. Schließlich ist die Veranstaltung bei weitem nicht groß genug, um dafür die ganze Stadt lahm zu legen. Zumal andererseits das Nahverkehrsnetz dafür einfach nicht gut genug ausgebaut ist.
Wie so oft bei einer Stadtmarathonstrecke ist auch die von Valencia immer ein Kompromiss zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren. Der knapp zweitausend Meter lange Schlenker nach rechts, den man in der Nähe der Zehn-Kilometer-Marke absolviert hat auch ziemlich eindeutig damit zu tun. Denn bei diesem Ausflug lässt sich eben eine in einer Unterführung abgesenkte Hauptverkehrsstraße deutlich leichter passieren.
Da hat sich schon eine größere, fast nur aus Ostafrikaner bestehende Gruppe deutlich abgesetzt. Bereits runde drei Minuten laufen unter anderem die Kenianer Joseph Langat, Ben Kimutai Kimwole, David Njagi und Abraham Potongole sowie die Äthiopier Berhanu Girma, Tesfaye Sandiku und Fekadu Lemma vor dem Rest des Feldes her.
Einzig der Franzose mit dem wenig französischen Namen El Hassane Ben Lkhainouch ist noch dabei. Doch ist der als Hase eingekauft und steigt später aus. Ein längst bekanntes Bild auf den Marathonstrecken in aller Welt. Dass gerade einmal eine Handvoll einheimischer Männer vorbei kommt, bevor mit Gladys Chebet die erste Kenianerin durchgeht, rundet es nur noch ab.
Auch in Spanien, das ja in der Vergangenheit durchaus ziemlich erfolgreiche Athleten hervorgebracht hat, ist die Spitze ziemlich dünn besetzt und im internationalen Vergleich kaum noch konkurrenzfähig. Dabei ist der Leistungsgedanke im Land sogar noch deutlich stärker verbreitet als im Rest von Europa. Dass der Trupp hinter dem Zugläufer für drei Stunden stärker ist als die Vier-Stunden-Gruppe, hat man hierzulande wohl zuletzt vor weit über einem Jahrzehnt erlebt.
Immerhin wird knapp ein Zehntel des Feldes diese Marke knacken. Und nicht einmal achthundert Teilnehmer, also gerade einmal ein Viertel aller Gestarteten, werden noch ins Ziel kommen, nachdem die Uhr auf eine vier als erste Ziffer gesprungen ist. Jenseits der 4:30 wird man sogar keine zweihundert und jenseits der fünf Stunden keine fünfzig Einträge mehr in der Ergebnisliste entdecken.
Nur kurz nachdem der Schlenker mit der Überquerung der Avenida de Vicente Blasco Ibáñez zu Ende gebracht ist, taucht auf der rechten Seite, das riesige Estadio Mestalla vor den Läufern auf. Es handelt sich um die Heimspielstätte des Valencia Club de Fútbol. Einer der traditionsreichsten Fußballvereine des Landes, der mehr als siebzig Spielzeiten in der ersten Liga hinter sich hat und immerhin sechsmal spanischer Meister werden konnte.
Doch wenig verwunderlich sind auch in der Erfolgsrangliste die Vereine aus den beiden großen Metropolen dominierend. Real Madrid vor dem FC Barcelona und Atletico Madrid heißt die Reihenfolge, wenn es um die meisten Titel geht. Auch die Basken aus Bilbao haben noch zwei Ligaerfolge mehr. Aber nimmt man alles zusammen und berücksichtigt auch die internationalen Wettbewerbe ist der FC Valencia wohl die Nummer drei im Land. Die übliche Reihenfolge bleibt also gewahrt. Ähnliches gilt vermutlich für die Größe der Anhängerschaft ebenfalls.
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Zwischen Kilometer zwanzig und sechsundzwanzig wird ein längeres Wendepunktstück absolviert | Die Torres de Serranos sind das zweite erhaltene mittelalterliche Stadttor |
Nicht mehr lange allerdings wird er Club in diesem Stadion antreten. Im Norden der Stadt, in der Nähe des Marathonhotels entsteht mit Nou Mestalla eine noch größere Arena, die nicht nur fünfundsiebzigtausend Menschen Platz bieten soll, sondern – ziemlich ungewöhnlich für neu erbaute Fußballstadien – auch eine Tartanbahn erhält. Vielleicht hat man dabei allerdings schon ein wenig die Olympiabewerbung im Hinterkopf.
Die bisher recht spärlich an der Strecke verteilten Zuschauer werden plötzlich mehr, bilden auf einmal geschlossene Reihen. Und spätestens, wenn man die quer zur aktuellen Laufrichtung auf die Straße gemalte hellblaue Linie entdeckt, versteht man auch wieso. Denn nur wenige hundert Meter von Start und Ziel entfernt wird der Passeig de l'Albereda gekreuzt, um über den Pont d'Aragó das Altstadtufer des Rio Turia anzusteuern.
Die Bezeichnung der Aragonbrücke, die man nicht ganz zufällig von der nach der aragonischen Hauptstadt benannten Plaza de Zaragoza aus angelaufen hat, bezieht sich darauf, dass das Königreich Valencia, an dessen die Ausdehnung sich die Grenzen der Autonomen Region noch immer orientieren, einst zur sogenannten „Krone Aragon“ gehörte. Bevor dieser Staatenbund um die Wende vom fünfzehnten zum sechszehnten Jahrhundert im vereinigten Spanien aufging, gehörten auch Katalonien, die Balearen und eben das namensgebende Aragón als jeweils eigenständige Reiche dazu.
Und wie alle anderen dieser Gebiete führt auch die Comunidad Valenciana jene gelb-roten Streifen, die einst im Wappen der aragonischen Herrscher auftauchte, als Flagge. Als Unterscheidung zu Katalonien, wo man nur die beiden traditionellen Farben verwendet, dient dabei auf der Mastseite ein blauer Streifen mit einem als Krone zu deutenden Ornament.
