8. Marathon Monterrey - (8.12.2013)

Vorweihnachtsstimmung im "warmen" Mexiko

von Ralf Klink

Siehe auch weitere Mexiko-Beiträge in der Rubrik REISEN + LAUFEN

Ganz egal ob man beim Stichwort "Mexiko" an staubige Wüstendörfer oder tropische Badeorte denkt, eines ist beiden Bildern gemein - nämlich die dazu gehörende Wärme. Was man im Sommerhalbjahr regelrecht erwartet und auch in den übrigen Monaten als einigermaßen normal ansieht, wirkt in der Adventszeit jedoch auf einmal ziemlich seltsam. Geschmückte Bäume, Weihnachtsmannfiguren und abendliche Beleuchtung wollen irgendwie überhaupt nicht zu Temperaturen von dreißig Grad im Schatten passen.

Weihnachtschmuck bei strahlender Sonne und frühlingshaften oder sommerlichen Temperaturen - in Mexiko völlig normal
Ausführliche und einladend präsentierte Laufankündigungen im LaufReport HIER

Schließlich gehören zu diesem Fest doch Kälte und am besten auch Schnee. Was soll denn ein Rentierschlitten unter Palmen. Dass dies allerdings eine Vorstellung ist, die sich nur aus einer europäischen oder nordamerikanischen Perspektive - und auch dort nur im nördlichen Teil - ergibt, wird bei ein bisschen Nachdenken schnell klar. Denn schon am Mittelmeer sind solch frostige Bedingungen selbst zur Winterzeit die absolute Ausnahme. Nähert man sich dem Äquator weiter, ist ihre Wahrscheinlichkeit natürlich noch viel geringer.

Endgültig ad absurdum werden solche leicht verklärten Wunschbilder beim Blick auf der Südhalbkugel geführt. Schließlich beginnt dort genau dann, wenn hierzulande die ersten Kerzen des Adventskranzes angesteckt werden, der Hochsommer. Im australischen Sydney und im neuseeländischen Auckland, im südafrikanischen Kapstadt oder dem argentinischen Buenos Aires wählt der Weihnachtsmann deswegen zum Transport seiner Päckchen als Alternative zum Schlitten besser das Surfbrett.

In Mexico, dessen nördlichster Zipfel noch deutlich weiter im Süden liegt als die Südspitze des europäischen Kontinents, sieht das eigentlich auch nicht viel anders aus. Und wer sich im Dezember in das Land am Übergang von Nord- nach Mittelamerika begibt, darf sich deswegen auf sommerlicher Hitze und dennoch auch - schließlich handelt es sich immerhin um die zweitgrößte katholische Nation hinter Brasilien - ziemlich weihnachtlich geschmückte Straßen und Plätze einstellen.

Sowohl Wasserspielen als auch Weihnachtsmannkostüme lassen sich im Umfeld des Marathons von Monterrey entdecken

Für das zweite lässt sich eigentlich eine Garantie übernehmen, auf das Erste sollte man sich dann aber doch lieber nicht hundertprozentig verlassen. Wer sich nur mit leichter Bekleidung im Gepäck zu einer Rundreise durch verschiedene Landesteile Mexikos aufmacht, könnte - insbesondere natürlich, wenn die Tour im Winterhalbjahr stattfindet - durchaus einen später noch bitter bereuten Fehler machen.

Denn zum einen liegt der größte Teil des Territoriums im Gebirge. Man befindet sich je nach Standort zwischen null und mehr als fünftausend Metern über dem Meer. Und außer der Hauptstadt finden sich auch etliche andere Großstädte in Höhenlagen, in die sich in Europa maximal kleine Bergdörfer oder sogar nur noch einzelne Almen hinauf trauen. Da kann es also durchaus einmal etwas frischer werden.

Zum anderen aber gehört insbesondere der Norden des Landes auch noch in den Einflussbereich des Klimas der amerikanischen Prärien.

Und dieses ist alles andere als konstant sondern vielmehr ziemlich wechselhaft und neigt zu erheblichen Extremen. Temperaturschwankungen von zwanzig oder mehr Grad innerhalb weniger Tage sind dabei keineswegs unüblich. So finden sich in den Chroniken des Mitte Oktober stattfindenden Chicago Marathons dann zum Beispiel sowohl Rennen, bei denen selbst die Tageshöchstwerte kaum über den Gefrierpunkt hinaus kamen, als auch Hitzeschlachten jenseits der Dreißig-Grad-Marke.

Schuld daran ist die Nord-Süd-Ausrichtung der großen amerikanischen Gebirge. Im westlichen Drittel des Kontinents reihen sich dabei die lang gezogenen Ketten der Coast und der Cascade Montains, die Sierra Nevada sowie die ihrerseits wieder in einzelne Teilketten zerfallenden Rocky Mountains parallel zueinander auf. Im Osten übernehmen die Appalachen den nicht ganz so hohen und auch nicht ganz so breiten Gegenpart.

Mit einer Fläche von weit mehr als einem Quadratkilometer ist der "Parque Fudidora" die mit Abstand größte Grünanlage im Stadtbereich

Dazwischen erstreckt sich eine rund zweitausend Kilometer breite Einfallschneise, durch die sich je nach Windrichtung eiskalte arktische oder heiße tropische Luftmassen bis weit in Regionen bewegen können, in denen man sie im ersten Moment nicht unbedingt erwarten würde. In Europa bilden im Gegensatz dazu die Alpen sowie in ihrer Verlängerung die Pyrenäen und die Karpaten einen Ost-West-Riegel, der genau diesen Austausch behindert.

Und so wird es bei einer Nordströmung im nördlichen Teil Mexikos während des Winters sehr wohl gelegentlich auch empfindlich kalt. Nur wenige Tage später, wenn der Wind sich gedreht hat, erreicht man dann aber oft schon wieder frühlingshafte oder gar frühsommerliche Temperaturen. Von den großen Städten des Landes ist insbesondere die Millionenmetropole Monterrey - hinsichtlich der Bevölkerungszahlen die Nummer drei hinter der Ciudad de México und Guadalajara - für ihre großen Wettersprünge bekannt.

Neben der Nähe zur "frontera"; die selbstverständlich für das Wetter kein Hindernis darstellt, kommt noch hinzu, dass Monterrey auch genau am Übergang vom steilen Hochgebirge der Sierra Madre Oriental zur anschließend nur noch sanft abfallenden Küstenebene gegründet wurde. Innerhalb von nur wenigen Kilometern ergeben sich dabei Höhenunterschiede von mehr als zweitausend Metern. Und natürlich treffen dabei manchmal auch völlig unterschiedliche Wetterlagen aufeinander.

Dazu ist die Stadt auch noch von drei Seiten von Bergen umgeben, die dabei allerdings keineswegs einen wirklich geschlossenen Talkessel bilden. Vielmehr bestehen sie aus einzelnen Kämmen, zwischen denen mehrere Einschnitte verlaufen, die aus unterschiedlichen Richtungen sternförmig exakt auf das Zentrum zeigen. Insbesondere im Süden und Westen, wo die Höhen zu beiden Seiten den Talboden um mehr als tausend Meter überragen, ergeben sich so regelrechte Kanäle, durch die ganz unterschiedlich warme Luftmassen in die Stadt ziehen können.

Gerade im Winterhalbjahr erlebt man dabei extreme Ausschläge. Zwischen sommerlicher Hitze und Frost ist alles möglich. Indem sie ihren Marathon ausgerechnet zur Adventszeit ansetzen, scheinen die Organisatoren von Monterrey also durchaus ein gewisses Risiko einzugehen. Allerdings belegen sowohl Blicke auf die Klimatabellen als auch Gespräche mit Einheimischen, dass die Terminwahl am Ende so schlecht gar nicht ist.

Der "Canal de Santa Lucia" stellt eine kreuzungsfreie Verbindung zwischen dem Park und der Innenstadt her

Denn während der Sommermonate sind die Schwankungen zwar etwas kleiner. Dafür übertreffen die Temperaturen aber eben auch immer wieder einmal die Grenze von vierzig Grad. Als während der Fußball-Weltmeisterschaften des Jahres 1986 die deutsche Nationalmannschaft zwei Spiele in der Stadt unter fast an diese Marke heran kommenden Bedingungen spielen musste, wurde von der Sportpresse gar der Begriff "Hölle von Monterrey" geprägt.

Da nimmt man es dann doch lieber in Kauf, auch einmal mit etwas ungemütlicherem Wetter leben zu müssen. Und prompt hat man am Wochenende des achten "Maratón Powerade Monterrey" dann auch das ziemlich unterste Ende der denkbaren Bandbreite erwischt. Es herrscht zum einen in jenen Tagen nämlich Nordluft und bis weit in den Süden der USA hinein sinken die Werte in den negativen Bereich.

Andererseits legt sich zu allem Überfluss über diese kalte Strömung, die über die Ebene heran zieht, wärmere Luft aus dem Bergen und drückt so den Nebel nach unten auf die Stadt. Während im nur achtzig Kilometer entfernten, aber tausend Meter höher gelegenen Saltillo die ganze Zeit bei Höchstwerten von mehr als zwanzig Grad die Sonne scheint, präsentiert sich Monterrey mit meteorologischen Konditionen, die hierzulande in die Kategorie "Novemberwetter" einsortiert würden.

Unter der tiefliegenden Wolkendecke schafft es das Quecksilber nur mühsam auf fünf bis zehn Grad. Wegen der die durch jede noch so kleine Ritzen kriechenden Feuchtigkeit in der Luft fühlt es sich sogar noch kälter an. Und nicht immer und überall gelingt es der Sonne im Lauf des Tages Löcher in den Dunst hinein zu brennen. Wider Erwarten endet die "Flucht" vor europäischer Kälte und Düsternis zu einem vermeintlich warmen Marathon im sonnigen Mexiko mit durchaus ähnlichen Verhältnissen.

Die "Regiomontanos" - die im ersten Moment völlig anders aussehende Bezeichnung für die Bewohner Monterreys hat die Begriffe für "Berg" und "König" nur umgedreht - berichten auf Nachfrage, dass es eigentlich jeden Winter irgendwann einmal so unangenehm werden kann. Allerdings sind es in der Summe und über mehrere Monate verteilt meist nur ungefähr zwei bis drei Wochen. Die Marathonis haben diesmal also wirklich ziemlich viel Pech.

Als große Ausnahme von der Regel, dass auch in Mexiko praktisch jede Veranstaltung über zweiundvierzig Kilometer zusätzliche Nebenwettbewerbe im Programm hat, sind es in Monterrey übrigens tatsächlich nur Marathonläufer, die zu einem Rennen an die Startlinie treten. Die einzige weitere angebotene Strecke - der "mini maratón" über ein Zehntel der Distanz - ist nämlich nur ein Hobbylauf ohne Wertung.

Die mit mehreren Denkmälern und Brunnen verzierte "Gran Plaza", trägt ihren Namen angesichts einer Länge von rund einem Kilometer und einer Gesamtfläche von mehr als vierzig Hektar vollkommen zurecht

Mit immerhin viertausend Meldungen - das genau in dieser Höhe angesetzte Teilnehmerlimit wird praktisch ausgeschöpft - ist man allerdings auch ohne weitere Einnahmequellen absolut überlebensfähig. Je nach Termin sind bei einer "inscripcion" im Vorfeld zwischen dreihundert und fünfhundert mexikanischen Peso - also etwa siebzehn bis achtundzwanzig Euro - fällig. Bei einer Einschreibung vor Ort sind es immerhin sechshundertfünfzig.

Man sollte sich bei Preisangaben in Mexiko übrigens nicht davon abschrecken lassen, dass neben der Zahl meist jenes Zeichen auftaucht, das man hierzulande ansonsten mit dem amerikanischen Dollar gleichsetzt. Allerdings hat dieses seinen Ursprung tatsächlich in Mexiko und geht auf den spanisch-mexikanischen Peso der Kolonialzeit zurück. Ursprünglich bedeutet das Wort nur "Gewicht" und bezieht sich auf eine Maßeinheit für Gold, die irgendwann mit dem durchgestrichenen "S" abgekürzt wurde.

Erst später wurde das Symbol von den neu gegründeten Vereinigten Staaten für ihre eigene Währung übernommen. Immerhin taucht, um Verwechslungen mit dem mehr als zehnfach wertvolleren US-Dollar aus dem Weg zu gehen, beim Betrag häufig zusätzlich noch der Begriff "peso" auf. Manchmal werden auch etwas exaktere und besser verständlichen Kürzel wie "MX$", "Mex$" oder eben - falls er wirklich gemeint sein sollte - "US$" verwendet.

Für die nächste Auflage hat man bei den Startgebühren für den Marathon von Monterrey jedoch bereits deutlich aufgeschlagen, beginnt mit vierhundert und endet mit achthundert Pesos. Nach marktwirtschaftlichen Prinzipen dürfen die Organisatoren bei einem voll ausgeschöpftem Angebot eben die Preise erhöhen. Da auch die neue Rekordteilnehmerzahl weitgehend problemlos abgewickelt werden kann, hat man außerdem für 2014 zusätzlich noch das Limit von viertausend auf fünfeinhalbtausend Starter erhöht.

Angesichts des stetigen Aufwärtstrends, den der Marathon von Monterrey seit seiner Premiere erlebt hat, und einer annähernden Verdreifachung der Anmeldungen innerhalb dieses Zeitraumes sowie des allgemeinen Wachstums der mexikanischen Marathonszene käme es durchaus nicht überraschend, wenn man in den kommenden Jahren auch diese Menge an Startnummern unter die Leute bringen könnte.

Denn obwohl selbstverständlich weiterhin das mit Abstand größte Teilnehmerkontingent aus dem Bundesstaat "Nuevo León" stammt, in dem Monterrey liegt und dessen Hauptstadt es auch ist, und die nächststärksten Gruppen aus den benachbarten Staaten "Coahuila" und "Tamaulipas" herüber kommen, wird mit dem Rennen längst nicht mehr nur die lokale und regionale Läuferschaft alleine angesprochen. Auch im Rest von Mexiko stößt der Lauf durchaus auf Interesse.

Trotz seiner nicht unbedingt zentralen Lage ist Monterrey schließlich nicht allzu schwer zu erreichen. Die relativ großen Entfernungen im bezüglich seiner Fläche weltweit immerhin auf Platz dreizehn rangierenden Land machen das Flugzeug zu einem absolut gebräuchlichen und keineswegs wirklich teurem Verkehrsmittel. Auf vielen Inlandsstrecken kostet das Ticket für Hin- und Rückflug oft weniger als hundert Euro.

Der etwa dreißig Kilometer nordöstlich des Stadtzentrums gelegene "Aeropuerto Internacional General Mariano Escobedo" bietet zudem Direktverbindungen in praktisch alle anderen großen mexikanischen Städte. Im Hinblick auf Flugbewegungen und Passagiere ist der Flughafen von Monterrey immerhin hinter der Hauptstadt Ciudad de México, dem Touristenzentrum Cancún und Guadalajara die Nummer vier im Land.

