Tórshavn Marathon Färöer Dänemark (6.9.09)

Exotischer Marathon im hohen Norden

von Stefan Schlett

Die Färöer Inseln  - achtzehn grüne Juwelen, die steil aus dem kobaltblauen Wasser des Nordatlantiks ragen. Bevölkert von 48.778 Menschen liegt die zu Dänemark gehörende autonome Inselgruppe auf halbem Wege zwischen Schottland und Island, am 62. nördlichen Breitengrad inmitten des Golfstroms.

Im Mittelpunkt des färöischen Archipels, dessen Gesamtfläche kleiner ist als die von London, liegt Tórshavn, mit 19.000 Einwohnern die kleinste Hauptstadt der Welt. Hier gibt es seit 7 Jahren einen Marathon, der in der Szene so gut wie unbekannt ist und in kaum einer Veranstaltungsliste auftaucht.

Der Reykjavik Marathon im 370 km entfernten Island diente dem Initiator Robert Vilhelmsen vom lokalen und immerhin 200 Mitglieder zählenden Laufclub Bragdid als Vorbild, um den Tórshavn Marathon ins Leben zu rufen. Weit weg vom Staub der Kontinente, ohne Massenauflauf, schreiendem Publikum und sonstigem Halligalli kann der Marathonpilger in der sauberen und klaren Luft des Nordatlantiks einen beschaulichen und ruhigen Straßenlauf in prächtiger Landschaft genießen, der dazu noch nach AIMS-Standards vermessen und komplett verkehrsfrei ist.

Je 30 Marathon- und Halbmarathonläufer starteten bei der Premiere im Jahre 2003. In diesem Jahr war das Verhältnis 39 zu 107, mit Athleten aus 7 Ländern – immerhin mehr als eine Verdoppelung! Freilich würde sich der Aufwand für eine so kleine Schar von Läufern nicht lohnen. Deshalb wurde von Anfang an auf ein Konzept gesetzt, um die gesamten Färinger zu mobilisieren. Beim gleichzeitig gestarteten Health Run über wahlweise 2,2 oder 5,5 km sind jedes Jahr an die 1500 Kinder, Schüler und Erwachsene mit großem Enthusiasmus dabei. Die Organisatoren vom Bragdid Club konnten somit die nationale Fluggesellschaft Atlantic Airways, die Foroya Bank und eine Brauerei als Hauptsponsoren akquirieren, womit die Veranstaltung finanziell auf gesunden Füßen steht.

Der Start vor dem SMS-Einkaufszentrum in Tórshavn am Sonntagmittag um 13 Uhr war äußerst angenehm. So konnte man am Marathontag ausschlafen, gemütlich frühstücken und sich ohne die übliche Hektik auf die lange Reise vorbereiten. Bei einer Durchschnittstemperatur von 11° C im Sommer spielt das Wetter bei einem Spätstart keine Rolle. Die 5,5 km Runde durch Tórshavn, so benannt nach dem altgermanischen Donnergott Thor (Thor’s Hafen), vermittelt einen guten Eindruck von der kleinsten und einer der angenehmsten Hauptstädte der Welt.

Das historische Stadtviertel mit seinen alten Holzhäusern besteht aus einem Wirrwarr von Gassen und schmalen Durchlässen, von Stufen und Felsen, sowie niedrigen, schwarz geteerten Häusern mit weißen Fensterrahmen und grünen Grasdächern. Was man sieht ist in der Tat ein echter, aus dem Mittelalter überkommener Stadtkern, der niemals einer vernichtenden Feuersbrunst zum Opfer gefallen ist, wie es sonst mit fast allen skandinavischen Städten aus jener Zeit der Fall war. Eine weitere Besonderheit sind Grünflächen mitten in der Stadt, auf denen ganze Schafherden weiden. Tórshavn ist alt und modern zugleich. Hier gibt es das gleiche wie in der großen Welt, nur in kleinerem Umfang und konzentrierter.

Nachdem die „Gesundheitsläufer“ das Ziel erreicht hatten wurde es ruhig auf der Strecke, die auf hügeligem Kurs entlang der Küste nordwärts aus der Stadt herausführte. Mit herrlichem Blick auf die beiden Nachbarinseln Nolsoy und Eysturoy liefen die Teilnehmer Richtung Kaldbaksfjordur, einem friedvollen, geschützten und tief eingeschnittenen Meeresarm. Nach zwei steilen und lang gestreckten Steigungen war der Wendepunkt für die Halbmarathonis erreicht und die verbliebenen Marathonläufer hatten nun die komplett für den Verkehr gesperrte Hauptstraße, die flach am Ufer entlang führte, für sich alleine. Ein ganz besonderer Luxus beim kleinsten Hauptstadt-Marathon der Welt! Auf der gegenüberliegenden Seite des Fjords war der Marathon-Wendepunkt in der lauschigen und von kultivierten Heuwiesen umgebenen Ortschaft Kaldbak (234 Einwohner) zu sehen.

Sattes Grün auf steilen Hängen und Dutzende von Wasserfällen, die direkt neben der Straße herabstürzten, umrahmten die Laufstrecke. Darüber erhoben sich die Berge, vom Gräsungsland ansteigend zu den langen, schwarzen Felsbändern, die sich stockwerkartig auftürmen. Die Felsbänder sind Kanten gewaltiger Basaltschichten, die unterseeische Vulkane hier im Tertiär vor bis zu 60 Millionen Jahren aufgebaut haben. Welch ein Ambiente – ein Landschaftslauf wie im Bilderbuch!

