15. Maratón Gran Pacífico Mazatlán - (1.12.2013)

Im Rhythmus der Blaskapellen

von Ralf Klink

"En Mazatlán se corre a ritmo de banda" steht auf der riesigen Werbetafel am Straßenrand, die man auf dem dreißigsten Kilometer des Marathons passiert. "In Mazatlán läuft man im Kapellen-Rhythmus". Und wenig später holt in der westmexikanischen Stadt tatsächlich eine solche "banda" eine ziemlich schmissige Melodie aus ihren Instrumenten heraus, die den inzwischen doch schon leicht müde werdenden Läufern wieder ein bisschen Schub gibt.

Zwar bezeichnet "banda" im Spanischen ganz allgemein eine Musikkapelle oder -gruppe, also völlig unabhängig von deren Zusammensetzung und Stilrichtung. Doch in Mazatlán sind damit eindeutig jene "bandas sinaloenses" gemeint, die für diese Region typisch sind und einen ganz bestimmten Klang produzieren. Man könnte ihn vielleicht als Guggemusik beschreiben, die mit etlichen lateinamerikanischen Elementen angereichert wurde.

"En Mazatlán se corre a ritmo de banda" - Bandas, die für die Region typischen Blaskapellen prägen mit ihrem ganz eigenen Rhythmus den Marathon von Mazatlán
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Gerade im Bundestaat Sinaloa, der sich als fünfhundert Kilometer langer, aber selten mehr als hundert Kilometer breiter Streifen im Nordwesten Mexikos zwischen dem Gebirgszug der Sierra Madre Occidental und der Pazifikküste erstreckt, haben sich nämlich seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts die von europäischen und dabei insbesondere deutschen Einwanderern mitgebrachte Musik - die Polka wird meist als das markantestes Beispiel erwähnt - mit der mexikanischen zu einem neuen unverwechselbaren Stil vermischt.

Diese Kombination ist in Mexiko ziemlich populär. Und nicht nur für die Kapellen sondern auch für diese selbst hat sich international der Begriff "banda" durchgesetzt. Wenn man sich das Motto des Marathons noch einmal ganz genau ansieht, ist es wohl sogar genau in diesem Sinne gemeint. Doch völlig egal wie man den Satz auch verstehen möchte, die Organisatoren des Rennens haben rund zwei Dutzend dieser besonderen Blaskapellen angeheuert, um ihre Teilnehmer unterwegs zu motivieren.

Ganz konsequent zeigt dann auch das Motiv des in der Meldegebühr enthaltenen und - wie in Mexiko üblich - ziemlich farbenfroh gestalteten Funktions-T-Shirts neben einigen stilisierten Läufern im Hintergrund noch eine Vielzahl von verschiedenen Noten. Und auf dem mit den Startnummern verteilten Infoblättchen kann man sogar ein vollmundiges "la música correrá por tus venas" lesen. "Die Musik wird dir durch die Adern laufen".

In warmen Pastellfarben sind viele historische Bauten der Altstadt Mazatlán gestrichen

In Mazatlán hat man eindeutig einen Schwerpunkt gefunden, mit dem man sich ein wenig von der in- und ausländischen Konkurrenz im Wettstreit um die Gunst der Läufer absetzen kann. Das ist auch durchaus nötig. Denn nur zwischen Ende November und Mitte Dezember stehen alleine in Mexiko noch vier weitere Marathons im Kalender. Insgesamt lassen sich sogar rund zwei Dutzend nationale Mitbewerber finden - von der in die hunderte gehenden Zahl von Veranstaltungen jenseits der Grenze mit den USA ganz zu schweigen.

Betrachtet man nur die Marathondistanz bewegt sich der Lauf von Mazatlán mit seinen sechs- bis achthundert Zieleinläufen irgendwo im Mittelfeld der mexikanischen Größenrangliste, die wenig überraschend vom Rennen in der Hauptstadt dominiert wird. Trotz einer Höhenlage von weit über zweitausend Metern kommt man beim "Maratón de la Ciudad de México" schließlich fast schon an fünfstellige Teilnehmerzahlen heran.

Die beiden größten "Verfolger" aus den nordmexikanischen Städten Monterrey und Torreón - der dortige Marathon ist eigentlich nur unter dem Namen des Hauptsponsors, der Molkerei "Lala" bekannt - können mit jeweils etwa viertausend Meldungen nicht einmal ein halb so großes Feld am Start begrüßen. In Guadalajara, der zweitgrößten Metropole des Landes, wird mit über zweitausend Läufern ebenfalls noch einen ziemlich guten Zuspruch verzeichnet. Und in Quéretaro sind es immerhin auch noch fünfzehnhundert.