Auch das Wappen der Stadt Valencia zeigt in einer Raute die charakteristischen vier roten Streifen auf gelben Grund. Über der darauf sitzenden Krone schwebt ein ziemlich ungewöhnliches Wappentier, nämlich eine Fledermaus. Während sie im Rest von Europa in der Heraldik praktisch überhaupt nicht verwendet wird, kann man ihr in Spanien doch gelegentlich begegnen. Auch Palma de Mallorca nutzt zum Beispiel dieses Symbol. Und selbstverständlich ziert das Flattertier auch das Vereinslogo des FC Valencia.
Auf der Brücke steht nicht nur ein relativ dichtes Zuschauerspalier, auch einige Verkleidete mit gefederten Stelzen an den Füßen sorgen durch ihre hopsenden Kunststückchen für Abwechslung bei Läufern und Publikum. Natürlich ist auch das eine Truppe, die im Normalfall bei den Fallas aktiv ist. Wie überhaupt der größte Teil des Unterhaltungsprogramms an der Strecke von Gruppen übernommen wird, die sonst hauptsächlich bei der großen Fiesta im März aktiv sind.
„Falla“ heißen auch diese Vereine, von denen einige in Verkleidung andere als kleine Kapellen mit den typischen Trommeln und Pfeifen, die Läufer vom Straßenrand aus anfeuern. Und wie beim eigentlichen Höhepunkt in ihren Kalender, eben den Fallas, werden beim Marathon die besten hinterher prämiert werden.
Doch wer angesichts dieser Beschreibung nun eine Stimmung wie in den Karnevalshochburgen Mainz und Köln oder gar eine zweiundvierzig Kilometer lange Party wie in Berlin und Hamburg erwartet, wäre sicher enttäuscht. Denn es sind eben nur ganz wenige Punkte, an denen wirklich etwas los ist. Der größte Teil des Marathons findet in Valencia mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Für ein kurzes Stück schwenkt der Kurs auf der anderen Seite auf die „Uferstraße“ ein und passiert dabei den Treppenaufgang zum Pont de la Mar. Schon alleine dadurch ist diese vierhundert Jahre alte Brücke, die natürlich so heißt, weil man über sie einst den kürzesten Weg aus der Stadt zum Meer und zum Hafen darstellte, nur Fußgängern offen.
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Im Palau del Temple sitzt die Regionalregierung... | ... im früheren Convent de Sant Doménec dagegen das Militär | Hinter dem ehemaligen Dominikanerkloster liegt Kilometer 30 |
Neben den ohnehin schon recht markanten Portalen zeichnet sich dieser vielleicht sogar schönste Turia-Übergang vor allen Dingen durch die beiden Türmchen mit den Skulpturen der Jungfrau Maria und des – in der Nähe von Valencia wirkenden – Heiligen Pascual Bailón aus. Zudem ist die „Meeresbrücke“ auch mehr oder weniger die einzige über das alte Flussbett unter der sich noch immer größtenteils Wasser befindet. Ein großer Teich, den die Gartenarchitekten direkt um ihre Pfeiler und Bögen herum platziert haben, ist dafür verantwortlich.
Nur ein paar Schritte weiter verlässt die Marathonstrecke fürs Erste den Grüngürtel und verschwindet für die nächsten drei Kilometer in den Häuserschluchten der Innenstadt. Am Ende der schnurgeraden Straße wird die Porta de la Mar sichtbar. Das ist jedoch nicht mehr das mittelalterliche Stadttor gleichen Namens. Eine Art Triumpfbogen aus dem neunzehnten Jahrhundert nimmt die Mitte eines großen Platzes ein.
Nach einer Drittelrunde um den Kreisel biegt man noch vor dem Palau de Justícia de València nach links. Eigentlich diente der neoklassizistische Palast als Zollgebäude. Danach beherbergte er in seiner wechselvollen Geschichte fast einhundert Jahre lang und aus heutiger Sicht nur noch schwer vorstellbar eine Tabakfabrik. Inzwischen ist allerdings das oberste Gericht der Comunidad Valenciana eingezogen.
Bis zum kleinen Park hinter dem Justizpalast kommen die Marathonis nicht. Dort steht das Denkmal für jenen aragonischen König Jaume I., der die mehr als fünf Jahrhunderte von den Mauren beherrschte Stadt im Jahr 1238 einnehmen konnte und anschließend das von ihm in Personalunion regierte christliche Königreich Valencia gründete.
Doch schon zuvor war das 714 an die Araber gefallene Valencia die Hauptstadt eines jener „Taifas“ genannten muslimischen Fürstentümer auf der iberischen Halbinsel. Ja, eigentlich begann der Aufschwung der bis dahin eher unbedeutenden Stadt sogar erst mit der Kapitulation vor den Eroberern aus dem Süden. Im Gegensatz zu Andalusien, wo sich die „Musulmánes” noch mehr als zwei Jahrhunderte länger halten konnten, sind die maurischen Spuren in Valencia allerdings kaum noch zu sehen.
Zwar läuft man auf der Calle de Cristóbal Colón – eine nach dem in spanischen Diensten segelnden Genueser benannte Straße gibt es in nahezu jeder Stadt des Landes – nun mehr oder weniger direkt entlang der alten Stadtmauer, doch die Umgebung ist ziemlich modern. In der „Kolumbusstraße“ und den angrenzenden Fußgängerzonen findet man das Geschäftszentrum Valencias mit Shopping-Centern und Kaufhäusern. Wobei es sich bei Kaufhäusern eigentlich in Spanien ja immer nur um ein einziges handelt. Denn außer dem allgegenwärtigen „El Corte Inglés“ hat sich bisher weder nationale noch internationale Konkurrenz etablieren können.