Auch fast ein Dutzend Ziele in den USA werden angesteuert. Doch muss man sich schon ziemlich tief in die Ergebnisliste des Marathons vertiefen, um darin überhaupt irgendwo einen Läufer von der anderen Seite des - je nach Standpunkt "großen" oder "wilden" - Grenzflusses zu entdecken. Internationale Teilnehmer sind wirklich absolute Exoten. Dass die Informationen zur Veranstaltung im Netz einzig und alleine auf Spanisch zur Verfügung stehen, hilft auch nicht gerade dabei, diese Situation zu verändern. Und so gehen die Startnummern nahezu ausschließlich an Mexikaner.

Ausgegeben werden die "números de competencia" im Kongress- und Messezentrum, das unter dem Namen "Cintermex" bekannt ist und etwa drei bis vier Kilometer östlich der Innenstadt zu finden ist. Man muss den Weg allerdings nicht unbedingt zu Fuß zurücklegen. Und obwohl Taxis in Mexiko weit weniger kosten als hierzulande - dafür sind sie allerdings auch meist etwas älter und zudem fast immer deutlich kleiner - gibt es noch eine günstigere und trotzdem einigermaßen bequeme Variante.

Denn einige hundert Meter vom Ausstellungsgelände entfernt befindet sich auch eine Station der "Metrorrey", wie das Metrosystem der Metropole genannt wird. Und für eine einfache Fahrt hat man dort viereinhalb mexikanische Pesos zu entrichten, was bei einem Umrechnungskurs von eins zu achtzehn gerade einmal fünfundzwanzig Euro-Cent ergibt. Für eine Rückfahrkarte sind sogar nur achteinhalb Pesos zu zahlen.

Einige riesige Skulpturen am Kanal erinnern an die industrielle Geschichte der Stadt

Wirklich groß ist das Metronetz allerdings nicht. Es besteht gerade einmal aus zwei Linien. Die eine von ihnen führt von Westen nach Osten quer durch die Stadt, dabei allerdings ein wenig am Zentrum vorbei. Ihre Planer haben sie praktisch durchgängig entlang großer Ausfallstraßen auf Stelzen gesetzt. Die zweite Strecke verläuft vom Stadtkern nach Norden. In der Innenstadt ist sie dabei eine echte U-Bahn. Die zweite Hälfte der Stationen in den Außenbezirken liegt jedoch ebenfalls wieder über der Erde.

Beiden Linien kreuzen sich in der "Estación de Cuauhtémoc", die deswegen als einziger Umsteigebahnhof des Systems dient. Die nach dem letzten Azteken-Herrscher benannte Station hat wie alle anderen ein eigenes, auf praktisch allen Schildern zusätzlich zur Schrift ebenfalls angezeigtes Symbol - in diesem Fall der stilisiert Kopf des Königs. Für jene noch immer ungefähr zehn Prozent der mexikanischen Bevölkerung, die weder lesen noch schreiben könne, sind diese Logos natürlich von unschätzbarem Wert.

Auf dem Weg von der Station "Parque Fudidora" zum "Centermex" kommt man auch an der benachbarten "Arena Monterrey" vorbei. Die hochmoderne, erst zu Beginn des neuen Jahrtausends eröffnete Sport- und Veranstaltungshalle bietet bis zu achtzehntausend Zuschauern Platz. Neben verschiedensten Konzerten finden dort auch die Heimspiele der Hallenfußballer von "Flash de Monterrey" statt. Deren englischer Rufname ist kein Zufall, denn man gehört als eines von drei mexikanischen Teams in den USA beheimateten "Professional Arena Soccer League" an.

Beide Bauten - also sowohl die Arena als auch das Kongresszentrum - liegen am Rande des Parks, nach dem man die schon erwähnte Metrostation benannt hat. Mit einer Fläche von weit mehr als einem Quadratkilometer ist er die mit Abstand größte Grünanlage im Stadtbereich. Doch nicht alleine durch seine Größe ragt der "Parque Fudidora" heraus. Es handelt sich dabei eben auch um einen ganz besonderen Garten.

Denn noch in den Achtzigerjahren befand sich auf dem Gelände ein bedeutendes Eisen- und Stahlwerk. "Fundidora" bedeutet übersetzt nämlich nichts anderes als "Gießerei". Erst nachdem die "Fundidora de Fierro y Acero de Monterrey" wegen Zahlungsunfähigkeit ihre Pforten für immer schließen musste, wurde das Areal zu einem öffentlichen Park umgestaltet. Allerdings ließ man dabei etliche der Anlagen einfach stehen und integrierte Schmelzöfen, Kräne oder Kamine als Stilelemente.

Dabei entstand eine wirklich interessante Mischung aus Grünanlage, Industriedenkmal und Freizeitpark. Werkshallen sind inzwischen zu Ausstellungsräumen, Kunstgalerien oder Erlebnismuseen umfunktioniert. Am größten der Hochöfen lässt sich in luftiger Höhe in einem Restaurant die Aussicht über die Stadt und die umliegenden Berge genießen. Und noch weiter oben kann man auf dem Dach des gleichen "alto horno Nº 3" den "paseo por la cima" entlang spazieren.

Das Konzept ist durchaus gelungen. Und neben dem Erholungswert, den man damit für die Bürger Monterreys erreicht hat, konnte gleichzeitig auch ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte erhalten werden. Erst nachdem die Eisenbahn Ende des neunzehnten Jahrhunderts im Norden Mexikos angekommen war, wuchs das bis dahin kaum fünfzigtausend Einwohner zählende Städtchen nämlich durch die sprunghafte Entwicklung der Schwerindustrie zu einer echten Metropole heran.

Am anderen Ende des "Canal de Santa Lucia" warten das "Museo de Historia Mexicana" und das "Museo del Noreste"

Heute leben in Monterrey und den angrenzenden, administrativ selbstständigen Vororten über vier Millionen Menschen. Auf weniger als einem Zehntel der Fläche des Bundesstaates Nuevo León ballen sich dabei weit mehr als achtzig Prozent seiner Bevölkerung. Und dank der ökonomischen Stärke dieses Zentrums belegt der Staat hinter dem "Distrito Federal" der Hauptstadt México und dem diese umgebenden "Estado de México" bezüglich der Wirtschaftsleistung Platz drei im Land.

Sowohl vom Park aus als auch von der Straße gibt es Zugänge zum "área de exposiciones de Cintermex", wo die "Sala D" - trotz unverkennbar gleicher Wortherkunft wie der deutsche "Saal" im Spanischen mit einem weiblichen Artikel versehen - das Ziel der Marathonis ist. Samstags herrscht dort ein ziemlicher Andrang. Denn nur am Vortag des Rennens werden die Unterlagen verteilt - und das zudem nur sieben Stunden lang zwischen zehn Uhr morgens und fünf Uhr am frühen Abend.

Am hinteren Ende der Halle findet man dann jene "entrega de números", die ein großes Plakat schon über dem Eingang angekündigt hatte. Neben der Startnummer befindet sich im Umschlag noch jene zur Zeitmessung dienenden flachen Plättchen der in Mexiko eindeutig führenden Auswertefirma "TYR" - eine Abkürzung für ihr Arbeitsgebiet "tiempos y resultados" - sowie zwei dünne Kabelbinder zur Befestigung. Im Ziel werden die Chips dann von den Helfern mit einem schnellen Ruck einfach wieder vom Schuh abgerissen und eingesammelt.

In dem kleinen Beutel, den man dazu noch in die Hand gedrückt bekommt, befindet sich neben dem üblichen Werbeprospekten und -geschenken zwar auch eine Laufkappe, jedoch nicht das sonst bei mexikanischen Läufen meist übliche farbenfrohe T-Shirt. Es ist jedoch nicht so, dass man diesbezüglich leer ausgehen würde. Man bekommt sogar eine - wenig überraschend ebenfalls knallbunt gestaltete - Laufjacke. Doch wird diese erst im Ziel ausgegeben und trägt die eindeutige Aufschrift "Finalista".

Im Ziel wird eine knallbunt gestaltete Laufjacke mit der eindeutigen Aufschrift "Finalista" ausgegeben

Unweit des Halleneingangs kann man diese am Marathon-Souvenir-Stand genau wie die Medaille immerhin schon einmal in Augenschein nehmen. Dazwischen haben eine Reihe von Ausstellern und anderen Veranstaltern ihre Stände bei einer überschaubaren Marathonmesse aufgebaut. Am gefragtesten sind angesichts der Außentemperaturen, die laut Wettervorhersage auch während des Marathons nicht wirklich anders ausfallen sollen, bei den meist an vollkommen andere Verhältnisse gewöhnten Mexikanern an diesem Tag natürlich Handschuhe.

Daneben liegt eine etliche Quadratmeter große Skizze des Marathonkurses auf dem Boden, die fast jeder Vorbeikommende zumindest flüchtig in Augenschein nimmt. Wesentlich interessanter ist allerdings der Bildschirm, auf dem in einer Endlosschleife und mit deutlich erhöhter Abspielgeschwindigkeit ein Film über den "trayecto" läuft. Man könnte als Übersetzung für "Strecke" durchaus auch die "ruta" benutzen. Dem in Spanien üblichen "recorrido" begegnet man in Mexiko dagegen eher selten.

Ähnlich wie bei britischem und amerikanischem Englisch gibt es natürlich auch bei der in der Welt am zweithäufigsten benutzten europäischen Sprache erhebliche regionale Unterschiede. Sowohl im Wortschatz als auch in der Aussprache gibt es zum Teil deutliche Abweichungen, angesichts derer die unterschiedliche Nutzung von "ruta" und "recorrido" - das Mexikaner übrigens durchaus verstehen - eigentlich nur eine Lappalie ist. Für Spanier hört sich südamerikanisches Spanisch nicht nur komisch sondern oft auch unverständlich an. Und umgekehrt ist es genauso.

Neben der Tatsache, dass sich eine Sprache natürlich stetig weiter entwickelt und dies bei räumlicher Trennung eben ganz automatisch in unterschiedliche Richtungen passiert, spielen dabei in Lateinamerika auch die Einflüsse durch die indigene Bevölkerung oder nichtspanische Einwanderer eine Rolle. Gerade in Mexiko hat man eine ganze Reihe Bezeichnungen von den Azteken und Tolteken übernommen.

Wem der zwei bis drei Kilometer lange Weg zu weit ist, der kann ihn auch in einem der Boote zurück legen, die zwischen den Museen und dem Park pendeln

Und inzwischen kommen durch die engen wirtschaftlichen Kontakte immer öfter englische Begriffe über die US-Grenze in den Wortschatz, die man im früheren Mutterland nicht benutzt. Umgekehrt haben sich in der "Neuen Welt" allerdings auch ältere Ausdrücke und grammatische Formen gehalten, die in Spanien längst aus der Mode geraten sind. Wer ohnehin nur wenig Spanisch spricht, muss sich mit solchen Details jedoch kaum beschäftigen. Selbst eher missglückte Versuche werden von den Einheimischen meist ziemlich wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Genau wie Basken, Katalanen oder Galicier, die zwar Bürger des Königreiches Spanien sind, aber eine vollkommen eigene und eigenständige Schriftsprache besitzen, benutzen übrigens auch eine Reihe lateinamerikanischer Staaten - Mexiko gehört allerdings nicht dazu - anstelle von "Español" lieber den Begriff "Castellano", also "Kastillisch". Bevor man jetzt die Nase rümpft und hinter solchen vermeintlich spitzfindigen Unterscheidungen eine einzig und allein politische oder gar separatistische Motivation vermutet, sei noch einmal das Beispiel "Englisch" erwähnt.

Denn in diesem Fall käme ja nun wirklich niemand auf den Gedanken, es ganz analog nach dem Staat einfach als "Großbritannisch" zu bezeichnen. Und mit den auf der Insel ebenfalls noch immer benutzten, zur keltischen Gruppe gehörenden Sprachen Schottisch-Gälisch und Walisisch - das immerhin noch fast einer Million Sprecher hat - gibt es dort auch sonst eine vergleichbare, sogar ja eigentlich nahezu identische Situation wie in Spanien.

Ganz egal, ob man sie nun "trayecto", "ruta" oder "recorrido" sagen möchte, der von der Strecke gemachte Film macht nicht unbedingt Mut. Die lang gezogenen Anstiege, die vom etwas mehr als fünfhundert Metern hoch gelegenen Start zum ziemlich genau bei Halbzeit erreichten "Gipfel" auf sechshundertdreißig Meter über dem Meer führen, kann man angesichts von kaum einem Prozent Durchschnittssteigung natürlich kaum erkennen. Doch etliche kurze, aber eher steile Brücken- oder Tunnel-Rampen sieht man selbst im Schnelldurchlauf ziemlich deutlich.

Bei einem Marathon in einer Metropole, die den Beinamen "ciudad de las montañas" führt, darf man aber wohl auch nicht unbedingt ein topfebenes Geläuf erwarten. Darüber, ob sie die Bezeichnung "Stadt der Berge" aber auch nur im Entferntesten zu Recht tragen könnte, lässt sich an diesem Tag kein abschließendes Urteil bilden. Viel zu tief hängen die Wolken. Selbst der unweit des Cintermex gelegene Torre Ciudadana hat anfangs Mühe seine obersten Etagen zur Geltung zu bringen.

Der erst vor wenigen Jahren eröffnete Büroturm ist nicht nur eines der jüngsten sondern mit hundertachtzig Metern zudem das aktuell höchste Gebäude der Stadt, aber längst nicht das einzige Hochhaus in Monterrey. Insgesamt mehr als zwei Dutzend Bauten übertreffen die Hundert-Meter-Marke. Und andere "edificios" im Stadtgebiet sind zwar nicht ganz so hoch ausgefallen, haben aber trotzdem ein geradezu futuristisches Aussehen.

Monterrey präsentiert sich in seinem Kern ziemlich als moderne Großstadt und hat im ersten Moment wenig mit jenem ländlichen Mexiko zu tun, in dem die Uhren vor Jahrzehnten stehen geblieben zu sein scheinen. Vielmehr könnte sich so manches, was man dort zu Gesicht bekommt, durchaus auch in Europa oder Nordamerika vorstellen. Man sieht Monterrey absolut an, dass es nicht unbedingt zu den ärmsten Gebieten des Landes zählt. Ganz im Gegenteil wird herunter gebrochen auf die Einwohnerzahl im Schnitt nirgendwo in Mexiko mehr Geld verdient.

Gerade rund um die "Gran Plaza", die ihren Namen angesichts einer Länge von rund einem Kilometer und einer Gesamtfläche von mehr als vierzig Hektar vollkommen zurecht trägt, konzentrieren etliche architektonisch wirklich interessante Repräsentationsgebäude. Entlang fast der gesamten Ostseite des lang gestreckten Platzes ziehen sich die Neubauten kultureller Einrichtungen.