Addiert man diese Zahlen, kommt man bereits in den Bereich von rund zwanzigtausend Marathonis, die durch die kleineren Rennen noch etwas weiter nach oben verschoben wird. Verglichen mit den mehr als hunderttausend in Deutschland registrierten Zieleinläufen, mag dies im ersten Moment eher wenig erscheinen - insbesondere wenn man berücksichtigt, dass Mexiko noch über dreißig Millionen Einwohner mehr hat.

Die "Catedral Basílica de la Inmaculada Concepción" und das "Teatro Ángela Peralta" gehören zu den auffälligsten Bauten im Zentrum

Doch kann man sich damit eben trotzdem locker unter den fünfzehn bis zwanzig Nationen mit der am breitesten aufgestellten Marathonszene weltweit einrangieren. Und abgesehen von Südafrika, wo dem Laufen über lange Strecken traditionell ein extrem hoher Stellenwert zukommt und es entsprechend viele Veranstaltungen gibt, tauchen in der Liste vor Mexiko praktisch nur wohlhabende Industrienationen auf.

Wie zumeist beschränkt man sich auch in Mazatlán allerdings nicht alleine auf die zweiundvierzig Kilometer. Man bietet mit einem Fünfer, einem Zehner und einem Halbmarathon gleich die gesamte Bandbreite der üblichen Straßenlaufstrecken an. Nicht ganz so normal ist die Tatsache, dass das Programm dabei über zwei Tage gestreckt wird. Während die beiden kürzeren Läufe nämlich am Samstagmorgen starten, folgen einen Tag später um die gleiche Uhrzeit die Königsdisziplin und ihr halb so langer kleiner Bruder.

Man kann zudem samstags noch über drei Kilometer ohne Wertung traben oder walken. Und anschließend dürfen Kinder und Jugendliche auf jeweils altersgerechten Distanzen ihre Kräfte messen. So wird aus einem im internationalen Vergleich eher bescheidenen Marathon ein Großereignis mit etlichen tausend Teilnehmern, das während des Veranstaltungswochenendes in der Stadt durchaus seine Spuren hinterlässt.

Das will bereits angesichts einer Einwohnerzahl von fast einer halben Million etwas heißen. Doch müssen auswärtige Lauftouristen schon in erheblicher Zahl auftauchen, um überhaupt auffallen zu können. In Mazatlán ist man schließlich an Besucher gewöhnt.

Denn immerhin gehört die Stadt neben den beiden südlich gelegenen Orten Acapulco und Puerto Vallarta sowie Los Cabos an der Spitze der relativ schmalen, aber mehr als tausend Kilometer langen Halbinsel Baja California zu den wichtigsten Ferienzentren am Pazifik.

Weit älter als der Tourismus und noch immer wirtschaftlich ziemlich bedeutend ist die Fischerei, für die Mazatlán den wichtigsten Heimathafen an der mexikanischen Westküste darstellt. Natürlich hat man irgendwann beide Aspekte kombiniert. Und nun kann man bei etlichen verschiedenen Anbietern Hochseeangel-Touren auf Schwert- und Thunfische buchen. Außerdem legen in der Stadt auch Fähren hinüber nach Baja California ab, die für die Überfahrt zwar stolze achtzehn Stunden benötigen, aber einen Umweg von fast dreitausend Kilometern über Land ersparen.

Viele Kilometer lang ist der Sandstrand der Stadt, an dem als Taxis die an Golfwägelchen erinnernden "pulmonias" fahren, denen man auf der Promenade sogar ein Denkmal gesetzt hat

Der Name "Mazatlán" geht angeblich auf ein Wort aus der Nahuatl-Sprache zurück, das "Platz des Hirsches" bedeuten soll. Dass diese eigentlich von den Azteken gesprochen wurde, deren Reich viel weiter südöstlich rund um die heutige Hauptstadt México lag und die überhaupt nicht bis in diese Region vordrangen, erscheint etwas seltsam. Doch war Nahuatl schon vor der Ankunft der Spanier eine Art "lingua franca" im mittleren Amerika.

Zudem dehnte sich der Sprachraum nach der Ankunft der Europäer sogar noch weiter aus - unter anderem, weil die Neuankömmlinge sich bei ihren Eroberungszügen einheimischer Hilfstruppen aus dem bereits besetzten Zentralmexiko bedienten. Und sogar von christlichen Missionaren wurde die Sprache anfangs weiter verbreitet. Sie kreierten eine geschriebene Variante von Nahuatl mit lateinischen Buchstaben. Und nicht nur die Bibel sondern auch andere Bücher wurden übersetzt.