Der Carrer de Cristòfor Colom – nicht nur die Straßen sind zweisprachig benannt, auch der Entdecker hat auf Valencianisch einen anderen Namen – endet an der Stierkampfarena der Stadt. Selbst wenn man in der Autonomen Gemeinschaft Valencia ansonsten oft großen Wert auf seine Eigenständigkeit legt, die eigenen Traditionen und die eigene Sprache betont, wenn es um eine „Corrida de toros” geht, ist man ziemlich spanisch. Die weit über zehntausend Plätze des mit seinen Bogengängen an antike Vorbilder wie das Kolosseum oder die Arena von Verona erinnernden Amphitheaters lassen sind jedenfalls meist recht gut gefüllt.
Direkt daneben findet sich der wichtigste Bahnhof der Stadt, der – obwohl genau südlich vom Zentrum gelegen – paradoxerweise „Estación del Norte” also Nordbahnhof heißt. Er ist zwar bei weitem nicht das einzige aber eines der herausragendsten Bauwerke, das in Valencia in der oft noch verspielteren iberischen Variante des ohnehin schon verschnörkelten Jugendstils, dem „Modernisme“ errichtet wurde. Gerade im Osten des Landes und insbesondere in Katalonien hatte er seine Hochburgen. Zwei weitere typische Beispiele für seine Anwendung in Valencia sind die beiden großen Markthallen Mercat Central und Mercat de Colom.
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Palau de la Musica | Palacio de Congresos, dahinter das Marathon Hotel | Die Kathedrale |
Auch wenn die Front nicht unbedingt kurz ist, fallen die Ausmaße des Bahnhofs für eine Stadt von der Größe Valencias doch eher gering aus. Gerade einmal elf Gleise stehen – zum Teil auch noch weit außerhalb der eigentlichen Halle – zur Verfügung. Doch hat der Schienenverkehr in Spanien ohnehin eine recht mäßige Bedeutung. Im Nahverkehr dominiert jedenfalls noch stärker als in Mitteleuropa das Auto.
Und auf längeren Distanzen greift man zwischen den weit auseinanderliegenden Metropolen des im Vergleich zu Deutschland noch einmal um ein Drittel größeren Spanien auch gerne einmal zum Flugzeug. Insbesondere im Falle von Valencia mit seinem nur wenige Kilometer von der Innenstadt entfernten und mit der U-Bahn in einer Viertelstunde zu erreichenden Flughafen ist das durchaus eine Alternative. Aus Deutschland wird dieser allerdings nicht allzu häufig direkt angeflogen, so dass man in der Regel auf Umsteigeverbindungen angewiesen ist.
Zur Zeit ist man – wie Schilder an der Estación verkünden – jedoch dabei, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Madrid fertig zu stellen, auf der sich die zur Zeit noch fast vierstündige Reisezeit in die gut dreihundert Kilometer entfernte Hauptstadt deutlich verkürzen soll. Schon zum einunddreißigsten Marathon in Valencia könnten die Teilnehmer dann auch die iberische Variante des ICE namens AVE zur Anfahrt nutzen.
Würden die Läufer nun nach rechts abbiegen, wären sie innerhalb weniger Schritte auf dem vielleicht wichtigsten Platz der Stadt gelandet, die Plaza del Ayuntamiento bzw. – in der Valencianischen Variante – die Plaça de l'Ajuntament. Wer gegenüber des Bahnhofs einen Blick die Straße hinunter wirft, kann sogar ohne Problem die Türme des namensgebenden Rathauses erkennen. Doch zuletzt durften sie beim fünfundzwanzigsten Jubiläum durch die gute Stube der Stadt rennen.
Zwischen dem ursprünglich zwar schon im achtzehnten Jahrhundert errichteten, später aber mehrfach umgebauten und dabei auch mit Modernisme-Elementen versehenen Verwaltungssitz, dem gegenüberliegenden Post- und Telegrafenamt – ebenfalls ein Jugendstilbau – und dem großen Springbrunnen wird während der Fallas jeden Tag die größte und lauteste Mascletà vor Tausenden von Schaulustigen zelebriert. Und in der Regel brennt in der Abschlussnacht dann dort auch die gigantischste aller Fackelskulpturen.
Doch weiterhin verläuft die Marathonstrecke entlang der einstigen Stadtmauer und schlägt dabei einen Halbkreis um das Centro Historico, ohne wirklich in die engen Gassen der Altstadt hinein zu kommen. Immerhin kommt man an den zwei massigen Türmen der Porta de Quart vorbei. Allerdings ist das eigentlich auch kein Wunder, gehören sie doch zu einem der beiden verbliebenen spätmittelalterlichen Stadttore.
Dass sie schon weit mehr als fünf Jahrhunderte auf dem Buckel haben, lässt sich nicht verheimlichen. An manchen Stellen sieht ihre Fassade sogar fast aus wie ein Schweizer Käse. Mit Baufälligkeit hat das jedoch weniger zu tun. Und trotz der aufgrund des um die alte Pforte rollenden Straßenverkehrs dringend notwendigen Restauration vor einigen Jahren hat man die Löcher nicht entfernt. Sie erinnern nämlich an die mehrmaligen Beschießungen der Stadt während verschiedener Kriege. Es sind nichts anderes als die Einschläge von Kanonenkugeln.
Etwa genauso alt wie die Torres de Quart ist die spätgotische Lonja de la Seda, zu der es von dieser Stelle nur ein Katzensprung wäre. Der Seidenhandel, denn bei dem angesprochenen Gebäude handelt es sich um die frühere Seidenbörse, hatte die Stadt im späten Mittelalter wohlhabend und bedeutend gemacht. Während dieses „Goldenen Zeitalters” war Valencia wichtigste Stadt im Staatenbund der aragonischen Könige.
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Pont de les Flors - Blumenbrücke heißt dieser Übergang ziemlich passend | Von der Straßenseite ist der Palau de la Música eher unscheinbar |
Entsprechend prunkvoll sind dann auch die Räumlichkeiten ausgefallen, in die man ohne Eintritt zu bezahlen einfach so hinein spazieren kann. Der hohe Börsensaal mit seinen kunstvoll verdrehten Säulen und seiner an einen Palmenwald erinnernden Decke sowie mehrere kaum weniger beeindruckende Nebenräume haben sie sogar auf der Weltkulturerbe-Liste landen lassen.