Den Anfang machen das "Museo de Historia Mexicana" und das "Museo del Noreste", das eben nicht nur Ausstellungen über den mexikanischen Nordosten zeigt sondern auch im Nordosten des Platzes zu finden ist. Auch die Staatsbibliothek und das "Teatro de la Ciudad" grenzen direkt an die in diesem Bereich mit Hilfe von Betonstelzen über das Straßenniveau angehobene Plaza. Fußgänger und Autofahrer können sich dadurch weitgehend aus dem Weg gehen.

"Teatro de la Ciudad" und "Palacio de Justicia" sind zwei der modernen Gebäude rund um den "Großen Platz"

Die Westfront des Geländes ist mit dem "Tribunal Superior de Justicia" und dem "Congreso del Estado" weniger von kulturellen als vielmehr von politischen Institutionen belegt. Doch auch der - ebenfalls noch ziemlich neue - Komplex mit dem obersten Gericht und dem Parlament des Bundesstaates Nuevo León bietet dank seiner einfallsreichen Konstruktion dem Fotografen ziemlich viele unterschiedliche Perspektiven.

Am anderen Ende der "Gran Plaza", die in ihren südlichen Teil durch um sie herum und sogar über sie hinweg verlaufende Straßen dann weitaus stärker dem Verkehr ausgesetzt ist, findet die "Kulturseite" im "Museo de Arte Contemporáneo de Monterrey" ihren Abschluss. Daneben riegelt der "Palacio Municipal de Monterrey" den Platz in der Mitte nach Süden ab. Mit viel Beton und wenig Fenstern wirkt der Bau trotz durchaus interessanter Konstruktion jedoch von außen nicht gerade einladend.

Das Gegenstück an der einen Kilometer entfernten Nordfront bildet als eine Art Kontrastprogramm der um die vorletzte Jahrhundertwende errichtete "Palacio de Gobierno", in den inzwischen ebenfalls ein Museum eingezogen ist. Auch der noch etwas ältere Stadtpalast, der das "Museo Metropolitano de Monterrey" beherbergt, und die "Catedral Metropolitana de Monterrey" fallen in dieser Umgebung etwas aus dem Rahmen.

Angesichts der recht bescheidenen Größe und mit den beiden völlig verschiedenen Türmen könnte man das Gotteshaus jedoch eher für die Pfarrkirche eines mexikanischen Landstädtchens und nicht für den Bischofssitz eines der größten Erzbistümer Mexikos halten. Allerdings zählte Monterrey, als die Kathedrale Ende des achtzehnten Jahrhunderts erbaut wurde, auch kaum mehr als einige tausend Einwohner und war eher eine unbedeutende Stadt in einer wenig besiedelten Region.

Die vor der "Catedral" aufgebaute Krippe mit fast lebensgroßen Figuren verstärkt die wegen des Wetters ohnehin schon irgendwie im Hinterkopf vorhandene Vorweihnachtsstimmung nur noch zusätzlich. Auch sonst begegnet man natürlich ziemlich häufig Adventsschmuck, selbst wenn er sich auf der Gran Plaza hauptsächlich auf die um diese Jahreszeit in Mexiko wirklich allgegenwärtigen Weihnachtssterne - gemeint ist die auch hierzulande bekannte rotblättrige Pflanze - beschränkt.

Zwischen vielen modernen Gebäuden entdeckt man auch das eine oder andere alte Bauwerk wie die kleine, zur Vorweihnachtszeit mit einer Krippe geschmückte Kathedrale oder das "Gran Hotel Ancira"

In Ermangelung von echten Tannen im - obwohl das Wetter an diesem Wochenende auf etwas ganz anderes hinzudeuten scheint - eher warmen bis heißen Klima Monterreys hat man zum Beispiel vor dem historischen Museum sogar einen viele Meter hohen Christbaum mit Weihnachtssternen zusammen gesetzt. "Flor de Noche Buena" oder einfach nur "Nochebuena" - also "heilige Nacht" - wird der ursprünglich tatsächlich aus Mittelamerika stammende Strauch in Mexiko genannt.

In der am "Großen Platz" beginnenden Fußgängerzone ist noch deutlich mehr vom nur gut zwei Wochen später anstehenden Fest zu bemerken. Ein Geschäft reiht sich dort nämlich ans andere. Und auch die Mexikaner sind am zweiten Adventwochenende eifrig damit beschäftigt Geschenke zu besorgen. Es wimmelt nur so von Menschen, die wenig von der ansonsten so üblichen mexikanischen Gelassenheit verspüren lassen.

Angesichts der äußeren Umstände trägt man auf der Jagd nach Präsenten nicht nur dicke Jacken sondern zudem oft auch noch Handschuhe und Wollmütze. Es lässt sich unter all diesen Voraussetzungen irgendwie kaum vermeiden, dass man sich als Europäer an die heimische Vorweihnachtszeit erinnert fühlt. Ganz unwillkürlich blitzt in diesem Moment der Gedanke "deswegen hätte man eigentlich nicht so weit fliegen müssen" auf.

Natürlich ist die Atmosphäre bei genauerem Hinsehen dann doch ein wenig anders. Wer Augen und Ohren offen hält, kann beim Schlendern durch die Gassen eine Vielzahl neuer und unbekannter Details aufsaugen. Und auch der Marathon wird am nächsten Morgen trotz des eher trüben Wetters etliche Eindrücke bieten, die man in Europa in dieser Form wohl kaum hätte machen können.

Früh sollte man dafür aufstehen. Denn bereits für sieben Uhr morgens ist der Start angesetzt. Da dieser ebenfalls im Parque Fudidora zu finden ist, man zum Zählen der Hotels im Umfeld des Parks allerdings nicht einmal alle Finger einer Hand braucht, wird die Nacht sogar für die meisten Teilnehmer noch ein bisschen kürzer als ohnehin schon. Schließlich muss man noch ein wenig Zeit einkalkulieren, um rechtzeitig dorthin zu kommen.

Ein minutenlanges kleines Feuerwerk schickt die Marathonis zusätzlich begleitet von Lichtspielen der Scheinwerfer auf ihre zweiundvierzig Kilometer lange Strecke Die beiden deutlich zur Seite gekippten Bürogebäude gehören zum "Instituto Tecnológico y de Estudios Superiores de Monterrey"

Die sonst so vollen, oft regelrecht verstopften Straßen sind zu dieser nachtschlafenden Stunde nahezu komplett leer, die bis in den Abend hinein vor Leben fast überquellende Fußgängerzone ist absolut ausgestorben, als sich die Marathonis auf den Weg machen. Und nicht nur die Uhrzeit sondern auch Temperaturen von nicht einmal fünf Grad sorgen dafür, dass es außer ihnen so gut wie niemanden hinaus ins Freie zieht.

Im Parque Fudidora, wo sich Start und Ziel auf der hinter Cintermex und Arena verlaufenden Hauptallee befinden, bringen etliche Scheinwerfer Licht in die noch längst nicht gewichene Dunkelheit. Erst einige Minuten nachdem die "corredores de maratón" auf die Strecke geschickt worden sind, soll in der Theorie die Sonne aufgehen. In der Praxis lässt sie sich natürlich auch dann nicht blicken. Und der Nebel wird noch einige Zeit für eher schummerige Verhältnisse sorgen.

Zumindest ein wenig vorbereitet auf das ungemütliche Wetter scheinen sich die Organisatoren im Vorfeld zu haben. Denn die Abgabestelle für die Tasche oder den Beutel mit der nicht mehr benötigten Bekleidung befindet sich in einer der im Park verbliebenen und dazu mit viel Glas umgestalteten alten Werkshallen. Dass diese "Nave Lewis" von den meisten Läufern dann auch gleich als Umkleidekabine benutzt wird, war so vielleicht nicht unbedingt vorgesehen, ist aber auch kein wirklich großes Problem.

Ein wenig zu optimieren wären die Abläufe dabei aber schon noch: Denn das Eintüten in einen Plastiksack sowie die anschließende Kennzeichnung jedes einzelnen Stücks erledigen die Helfer vor Ort mit der Hand. Mit vorbereiteten Aufklebern oder Anhängern ginge das selbstverständlich deutlich schneller. Und da natürlich die meisten am liebsten bis ganz zum Schluss warten möchten, bevor sie sich der wärmenden Kleidung entledigen, werden die Warteschlangen vor den ohnehin nicht allzu vielen Tischen eher länger als kürzer.

Als sich die Zeiger langsam immer stärker sieben Uhr nähern, beginnt dann doch ein bisschen Nervosität aufzukommen. Die fast schon notorische Entspanntheit, mit der viele Mexikaner auf jegliche Art von Zeitplänen reagieren, schlägt allerdings auch in diesem Augenblick durch. Verglichen mit der Hektik, die in einer vergleichbaren Situation hierzulande ausbrechen würde, bleibt es in der Halle weitgehend freundlich und ruhig. Eigentlich fällt kein einziges böses Wort.

Die Freiwilligen an den Verpflegungsstellen kümmern sich nicht nur um die Getränkeversorgung sondern auch um Stimmung an der Strecke. Aber auch Zwischendurch die Marschkapelle der Technischen Universität spielt für die Marathonis auf

Und irgendwie schaffen es tatsächlich alle auch noch einigermaßen rechtzeitig bis zur nahen Startaufstellung. Etwas Orientierung im dortigen Getümmel geben die aus der Menge heraus ragenden Fähnchen der Tempomacher, die für Zielzeiten im Viertelstundenabstand ihre Dienste anbieten. Ansonsten wird aber mangels Blockeinteilung nicht weiter überprüft, wer welche Position bezieht.

Mit den obligatorischen Nationalhymne und dem Herunterzählen der letzten Sekunden ist das Startprozedere noch nicht beendet. Denn in dem Moment, in dem sich die ersten Läufer unter dem Gerüst hindurch in Bewegung setzen, beginnen über ihnen die Funken zu sprühen. Ein minutenlanges kleines Feuerwerk schickt die Marathonis zusätzlich begleitet von Lichtspielen der Scheinwerfer auf ihre zweiundvierzig Kilometer lange Strecke.

Einige Meter verläuft diese schnurgerade am Cintermex-Gebäude vorbei nach Süden. Anschließend geht es nach einem Rechtsschwenk zu dessen Haupteingang und durch das Eingangsportal aus dem Parkgelände hinaus auf die Straße, wo man sich erneut gleich wieder rechts hält. Doch nicht einmal hundert Meter später zieht der Kurs nach links in die allererste Querstraße hinein.

Viele der Versorgungsposten haben sich ein eigenes Thema gegeben, sich entsprechend kostümiert, die Straße geschmückt und zum Teil sogar passende Tore zum Durchlaufen gebastelt

Nach nur einem Häuserblock knickt, noch bevor man überhaupt die erste Kilometermarkierung zu Gesicht bekommen hat, der "trayecto" das nächste Mal nach links. Innerhalb kürzester Zeit hat man so die Laufrichtung dann doch wieder umgedreht. Was im ersten Moment nicht unbedingt logisch erscheint, wird ein wenig klarer, als man bald darauf in einen kurzen Tunnel unter dem Park abtaucht und dann auf der Zufahrtsrampe zu einer fast autobahnähnlich ausgebauten Schnellstraße ans Tageslicht kommt.

Der Blick auf die Karte zeigt, dass man beim sofortigen Abbiegen diesen Verkehrsknoten zwar ebenfalls erreicht hätte, allerdings in der Tunnelröhre für die Gegenfahrspur mit einer völlig anderen Anbindung gelandet wäre. Selbst wenn jede einzelne der Zu- und Abfahrten auf beiden Seiten der Unterführung durchaus nachvollziehbar ist, bilden sie in der Summe einen für Uneingeweihte praktisch nicht zu entwirrenden Knäuel.

Es ist bei weitem nicht der einzige Punkt, an dem die Verkehrsführung in Monterrey ziemlich verwirrend daher kommt. Da wimmelt es an vielen Stellen regelrecht von Brücken und Rampen, Ein- und Ausfahrten. Insbesondere auf den Schnellstraßen, von denen die Stadt überall durchzogen wird, muss man oft sogar erst einmal eine völlig andere, häufig entgegengesetzte Richtung einschlagen, um dann mit überaschenden Wenden und Schleifen zum Ziel zu kommen.

Wer nur ein einziges Mal falsch abbiegt, kann sich - selbst wenn man die Orientierung dabei nicht völlig verliert - durch etliche Einbahnstraßenregelungen einen viele Kilometer langen Umweg einhandeln. Ortsunkundige, die mit dem eigenen Auto irgendwohin gelangen wollen, bekommen von Einheimischen deswegen gelegentlich den Rat, bevor man sich endgültig verirrt, im Zweifelsfall besser ein Taxi zum Vorausfahren zu engagieren.

José Alfonso Juarez Reyes, genannt "Poncho" hat sich passend zu einem Marathon im Advent über seine Kappe noch eine rote Zipfelmütze gestülpt Im modernen Stadtviertel "Valle Oriente" ist der Asphalt feucht. Denn zwischendurch mutiert der über Monterrey hängende zähe Nebel auch einmal zu leichtem Nieselregen

Die sich quer durch die Stadt schneidende Piste, auf die das Marathonfeld eingebogen ist, verläuft entlang des Nordufers des "Río Santa Caterina". Trotz des klingenden Namens sollte man sich darunter allerdings keinen Fluss vorstellen, an dem man schön auf und ab promenieren könnte. Vielmehr handelt es sich nur um einen zwar ziemlich breiten, aber meist trocken liegenden Graben, der nur nach einer längeren Niederschlagsperiode überhaupt einmal, dann aber gelegentlich ziemlich viel Wasser führt.

Und da er eben auch noch auf beiden Seiten durch vielbefahrene Ausfallstraßen komplett von der Stadt abgeschnitten wird, hat dieser Rio wenig mit jenen Flüssen zu tun, die man in hiesigen Städten vorfindet. Nur ein kurzes Stück läuft man über die nördliche dieser Pisten auf einer abgesperrten Spur neben dem noch nicht übermäßig fließenden Verkehr, dann biegt die Strecke wieder halbrechts in eine Seitenstraße hinein, die noch einmal einige Meter am Rand des Parks entlang führt.

Bereits auf dem dritten Kilometer gibt es dort zum ersten Mal etwas zu trinken. Und da der Namenssponsor ein Elektrolytgetränkeproduzent ist, muss man sich weder dort noch an den folgenden Versorgungsposten mit Wasser begnügen. Angeblich haben die Organisatoren des Marathons achtzehn dieser Verpflegungsstellen über die Strecke verteilt, so dass der Rhythmus von etwas mehr als zwei Kilometern durchaus passend scheint.

Ob die angegebene Zahl wirklich stimmt, lässt sich allerdings nicht ganz genau feststellen. Denn die Übergänge zwischen den offiziellen und den von Anwohnern, Firmen oder Laufclubs aufgebauten privaten Ständen sind manchmal ziemlich fließend. Auch deren Anfang und Ende verschwimmt gelegentlich, so dass man mit dem Zählen schon einmal durcheinander kommen kann. Doch dürfte der angegebene Wert wohl eher noch die Untergrenze darstellen. Selbst bei ganz anderen Witterungebedingungen als Nebel und Kälte sollte das vollkommen ausreichen.