Umgekehrt haben weit mehr Nahuatl-Begriffe ihren Weg über den Atlantik und in fast alle europäischen Sprachen gefunden, als man erwarten würde. Denn für viele der ihnen völlig unbekannten Pflanzen und Tiere der neuen Welt übernahmen die Ankömmlinge einfach die Worte der Einheimischen. Und so haben Kakao und Schokolade, Chili, Tomate und Avocado oder Coyote und Ozelot nicht nur eine amerikanische Heimat. Auch die Worte selbst stammen ursprünglich von jenseits des großen Teiches.

Der Begriff "Mazatlán" lässt sich jedenfalls bis zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts zurück verfolgen. Dort taucht er in Dokumenten der spanischen Kolonialverwaltung auf. Doch handelte es sich dabei um kaum mehr als ein winziges Dorf, dessen Naturhafen über hundert Jahre lang immer wieder auch einmal britischen und französischen Piraten als Versteck diente. Erst im neunzehnten Jahrhundert gewann der Hafen an Bedeutung. Und Mazatlán wuchs zu einem Städtchen mit mehreren tausend Bewohnern.

In dieser Phase kamen auch viele Einwanderer aus Deutschland, die bald nicht nur im Seehandel tätig waren sondern auch viele andere Betriebe gründeten. Der bekannteste von ihnen ist eine Brauerei, die "Cervecería del Pacífico", in der das gleichnamige Bier produziert wird. Inzwischen gehört sie zur "Grupo Modelo", die auch die bekannteste mexikanische Marke "Corona" herstellt und mit einem Anteil von etwa zwei Drittel am Gesamtumsatz den Biermarkt im Land eindeutig beherrscht.

Die Brauerei ist einer der wichtigsten Sponsoren der Laufveranstaltung, die dann auch den offiziellen Namen "Gran Maratón Pacífico Mazatlán" führt. Selbst wenn man dies durchaus noch mit "großer pazifischer Marathon" übersetzen könnte, wird spätestens beim Blick auf das Logo klar, wie er wirklich zu verstehen ist. Denn dort sieht der Schriftzug praktisch genauso aus wie auf den Bierflaschen.

Um die im Osten der Innenstadt gelegenen Cervecería selbst macht der Marathon allerdings einen größeren Bogen. Und auch der Rest des historischen Kerns von Mazatlán bleibt weitgehend abseits. Denn das Wettkampfzentrum mit Nummernausgabe sowie Start und Ziel findet sich in einigen Kilometern Entfernung in einem Park. Trotzdem ist dieser Ort keineswegs dezentral. Denn da sich das "centro histórico" auf einer Halbinsel neben der Hafeneinfahrt befindet, ist die Stadt von dort aus nahezu ausschließlich nach Norden und Osten gewachsen.

Auf der Grünfläche hat man eine Zeltstadt errichtet, in der man nicht nur die Unterlagen erhält sondern auch noch bei etlichen Händlern neue Laufschuhe oder -bekleidung erwerben kann. Unweit davon sind auf der Straße nebenan Start und Zielgerüst sowie eine größere Tribüne aufgebaut. Bezüglich des betriebenen Aufwandes kann der Marathon von Mazatlán im Vergleich mit fast jedem anderen großen internationalen Rennen problemlos bestehen.

Etwas außerhalb des Stadtzentrums hat man in Park eine von Flutlichtstrahlern hell erleuchtete Zeltstadt für Startnummernausgabe und die "expo deportivo" aufgebaut

Dabei fallen die Startgebühren mit zweihundertneunzig Pesos, nach aktuellem Wechselkurs also umgerechnet etwa sechzehn Euro, selbst für mexikanische Verhältnisse nicht gerade übermäßig hoch aus. Allerdings sind sie für alle Distanzen gleich hoch, wofür sich durchaus auch Argumente finden lassen. Denn abgesehen von einigen zusätzlichen Verpflegungsstellen auf den längeren Strecken bekommen schließlich alle Teilnehmer mit T-Shirt und Medaille auch die gleichen Gegenleistungen.

Für die meisten Gäste aus Übersee stellt jedoch bereits diese Anmeldung eine gewisse Hürde dar. Nicht etwa, weil man im Online-Portal nur spanische Texte vorfinden würde. Es gibt dort nämlich notfalls auch noch eine englische Version. Vielmehr ist gleich zu Anfang neben dem "nobre" - was zwar wörtlich übersetzt nur "Name" heißt, aber im Gegensatz zur deutschen Interpretation des Begriffes den Vornamen meint - sowohl ein "apellido paterno" als auch ein "apellido materno" anzugeben.