Dass genau zu jener Zeit zwei Mitglieder der aus Valencia stammenden Familie Borja auf den Papstthron gewählt wurden, ist angesichts des Reichtums der Stadt dann auch nicht ganz zufällig. Wirklich stolz ist man auf die beiden allerdings weniger. Denn der Ruf des in italisierter Form Borgia heißenden Clans ist nun wahrlich nicht der beste. Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft, Korruption und Verschwendung sind sogar noch harmlose Begriffe über das Gebahren der nun wahrlich nicht unbedingt Heiligen Väter.
Die halbe Runde um die Ciudad Vieja – dass bei der valencianisch-katalanischen Ciutat Vella „t” anstatt des spanischen „d” verwendet wird, ist eine auch bei anderen Worten durchaus öfter zu machende Beobachtung – endet wenig später mit Kilometer fünfzehn beim Institut Valencià d'Art Modern, dem wichtigsten Museum für moderne Kunst in Valencia.
Das, vielleicht um Debatten wegen der Schreibweise aus dem Weg zu gehen – man könnte ja genauso gut Instituto Valenciano de Arte Moderno benutzen –, meist mit IVAM abgekürzte Museum ist natürlich für den Namen der Brücke verantwortlich, die den Marathonis auf die andere Seite des Turia hilft. Und hinter dem Pont de les Arts wird der Kurs dann auch wieder wesentlich unspektakulärer als auf dem letzten Abschnitt.
Es sind typische Vorstädte aus mehrstöckigen Wohnblöcken, durch die man erst nordwärts, dann westwärts und schließlich wieder nordwärts auf immer breiter werdenden Straßen von der Innenstadt weg läuft. Auch die Art der Bebauung ändert sich zunehmend, wird moderner. Man ist ja inzwischen auch nicht mehr allzu weit vom neu erbauten Viertel um das Marathonhotel entfernt.
Und auf einmal ist auf der linken Seite dann gar keine Bebauung mehr. Wie mit der Schere geschnitten endet die Stadt am freien Feld. Viel besser könnte man gar nicht verdeutlichen, dass diese Hochhaussiedlung nicht gewachsen, sondern in kürzester Zeit auf dem Reißbrett entstanden ist. Dafür herrscht auf der anderen Seite des Grünstreifens, der die Straße teilt, dann aber läuferischer Gegenverkehr. Ein guter Streckenkilometer mit einem Wendepunkt geschunden.
Doch selbst nachdem sich die Hin- und Herwege der Marathonis wieder geteilt haben, bleibt man immer weiter am absoluten Stadtrand. Ungefähr dort, wo mit Kilometer zwanzig die erste Hälfte des Marathons fast schon abgeschlossen ist, wurde zwei Jahre zuvor noch gestartet. Vielleicht ist das Traditionelle beim Traditionsmarathon von Valencia, dass es immer wieder einmal etwas Neues gibt.
Da war der Bioparc, der nun auf der rechten, der Feldseite auftaucht, gerade noch eine Woche von seiner Eröffnung entfernt. Nun feiert er seinen zweiten Geburtstag. Der neue Zoo Valencias ist das Gegenstück zum Oceanogràfic am anderen Ende der Stadt. Ähnlich modern ausgestattet hat man ihn dort erbaut, wo der Rio Turia vor seiner Umleitung das bebaute Gebiet erreichte. Außer den Eingangsgebäuden sieht man allerdings nicht viel, denn erst ein langer Steg über das alte Flussbett bringt die Besucher zu den Gehegen, in denen hauptsächlich afrikanische Tiere in möglichst natürlicher Umgebung gehalten werden.
Doch auch die Marathonis queren bald darauf wieder den tiefergelegten Park. Wie schon der Pont de les Arts besteht auch der Pont del Nou d'Octubre eigentlich aus zwei Brücken, auf denen der Verkehr abhängig von der Fahrtrichtung geleitet wird. Der neunte November ist der offizielle Feiertag der Comunidad Valenciana. Genau an diesem Datum eroberte nämlich Jaume von Aragonien die Stadt von den Mauren.
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Die Seidenbörse Lonja de la Seda ist Weltkulturerbe |
Bemerkenswert übrigens, dass die Valencianer dafür manchmal auch den Begriff „Diada Nacional“ – Nationalfeiertag – verwenden. Eine Bezeichnung, die bei den kastilischen Spaniern und insbesondere den Zentralisten unter ihnen dagegen ziemlich verpönt ist. Das Verständnis von Volk, Nation und Staat im modernen Spanien ist eben durchaus unterschiedlich.
Kurz nachdem man wieder das südliche Ufer des nicht mehr vorhandenen Flusses erreicht hat, piepen die Matten bei Halbzeit. Und wirklich Neues hat sich im Rennverlauf nicht ergeben, außer dass die Durchgangszeiten nun eine halbwegs leichte Hochrechnung auf das Endergebnis ermöglichen. So sind David Njagi, Joseph Langat, Ben Kimutai Kimwole, Abraham Potongole, Tesfaye Sandiku, Berhanu Girma und Fekadu Lemma zum Beispiel auf eine 2:10 bis 2:11 unterwegs, denn für ihren noch immer dichten Pulk wird eine 1:05:17 gestoppt.
Gladys Chebet hat zwar inzwischen einige weitere Spanier passieren lassen müssen. Doch liegt sie immer noch auf einem Gesamtrang unter den ersten Zwanzig und hat nach 1:17:32 eine 2:35 im Visier. Fünf Minuten dahinter läuft die unter anderem schon zweimal in Bonn siegreiche Moldawierin Valentina Delion ein solides Rennen im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Weitere zwei Minuten, aber schon sechzig Plätze dahinter hat die Britin Maxine McKinnon die erste Hälfte hinter sich.