Praktisch nirgendwo wachsen im Gebiet von Monterrey die Gebäude höher in den weiterhin ziemlich trüben Himmel. Mit dem Begriff "Wolkenkratzer" sind sie an diesem Morgen ziemlich treffend beschrieben

Der Kurs unterquert eine Autobahnbrücke und schwenkt danach augenblicklich in die zu ihr hinauf führende Auffahrt ein. Dort wo man die Schnellstraße erreicht, überspannt eine der für Mexiko an vielspurigen Pisten so typischen hohen Fußgängerbrücken, zu denen keine Treppen sondern in mehrfachem Zickzack angelegten Zugangsrampen hinauf führen. Gerade im oft ziemlich chaotischen Verkehr der großen Städte hätte man sonst praktisch überhaupt keine Chance auf die andere Seite zu gelangen.

Die Autobahn bringt die Läufer zu einer Brücke, auf der sie über den "Río Santa Caterina" hinweg zum Südufer wechseln. Kilometer vier befindet sich schon ein ganzes Stück hinter dem auch in der Vorweihnachtszeit völlig wasserlosen "Fluss". Und während man der Straße dabei weiter folgt, wird unter den Füßen zum ersten Mal ein wirklich längerer Anstieg spürbar. Nicht allzu steil aber konstant zieht das Asphaltband den Hang hinauf. Innerhalb eines Kilometers gewinnt man dabei rund zwanzig Höhenmeter.

Für die Marathonis endet die sich noch einige Kilometer weiter ziehende Gerade an einem Kreisel, hinter dem zwei deutlich zur Seite gekippte Bürogebäude die Blicke auf sich ziehen. Sie gehören zum "Instituto Tecnológico y de Estudios Superiores de Monterrey". Doch nicht nur wegen dieser technischen Universität, die inzwischen mehr als zwei Dutzend Tochtercampuse in ganz Mexiko unterhält und als führend in Lateinamerika gilt, ist Monterrey als Hochschulzentrum bekannt.

Mit der in ihren verschiedenen über den Großraum Monterrey verteilten Standorten insgesamt mehr als hunderttausend Studenten zählenden "Universidad Autónoma de Nuevo León", der "Universidad de Monterrey" sowie der "Universidad Regiomontana" gibt es schließlich noch drei weitere große und traditionsreiche Lehranstalten in der Stadt. Und mehrere kleinere spezialiserte Hochschulen und Akademien kommen noch dazu.

Innerhalb kürzester Zeit hat man einen Dreiviertelkreis geschlagen und läuft unter der Unterführung durch, die man gerade noch überquert hatte. Auf eine Bob- und Rodelbahn würde man einen solchen Abschnitt wohl als "Kreisel" bezeichnen

Eine Dreiviertelrunde um den Kreisverkehr lässt die Marathonstrecke in das Universitätsgelände eintauchen. Da die Durchgangsspuren unter der "rotonda" abgesenkt sind, kommt man dabei dennoch dem geradeaus weiter fließenden Verkehr nicht in die Quere, mit denen man sich den Asphalt zuvor teilen musste. Auf vielen Abschnitten des Kurses haben die Läufer die Straße nämlich nicht für sich alleine. Relativ oft ist man - wie auch in diesem Falle - direkt neben rollenden Autos auf der rechten Seite der Fahrbahn unterwegs.

Die Seitenstraße, in die man nun abgebogen ist, gehört an diesem trüben Morgen jedoch komplett den Marathonis. Nach der Passage einiger weiterer Hochschulbauten, die aber weit wenige spektakulär ausfallen als die beiden schiefen Türme des "Centro de Tecnología Avanzada" wartet hinter der nächsten Kurve das "Estadio Tecnológico" auf sie, die vierzigtausend Zuschauer fassende Sportarena der Technischen Universität.

Während der Fußball-Weltmeisterschaft 1986 wurden dort einige Vorrundenspiele ausgetragen. Die beiden Begegnung der deutschen Kicker fanden jedoch im noch etwas größeren "Estadio Universitário" der "Freien Universität von Neu-León" statt, dass man einige Kilometer nördlich des Stadtzentrums findet. Wobei die "Hölle von Monterrey" streng genommen "Hölle von San Nicolás de los Garza" heißen müsste. Denn das Stadion liegt auf dem Territorium dieses "municipio", der
zwar mit Monterrey komplett verwachsen, aber eben administrativ selbstständig ist.

Bei der Benennung der beiden Arenen lässt sich sehr schön ein Charakteristikum der spanischen Sprache erkennen. Denn am Wortanfang wird man keine "st" oder "sp" finden können. Vielmehr wird in solchen Fällen stets ein "e" davor gesetzt. Die Sportanlage, die in anderen europäischen Sprachen "stadium", "stade" oder "stadio" heißt, wird deswegen zum "estadio". Und der Bahnhof wird nicht "station", "stazione oder "stasjon" genannt sondern "estación".

Hinter der Brücke werden der ungewöhnlich geformten "Torre Helicón" mit seinen mehr als hundertfünfzig Metern und die zwar etwas niedrigeren, aber architektonisch genauso interessanten Gebäuden der "EGADE Business School" passiert

Die Zuschauer, die in Monterrey zwar nicht überall, aber doch an vielen Stellen neben der Marathonstrecke stehen sind "espectadores". Und wenn man man in den Statistiken des Rennens etwas nachlesen will, wühlt man in "estadísticas". Die wohl bekanntesten Beispiele für diese Besonderheit sind allerdings der Name der Sprache und des Landes selbst. Schließlich lauten die im Original "Español" und "España".

So lässt sich für eine ganze Reihe von mit diesern Doppelkonsonanten beginnenden Wörter die Übersetzungen eigenlich recht poblemlos erraten. Wenn man ein "e" davor setzt und eine spanisch klingende Endung ergänzt, liegt man häufig richtig. Bei "Start" funktioniert das Spielchen allerdings leider nicht. Mit einem eigentlich ganz gut klingenden "estarte" käme man nicht weiter. Vielmehr heißt es im Spanischen "Salida". Und da dies gleichzeitig auch "Ausgang" bedeutet, steht also auf dem Transparent am Startgerüst also nichts anderes wie über einer Flugzeugtür.

In beiden großen Arenen von Monterrey spielt man Erstligafußball. Denn sowohl der im Estadio Tecnológico antretende "Club de Fútbol Monterrey" als auch die im Estadio Universitário auflaufenden "UANL Tigres" sind in der höchsten mexikanischen Klasse "Liga MX" vertreten. Genau wie in vielen lateinamerikanischen Staaten stehen in dieser übrigens in einem für Europäer eher unverständlichen System jedes Jahr zwei komplett voneinander getrennte Halbrunden - der "Apertura" und der "Clausura" - mit jeweils eigenen Meistern an.

Doch werden die Arenen zudem auch bei Spielen im American Football gut gefüllt. Bezüglich der Popularität man hinter Fußball, Baseball und Basketball unter den Ballspielen immerhin Rang vier ein. Nicht nur die Sportart hat man dabei in Mexico vom nördlichen Nachbarn übernommen sondern auch das Organisationssystem. Denn statt Sportvereinen oder Profimannschaften treten Universitätsteams gegeneinander an.

Hinter der "EGADE Business School" erreicht man … … das Hochhauspaar "Torre Avalanz" und "Torre Comercial América" Doch auch bei praktisch allen anderen Gebäude des Gebietes handelt es sich um Neubauten mit moderner Architektur

Und ebenfalls entsprechend dem amerikanischen Vorbild gibt ein verwirrendes Nebeneinander mehrerer verschiedenener "conferencias", aber keine gemeinsame landesweite Meisterschaft. Die "Autènticos Tigres" der UANL und die "Borregos Salvajes" des Instituto Tecnológico sind deswegen seit einigen Jahren in unterschiedlichen Ligen aktiv. Doch treffen sich die "wahren Tiger" und die "wilden Widder" natürlich trotzdem gerne zum Lokalderby.

An einer Ecke gegenüber des Stadions spielt die Marschkapelle der Borregos für die dort abbiegenden und eine zweite Seite der Arena in Augenschein nehmenden Marathonis. Doch sollte man sich weder von den umliegenden Gebäuden noch von der flotten Musik so sehr ablenken lassen, dass den Blick gar zu lange herum schweift. Man richtet besser immer wieder einmal die Augen auf den Boden.

Denn der mexikanische Asphalt ist bei Weitem nicht immer der Allerbeste. Da gibt es zuhauf Schlaglöcher oder Rillen, die im Zweifelsfall ziemlich unangenehm für die Füße werden könnten. Und bei Kanaldeckeln sollte man stets sowohl mit einer höher angehobenen als auch einer tiefer abgesenkten Variante rechnen. Jedenfalls müssen Verkehrswege, die hierzulande längst in der Kategorie "sanierungsbedürftig", landen würden, in Mexiko noch etliche Jahre bis zur nächsten Renovierung durchhalten.

Die Strecke schlägt noch zwei weitere Haken in eher kleineren Straßen, bevor sie an einem deutlich über die ansonsten eher niedrige Bebauung aufragenden Bürogebäude wieder auf eine der breiten Achsen einschwenkt, auf der sie drei volle Kilometer verweileln wird. Kurz vor dem Abbiegen verteilen Helfer an der dritten Verpflegungsstelle die in Mexiko fast obligatorischen Plastikbeutelchen mit eingeschweißtem Wasser.

Ein wenig überdimensioniert sind die Kaffeebohnen am Fuße des "Torre Avalanz"

Angesichts der weiterhin ziemlich frischen Temperaturen finden diese allerdings nicht gerade reißenden Absatz. Da haben die Freiwilligen durchaus ein wenig mehr Zeit um Stimmung zu machen, denn auch dafür sind sie zuständig. Viele der Versorgungsposten haben sich ein eigenes Thema gegeben, sich entsprechend kostümiert, die Straße geschmückt und zum Teil sogar passende Tore zum Durchlaufen gebastelt.

An dieser Ecke nach sieben absolvierten Kilometer spannt sich ein Luftballonbogen in den Landesfarben über die Marathonis. Und die Flüssigkeitspäckcken verteilen Männer mit Sombrero und Frauen, die Tücher oder Decken in einheimischen Mustern umgeworfen haben. Anderswo wird man von Comic-Helden wie Superman und Batman oder Hippies in knallbunten Klamotten empfangen.

Die kreativ gestalteten Versorgungsposten gehören zu den interessantesten Auflockerungen eines Kurses, der immer wieder einmal über lange Geraden und breite Verkehrsachsen geführt wird. Wie so oft bei schnell in die Fläche gewachsenen Städten haben sich an ihnen hauptsächlich Schnellrestaurants, Supermärkte, Läden, Tankstellen und kleine Gewerbebetriebe angesiedelt, die dem Ganzen ein eher gesichtsloses Aussehen verleihen.

Ansonsten sind es hautsächlich einige Brücken und Rampen, mit denen ähnlich große Seitenstraßen für den Durchgangsverkehr weitgehend kreuzungfrei eingefädelt werden, die ab und zu für etwas Abwechslung sorgen. Als die "avenida Revolución" bei Kilometer zehn wieder verlässt, erst rechts und nach einem Häusebock gleich wieder links abbiegt, ist dies hauptsächlich auch den sich durch diese Bauten ergebenden Möglichkeiten geschuldet.

Schon die prunkvollen Zufahrten lassen vermuten, dass die Hotels im Valle Oriente nicht zu den preiswertesten gehören Kurz hinter einer Verpflegungsstelle, deren Helfer sich das Flower-Power-Zeitalter als Thema gewählt haben, verlassen die Läufer die Allee "Calzada del Valle"

Man wäre nämlich auch ohne den kurzen Schlenker wenig später auf die Schnellstraße getroffen, auf die man nun eigebogen ist. Doch durch eine entsprechende Brückenkonstruktion können die Marathonis erneut erst unter ihr hindurch schlüpfen und sie dann, ohne Kreuzen zu müssen, gleich auf der rechten Seite betreten, wo wieder eine eigene Spur für das Läuferfeld reserviert ist. Übrigens hat man diese Stadtautobahn schon einmal unter den Füßen gehabt. Ein Stück weiter nördlich war sie nämlich die Verbindung vom Zentrum zur Technischen Hochschule.

Zwei weitere Kilometer orientiert sich der "trayecto" des Marathon an dem immer weiter aus der Stadt hinaus führenden breiten Asphaltband. Und gewinnt, nachdem es zwischenzeitlich einmal flacher geworden war und sogar gelegentlich etwas bergab ging, dabei auch wieder leicht, aber stetig an Höhe. Etwa die Hälfte des Gesamtanstieges bis zum höchsten Punkt ist inzwischen bewältigt. Und auch das Gelände zu beiden Seiten der Strecke wird erkennbar hügliger.

Vom "Cerro de la Silla", auf den man eigentlich zulaufen müsste, ist aber wegen des Nebel nicht das Geringste zu sehen. Der "Sattelberg" ist mit seinen 1820 Metern zwar keineswegs die höchste Erhebung rund um Monterrey. Doch wegen seiner isolierten und markanten - weil das Zentrum fast direkt überragenden - Position ist er trotzdem eindeutig der Hausberg der Stadt. Seinen Namen hat er aufgrund der unverwechselbaren Form, bei der die zwei am höchsten aufragenden Felsspitzen an die beiden Hörner eines mexikanischen Sattels erinnern.

Praktisch exakt am Fuße des "Pico Sur", der als südlichere der Felsen den hinteren Sattelteil bildet, dreht der Kurs hinter einer Verpflegungsstelle, an der nicht nur Wasserbeutel, Becher mit Elektrolytgetränken und Orangen sondern auch gelbe Luftballons an die Läufer verteilt werden, scharf nach rechts. Die Schnellstraße, in die man einbiegt, übertrifft alle ihrer bisher belaufenen Schwestern hinsichtlich der Ausdehnung noch einmal.

Mehr als hundertdreißig Meter ragt der Pylon des "Puente de la Unidad" auf, an dem man wieder das Ufer des meist ausgetrockneten "Río Santa Caterina" erreicht

Denn neben den sechs bis acht Durchgangfahrbahnen, die zudem in der Mitte von einem breiten Grünstreifen getrennt werden, gibt es auf der rechten Seite fast überall auch noch eine Spur für den lokalen Verkehr, von der die Zufahrten zu Parkplätzen und schmalere Seitengassen abzweigen. Ziemlich schnell wechseln die Marathonis auf sie hinüber. Und auch in der Folgezeit wird man sie auf dieser fast endlos wirkenden langen Geraden noch einige weitere Male nutzen.

Selbst wenn nebenan weiterhin der Verkehr fließt, ist man so relativ häufig von ihm nicht nur durch Pylonen sondern eben mit durchgehenden Verkehrsinseln getrennt. Warum man sich dabei intuitiv wohler fühlt, macht etwas später ein am Rand auf dem Dach liegendes und ziemlich verbeultes Auto klar, das wohl noch von einem nächtlichen Unfall übrig geblieben ist. Wobei allerdings auch erwähnt werden soll, dass die sonst nicht gerade durch einen defensiven Fahrstil auffallenden Mexikaner gegenüber den Marathonis ziemlich rücksichtsvoll sind.