Wie eigentlich überall in Lateinamerika ist nämlich in Mexiko, dem bevölkerungsreichsten spanisch-sprachigen Staat - nicht nur das frühere Mutterland sondern auch die "nächstplatzierten" Kolumbien und Argentinien haben wenig mehr als ein Drittel seiner Einwohner - die iberische Namenslogik üblich, bei der eine Kombination aus dem Familiennamen des Vaters und dem Familiennamen der Mutter den offiziellen Nachnamen einer Person bildet.

Auch nach einer Heirat verändert sich dieser nicht. Ehepaare haben also in der Regel völlig unterschiedliche Namen. Der "apellido paterno" steht dabei an erster Stelle und wird so in der männlichen Linie an alle Nachkommen weiter gegeben, während der "apellido materno" in der nächsten Generation wieder durch einen anderen ersetzt wird.

Da bei der Anmeldung beide Angaben in zwei getrennten Pflichtfeldern einzugeben sind, hat ein an dieses System nicht im Geringsten gewöhnter Mitteleuropäer mit dem Ausfüllen seine liebe Mühe. Das Ausweichen auf die englische Variante bringt auch nicht immer unbedingt etwas. Denn wer nur einen Vornamen hat, wird dort an der Eingabe des zwingend verlangten "middle initial" - dem in nordamerikanischen Namen üblichen Mittelbuchstaben - scheitern.

Am frühen Donnerstagabend öffnet die Startnummernausgabe. Und auch wenn sie sowohl den ganzen Freitag als auch am Samstag nach den beiden kürzeren Rennen geöffnet hat, tut man gut daran seine Unterlagen erst nach Sonnenuntergang abzuholen. Schließlich liegt dann über der von etlichen Flutlichtstrahlern hell erleuchteten Zeltstadt der "expo deportivo" eine ganz besondere Atmosphäre.

Man tut gut daran seine Unterlagen erst nach Sonnenuntergang abzuholen. Schließlich liegt in der Dunkelheit über der Anlage eine ganz besondere Atmosphäre

Bei den "Zelten" handelt es sich allerdings praktisch ausnahmslos um leichte Pavillons ohne Seitenwände. Selbst in den Wintermonaten sinken die Temperaturen an der mittleren Pazifikküste Mexikos schließlich auch in den Nachtstunden nur selten unter zwanzig Grad. Für die Tageshöchstwerte kann man sogar meist zwischen fünfundzwanzig und dreißig Striche neben der Quecksilbersäule zählen.

Trotzdem findet der Marathon bezüglich der klimatischen Verhältnisse noch zu einem relativ günstigen Zeitpunkt statt. Denn zum einen bewegt man sich in Mazatlán zwischen Juni und September meist im Bereich von fünfunddreißig Grad. Und zum anderen müsste man in dieser Zeit auch mit deutlich höheren Niederschlagsmengen rechnen, während November und Dezember eher trocken ausfallen.

Nur eines ist eigentlich das ganze Jahr über gleich. Die Luftfeuchtigkeit bewegt sich nämlich meist bei etwa achtzig Prozent, so dass es von vorne herein ziemlich unwahrscheinlich ist, während des Marathons der Bandas optimale äußere Bedingungen für eine Bestzeitenjagd vorzufinden. Und die Statistik trügt nicht. Selbst wenn man sich nicht sportlich betätigt, kann man an diesem Wochenende die langen Sachen problemlos im Schrank lassen.

Gegenüber des Parks befindet sich das Stadion von Mazatlán. Doch obwohl hierzulande Mexiko nicht zuletzt wegen bereits zweier dort ausgetragener Weltmeisterschaften wohl in der Rubrik "typisches Fußball-Land" landen würde, kickt man darin keineswegs auf große Tore. Vielmehr wird dort der Baseball-Schläger geschwungen. Denn dieses vermeintlich nur in den USA betriebene Spiel ist auch südlich des Rio Grande ziemlich populär und neben "fútbol" fast so etwas wie eine zweite Nationalsportart.

Insbesondere im Nordwesten Mexikos hat Baseball, das in den Augen der meisten Mitteleuropäer hinsichtlich Ereignisarmut und Langeweile wohl nur noch von Cricket übertroffen werden kann, seine großen Hochburgen. In einer der beiden großen Profiligen des Landes, der "Liga Mexicana del Pacífico" treten dann auch ausschließlich Teams der Bundesstaaten Sinaloa, Sonora und Baja California - darunter die "Venados de Mazatlán" - gegeneinander an. Übersetzt bedeutet die Bezeichnung in Anspielung auf den Stadtnamen übrigens "Hirsche".