Es ist der zweite Wendepunktabschnitt des Kurses, der vor ihnen liegt, diesmal aber ein deutlich längerer. Denn bis sie auf der Gegenseite erneut vorbei kommen, werden mehr als fünf Kilometer vergangen sein. Da die Straße nun zwar links und rechts mit Gebäuden versehen ist, doch diese auch nicht unbedingt ansehnlicher als zuvor sind, bietet diese zum Teil auch noch durch ein Gewerbegebiet führende Passage nun wahrlich eher wenig fürs Auge.
Zumindest bietet sie aber etwas für die Ohren. Nicht nur die Falla, die in der Nähe der Wende für ein wenig Stimmung an der ansonsten doch ziemlich publikumsarmen Strecke sorgt, ist damit gemeint. Ziemlich genau in der Mitte hat man auch in regelmäßigen Abständen eine mehrere hundert Meter lange Reihe von Lautsprecherboxen aufgebaut, aus denen als Endlosschleife immer wieder Chariots of Fire ertönt.
Ob die Helfer, die am Verpflegungsposten bei Kilometer fünfundzwanzig ihren Dienst tun, nach so einem Tag mit Dauerbeschallung diese Melodie noch ertragen können, kann man sich allerdings dann doch fragen. Nur alle fünf Kilometer gibt es in Valencia etwas zum Trinken. Dazwischen bieten einzig und allein von der spanischen Armee aufgebaute mobile Duschen etwas Erfrischung. Damit hält man sich wie bei fast allen Marathons im Süden Europas recht genau an die Verbandsvorgaben.
Da das Getränkeangebot zudem meist nur aus Wasser – das jedoch wie am Mittelmeer ebenfalls üblich in kleinen Flaschen – besteht und außer gelegentlichen Orangenscheiben auch nichts Festes angeboten wird, ist die Versorgung nicht wirklich üppig. Angesichts der nicht übermäßig hohen Temperaturen sind die Möglichkeiten zur Flüssigkeitsaufnahme allerdings noch einigermaßen akzeptabel. Bei durchaus auch denkbarer, richtiger Wärme und Sonnenschein könnte es dagegen zum Ende hin schon etwas unangenehmer werden.
Zum zweiten Mal geht es danach auch über die in einer Unterführung verlaufende, zum Flughafen führende Avenida bzw. Avinguda del Cid. Selbst wenn sich Valencianos und Castellanos uneins über den vorderen Teil der Straße des Straßennamens sind und deshalb in Stadtplänen oft einfach das Kürzel „Av.“ auftaucht, der die andere Namenshälfte bestimmende „Cid“ ist für beide ein Nationalheld.
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Polizisten versuchen, mit Handzeichen und Trillerpfeifen die Autofahrer durch das Feld zu lotsen | Dass in diesem Hafen gesegelt wird, ist schon an der Einfahrt ziemlich eindeutig |
Vermutlich ist er sogar die klassische spanische Heldenfigur überhaupt, vergleichbar mit dem deutschen Siegfried oder dem britischen König Artus. Das mittelalterliche Epos, in dem die Taten des auch im Deutschen stets nur mit vorangestelltem Artikel auftauchenden Cid erzählt werden, gilt zudem als erstes bedeutendes Stück der spanischen Literatur, als erster echter Schriftbeleg für die spanische Sprache.
Vielleicht auch deshalb war es bei Historikern länger umstritten, ob es sich dabei tatsächlich um eine reale Person oder doch eher nur um eine Sagengestalt wie seine Gegenstücke aus dem Nibelungenlied oder der Artus-Legende handelt. Inzwischen ist man sich aber weitgehend einig, dass jener eigentlich Rodrigo Díaz de Vivar heißende Kämpe wirklich gelebt hat.
Valencia hat jedenfalls eine ganz besondere Beziehung zu ihm. Denn einige Zeit lang herrschte er Ende des elften Jahrhunderts über die Stadt und ihre Umgebung, nachdem er sie von maurischen Truppen erobert hatte. In dieser frühen Phase der Reconquista – der Zurückeroberung der iberischen Halbinsel von den Invasoren aus Nordafrika – standen sich allerdings keineswegs Christen und Moslems als festgefügte Blöcke gegenüber.
Bei beiden gab es sehr wohl auch interne Streitigkeiten, Machtkämpfe und sogar Kriege zwischen den einzelnen Herrschern. So kamen dann wechselnde Bündnissen mit Angehörigen der anderen Religion zustande. Da kämpften Christen Seite an Seite mit Moslems gegen Christen und ebenso Moslems mit christlicher Unterstützung gegen ihre eigenen Glaubensbrüder.
Auch der Cid, dessen Beiname sich vom „Herr“ bedeutenden arabischen „Saiyid“ oder „Sidi“ – wer in seiner Jugend Karl May gelesen hat wird sich vielleicht noch an die Anrede „Sidhi“ durch Hadschi Halef Omar erinnern – abgeleitet ist, diente sowohl christlichen wie moslemischen Fürsten. Ihn deshalb gleich als Versöhner zwischen den beiden Religionsgemeinschaften zu feiern, ist dann aber wohl doch etwas zu weit hergeholt.
Unter anderem wehrte Díaz de Vivar dabei eine katalanische Attacke auf das damals noch maurische Valencia ab. Als sein moslemischer Verbündeter allerdings von der radikaleren Dynastie der Almoraviden vertrieben und getötet wurde, nahm Rodrigo Díaz 1094 auf eigene Faust die Stadt ein, wehrte danach das almoravidische Invasionsheer ab und herrschte schließlich fünf Jahre über die Stadt. Bald nach seinem Tod fiel Valencia allerdings an die Mauren zurück.