Wenn man dann doch einmal auf die Hauptfahrbahn ausweichen muss, wird es selbstverständlich trotzdem unangenehmer - und das gleich in doppelter Hinsicht. Man ist dadurch nämlich nicht nur weitaus dichter an den Fahrzeugen dran. Weil für den Verkehr deswegen oft auch eine Spur fehlt, kommt es immer wieder einmal zu kleineren Staus, die natürlich nicht unbedingt für gute Luft im Umfeld der "corredores de maratón" sorgen.

In regelmäßigen Abständen strecken sich Schilderbrücken über die Fahrbahn und geben den Autofahren, auf die insbesondere in der zweiten Hälfte des auf der Schnellstraße absolvierten Streckenteils erneut einige verwirrende Kombinationen von Rampen-, Über- und Unterführungen warten, ein bisschen Orientierung über die grobe Richtung und die jeweils anstehenden nächsten Ausfahrten. Dass allerdings auch ohne jedes Abbiegen regelmäßig andere Städtenamen auf den Tafeln auftauchen, sorgt gelegentlich durchaus für ein wenig Konfusion.

Vor einer mit Weihnachtssternen verzierten und von Helfern mit Nikolausmützen besetzten Verpflegungsstelle wechselt man auf die Linke Seite der rechten Fahrbahn … … um noch weiter nach links an den Rand des wasserlosen Flussbettes zu kommen, nutzen die Marathonis später die Brückenrampen eines der für Monterrey so typischen Spaghetti-Knoten

Und nicht nur innerstädtisch, wo es angesichts der vielen verschiedenen Vororte ringsherum sogar noch verständlich wäre, wechseln die angezeigten Ziele immer wieder einmal. Auch bei Überlandfahrten verschwindet schon einmal eine Stadt, um dann auf dem nächsten Schild doch wieder aufzutauchen. Wenn man sich dann nur die wichtigsten Zwischenstopps auf der Reiseroute eingeprägt hat, kann da durchaus schon einmal die Angst aufkommen, falsch abgebogen zu sein oder irgendwo einen Abzweig verpasst zu haben.

Ohnehin ist die Beschilderung in Mexiko durchaus interessant. Denn selbst dort, wo es auf Landstraßen oder Autobahnen im Umkreis von vielen Kilometern weder Kreuzungen noch Kurven oder Gefahrenstellen gibt, hat man neben der Straße eine Menge zu lesen. Und gleichzeitig kann man dabei noch ein wenig das eigene Spanisch verbessern, indem man versucht all die vielen verschiedenen Ermahnungen auch zu verstehen.

"Utilice el cinturón de seguro" steht da zum Beispiel immer wieder, was sich mit ein bisschen Überlegen als sie Aufforderung, den Sicherheitsgurt zu benutzen, entschlüsseln lässt. "Respete los límites de velocidad" sollte zwar eigentlich nicht unbedingt ständig wiederholt werden müssen, doch auch hierzulande werden ja Geschwindigkeitslimits nicht immer respektiert. Und in Mexiko hält man ebenfalls oft eher wenig von ihnen.

Auch "Guarde su distancia" lässt sich noch verstehen. Das ist sicher nicht der schlechteste Rat. Denn bei mexikanischen Autos sollte man sich weder auf die Funktionsfähigkeit von Blinkern - wenn sie denn überhaupt eingesetzt werden - noch von Bremslichtern hundertprozentig verlassen. Bei "No tire basura" tut man sich mit der Deutung schon wesentlich schwerer. Gemeint ist, dass man keinen Müll wegwerfen soll - ein Vorschlag, der angesichts des Zustandes vieler Straßenränder auf ziemlich taube Ohren stößt.

Und neben den weiterhin farbenfroh geschmückten Versorgungsposten haben auch einige Zuschauer ziemlich kreative Ideen. Ein Pappschild verspricht zum Beispiel, dass man seine Energie wieder aufladen könne, wenn man nur den aufgemalten Knopf drückt

Fast schon amüsant ist die Aufschrift "No maltrate las señales", bei der man mit einiger Phantasie eine Ähnlichkeit zwischen "señales" und dem deutschen "Signal" erkennen kann. Und unter Hervorholen des im aktiven Wortschatz weitgehend ungebräuchlichen Verbes "malträtieren", ergibt sich sinngemäß ein "Beschädigen Sie nicht die Schilder". Mexikanische Autofahrer scheinen in bestimmten Fällen also ziemlich rabiat vorzugehen.

Endgültig ins Philosophische gleitet dann jedoch "Obedezca las señales" ab. Denn für diese Aufschrift lautet die Übersetzung "Beachten Sie die Schilder". Mit reiner Logik ist diesem Text eigentlich nicht mehr beizukommen. Denn wer die Schilder sowieso nicht beachtet, wird es wohl mit diesem ebenso wenig tun und deswegen auch alle weiteren ignorieren. Im umgekehrten Fall könnte man es sich die Aufschrift selbstverständlich ebenfalls sparen.

Ungewöhnlich sind in Mexiko dazu oft auch die Entfernungsangaben. Denn da kann es durchaus einmal passieren, dass obwohl man seit der letzten Anzeige am Straßenrand etliche Kilometer zurück gelegt - und wohlgemerkt auch auf der absolut richtigen Strecke die richtige Richtung eingeschlagen - hat, die nächste Tafel plötzlich wieder eine größere statt einer kleineren Zahl als noch fehlende Distanz zur gewünschten Stadt angibt.

Wenn man mit dem Autos unterwegs ist, kann das zwar gelegentlich schon ein wenig nerven, bildet aber kein wirkliches Problem. Doch man stelle sich vor, dass bei einem Marathon zwei oder drei Kilometer nach der Tafel mit der "35" plötzlich wieder eine "30" am Straßenrand stehen würde. Über die Markierung des Marathonkurses gibt es in Monterrey aber nicht das Geringste zu Meckern. Jeder Kilometer ist einzeln und deutlich angezeigt. Und die Abstände zwischen ihnen sind auch absolut plausibel.

Die lang gezogene Passage entlang des Flussgrabens hat in regelmäßigen Abständen noch einige zusätzliche Höhenmeter durch die wie üblich ziemlich verwirrenden Auf- und Abfahrtskombinationen von Brücken zu bieten

Der achtzehnte von ihnen findet sich gegenüber eines sich links der Läufer über eine größere Fläche erstreckenden Einkaufszentrums. Es gehört zu einem Viertel namens "Valle Oriente", in dem sich etliche Neubauten nicht nur in die Breite sondern oft auch in die Höhe ausdehnen. Abgesehen vom "Torre Ciudadana" in der Nähe des Starts wachsen nirgendwo im Gebiet von Monterrey die Gebäude höher in den weiterhin ziemlich trüben Himmel. Mit dem Begriff "Wolkenkratzer" sind sie an diesem Morgen ziemlich treffend beschrieben.

Wobei man sich streng genommen gar nicht mehr in Monterrey befindet, zumindest nicht in dem "municipio" gleichen Namens. Denn irgendwo auf der Gerade ist man ohne es zu bemerken auf das Gebiet von San Pedro Garza García hinüber gewechselt. Neben der Gemeinde, von der die "geographische Stadt", also das zusammenhängend bebaute Gebiet den Namen übernommen hat, gehören schließlich noch mehr als ein halbes Dutzend weiterer administrativer Einheiten untrennbar zur Metropole.

Die Grenzen erscheinen dabei oft eher willkürlich gezogen. Eigentlich ist die Bebauung rund um den Stadtkern in alle Richtungen gewachsen und erstreckt sich recht gleichmäßig über die ebenen Teile des Geländes. Abgesehene von den Siedlungsbändern, die sich wie die Arme eines Kraken zwischen den einzelnen Bergketten die schon erwähnten Täler hinauf ziehen, ergibt sich so eine eher runde Struktur.

Der "municipio" Monterrey ist dagegen eher ein schmaler, praktisch nirgendwo mehr als ein halbes Dutzend Kilometer breiter, aber fast vierzig Kilometer langer Streifen, der sich diagonal von Nordwest nach Südost zieht. Zu San Pedro Garza García lässt sich immerhin ein relativ steiler und deswegen auch weitgehend unbebauter Höhenrücken als eindeutige geographische Abgrenzung festlegen.

Die Strecke macht einen Bogen um das Stadtzentrum, denn dort findet am Mittag nämlich eine große Adventparade statt, deren Aufstellung man im Vorbeilaufen am Ufer gegenüber beobachten kann

Diesen kann man - da die umliegende Gegend nur um etwa zweihundert Meter überragend - auf der rechten Seite sogar ganz gut erahnen. Sein Name "Cerro de la Loma Larga" ist übrigens bei genauerer Betrachtung ein wenig seltsam, denn sowohl "cerro" als auch "loma" lässt sich als "Bergrücken" interpretieren, so dass im Deutschen ungefähr ein "Berg des langen Gebirgskammes" heraus käme.

Vom weitaus höheren "Cerro el Mirador", der im Süden dem weiteren Wachstum der Stadt eine natürliches Limit setzt, sind dagegen nur die untersten Hänge erkennbar. Dieser vierzehnhundert Meter hohe "Aussichtspunktberg" trägt seine Bezeichnung bei schönerem Wetter durchaus zu Recht. Schließlich bietet sich von ihm ein Blick über die gesamte der Stadt unten im Tal sowie hinüber zu "Cerro de la Silla".

Während "Cerro el Mirador" trotz relativ schmaler Form mit klar erkennbarer Kammlinie noch als einzelner Gipfel eindeutig zu definieren ist, baut sich einige Kilometer weiter südlich auf mehr als zwanzig Kilometern Länge eine praktisch durchgehende Wand auf, an der angesichts von Hangneigungen zwischen fünfzig und hundert Prozent jeder weitere Ausdehnungsversuch von Monterrey in dieser Richtung einfach abprallen muss. Wohl nur wenige Metropolen dieser Größenordnung dürften eine ähnlich scharfe Trennlinie zu fast unberührter Natur haben.

Nach mehr als sechs Kilometern, die abgesehen von dem einen oder anderen Spurwechsel immer geradeaus geführt hatten, zieht die Marathonstrecke im "Valle Oriente" nun nach rechts in eine Seitenstraße hinein. Doch dreht sie auf der nach der berühmtesten mexikanischen Malerin benannten "Avenida Frida Kahlo" zwischen einigen gerade erst errichteten oder sogar noch im Bau befindlichen Glaspalästen in einem Bogen weiter nach rechts, so dass man wenig später bereits um hundertachtzig Grad gewendet hat.

Auf dem siebenunddreißigsten Kilometer läuft man entlang des "Canal de Santa Lucia" in den Parque Fudidora hinein

An der nächsten Kreuzung, geht es direkt neben dem Schild mit der "19" dann allerdings noch ein weiteres Mal rechts ab. Innerhalb kürzester Zeit ist damit ein Dreiviertelkreis geschlagen und oberhalb der Unterführung, auf die man nun zustrebt, sind Läufer zu erkennen. Sie gehören nicht überraschend ebenfalls zum Marathonfeld. Denn vor einigen hundert Metern hatte man sich selbst noch dort befunden. Auf eine Bob- und Rodelbahn würde man einen solchen Abschnitt wohl als "Kreisel" bezeichnen.

Mit Schwung geht es also wieder einmal eine dieser längst bekannten Rampen hinunter und auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinauf. Doch auch nachdem man das Ausgangsniveau erreicht hat, muss man noch ein wenig weiter klettern. Denn die Straße strebt auch jenseits der gerade unterlaufenen Brücke noch ein ganzes Stück den Hang hinauf den Ausläufern der Sierra Madre und dem höchsten Punkt der Strecke entgegen.

Vorbei am ungewöhnlich geformten "Torre Helicón", der mit seinen mehr als hundertfünfzig Metern unter den ersten fünf der lokalen Rangliste zu finden ist, führt die Straße. Und direkt danach passiert man die zwar etwas niedrigeren, aber architektonisch genauso interessanten Gebäuden - eines von ihnen hat zum Beispiel die Form einer Spirale - der "EGADE Business School". Hinter ihren mit Platten in Braun- und Rottönen verkleideten Mauern verbirgt sich der auf Wirtschafts- und Verwaltungslehre spezialisierte Ableger des "Instituto Tecnológico".

Davor kann man sich wieder einmal mit Getränken versorgen. Aber nicht etwa deswegen ist der Asphalt feucht. Vielmehr war der Nebel zwischendurch auch einmal zu ganz leichten Nieselregen mutiert. Doch die meisten Mexikaner sind angesichts der für sie eher ungewohnten Temperaturen ohnehin ziemlich dick angezogen. Man setzt nicht nur in der überwiegenden Zahl auf lange Ärmel sondern trägt oft auch mehrere Schichten übereinander.

Nach einiger Zeit wechselt die Marathonstrecke auf einer der Brücken um hinüber ans andere Ufer zu schwenken

Und kaum jemand ist zudem ohne Kopfbedeckung unterwegs, wobei natürlich die am Vortag ausgegebenen Schildkappen mit dem Marathonlogo in der Beliebtheitsskala den absoluten Spitzenplatz belegen. Dass es aber durchaus auch ein wenig auffälliger geht, führt José Alfonso Juarez Reyes vor. Denn "Poncho" - so der Spitzname des aus Puerto Vallarta angereisten Mittsechzigers - hat sich über seine Kappe noch eine rote Zipfelmütze gestülpt.

Mit seinem grauen Schnauzbart und den darüber listig blitzenden Augen kann er den in ihm steckenden Filou nicht wirklich verheimlichen. Auf mehrere Jahrzehnte Lauferfahrung kann der inzwischen pensionierte Mediziner zurück blicken. Und neben etlichen Rennen in Mexiko sowie einer Reihe von Teilnahmen im kubanischen Havanna hat er auch auf einige Starts in Europa hinter sich. So stehen unter anderem die Marathons von London und Hamburg in seiner Liste.

Erst wenige Wochen zuvor hatte er zusammen mit einem Schweizer, der nun in Puerto Vallarta lebt und wie Alfonso beim "Club de Atletismo Pegasos" läuft, dessen Heimat besucht und beim Marathon von Luzern an der Startlinie gestanden. Allerdings war er dort nur über die Halbdistanz unterwegs. Denn schon seit einigen Jahren hat der eigentlich immer fröhliche Senior keinen Lauf mehr über die Distanz von zweiundvierzig Kilometern bewältigt.

Nun versucht Alfonso es in Monterrey doch noch einmal. Und ihm die Entscheidung keineswegs erschwert hat die Tatsache, dass er dabei auch gleich Tochter und Schwiegersohn inklusive Enkelkindern besuchen kann, die in der Metropole im Nordosten leben. Die Freude über den Besuch dürfte auf Gegenseitigkeit beruhen. Denn selbst ohne die rote Weihnachtsmann-Mütze gäbe "Poncho-Claus" - wie er sich selbst aufgrund seiner Kostümierung lachend bezeichnet - beinahe das Idealbild des lustigen Opas ab.