Während man am Pazifik zwischen Oktober und Januar spielt, um anschließend auch noch mit den Meistern der Schwester-Ligen von Puerto Rico, Venezuela und der Dominikanischen Republik in der "Serie del Caribe" einen Gesamtsieger zu ermitteln, setzt die im Süden und Osten des Landes beheimatete "Liga Mexicana de Béisbol" - genau wie bei "futbol" hat man den Begriff lautmalerisch ins Spanische übernommen - ihre Begegnungen von März bis August an, so dass eigentlich praktisch das ganze Jahr über irgendwo der Ball fliegt.

Fast zwanzig Mexikaner spielen zur Zeit auch in der Major League, der höchsten Eliteklasse der USA, womit man in der Liste der stärksten auswärtigen Kontingente zwar klar hinter Venezuela und der Dominikanischen Republik, aber immer noch etwa gleichauf mit Puerto Rico, Cuba und Kanada liegt. Insgesamt sogar mehr als hundert Profis des Landes haben in der Vergangenheit diesen Sprung geschafft.

Weit weniger gut präsentieren sich inzwischen dagegen die mexikanischen Langstreckenläufer. In der Breite legt man zwar immer mehr zu. Doch in der Spitze hat den Anschluss an die dominierenden Ostafrikaner weitgehend verloren. Dabei bestimmten die Mexikaner noch in den Neunzigern das Weltniveau in großem Maße mit. Zwischen 1989 und 1993 wurde zum Beispiel der Weltrekord über zehntausend Meter vom später in den USA eingebürgerten Arturo Barrios gehalten, der beim ISTAF in Berlin im Alleingang 27:08,23 gelaufen war.

Zum Teil wirklich überwältigend sind die Aussichten in der unweit von Mazatlán beginnenden Sierra Madre Occidenta
 

Und der Blick in die Chroniken der großen Marathons fördert in jenen Jahren auf den vorderen Rängen etliche Male das Kürzel "MEX" zutage. So findet man in der Siegerliste von Chicago 1990 einen gewissen "Martín Pitayo" als Herrensieger. Den Namen "Salvador García" kann man gleich doppelt nachlesen, nämlich beim New York Marathon 1991 und fünf Monate später dann auch im niederländischen Rotterdam.

Zweimal - 1994 und 1995 - wurde Germán Silva im "Big Apple" als Sieger geehrt. Die Älteren werden sich vielleicht weniger an seinen Namen als an die Umstände seines ersten Erfolges erinnern. Denn kurz vor dem Ziel machte er damals den Fehler einem Führungsmotorrad zu folgen, dass die Strecke eigentlich verlassen wollte. In einem faszinierenden Endspurt fing er danach seinen durch diesen Lapsus wieder in Führung gegangenen Landsmann Benjamín Paredes trotzdem wieder ab.

Ein Jahr vor Silva stand zudem Andrés Espinosa New York ganz oben, so dass dort innerhalb von fünf Rennen der Schnellste viermal aus Mexiko kam. Beim Klassiker von Boston legte Espinosa, der als apellido materno noch ein "Perez" führt, dann bei seinem zweiten Platz von 1994 sogar eine 2:07:19 auf den Asphalt. Es ist die bis heute schnellste Zeit eines Mexikaners, aber wegen der zu viel Gefälle besitzenden Punkt-zu-Punkt-Strecke trotzdem kein offizieller Landesrekord.

Den hält Dionicio Cerón, der beim mittleren seiner drei aufeinander folgenden Siege von 1994 bis 1996 in London immerhin 2:08:30 lief. Der vielleicht Beste und Bekannteste einer ziemlich erfolgreichen Generation mexikanischer Läufer gewann 1993 außerdem noch in Rotterdam und Fukuoka. In seinem wohl stärksten Jahr 1995 errang er bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Göteborg zudem Silber hinter Spanier Martín Fiz aus Spanien.

Acht Jahre später kam Espinosa mit 2:08:46 als Vierter von Berlin noch einmal in diesen Bereich und erzielte dabei auch den noch immer gültigen M40-Weltrekord. Allerdings war es nur eine Art letztes Aufflackern. Denn der Senior tauchte damit in der zu dieser Zeit längst von Kenianern dominierten Weltrangliste - im gleichen Rennen wie Espinosa lief auch Paul Tergat seinen Weltrekord von 2:04:55 - als einziger Läufer aus Mexiko unter den ersten zweihundert Einträgen auf.