Die Figur des Cid hat dabei durchaus verschiedene Stadien der Beurteilung hinter sich. Nach einer mystischen Überhöhung zum bewundernswerten, mutigen und ehrlichen Idol – wie es so schön heißt – „ohne Furcht und Tadel“, sieht man in der nüchternen Beurteilung inzwischen oft eher eine wechselhafte Spielerpersönlichkeit, die ihre ganz persönlichen, egoistischen Interessen ohne allzu viel Rücksicht auf ihre Umgebung durchsetzte.
Hinter Kilometer sechsundzwanzig stößt der Marathonkurs wieder auf das alte Flussbett, dem er nun erneut folgt. Man läuft zwar Richtung Innenstadt, doch bekommt man davon wenig mit. Denn bald schon verschwindet die Strecke in einem Tunnel, mit dem sonst der Durchgangverkehr kreuzungsfrei unter den vielen Brückenauffahrten hindurch geleitet wird.
Abgesehen von einem kurzen oberirdischen Intermezzo absolviert man in der Folge rund einen Kilometer im Tiefgeschoss und kreuzt dabei, ohne es wirklich zu bemerken zum zweiten Mal die eigenen Spuren, denn auch der Pont de les Arts wird unterlaufen. Die beiden Rampen aus der Unterwelt heraus sind jedenfalls die heftigsten Steigungen in einem ansonsten doch ziemlich flachen Kurs.
Da nicht alles komplett überbaut ist, taucht man jedoch nicht völlig in die Dunkelheit ab. Zumindest ab und zu erscheint noch der graue Himmel über den Läufern. Allerdings hat der an diesem Morgen schon mehrere Male auch einiges an Nieselregen von sich gegeben. In den Unterführungen ist es im Gegensatz dazu dann wenigstens garantiert trocken.
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Auch in Valencia gibt es eine blaue Linie | Vorbei an der Universität führt der einundvierzigste Kilometer | Die Jardins del Real waren früher der größte Stadtpark |
Kurz nachdem man endgültig wieder ans Tageslicht gekommen ist, tauchen rechts die Torres de Serranos auf. Das zweite übrig gebliebene Stadttor macht einen so gut erhaltenen Eindruck, dass es wohl kaum noch komplett im Originalzustand sein kann. Fast selbstverständlich hat es dann auch eine Renovierung hinter sich, die weit über eine bloße Instandhaltung hinaus ging.
Selbst wenn die beiden Türme während des Marathons zu den beliebtesten Motiven bei den Sportfotografen gehören, kam man zum Beispiel im Vorjahr nicht am einstigen Nordostportal Valencias vorbei. Im Vorvorjahr dagegen schon. Das einzig Beständige am Traditionsmarathon ist zumindest in den letzten Jahren eben der Wechsel.
Ein Verkehrsschild deutet hinter der Puerta de Serranos nach rechts ins „Centro Historico“. Nicht einmal mehr ein Viertelkreis fehlt den Marathonis nämlich noch, um die Altstadtrunde vollständig abzuschließen. Das darunter stehende „Centre Historic“ erinnert irgendwie schon ziemlich stark an Französisch und verdeutlicht recht gut die Brückenfunktion, die das Katalanisch-Valencianische an der Nahtstelle zwischen Spanien und Frankreich hat.
Wenn man die Ecke kennt, gelingt es sogar an der folgenden Querstraße einen Blick auf die mitten in der Altstadt stehende Kathedrale zu erhaschen. Zumindest den „El Micalet“ genannten achteckigen Glockenturm kann man erkennen. Zwar ist der ursprüngliche Grundriss der Bischofskirche größtenteils gotisch und im Inneren auch klar zu erkennen. Doch von den symmetrischen und harmonischen Formen, wie sie andere Sakralbauten dieser Epoche insbesondere in Frankreich auszeichnet, ist die Catedral de Santa María weit entfernt.
Immer neue Anbauten verschiedener Stilrichtungen lassen zumindest von außen keine wirklich klaren Strukturen erkennen. Jede Front, jede Ecke, jedes der drei Portale sieht anders aus. Vor allen Dingen der Haupteingang neben dem Glockenturm ist in seinem Pomp eindeutig dem Barock zuzuordnen.
Neben Modernisme und Gotik ist das allerdings auch die dritte große Stilrichtung, der man in Valencia gerade in und an Kirchen öfter begegnet. Sogar eine eigene Route, mit der die herausragendsten barocken Sehenwürdigkeiten verbunden sind, ist für die Touristen mit einem Blumenornament auf dem Plaster der Altstadt markiert.
Der in der Kathedrale als Reliquie aufbewahrte Kelch, der von vielen Gläubigen als Heiliger Gral verehrt wird, schlägt – in zugegeben ziemlich gewagter Manier – den Bogen zurück zum Palacio del Temple, an dem die Marathonis wenig später vorbei laufen. Denn der Palast mit angebauter Kirche trägt ja den Namen des Templerordens, der ja in den vielen Gralslegenden ebenfalls oft eine führende Rolle spielt.
Als Dank für ihre Beteiligung an der Rückeroberung Valencias wurde den Ordensrittern gestattet, an dieser Stelle ein Kloster zu errichten. Geblieben ist davon allerdings nur die Bezeichnung. Der aktuelle Bau hat zwar nun auch schon zweihundertfünfzig Jahre auf dem Buckel. Doch als er erbaut wurde war die Gemeinschaft der Templer bereits mehrere Jahrhunderte zerschlagen. Heute ist das Gebäude von der Regierung der autonomen Gemeinschaft Valencia belegt.
Eine nicht ganz unübliche Umwidmung, denn auch in den Räumen des nur einen Häuserblock entfernten ehemaligen Dominikanerklosters „Convent de Sant Doménec” leben keine Mönche mehr. Ein Teil davon ist vom Militär in Beschlag genommen, das dort sein regionales Hauptquartier untergebracht hat. Die gotische Kapelle ist allerdings auch im Inneren noch als soche zu erkennen und kann besichtigt werden.