Auch das Wetter war den Läufern wohl gesonnen. Mit 14° C und kaum Wind, was auf den Inseln nur sehr selten der Fall ist, sowie einem kurzen Nieselregen auf der zweiten Hälfte des Laufes herrschten nahezu optimale Bedingungen. Auf den Färöern kann man alle vier Jahreszeiten an einem Tag erleben. Das Seeklima bedingt sehr wechselhaftes Wetter. Strahlender Sonnenschein, Nebelbänke und Regenschauer lösen einander in rascher Folge ab. Der die Inseln umspülende warme Meeresstrom bewirkt ein mildes Klima. Es bildet sich niemals Meereseis und auch die Wintertemperaturen sind mit durchschnittlich 3° C angesichts der recht nördlichen Lage ziemlich hoch.

Beim Halbmarathon erreichten 27 Frauen und 63 Männer und über die volle Distanz 6 Frauen und 25 Männer das Ziel. Der Vorjahressieger Andrias Hansen (2:51:35 Std. – nur zwei Minuten über dem Streckenrekord) und sein Bruder Eirikur Hansen (2:54:35 Std.) waren die einzigen Teilnehmer, die unter 3 Stunden blieben. Auch bei den Frauen siegte mit Rigmor Arge eine Färingerin, allerdings mit 3:30:03 Std. weit über ihrem eigenen Streckenrekord von 3:16 Std. aus dem Jahre 2006. Im letzten Jahr beehrte die englische Lauflegende Ron Hill die Veranstaltung und zelebrierte beim Halbmarathon sein 100. Wettkampfland. In seinen Fußstapfen folgte der Autor bei seinem 636. Marathon und 86. Wettkampfland.

Für den Sammler von außergewöhnlichen Marathons, der zudem die herbe Schönheit und das raue Wetter des Nordens liebt sind die Färöer Inseln ein lohnendes Reiseziel. Von den 18 Eilanden ist eines unbewohnt und es gibt zwei Inseln auf denen jeweils nur eine Familie wohnt. Kein Punkt auf den Färöer ist mehr als 5 km vom Meer entfernt und es gibt ein äußerst effizientes und gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz.

Einst abgelegene Fjorde sind mit Tunneln und Brücken verbunden, mit Linienbussen, Fähren und sogar Helikoptern ist jeder Ort des Landes erreichbar. Es bietet sich zudem eine Kombination mit dem Reykjavik Marathon auf Island an, der nur zwei Wochen vorher stattfindet. Atlantic Airways fliegt dreimal pro Woche von Reykjavik auf die Färöer.

Fakten

Der 8. Atlantic Airways Tórshavn Marathon findet am 05.09.2010 statt.

Die Färöer sind nur zwei Flugstunden vom europäischen Festland entfernt. Die färöische Fluggesellschaft Atlantic Airways fliegt 5 x täglich von Kopenhagen auf die Färöer und unterhält regelmäßige Verbindungen von England, Norwegen, Schweden, Island und Grönland.

Auch mit dem Schiff sind die Färöer ganzjährig zu erreichen. Die Reederei Smyril Line bietet mit einer Passagier- und Autofähre fahrplanmäßige Verbindungen zwischen Dänemark, Färöer und Island.

Zur Einreise genügt ein gültiger Reisepass. Der Zeitunterschied ist eine Stunde vor der Mitteleuropäischen Zeit. Währung ist die Färöische Krone, die der Dänischen Krone (DKK) gleichgestellt ist. Die Einheimischen sprechen das Färöische, eine selbständige nordgermanische Sprache,  des Weiteren skandinavische Sprachen und Englisch.

Zur Geschichte der Färöer Inseln

Norwegische Wikinger waren um 800 die ersten Siedler auf den Färöer. Man nimmt an, dass irische Mönche schon vor dieser Zeit auf den Inseln gelebt haben. Sie flohen jedoch, als die Nordmeerräuber in ihren Langschiffen auftauchten. Im Jahr 1035 wurden die Färöer dem norwegischen Königreich einverleibt, welches seinerseits 1380 unter dänische Herrschaft geriet. Seither gehören die Inseln zu Dänemark.

Heute sind die Färöer wie Grönland eine gleichberechtigte Nation innerhalb des Königreichs Dänemark. Ihre Autonomie erhielten sie 1948 und haben seither eine eigene Regierung, Verwaltung und Flagge. Die Färöer sind im Gegensatz zu Dänemark nicht Mitglied der Europäischen Union.

Wichtigster Erwerbszweig ist die Fischerei und Fischverarbeitende Industrie. Fischprodukte machen mehr als 97% des Exports aus. In der Ausgabe November/Dezember 2007 von National Geographic Traveler wurde eine Liste der besten Reiseziele der Welt in der Kategorie „Inseln“ veröffentlicht, die von über 500 Experten ausgewählt wurden. Die Färöer rangieren auf Platz 1, gefolgt von den Azoren und Lofoten.

Bericht von Stefan Schlett
Fotos von Stefan Schlett, Jürgen Sinthofen und Veranstalter

Ergebnisse und Infos unter www.torshavnmarathon.com

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