In ihrer Hochzeit Anfang der Neunziger waren dort hingegen stets zwei bis drei Mexikaner unter den ersten Zehn zu finden. Und 1993 stand Dionicio Cerón mit 2:08:51 sogar ganz oben. In den letzten Jahren reichen aber eher Leistungen von 2:12 bis 2:14, um in Mexiko national ganz vorne zu sein. International rangieren die Schnellsten des früher einmal dominierenden Läuferlandes damit dann im Bereich von Platz vierhundert.

Der Marathon im Banda-Rhythmus, den mehrere großflächige Plakate versprechen, führt die Läufer fast ständig entlang der Küste durch Mazatlán, den "Platz des Hirsches", wie der aus der Nahuatl-Sprache Sprache stammende Name in der deutschen Übersetzung lautet

Dabei unterscheidet man sich kaum von den Spaniern und Italienern, die zur gleichen Zeit auf den langen Distanzen weit vorne zu finden waren. Und spätestens beim Nennen dieser beiden Namen taucht angesichts des ziemlich abrupten Leistungsabfalles der Mexikaner vielleicht doch das eine oder andere Fragezeichen auf. Dass man zumindest im Radsport in jenen Ländern ziemlich "gute" Ärzte hatte, ist schließlich ein ziemlich offenes Geheimnis.

Allerdings lässt sich für Mexiko, bei dem etwa drei Viertel des Territoriums über tausend Meter hoch liegt und dessen Hauptstadt sich sogar auf mehr als 2200 Metern über dem Meer befindet, als Begründung der Erfolge zumindest die - bei den Ostafrikanern ebenfalls gerne gespielte - Karte der Höhenlage ziehen, die auch schon ohne pharmakologische Nachhilfe für eine erhöhte Anzahl von roten Blutkörperchen und damit eine besseren Sauerstofftransport sorgen kann.

Auch die mexikanischen Frauen sind nur bedingt konkurrenzfähig. Doch waren sie - obwohl immer wieder einmal weit vorne platziert - in der Vergangenheit nie so stark präsent wie ihre männlichen Kollegen. Abgesehen von Adriana Fernández, die 1999 in New York gewinnen konnte, fehlen schließlich die ganz großen Erfolge. Zum anderen ist der Einbruch dafür aber auch nicht ganz so krass.

Die eine oder andere Mexikanerin kann sich schließlich auch bei den wichtigen internationalen Rennen noch einmal ins Preisgeld hinein schieben. Insbesondere Madaí Pérez, die 2006 in Chicago den Landesrekord auf 2:22:59 drückte und in diesem Jahr bei den Weltmeisterschaften in Moskau Siebte wurde, läuft regelmäßig recht weit nach vorne, ohne dabei aber in die kenianisch-äthiopische Phalanx ganz oben eindringen zu können.

Selbst bei ihren eigenen Rennen finden sich längst mehr afrikanische als einheimische Sieger in den Listen. Schließlich werden auch in Mexiko akzeptable Preisgelder ausgelobt. In Mazatlán kann der Sieger zum Beispiel mit sechzigtausend zusätzlichen Pesos im Geldbeutel nach Hause fahren. Und diese gut dreitausend Euro, mit denen man hierzulande sicher kaum noch einen jungen Menschen für ein langjähriges, hartes Training motivieren könnte, sind in Kenia weiterhin ziemlich viel Geld.

Auf den kürzeren Distanzen gibt es ebenfalls Sieg- und Platzprämien - auch wenn diese deutlich geringer sind, als für die Schnellsten über zweiundvierzig Kilometer. Doch reichen sie wohl aus, um eine größere Zahl ambitionierter einheimischer Athleten an die Startlinie zu bringen. Und deswegen gibt es auch beim Fünfer und Zehner Leistungen, wie man hierzulande höchstens noch bei nationalen Meisterschaften zu Gesicht bekommt.

So ist über zehn Kilometer Jose Rafael Bañales Chimal in 29:07 erfolgreich. Sergio Reyes Carranza folgt in 29:29 nicht allzu weit dahinter. Und auch Arturo Cortes Piedras (29:57) und Edgar Eduardo Espinosa Flores (29:59) bleiben noch unter der Dreißig-Minuten-Marke, die selbst wenn man Straße und Bahn zusammen nimmt im Jahr 2013 gerade einmal von einundzwanzig deutschen Läufern geknackt werden konnte. Allzu schlecht ist das Niveau in Mexiko also auch wieder nicht.

Bei den Frauen kann Anabel Martinez Lopez 34:09 laufen und damit Karina Lizette Garcia Barrios um zweiundzwanzig Sekunden hinter sich lassen. Ein wenig weiter weg von der Weltspitze als ihre Kollegen bei den Herren sind die beiden damit zwar. Doch wirklich häufig bekommt man solche Zeiten eben auch nicht zu Gesicht. Selbst die 35:14 von Guadalupe Santana würde schließlich bei so manchem Rennen in Europa sogar zum Gesamtsieg vor allen Männern reichen.