Nachdem man in umgekehrter Richtung wieder zurück gelaufen ist, dreht man unweit der Stelle, an der man den "Paseo Santa Lucia" jenseits des Wassergrabens betreten hat, mit dem Durchlaufen eines relativ engen Halbkreises erneut, um diesen Abschnitt der lang gestreckte Grünanlage anschließend gleich noch ein drittes Mal zu durchmessen

Doch sind für seinen Start irgendwie auch die Bekannten aus Deutschland verantwortlich, denen er den Lauf wärmstens - eine angesichts des kühlen Wetter in diesem Moment durchaus widersprüchliche Formulierung - empfohlen hatte und die er schon zum Halbmarathon von Nuevo Vallarta und dem Marathon von Mazatlán begleitet hatte. Bei beiden hatte er selbst sich allerdings auf die jeweils nächstkürzere Strecke beschränkt. In Monterrey bleibt ihm nun mangels angebotener Unterdistanzen tatsächlich einzig und allein der Marathon.

Bis etwa dreißig Kilometer werde er bestimmt einigermaßen gut durchlaufen können, sieht er seinen Trainingsstand halbwegs realistisch. Danach dürfte es aber wohl ziemlich hart werden, schließlich würde er nach mehreren Jahren Pause dabei eigentlich wieder Neuland betreten. Er wird später sogar noch ein Stück weiter kommen als geplant, bevor für ihn dann doch der große Kampf beginnt. Für die letzten sieben Kilometer benötigt er fast eine Stunde. Dann bleiben die Uhren für ihn bei 4:52:58 stehen.

Dass er damit nicht einmal besonders weit in der zweiten Hälfte des Feldes landet, ist selbst unter Berücksichtigung des keineswegs einfachen Kurses aus europäischem Blickwinkel durchaus überraschend. Doch zeigt der Blick in die Ergebnislisten anderer mexikanischer Marathons, dass solche Verteilungen gar nicht so ungewöhnlich sind. Denn praktisch nie schaffen es über fünfzig Prozent aller Teilnehmer unter vier Stunden ins Ziel. Meist ist es sogar gerade einmal ein Drittel des Feldes oder noch weniger.

Was die in der Breite gezeigten Leistungen angeht lassen sich mexikanische Laufveranstaltungen durchaus mit den nicht gerade für ihre Abitioniertheit bekannte Szene des nördlichen Nachbarn USA vergleichen. Hinter der Elite verdichten sich die Felder auch in Mexiko keineswegs sondern dünnen ganz im Gegenteil erst einmal aus. Nicht einmal dreißig Zeiten unter drei Stunden werden jedenfalls in Monterrey am Ende registriert.

Die eigentlich weit weniger als einen Kilometer betragende Strecke kann man so auf rund das Dreifache verlängern, bevor man unter einem riesigen Bogen hindurch in den eigentlichen Park hinein läuft

Frauen sind keine darunter. Denn Silva Yabeth Rocha läuft als Schnellste erst nach 3:06:04 über die Linie im Parque Fudidora. Hauptgrund für die angesichts der Teilnehmerzahl eher schwache Zeit dürfte sein, dass man in der nordmexikanischen Metropole nicht gerade mit hohen Preisgeldern um sich wirft und die Veranstaltung so weder für einheimische noch für internationale Laufprofis wirklich attraktiv erscheint.

Immerhin ergibt sich bei den Damen ein ziemlich spannender Rennverlauf. Denn die Zweitplatzierte Rocio Esmeralda Pulido Guerrera kommt nur eine Minute und eine Sekunde hinter der Ersten im Ziel an. Und bereits als die Uhr 3:07:43 zeigt - also nicht einmal hundert Sekunden nach dem Einlauf der Siegerin - ist das Treppchen vollständig gefüllt. In diesem Moment hat nämlich auch der Chip von Maria Luisa Sanchez Buenrostro die Erfassung auslöst.

Qualittativ ein wenig besser fällt die Siegerzeit bei den Herren aus, wo Jesus Primo Capula Torres immerhin mit 2:31:48 gestoppt wird. Hinter ihm klafft dann bereits ein größere Lücke. Denn Alejandro Osuna Aguilar, der genau wie der Erstplatzierte den größten Teil der Distanz im Alleingang bewältigen muss, benötigt bei seiner 2:38:45 rund sieben Minuten mehr. Und Jose Gregorio Torres Cardenas lässt sich noch über zwei weitere Minuten Zeit, bevor er nach 2:41:05 auf Gesamtrang drei einläuft.

Hinter der - ganz offiziell englisch benannten - "EGADE Business School" schlägt die Strecke einen größeren Haken um einen Grünanlage und gewinnt dabei noch ein bisschen weiter an Höhenmetern, bis am Fuße des Torre Comercial América jene sechshundertdreißig Meter erreicht sind, die die oberste Spitze des Profils darstellen. Auf dem Dach des Bürohochhauses befände man sich dagegen bereits siebenhundertfünfzig Meter über dem Meer. Einige Jahre lang war der Turm das höchste Gebäude der Metropole.

Das Stahlgerüst, das die Laufstrecke überspannt, ist ein Überbleibsel des ehemaligen Stahlwerkes, das sich einst im auf dem Gelände des Parks befand

Danach übernahm der benachbarte, noch vierzig Meter höher aufragende "Torre Avalanz" den Titel des "edificio más alto" Inzwischen ist dieser Auszeichnung aber von San Pedro Garza García zum innenstadtnahen "Torre Ciudadana" weiter gewandert. Allzu lange dürfte er dort aber ebenfalls nicht bleiben. Schließlich sind bereits neue, noch höhere "rascacielos" - wörtlich übersetzt "Himmelskratzer" - im Bau oder in der Planung. Monterrrey ist dank der guten wirtschaftlichen Situation unverkennbar eine Stadt im stetigen Wandel.

Am Avalanz-Turm - Namnesgeber ist das darin residierende Softwareunternehmen - beginnt der Marathonkurs spürbar zu fallen und verliert dabei innerhalb kürzester Zeit rund zwanzig gerade erst erarbeitete Höhenmeter. Vorbei an einem weiteren Einkaufszentrum und mehreren Hotels, die schon mit ihren prunkvollen Zufahrten vermuten lassen, dass sie nicht zu den preiswertesten gehören dürften, landet man am Ende des Gefälles wieder genau an jener Schnellstraße, die man zwei Kilometer zuvor zu diesem kleinen Ausflug verlassen hatte.

Wirklich weiter ist man durch den Schlenker eigentlich gar nicht gekommen. Denn nur wenige Steinwürfe von der Stelle, an der sie das vielspurige Asphaltband verlassen hatten, biegen die Marathonis nach seiner Überquerung nun erneut auf die breite Ausfallstrecke ein. Kurz zuvor haben auch die Messmatten an der Halbmarathonmarke alle Vorbeikommenden registiert. Noch an fünf weiteren Punkten werden Zwischenzeiten genommen, womit man in Monterrey unter Veranstaltungen vergleichbarer Größe fast schon über dem international üblichen Standard liegt.

Sofort nach dem Einschwenken beginnt auch der nächste Anstieg. Und nur wenige hundert Meter später hat ein ein zweites Mal ziemlich genau jene als Maximum genannte Höhe erreicht. Ein Teil des Anstieges ist tatsächlich dem Gelände geschuldet. Der Rest geht auf das Konto einer Rampe mit der man eine Kreuzung überbrückt, an der sich gleich fünf Hauptstraßen in einem - selbst für die Verhältnisse von Monterrey - ziemlich unüberschaubaren Knäuel treffen.

Kurz vor Ende des Rennens schafft es die Sonne dann doch durch die zähe Nebelsuppe

Während die nach einem früheren mexikanischen Präsident benannte "Avenida Lázaro Cárdenas", der man so lange gefolgt war, immer weiter geradeaus ziehen und auf der rechten Seite der "Túnel de la Loma Larga" unter dem Höhenrücken hindurch eine schnelle Verbindung ins Stadtzentrum darstellen würde, schwenkt die Laufstrecke ausgerechnet über die allerhöchste der vielen Ebenen des Verkehrsknotens nach halblinks.

Wirklich verändert hat sich durch das Abbiegen erst einmal kaum etwas. Denn neben einer hauptsächlich gewerblich geprägten Bebauung am Rand wartet die nicht unbedingt schmalere Straße eben auch an einer Unterführung mit einer weiteren der schon hinlänglich bekannten kurzen Rampe auf. Erst als man nach etwa vierundzwanzig absolvierten Kilometern - nun wieder halbrechts - in die "Calzada del Valle" abgedreht hat, tritt ein deutlichen Wandel ein.

Denn diese ist trotz mehrerer Fahrbahnen keineswegs eine breite Ausfallpiste sondern eine baumbestandene Allee mit einer ziemlich groß ausgefallen Grünanlage in der Mitte. Und langsam tauchen auch immer weniger Büro- und Geschäftsgebäude und dafür mehr Wohnhäuser neben der Strecke auf. Die beinahe drei Kilometer, die man nun auf ihr bleiben wird, stellen eigentlich den einzigen Abschnitt des Marathonkurses dar, der längere Zeit durch ein Wohnviertel verläuft, Unverkennbar ist allerdings auch, dass es sich um eines der besseren handelt.

Es mag am veränderten Umfeld liegen oder aber auch an der nun etwas weiter fortgeschritten Uhrzeit, jedenfalls ist die Straße nun deutlich stärker bevölkert. Und natürlich nehmen auch die Anfeuerungen deutlich zu. Neben den auch in Spanien üblichen Zurufen "vamos" oder "venga" - wortwörtlich übersetzt "gehen wir" und "komm" - ist dabei häufig ein fast gesungenes "si se puede" zu hören. Es entspricht ungefähr jenem Satz, mit dem ein hierzulande inzwischen nicht mehr ganz so beliebter US-Präsident einst seine Wahlkampagne bestritten hatte.

Auf dem vorletzten Kilometer wird als ungewöhnlichstes Erlebnis in diesem schon ziemlich ungewöhnlichen Park eine kleine, vorweihnachtlich dekorierte Traglufthalle durchlaufen

Fast völlig eben ist die Passage durch das angebliche "Tal" - nichts anderes bedeutet schließlich "Valle". Dass allerdings erstmals seit längerem sämtliche Berge einen erheblichen Abstand zur Laufstrecke halten, steht dazu in einem seltsamen Widerspruch. Noch immer hat man nicht wirklich an Höhe eingebüßt und bewegt man sich ziemlich genau einhundert Meter oberhalb von Start und Ziel.

Das ändert sich schlagartig, als die Marathonis kurz hinter einer Verpflegungsstelle, deren Helfer sich das Flower-Power-Zeitalter als Thema gewählt zu haben scheinen, die - wenig später ohnehin endende - "Calzada del Valle" nach rechts verlassen. Denn an dieser Ecke hat man den am weitesten von Start und Ziel entferntesten Punkt der Strecke erreicht. Und auf dem nun beginnenden Rückweg geht es erst einmal mit deutlich unter den Füßen spürbarem Gefälle dem "Río Santa Caterina" entgegen.

Ein schmaler, hoher Turm markiert das nächste Zwischenziel. Es handelt sich um den immerhin mehr als hundertdreißig Meter aufragenden Pylon des "Puente de la Unidad", der an dieser Stelle den meist ausgetrockneten Flusslauf überspannt. Die Schrägseilbrücke mit nur einem einzigen, dafür aber erheblich nach hinten geneigten Haltepfeiler gehört nicht nur zu den neuesten Übergängen im Stadtgebiet. Kein anderer ist auch ähnlich markant.

Über die Brücke selbst dürfen die Marathonis jedoch nicht laufen. Direkt am Fuße des Pylons werden sie nach nicht einmal einem Kilometer rechts hinunter auf die Uferstraße geleitet. Während die Calzada del Valle komplett für den Verkehr gesperrt war, muss man nun sowohl auf der Brückenzufahrt als auch nach dem Einschwenken parallel zum Fluss wieder mit nebenan rollenden Autos leben.

Alte Hochöfen und verbliebene Werkshallen werden auf der Runde durch den Park umrundet

Anfangs bleiben die Läufer dabei wie gewohnt auf der rechten Spur. Doch bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wechselt man an einer von Polizei und Ordnern gut gesicherten Kreuzungsstelle nach links hinüber. Erst einmal ist es allerdings nur die linke Seite der abgetrennten rechten Fahrbahn. Um dann endgültig an den Rand des wasserlosen Flussbettes zu kommen, dem sie nun für längere Zeit folgen, werden die Marathonis zwei Kilometer später die Brückenrampen eines der für Monterrey so typischen Spaghetti-Knoten nutzen.

An der ersten Verpflegungsstelle auf der Uferstraße werden die Läufer nicht nur mit orangen Hütchen sondern auch mit einer langen Reihe von Weihnachtssternen von den Autos getrennt. "Maratón de la Navidad" steht nämlich auf dem Torbogen, an dem sie beginnt. Und da auch das Wetter sich noch immer alles andere als freundlich präsentiert, ist spätestens in diesem Moment wieder einmal eine Assoziation zu einem mitteleuropäischen Adventlauf unvermeidbar.

Fast alle wasserreichenden Helfer haben jene rote Zipfelmütze auf dem Kopf, die auch "Poncho-Claus" Alfonso Juarez über die Strecke trägt. Diese hat sich schließlich längst überall in der Welt als ein Symbol für Weihnachten durchgesetzt, selbst wenn sie aufgrund des Wetters im größten Teil ihres Verbreitungsgebietes eigentlich völlig unsinnig ist. Zumindest im Norden Mexikos bekommt man an diesem Morgen allerdings keine Schweißausbrüche, wenn man sie überstülpt.

Obwohl man auch und gerade bei Weihnachtschmuck nahezu überall im Land Reklame für Coca-Cola entdecken kann, ist es übrigens eine ganz nette - allerdings absolut falsche - Legende, dass sie wie genau ihr komplett in rot gekleideter Träger eine reine Erfindung der Marketingabteilung des Konzernes sind. Der Weihnachtsmann - und nicht nur der inzwischen mit ihm irgendwie verschmolzene christliche Heilige namens Nikolaus - lässt sich weitaus früher belegen.

Die Vorweihnachtsstimmung des Adventsmarathons von Monterrey weicht ganz zum Schluss noch einer eher frühlingshaften Atmosphäre

In den verschiedensten Ländern taucht er in etlichen Quellen schon hundert Jahre vor der Gründung des Brauseherstellers in als "Father Christmas", "Père Noël" oder "Papá Noel" auf. Das Lied "Morgen kommt der Weihnachtsmann" wurde zum Beispiel Mitte des neunzehnten Jahrhunderts von genau jenem Hoffmann von Fallersleben getextet, der auch die Verse der deutschen Nationalhymne ersonnen hat. Selbst Beschreibungen eines alten Mann mit rotem Mantel und langem Bart lassen sich in vielen Dokumenten aus jener Zeit finden.