Auf der Rückseite des Convent piepen die Chipmatten bei Kilometer dreißig zur dritten Kontrolle. Doch wirklich getan hat sich noch immer nichts. An eine Voreintscheidung ist nicht zu denken. Der weiterhin fest aneinader gekoppelte afrikanische Zug an der Spitze hat sogar Fahrt aufgenommen und steuert jetzt auf eine Zeit unter 2:10 zu. Und auch die alleine führende Gladys Chebet hält sich weiterhin unter den ersten Zwanzig.
Allerdings ist ihr Vorsprung gegenüber Valentina Delion auf den letzten zehn Kilometern um ein paar Sekunden kleiner geworden. Maxine McKinnon, die ihr Rennen konstant in einem Schnitt von vier Minuten pro Kilometer durchzieht, liegt acht bzw. drei Minuten hinter den beiden Erstplatzierten. Die ebenso konstant fünfzehn Sekunden pro Kilometer mehr benötigende Einheimische Maria Lopez Mata muss sie aber eigentlich auch nicht mehr fürchten.
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Am markanten Brunnen mit km 42 beginnt die Zielgerade | Nicht alle Tempomacher nehmen ihren Job anscheinend tierisch ernst | Sogar Tribünen für die Zuschauer hat man auf der Albereda històrica errichtet |
Gerade noch eine halbe Stadionrunde weit weg von diesem Punkt ist der unverkennbare Bogen der Pont de l'Exposició. Und auch das Ziel auf der anderen Seite des Rio Turia ist nicht wirklich weiter entfernt. Doch noch sind zwölf Kilometer zu absolvieren. Viel neues zu sehen bekommen die Marathonis auf diesen allerdings nicht mehr. Sie verlaufen nämlich fast vollständig auf der schon bekannten ersten Schleife zum Hafen.
Das dazu nötige Überqueren des alten Flussbettes geschieht über die nächste Brücke, die je nach Wahl der Sprache „Puente de las Flores” oder „Pont de les Flors” heißt. Warum man ihr den Namen „Blumenbrücke“, verpasst hat ist eigentlich klar. Denn links und recht der Fahrbahn verlaufen zwei aufwendig mit Blumen verzierte Beete.
Ein nicht wirklich billiger Spaß für die Stadt. Schließlich werden in regelmäßigen Abständen je nach Jahres- und Blütezeit die Pflanzen vollständig ausgetauscht. Sogar Palmen wachsen auf der Brücke. Wobei man, um korrekt zu sein, eigentlich sagen muss, dass sie unter der Brücke wachsen. Denn sie wurzeln weiter unten im Park. Und für ihre Stämme sind in der Konstruktion entsprechende Löcher vorgesehen.
Wesentlich weniger ruhig als am Anfang geht es auf der zweiten Passage der schon bekannten Strecke über den Paseo de la Alameda zu. Der Grund dafür sind weder die Läufer noch die Zuschauer. Doch der Verkehr hat zugenommen und an nahezu jeder Querstraße stauen sich die Fahrzeuge. Polizisten versuchen ihr Möglichstes, mit Handzeichen und Trillerpfeifen bei jeder sich bietenden noch so kleinen Lücke ein oder zwei Autofahrer durchs Feld zu lotsen.
Eine Bemühung, die einen spanischen Marathoni zur Aussage veranlasst, die „organización“ sei „muy bien“, also „sehr gut“. Den Umständen entsprechend stimmt das sicherlich. Doch wirklich wohl fühlt man sich als Läufer auch nicht immer, wenn direkt davor oder dahinter ein Auto über die Strecke schießt. Zumal nicht alle Fahrzeuglenker ausreichend Geduld zeigen und durchaus auch einmal auf die Hupe drücken.
Hinter der Ciudad de las Artes y de las Ciencias nimmt der Trubel auf dem Weg zum Hafen dann allerdings wieder etwas ab. Dort sorgt auf auch weiterhin voll gesperrter Straße nur die schon bekannte Trambahn für die entsprechenden Hintergrundgeräusche. Und die kleine Band, die mit ihren irischen Weisen, bei der Abstimmung zur besten Unterhaltung an der Strecke auf Rang drei landen wird. Wenn man genau hinhört erkennt man auch die Melodie, die sie spielen. Es ist Chariots of Fire.
Lang zieht sich die Allee der Avenida de Vicente Blasco Ibáñez auf den letzten Kilometern, noch länger als zuvor. Und zwar nicht nur wegen der deutlich müder gewordenen Beine. Denn nach dem obligatorischen Schlenker oberhalb der Unterführung läuft man diesmal nicht über sie hinweg am Stadion vorbei. Man biegt noch ein weiteres Mal auf sie ein, um das Ziel von der richtigen Seite aus anzusteuern.
Durch das Universitätsgelände führt dieser einundvierzigste Kilometer. Im Sportpark der Hochschule und nicht direkt am Ziel finden sich nach dem Rennen auch die Duschgelegenheiten. Es bedeutet schon einen kleinen Fußmarsch, um dorthin zu kommen. Aber immerhin gibt es diese Möglichkeit, was international ja nicht immer so ist. Und den Spaziergang kann man durchaus auch als Lockerung der steifen Muskeln betrachten.
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Die letzen Meter läuft man im gelben Bereich | Mit Verpflegungsbeutel und Medaille geht es zurück zu den Sportaschen unter der Brücke |
An den Jardins del Real endet die Avinguda. Die Gartenanlage war bis zur Umgestaltung des Flussbettes der größte Park der Stadt direkt gegenüber dem Zentrum. Es liest sich zwar im ersten Moment so, als sei er „königlich“. Doch das „del“, das dort eigentlich weder im Spanischen noch im Valevianischen etwas verloren hat, macht ein wenig stutzig. Wieder einmal handelt es sich nämlich um ein Missverständnis.