Auch über die kürzere Distanz des Samstagmorgens purzeln die Klassezeiten zuhauf. So trägt sich die bereits einundvierzig Jahre alte Dulce María Rodriguez de la Cruz mit 16:55 als Erste in die Ergebnislisten ein. Doch ist war eben im letzten Jahrzehnt mehrfach bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften am Start - ohne dabei allerdings je über eine Rolle im Mittelfeld hinaus zu kommen. Innerhalb einer Minute kommen zudem Arantza Hernandez Flores (17:07), Ericka Cano Gomez (17:20) und Rebeca Haro Cruz (17:37) ins Ziel.

Noch weitaus dichter geht es im Männerbereich zu. Denn zwischen dem in 14:21 siegreichen Christopher Antonio Sandoval Perez und dem mit 14:58 nur etwas über ein halbe Minute langsameren Pedro Baeza Gomez löst die Chipmatte sechs weitere Male aus. Als Bryan Antonio Martinez Sanchez und Jose Maria Martinez Meras direkt hintereinander auf den Gesamträngen zwei und drei über die Ziellinie spurten, zeigt die Uhr jedenfalls 14:31 an.

Bis Martin Garcia Martinez als Nächster folgt, sind die Leuchtziffern über dem Einlauf dann ganze sechs Sekunden weiter getickt. Auf den 14:44 laufenden Luis Felipe de La Rosa Nava muss man ebenfalls nicht allzu lange warten. Und Abraham Daniel Hernandez Martell (14:56) sowie Jose Mauricio Perez Lopez (14:57) kommen als Sechster und Siebter mit dem Achten Baeza Gomez dann sogar gleich im Dreierpack herein.

Trotzdem geht es aber noch ein bisschen schneller, wovon man sich etwa zwölf Stunden später überzeugen kann. Denn für den Samstagabend haben die Organisatoren zusätzlich noch zwei Eliterennen entlang der Uferpromenade angesetzt. Ungefähr dort wo am Morgen die Läufer des Fünfers nach einem relativ kurzen Ausflug ans Meer gewendet und wieder den Rückweg zum ein wenig landeinwärts gelegenen Start- und Zielbereich angetreten haben, ist auf der "Avenida del Mar" ein Pendelkurs von einem Kilometer Länge abgesteckt.

Im Licht von Flutlichtstrahlern werden am Samstagabend auf einem kurzen Rundkurs zwei Eliterennen für Frauen und Männer über fünf Kilometer ausgetragen

Ab sieben Uhr absolvieren die von den Veranstaltern eingeladenen Frauen dort fünf Schleifen. Eine halbe Stunde später treten dann knapp zwei Dutzend Männer an die Linie, um ihre Runden zu drehen. Dabei ist es längst stockdunkel. Denn trotz der sommerlichen Temperaturen sind eben auch im nur wenige Kilometer südlich vom Wendekreis des Krebses gelegenen Mazatlán die Tage im November und Dezember etwas kürzer. Weniger als zehn Stunden Tageslicht hat man allerdings trotzdem nie.

Während bei den morgendlichen Läufen die Zahl der Teilnehmer - auf jeder der beiden Distanzen umfasst die Ergebnisliste schließlich ungefähr zweitausend Namen - die der Zuschauer deutlich übertroffen hatte, ist es nun genau umgekehrt. Dichtgedrängt säumen die Menschen die Strecke. Und ihre Erwartungen werden nicht enttäuscht. Sie bekommen nämlich auf der von Straßenlaternen und zusätzlichen Scheinwerfern gut ausgeleuchteten Küstenstraße zwei ziemlich spannende und faszinierende Rennen geboten.

Im ersten liefert sich die Kenianerin Emily Perpetua einen engen Dreikampf mit Brenda Eunice Flores Muñoz und Kathya Mirelle Garcia Barrios aus Mexiko. Erst mit der letzten Wende kann sich die Afrikanerin dann doch einige Meter von der einheimischen Konkurrenz lösen und mit 15:57 und drei Sekunden Vorsprung vor Flores Muñoz gewinnen. Garcia Barrios muss noch einen Moment früher abreißen lassen und wird schließlich in 16:05 Dritte.

Auch Sandra Lopez Reyes (16:32), Maritza Arenas Labana (16:34), Violeta Rene Gomez Mayoral (16:35) Gabriela Eleno Hernandez (16:41) und Vianey de la Rosa Rojas (16:43) bleiben unter den "México, México" Rufen des Publikums - gesprochen hört es sich ganz anders als im Deutschen nach "Mechicko" mit einer durch den Akzent definierten Betonung auf der ersten Silbe, einem kurzen "i" und einem "ch" wie bei "Dach" an - noch unter der Siegerzeit des offenen Laufes am Morgen.