Unstrittig ist allerdings auch, dass die Figur erst durch die jahrzehntelangen Werbekampagnen des Limonaden-Herstellers aus Atlanta weltweite Verbreitung und große Popularität bekam. Und ein enger Zusammenhang zwischen der üblichen Farbe eines Weihnachtsmannkostümes und dem dazu ziemlich ähnlichen Ton des Etiketts auf der leicht bauchigen Flasche besteht durchaus. Dass der Hauptsponsor und Getränkelieferant des Marathons ebenfalls eine Konzernmarke ist, kann man dagegen als reinen Zufall einstufen.

Wenig später wechselt man an einer Felsnase, die den letzen Ausläufer des "Cerro de la Loma Larga" darstellt, nach neunundzwanzig Kilometern wieder auf das Territorium von Monterrey, auf dem es natürlich nicht anders aussieht als zuvor. Und der bis an die Straße heran reichende Hügel ist auch die einzige topologische Besonderheit entlang des Abschnittes am Río Santa Caterina, der nach dem Umkurven des Berges längere Zeit schnurgrade nach Osten führt.

Obwohl die Strecke dabei erneut über eine breite Stadtautobahn verläuft, haben sich ab und zu dennoch relativ viele Zuschauer eingefunden. Und je näher man der Innenstadt kommt, umso öfter kann man deren Anfeuerungen entgegen nehmen. Da man auf den Startnummern neben einer Zahlenkombination zumeist auch den Vornamen des Läufers lesen kann, fällt diese häufig sogar ziemlich persönlich aus.

Durch die vielen Schlenker ist man während der gesamten rund drei Kilometer langen Runde um den Park nie weiter als einen Kilometer vom Ziel entfernt

Als ausländischer Teilnehmer bekommt man sogar den einen oder anderen zusätzlichen positiven Zuruf zu hören. Die Identifikation ist für das Publikum am Straßenrand nicht allzu schwer. Denn ein im Vergleich zum Durchschnittsmexikaner eher hochgewachsener und außerdem noch ziemlich bleicher Mitteleuropäer fällt im Feld natürlich auf. Im Gegensatz zu einigen anderen lateinamerikanischen Staaten ist die Bevölkerung in Mexiko nämlich ziemlich homogen.

Zwischen zwei Drittel und drei Viertel besteht aus spanisch sprechenden Mestizen, die in zu unterschiedlichen Prozentanteilen sowohl Gene der indianischen Urbevölkerung als auch der europäischen Eroberer in sich tragen. Die meisten übrigen sind Indios, die sich hauptsächlich auf den Süden und Osten des Landes konzentrieren. Dabei gibt es durchaus Gebiete, in denen weiterhin nahezu ausschließlich indigene Sprachen wie Náhuatl, Maya oder Mixtekisch benutzt werden.

Mexikaner mit einer rein europäischen Abstammungslinie sind dagegen recht selten, wenn sie sich auch im Norden noch ein wenig häufiger antreffen lassen. Eines der bekanntesten Beispiele ist der frühere Präsident Vicente Fox, dessen Vorfahren aus Deutschland und dem spanischen Baskenland stammen und der mit seinen fast zwei Metern nicht nur seine Landsleute sondern auch viele Politikerkollegen um mehr als einen Kopf überragte. Noch ungewöhnlicher sind in Mexiko afrikanische oder asiatische Bestandteile der Ahnenreihe.

Auch wenn man keineswegs an einem geschlossenen Publikumsspalier vorbei läuft, schwappt vom Straßenrand ziemlich viel Stimmung und Begeisterung ins Marathonfeld hinüber. Das mexikanische Temperament schlägt in solchen Fällen eben durch. Während sich bei Rennen in Europa oder Nordamerika eigentlich nur Kinder abklatschen lassen, strecken in Monterrey auch etliche Erwachsene den Läufern mit viel Euphorie die Hände entgegen.

Am Ende der Rennens lässt sich selbst der unverkennbare "Cerro de la Silla" durch den verbliebenen Dunst am Horizont erahnen

Und neben den weiterhin farbenfroh geschmückten Versorgungsposten haben auch einige Zuschauer ziemlich kreative Ideen, um den Marathonis die lang gezogene Passage entlang des Flussgrabens, die in regelmäßigen Abständen noch einige zusätzliche Höhenmeter durch die wie üblich ziemlich verwirrenden Auf- und Abfahrtskombinationen von Brücken zu bieten hat, etwas zu erleichtern.

Ob allerdings das Pappschild, auf den versprochen wird, dass man seine Energie wieder aufladen könne, wenn man nur den aufgemalten Knopf drückt, wirklich Wirkung zeigt, erscheint mit ein wenig naturwissenschaftlichen Kenntnissen dann doch eher zweifelhaft. Wünschenswert wäre es nach zweiunddreißig Kilometern ganz sicher. Dass tatsächlich so mancher Vorbeikommende die Tafel berührt, hat jedoch trotzdem nichts mit dem in Mexiko durchaus verbreiteten Aberglauben sondern eher mit Spaß an der Freude zu tun.

Viele alte Mythen und Traditionen haben sich auch nach der Einführung des Christentums - über neunzig Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum Katholizismus - gehalten und mit diesem im Volksglauben zu einem bunten Sammelsurium vermischt. So manchem Heiligen werden da durchaus ähnliche Eigenschaften zugeschrieben wie früher einer aztekischen Gottheit. Und insbesondere die "Virgen de Guadalupe", die Schutzpatronin Mexikos genießt im Land höchste Verehrung.

Ziemlich ungewöhnlich erscheint in diesem Zusammenhang vor allem der "Día de los Muertos", der so gar nichts mit einem Tag stiller Trauer zu tun hat, die man hinter dem Namen vermuten würde. Vielmehr handelt es sich um ein mehrtägiges buntes Volksfest, bei dem die aus vorchristlicher Zeit überlieferten, weitaus fröhlicheren Formen des Gedenkens einfach in die katholischen Feiertage Allerheiligen und Allerseelen integriert wurden.

Zum Abschluss muss man noch einmal ein lang gezogenes "S" durchlaufen, bevor man auf die relativ kurze Zielgerade einbiegen darf

Für Fremde sind diese Bräuche im ersten Moment manchmal etwas verstörend. Schaufenster werden um diese Zeit zum Beispiel mit Skeletten geschmückt. Und die Konditoreien bieten "Calaveras de Dulce" an, nachgebildete Schädel aus Zuckerguss, Schokolade oder Marzipan. Auch im restlichen Jahr lässt sich der ungewöhnliche Umgang mit diesen Symbolen beobachten. Vielerorts entdeckt man Wandmalereien, die Skelette in allen möglichen Alltagssituationen zeigen. Und kaum ein Souvenirgeschäft bietet sie nicht zum Verkauf an.

Bevor man einen Arzt aufsucht, befragt man insbesondere in ländlichen Gebieten häufig lieber erst einmal einen Wunderheiler. So manches Zaubermittelchen wird auf den Märkten gehandelt, das durchaus auch einmal gegen bösartige Schwiegermütter helfen kann. Und zur Sicherheit ist kaum ein Auto ist ohne eine am Rückspiegel hängende Engelsfigur unterwegs. Außerdem beachten Mexikaner oft auch die seltsamen Eigenarten der "Duendes" - kleine Kobolde, die sich mit skandinavischen Trollen oder irischen Leprechauns vergleichen lassen.

Man sollte man sich allerdings tunlichst davor hüten, über all diese Dinge zu spotten. Denn in Europa geht schließlich vieles, was wir für vollkommen normal halten, bei genauerer Betrachtung einzig und alleine auf heidnisches Brauchtum zurück. Und die Zahl der Menschen, die sich selbst keineswegs als "abergläubisch" bezeichnen würde, aber trotzdem Horoskope lesen, sich bei Entscheidungen an Mondphasen orientieren oder auf ähnlich esoterische Dinge verlassen, dürfte alles andere als klein sein.

Langsam kommt das Stadtzentrum in Reichweite, was man auch daran erkennt, dass die zuvor einzeln aus dem eher niedrigen Häusermeer am anderen Ufer herausragenden "rascacielos" sich plötzlich zu dichteren Gruppen zusammen finden. Doch die "ruta" des Marathons bleibt auch weiterhin im Süden des Flussbettes und setzt an keiner der passierten Überführungen zu einem Seitenwechsel an.

So richtig will das nicht dazu passen, dass man am Vortag in der Innenstadt Arbeiter beim Abladen von Absperrgittern und dem Aufbauen von mobilen Tribünen beobachten konnte. Doch nachdem man auch die direkt auf die "Gran Plaza" zuführende Brücke hinter sich gelassen hat, ohne einen Versuch zum Übersetzen zu unternehmen, ist auch ohne genauere Beschäftigung mit dem Streckenplan klar, dass man diese während des Rennens wohl nicht mehr zu Gesicht bekommen wird.

Dabei gab es durchaus Austragungen des Marathons, die durch das Stadtzentrum geführt wurden. Doch diesmal hat man davon Abstand genommen. Und wenig später wird auf der jenseits des Flusses gelegenen Straße auch ein Grund dafür präsentiert. Denn dort reihen sich etliche Großfiguren hintereinander. Und abgesehen von einigen Comic-Helden wie Popeye oder einem Schlumpf haben die meisten mit Weihnachten zu tun. Am Mittag wird nämlich eine große Adventparade durch das Zentrums ziehen, die am Ufer gegenüber gerade aufgestellt wird.

Die gut ausgebaute Schleife der "Parkhauptstraße" ist nicht nur für Läufer sondern auch für Radfahrer eines der beliebtesten Trainingsreviere

Und bei diesem für europäische Verhältnisse eher seltsam anmutenden, in Nordamerika aber keineswegs ungewöhnlichen "Desfile Navideño" strömen die Menschen in ähnliche Massen in die Stadt wie hierzulande zu einem Rosenmontagsumzug am Rhein. Von jenen mehreren hunderttausend Zuschauern, die sich laut Pressemeldungen am eigentlich recht kurzen Zugweg drängeln, kann man beim Marathon jedenfalls nur träumen.

An der nächsten Brücke dürfen die "maratonistas" dann aber doch auf die Nordseite hinüber. Zuerst muss man sie dazu aber unterqueren, um anschließend die dahinter liegende Auffahrt hinauf zu laufen. Oben angekommen wird dann auf dem Absatz hart um hundertachtzig Grad gedreht, damit man eine Ebene höher die eben erst gelegte Spur kreuzen kann. Dass sich am Wendepunkt mit ein paar zusätzlichen Metern die Distanz ganz exakt justieren lässt, ist ein positiver Nebeneffekt dieser Streckenführung.

Den "Puente Félix Uresti Gómez", den sie nun unter den Füßen haben, kennen die Läufer schon vom Anfang des Rennens. Denn auch auf dem Hinweg hatte man auf ihr das Flussbett gequert. Benannt sind der Übergang und die auf ihn zuführende Straße nach einem mexikanischen Offizier, der 1916 während der sogenannten "Pancho-Villa-Expedition" in einem Gefecht mit amerikanischen Truppen gefallen war.

Bei dieser letzten offenen kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Mexiko und den USA marschierte General John Pershing mir knapp fünftausend Mann beim südlichen Nachbarn ein, um Francisco "Pancho" Villa habhaft zu werden, der seinerseits mit den Leuten seiner "Division del Norte" einen Überfall auf Camp der US-Army verübt hatte. Irgendwo zwischen Revolutionär und Banditen muss man diesen einordnen. Doch hat er ganz eindeutig die Geschichte des mexikanischen Nordens mit geprägt.

Sowohl damals wie auch heute gilt er in Mexiko als eine Art amerikanischer Robin Hood. Und die Rolle des heimlichen Nationalhelden muss er sich bei der breiten Bevölkerung nur mit dem genau zur gleichen Zeit lebenden und kämpfenden, aber im Gegensatz zu Villa im Süden aktiven Emiliano Zapata teilen. Über das abenteuerliche Leben der beiden gibt es zahlreiche Filme. Durchaus originell ist allerdings, dass Villa sich in einigen halbdokumentarischen Streifen selbst spielen durfte.

Nach den zwei großen Rebellenführern, die zwar gemeinsam den Diktator Huerta vertreiben konnten, aber am Ende kaum politische Erfolge erzielten und beide schließlich ermordet wurden, sind praktisch überall im Land - selbstverständlich auch in Monterrey - Straßen oder Plätze, Schulen und Sportanlagen benannt. Und das eine oder andere Denkmal hat man natürlich ebenfalls für sie aufgestellt.

Weitaus häufiger begegnet man allerdings Monumenten für jene beiden Männer, deren Statuen auch auf der Gran Plaza vor dem "Palacio de Gobierno" stehen. Miguel Hidalgo und Benito Juárez sind zwei weitere bedeutende Heroen der mexikanischen Geschichte, jedoch bei offiziellen Stellen vielleicht doch noch ein wenig beliebter als die Guerilleros Villa und Zapata, auf den sich im Bundesstaat Chiapas zum Beispiel noch immer auch eine linke Befreiungsorganisation beruft.

Der unter dem Siegel des Ironman-Konzerns veranstaltete Mitteldistanztriathlon von Monterrey nutzt für seine Laufrunde ebenfalls diesen Weg

Der Priester Miguel Hidalgo hatte 1810 zum Aufstand gegen die spanische Kolonialherrschaft aufgerufen und war nach kurzen Kämpfen gefangen genommen und hingerichtet worden. Das von ihm gelegte Feuer weitete sich aber in den Jahren danach zum Flächenbrand aus. Und nachdem auch große Teile der eigenen Truppen zu den Rebellen übergelaufen waren, musste das Königreich Spanien 1821 die Unabhängigkeit Mexikos anerkennen.

Benito Juárez, der erste mexikanische Präsident indianischer - genauer gesagt zapotekischer - Abstammung, konnte diese gut vier Jahrzehnte später dann gegen eine französische Intervention bewahren. Nachdem er im Jahr 1861 gewählt worden war, hatte er nämlich die Rückzahlungen von Schulden an Frankreich erst einmal eingestellt und damit Kaiser Napoleon III eine Grund zum militärischen Einmarsch in Mexiko geliefert.

Nach ihrer Landung im Januar 1862 brauchten die Invasoren gegen die sich zäh wehrenden Mexikaner rund eineinhalb Jahre, bevor sie die Hauptstadt Ciudad de México einnehmen und dort eine Marionettenregierung installieren konnten, die Maximilian von Österreich - den jüngeren Bruder des langjährigen Vielvölkereich-Herrschers und Sisi-Ehemannes Franz-Josef - zum Kaiser ausrief. Da man diesem vorgegaukelt hatte, das mexikanische Volk wünsche sich unbedingt einen Habsburger auf dem Thron, nahm dieser das Amt auch an.

Die republikanischen Kräfte unter dem zwar aus der Hauptstadt vertriebenen, aber keineswegs zurück getretenen Juárez setzen jedoch den Eindringlingen und den mit ihnen verbündeten mexikanischen Monarchisten hartnäckigen Widerstand entgegen. In größeren Gefechten waren sie den gut ausgebildeten französischen Einheiten zwar unterlegen. Doch um das gesamte riesige Land zu kontrollieren, reichten einige zehntausend aus Europa mitgebrachte Soldaten natürlich absolut nicht aus.