Dieses „Real“ stammt ursprünglich aus dem Arabischen und ist ein im Katalanischen hängen gebliebener Begriff für eine von einem Garten umgebene Residenz. Dass der tatsächlich in diesem Park einst stehende und in den Napoleonischen Kriegen zerstörte Palast der valencianischen Könige dann aber „Palau del Real“ hieß, war vielleicht dann doch des Guten etwas zu viel. Doch das ist „die La-Ola-Welle“, die manchem Sportreporter zufolge durch die Stadien schwappt, ja auch.
Dort wo der eine Park oben an den anderen Park unten grenzt, steht nach einem Linksschwenk an einem Brunnen das Schild mit der „42“. Nur kurz ist die Zielgerade. Doch neben den inzwischen obligatorischen aufblasbaren Toren der Sponsoren hat man sogar noch Platz für Tribünen gefunden, auf denen die Zuschauer den Einlauf ihrer ganz persönlichen Favoriten beobachten können.
Das von den Ersten – abgesehen vom Athletenmanager – irgend jemand größere Unterstützung dabei hat ist allerdings zu bezweifeln. Denn die sieben Afrikaner, die so lange beisammen lagen, machen das Rennen natürlich unter sich aus. David Njagi zieht das zwischendurch angeschlagene Tempo tatsächlich durch und gewinnt in 2:09:45 den Jubiläumsmarathon.
Dass dies die zweitbeste Siegerzeit ist, die je auf spanischem Boden erzielt werden konnte, erstaunt schon etwas. Waren doch in den vergangenen Jahren mehrere Spanier deutlich schneller. Alleine in Hamburg unterbot Julio Rey diese Marke gleich viermal klar. Doch wenn man die Siegprämie sieht, die in Valencia ausgelobt ist, wird das schon erklärbarer. Ganze zweitausend Euro erhält der Erste nämlich unabhängig von der gelaufenen Zeit.
Für einen Streckenrekord, wie ihn Njagi tatsächlich erzielt, gibt es noch einmal dreitausend Euro extra. Kein Wunder, dass es die wenigen verbliebenen spanischen Asse zu den wesentlich gefüllteren Preisgeldtöpfen weiter im Norden zieht.
Da stellt auch die Zusatzprämie von zehntausend Euro im Falle eines spanischen Rekords nur eine theoretische Größe dar, zumal dafür 2:06:52 unterboten werden müsste. Und dass in Valencia niemand für dreißigtausend Euro einen Weltrekord läuft, ist eigentlich noch klarer.
Joseph Langat, der mit 2:10:24 Zweiter wird, bekommt zumindest offiziell nur noch zwölfhundert, Ben Kimutai Kimwole für seine 2:10:30 sogar nur sechshundert Euro. Europäer in dieser Leistungsklasse würden sich für solche Beträge wohl kaum die Schuhe schnüren.
Auch Abraham Potongole in 2:11:12, Tesfaye Sandiku in 2:11:50, Berhanu Girma in 2:12:51 und Lemma Fekadu mit 2:14:39 liefern noch ziemlich beachtliche Zeiten ab, bevor erst einmal zehn Minuten Pause herrschen. Danach darf sich der 2:26:54 laufende Miguel Angel Plaza Benita über den inoffiziellen Titel des besten Einheimischen und den offiziellen Titel des valencianischen Regionalmeisters freuen.
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Valencia bei Nacht |
Die das ganze Rennen über klar führende Gladys Chebet muss am Ende dann doch deutlich Federn lassen und packt im zweiten Streckenteil noch volle sieben Minuten drauf. Dennoch siegt die Kenianerin in 2:42:06, ist allerdings damit weit vom bei 2:26:51 stehenden Kursrekord einer Maria Abel entfernt. Valentina Delion kommt zwar am Ende wieder näher, doch mit 2:44:40 ist sie dennoch ein ganzes Stück davon entfernt Chebet wirklich einzuholen.
Die Dritte Maxine McKinnon läuft ihr Rennen mit zwei nahezu identischen Hälften sauber durch und wird mit einer 2:50:14 belohnt. Auch die beste Einheimische Maria Lopez Mata erlebt keinen wirklichen Einbruch. Doch am Ende dürfte ihr trotz eines vierten Platzes eher zum Heulen gewesen sein. Viel grausamer als bei 3:00:03 kann eine Stoppuhr beim Marathon jedenfalls kaum noch stehen bleiben. Erfolg und Misserfolg sind im Sport eben nicht immer klar zu trennen.
Ob sie der Regenbogen getröstet hat, der nach dem Rennen am Himmel über Valencia auftaucht? Denn nach einem eher trüben und gelegentlich sogar etwas verregneten Morgen schafft es die Sonne später dann doch noch durch die Wolken. Die wenigen Starter, die sich etwas mehr Zeit lassen kommen tatsächlich in den Genuss erster Sonnenstrahlen. Und Valencia bestätigt seine für Februar angegebenen Durchschnittstemperaturen.
Vielleicht ist das Wetter sogar eine der größten Konstanten bei einer Veranstaltung, die öfter einmal etwas ganz anders macht. Ob die hier gemachte Beschreibung von Strecke und Gegebenheiten im nächsten Jahr auch noch zutrifft, ist nicht sicher. Fast darf es angesichts der zuletzt jährlichen kompletten Umgestaltung des Marathons bezweifelt werden.
Doch ganz egal, wie die Kurssetzer bei der einunddreißigsten Auflage die Straßenzüge auch zusammen basteln, die Distanz wird jene berühmten 42,195 Kilometer betragen, die man in der drittgrößten Stadt Spaniens nun seit drei Jahrzehnten unter die Füße nimmt. Selbst wenn man im Vergleich zu Boston nun wahrlich nicht auffällt, darf man da doch sicher „Traditionsmarathon“ sagen.
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Bericht und Fotos von Ralf Klink Ergebnisse und Infos unter www.maratonvalencia.com Zurück zu REISEN + LAUFEN aktuell im LaufReport HIER |
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