Die Situation veränderte sich, als mit Ende des amerikanischen Bürgerkriegs die USA sich wieder mit dem südlichen Nachbarn beschäftigen konnten. Neben der Lieferung von - nach dem Sieg der Nordstaaten natürlich reichlich verfügbaren - Waffen an Juárez und seine Männer baute die Regierung in Washington auch immer stärkeren Druck gegen Frankreich auf, das seine Truppen aufgrund eines Ultimatums schließlich abziehen musste. Fünf Jahre nach ihrem Eintreffen schifften sich die letzten Soldaten wieder nach Europa ein.

Der gegen den Rat der französischen Generäle im Lande verbliebene Kaiser Maximilian war ohne diese Einheiten am Ende chancenlos, wurde wenige Monate später gefangen genommen und erschossen. Juárez zog vier Jahre nach seiner Vertreibung erneut in der Hauptstadt ein und setzte die vor der gültige liberale und föderalistische Verfassung wieder in Kraft. Im gleichen Jahr und auch noch einmal 1871 wurde er in seinem Amt wiedergewählt.

Auch weil er in dieser Periode wichtige politische und soziale Reformen voran brachte, gilt Juárez als der vielleicht bedeutendste mexikanische Präsident überhaupt. Es gibt wohl kaum etwas, was nicht irgendwo nach ihm benannt ist. Aus jenem "El Paso del Norte", das zwischenzeitlich als Hauptquartier und Sitz der Exilregierung diente, wurde ihm zu Ehren später sogar sie Millionenmetropole "Ciudad Juárez". Ihre texanische Schwesterstadt El Paso am anderen Ufer des Rio Grande behielt dagegen die alte Bezeichnung.

Außerdem lassen sich auf der mexikanischen Landeskarte noch mehrere weitere "municipios" unterschiedlicher Größe namens "Juárez" oder "Benito Juárez" entdecken. Einer davon ist zum Beispiel ein selbständigen Vorort im Osten der Metropole Monterrey. Über Straßen muss man in dieser Hinsicht natürlich überhaupt nicht reden. Die finden sich alleine im Großraum von Monterrey gleich im halben Dutzend.

Und auch der Flughafen der Hauptstadt México, auf dem praktisch alle Linienmaschinen aus Europa landen, heißt offiziell "Aeropuerto Internacional Benito Juárez". Der mit dem gleichen Nachnamen ausgestattete Alfonso spricht übrigens von "Bonito", wenn er seinen Namensvetter meint, also "dem schönen Juárez". Und beim Blick in das grinsende Gesicht ist keineswegs ganz klar, ob die Frohnatur aus Puerto Vallarta diese Bemerkung nicht mit einer gewissen Selbstironie auch auf sich selbst bezieht.

Auf dem Hinweg hatte man die Brücke kurz hinter Kilometer drei überquert. Nun aber ist gerade erst das Schild mit der "36" passiert. Dass man den Schlussteil auf der nur in Gegenrichtung belaufenen Strecke absolvieren könnte, scheidet damit schon aus rein mathematischen Gründen als Alternative aus. Und tatsächlich biegt der Kurs unter dem nächsten Viadukt, nicht in jene Straße ab, aus der man die "Avenida Félix Uresti Gómez" dreiunddreißig Kilometern zuvor betreten hatte.

Stattdessen geht es über den Randstein hinweg in einen Fußweg hinein - eine in dieser Phase des Rennens für manche schon recht hohe Hürde. Nur einige Schritte später treffen die Läufer allerdings auf ein Hindernis, das selbst in absolut frischer Verfassung keiner von ihnen mit einem Schritt oder Sprung überwinden könnte. Man steht nämlich vor dem "Canal de Santa Lucia", der sich in einer Breite von ein bis zwei Dutzend Meter vom Parque Fudidora bis ins Stadtzentrum zieht, wo er am historischen Museum endet.

Die letzten Meter des Marathons absolviert man genau auf jenem Stück Straße, auf dem man sich am frühen Morgen zum Start versammelt hatte

Der künstlich angelegte Wasserweg folgt dem Lauf eines alten Flüsschens. Doch obwohl er zur früheren Metallfabrik führt, diente er nie zu Transportzwecken. Er ist viel jüngeren Datums und von vorne herein als Freizeiteinrichtung konzipiert. Erst vor wenigen Jahren wurde die Anlage, die eindrucksvoll zeigt, dass es sich bei Monterrey keineswegs um eine arme Stadt handelt, und auch in jeder europäischen Metropole ein Anziehungspunkt wäre, endgültig fertig gestellt.

Entlang beider Ufer kann man über den "Paseo Santa Lucía" kreuzungsfrei - alle Straßen werden zur Querung hoch über oder tief unter Kanal und Promenade entlang geführt - zwischen dem Industriepark und der Gran Plaza hin und her flanieren. Mehrere interessant konstruierte Fußgängerstege ermöglichen den Seitenwechsel. Und immer wieder stößt man entlang der Spazierpfade auch auf kleine und große Skulpturen, Springbrunnen und künstliche Wasserfälle.

Wem der zwei bis drei Kilometer lange Weg zwischen den beiden Endpunkten zu weit ist, der kann ihn auch in einem der Boote zurück legen, die zwischen den Museen und dem Park pendeln. Zur Adventzeit sind natürlich auch diese weihnachtlich geschmückt. Und man sollte auch nicht überrascht sein, wenn aus den entlang des Gewässers aufgestellten Lautsprechern die dazu passende Musik ertönt.

Die Marathonstrecke folgt dem Kanal erst einmal in östlicher Richtung dem Parque Fudidora entgegen. Doch da es auf dem direkten Weg kaum zwei Kilometer bis zum Ziel wären, aber erst die siebenunddreißigste Zwischenmarke am Rand steht, müssen irgendwo noch einige weitere Meter zur Vervollständigung der Marathondistanz herkommen. Und so nutzt man nach einiger Zeit eine der Brücken, um hinüber ans andere Ufer zu schwenken, wo es genau entgegengesetzt wieder zurück geht.

Unweit der Stelle, an der man den Paseo jenseits des Wassergrabens betreten hat, dreht dann man mit dem Durchlaufen eines relativ engen Halbkreises erneut. Und auf einem einige Meter weiter oben am Hang verlaufenden Weg wird dieser Abschnitt der lang gestreckte Grünanlage anschließend gleich noch ein drittes Mal durchmessen. Die eigentlich weit weniger als einen Kilometer betragende Strecke kann man so auf rund das Dreifache verlängern.

Inzwischen, kurz vor Ende des Rennens hat es die Sonne dann doch durch die zähe Nebelsuppe hindurch geschafft. Statt in tristem Grau wie auf dem größten Teil der Distanz präsentiert sich der Himmel nun an vielen Stellen in weit freundlicherem Hellblau. Kälte und Feuchtigkeit werden von angenehmer Wärme abgelöst. Und die Vorweihnachtsstimmung des Adventsmarathons von Monterrey weicht ganz zum Ende einer eher frühlingshaften Atmosphäre. Selbst der unverkennbare "Cerro de la Silla" lässt sich durch den verbliebenen Dunst am Horizont erahnen.

Zeit genug, um sich das markanteste natürliche Wahrzeichen der Stadt einmal von der Laufstrecke zu betrachten, bekommt man noch. Denn zum Abschluss umrundet der "trayecto" den gesamten Parque Fudidora und schlägt dabei noch einige Haken um die verbliebenen Hochöfen und Hallen. Die etwa drei Kilometer lange und gut ausgebaute Schleife der "Parkhauptstraße" ist nicht nur für Läufer sondern auch für Radfahrer eines der beliebtesten Trainingsreviere.

Einige Jahre lang wurde auf ihr mitten zwischen den alten Industrieanlagen sogar Autorennen gefahren. Und der unter dem Siegel des Ironman-Konzerns veranstaltete Mitteldistanztriathlon von Monterrey nutzt für seine Laufrunde neben den Promenaden am Canal de Santa Lucia" ebenfalls diesen Weg. Der Kanal selbst dient bei der gleichen Veranstaltung außerdem auch als noch Schwimmstrecke. Nur zum Radfahren wird der Parque Fudidora verlassen.

Das ungewöhnlichste Erlebnis in diesem durch die integrierten Industrieanlagen ohnehin schon ziemlich ungewöhnlichen Park, ist während des Marathons allerdings die auf dem vorletzten Kilometer quer durchlaufene kleine Traglufthalle. Diese hat nämlich jener schon mehrfach erwähnte rote Zuckerbrause-Hersteller aufgestellt und ihren Innenraum vorweihnachtlich dekoriert. Und beim Foto mit dem Weihnachtsmann, das man darin machen kann, ist deswegen dann auch das farblich passende Logo immer im Bild.

Anderswo im Land lässt sich allerdings durchaus ähnliches beobachten. So mancher auf den Plazas der Stadtzentren stehende große Christbaum - in der Regel handelt es sich dabei keineswegs um eine natürlich gewachsenen Tanne oder Fichte sondern um einen "Árbol de Navidad" aus Plastik - zeigt nämlich irgendwo den typischen Schriftzug. Auch in Mexiko und nicht nur in seinem Herkunftsland hat der Konzern also erheblichen Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung des Weihnachtsfestes.

Nach dem eher wenig bevölkerten Abschnitt am Kanal und im Park kann man zum Abschluss noch einmal den Applaus des Publikums entgegen nehmen

Bei der Umrundung des Lago Fundidora, der trotz seines Namens kaum mehr als ein großer Teich ist, beginnt der letzte Kilometer. Weiter war man durch die vielen Schlenker während der gesamten rund drei Kilometer langen Runde um den Park allerdings ohnehin nicht vom Ziel weg. Und selbst ganz zum Schluss muss man noch einmal ein lang gezogenes "S" durchlaufen, bevor man auf die relativ kurze Zielgerade einbiegen darf.

Es ist genau jenes Stück Straße, auf dem man sich am frühen Morgen zum Start versammelt hatte. Der blaue Teppich, der als Abdeckung für die Zeitmessungsanlage bei Start und Ziel dient, wird also zweimal in der gleichen Richtung überlaufen. Nach dem eher wenig bevölkerten Abschnitt am Kanal und im Park kann man auf den letzten Metern des Marathons noch einmal den Applaus des Publikums entgegen nehmen.

Den Rest bekommt man dann jedoch in der "Nave Lewis", wo man auch schon seine Kleiderbeutel abgeben konnte. Schon am Eingang - diesmal jener direkt an der Straße - wird die recht große und schwere Medaille umgehängt. Deren Vorderseite zeigt das schon von der zum Starterpaket gehörenden Laufkappe bekannte Logo einer jubelnden Läuferin vor einem stark stilisierten, mit etwas Phantasie aber noch erkennbaren "Cerro de la Silla".

Auf der Rückseite ist der ziemlich lange Schriftzug "Asociacion de Clubes de Corredores del Estado de Nuevo León" zu lesen. Denn der Ausrichter des Marathons ist im Gegensatz zum Triathlon im März keineswegs eine Agentur für Sportverasnstaltungen. Vielmehr haben sich die verschiedenen Laufklubs im Bundesstaat Nuevo León zu einem Verbund zusammen geschlossen, der in Monterrey als Veranstalter auftritt.

Mit der Medaille um den Hals geht danach es im Zickzack weiter durch die Halle, um zuerst in der "Gasse" mit dem Schild "rasca y gana" - die ziemlich flapsige lateinamerikanische Übersetzung für "Durst und Hunger" - einen der international oft üblichen Zielverpflegungsbeutel mit Obst, Getränken und Chips in Empfang zu nehmen. In der Gegenrichtung erhält man die Finisher-Jacke in der nächsten Gasse. "Playera finalista" ist sie überschrieben, was eigentlich eine Untertreibung ist, da sich hinter diesem Begriff nur ein T-Shirt verbergen würde.

Ein Spanier täte sich mit der Aufschrift allerdings so oder so eher schwer. Denn es handelt sich um ein weiteres schönes Beispiel für die Unterschiede zwischen den in verschiedenen Regionen gesprochenen Spanisch-Varianten. "Playera" ist nämlich ein hauptsächlich in Mittelamerika gebräuchliches Wort. Im europäischen Mutterland würde ein T-Shirt vielmehr "camista" heißen. Die Jacke, die sich in Wahrheit hinter dem Zielgeschenk verbirgt, wäre für einen Iberer dagegen eine "chaqueta". Und diese würde zu allem Überfluss in Mexiko wiederum "chamarra" genannt.

Ziemlich ähnlich sind die Jubelposen von Alfonso "Poncho-Claus" Júarez und der Läuferin auf der Medaille - der stilisierte "Cerro de la Silla" hinter ihr ziert dann auch die Finalista-Jacke
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Auch wenn diese von den "finalistas" auf dem Heimweg selbstverständlich gerne übergezogen wird, ist sie nicht mehr absolut nötig. Denn zumindest nach dem Rennen kann man für einige Stunden ein wenig von jenen milden Temperaturen genießen, mit denen man in Mexiko irgendwie rechnet. Zur Adventsparade im Stadtzentrum lacht jedenfalls bei zweistelligen Gradzahlen die Sonne. Und niemand findet es unpassend. Vorweihnachtliche Atmosphäre ist eben für Mexikaner nicht unbedingt mit Kälte und Schnee gekoppelt.

Ganz egal, ob das Wetter während des Marathons von Monterrey nun heiß und sonnig oder kühl und neblig daher kommt, ein wenig von dieser Stimmung, die weit weniger "besinnlich" als hierzulande ausfällt, bringt dieser Lauf auf jeden Fall auch herüber. Mexikanisches Temperament lässt sich dabei zuhauf beobachten. Die Improvisationen, die ansonsten in Mexiko durchaus nicht unüblich sind, muss man während der Veranstaltung, die als AIMS-Mitglied organisatorisch internationalen Ansprüchen absolut genügt, jedoch nicht befürchten.

Monterrey ist sicher nicht unbedingt eine Stadt, die von Touristen überrannt wird und als Zwischenstation auf den Plänen einer jeden Mexiko-Rundtour auftaucht. Verglichen mit den übrigen Städten des Landes erinnert sie natürlich auch am stärksten an ihre europäisch-nordamerikanischen Schwestern. Und so mancher Reisführer unterschlägt die drittgrößte mexikanische Metropole mangels historischer Attraktionen sogar völlig und konzentriert sich auf andere Regionen.

Doch ein Abstecher kann durchaus lohnend sein - gerade wenn man während des Besuches noch an diesem aus hiesigem Blickwinkel etwas ungewöhnlichen Adventmarathon teilnehmen möchte. Eines sollte man in diesem Fall jedoch nicht vergessen: Das Wetter im Norden Mexikos ist gerade zur Vorweihnachtszeit keineswegs immer warm.

Bericht und Fotos von Ralf Klink

Info & Ergebnisse www.maratonmonterrey.com

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