Noch viel mehr Freude haben die Zuschauer dann allerdings am Herrenrennen. Denn obwohl auch dort zwei Kenianer an der Spitze mitlaufen und das Feld in der Anfangsphase eigentlich ganz locker zu kontrollieren scheinen, lassen sich einige Mexikaner auch dann nicht abschütteln, als sich die anfangs dicht gedrängte Kopfgruppe mit jeder absolvierten Runde etwas weiter auseinander zieht.

Ganz im Gegenteil, auf der letzten Schleife sorgt sogar Jose Antonio Uribe Marino für die Entscheidung und schüttelt mit einer energischen Verschärfung des ohnehin schon bei deutlich weniger als drei Minuten pro Kilometer liegenden Tempos die letzten verbliebenen Nebenmänner ab. Der Jubel seiner Landsleute schwillt mit jedem Meter, um den sich die Lücke vergrößert, noch ein bisschen mehr an.

Vielen der am Straßenrand Stehenden dürfte nicht unbedingt klar sein, wen sie da anfeuern. Angesichts des überall zu bemerkenden Nationalstolzes ist die Hauptsache, dass überhaupt ein Mexikaner vorne liegt. Doch ist jener Jose Antonio Uribe Marino, der am Ende blanke vierzehn Minuten für die fünf Kilometer benötigt, mit einer 2012 in Berlin gelaufenen 2:12:43 immerhin der schnellste mexikanische Marathonläufer, der letzten fünf Jahre.

Auch der neunzehnjährige Junior Édgar Alan Garcia Quiroz, der im Unterschied zu Uribe Marino von der Mittelstrecke auf der Bahn kommt, lässt in 14:03 den schnellsten ostafrikanischen Profi Stephen Mburi Njoroge (14:05) noch hinter sich. Während es sich bei den beiden Einheimischen aber um Athleten handelt, die bereits internationalen Meisterschaften ihre Landesfarben vertreten durften, braucht sich der Kenianer über eine mögliche Berufung wohl kaum den Kopf zu zerbrechen. Denn er hat zu Hause auf jeder Distanz mehrere hundert noch schnellere Kollegen.

Juan Carlos Carera Casas (14:08), Sergio Pedraza Gonzalez (14:09), Juan Alberto Mena Lopez (14:12), Jesus Isidro Chavez Rodriguez (14:14), Victor Hugo Bracamontes Anica (14:14), Erick.Israel Peréz Huerta (14:19) sowie der schließlich chancenlose zweite Kenianer Rodgers Ondati Gesabwa (14:21) folgen in dichter Reihung. Im mit Abstand wichtigsten Fünf-Kilometer-Straßenlauf des Landes, der zusammen mit seinem Gegenstück am Morgen praktisch alleine die nationale Bestenliste bestückt, bleiben gleich sechzehn Sportler unter fünfzehn Minuten.

Nachdem auch die übrigen Teilnehmer nach wenig mehr als einer Viertelstunde über die Ziellinie gehastet sind, wendet sich das Publikum ziemlich schnell dem Meer zu. Denn noch steht an diesem Abend ein weiterer Höhepunkt im Programm der Marathons, der nun allerdings keineswegs mehr in den sportlichen Bereich fällt und vielleicht gerade deswegen noch viel, viel mehr Schaulustige anzieht.

Schon lange vor den nach den beiden Eliteläufen waren nicht nur die fünfhundert Meter der Wettkampfstrecke für den Verkehr gesperrt worden sondern die gesamte Uferstraße, die sich von der Altstadt immer entlang eines Sandstrandes in einem leichten Bogen rund fünf Kilometer nach Norden zieht. Nicht nur die ohnehin schon relativ breite "Malecón" genannte Promenade wird somit zur Fußgängerzone. Auch auf den noch wesentlich weiteren Fahrbahnen tummeln sich die Menschen in Erwartung des "Festival de la Luz".

Mit dem "Festival de la Luz", einem großen Feuerwerk rund um die gesamte Bucht wird der Abend abgeschlossen

Bei diesem "Fest des Lichtes" handelt es sich nämlich um ein spektakuläres Feuerwerk, das von Spezialisten rund um die gesamte Bucht abgebrannt wird. Die bereits fertig vorbereiteten Abschussvorrichtungen, die sich tagsüber am Strand entdecken lassen, sehen zwar ziemlich bedrohlich aus. Doch das Ergebnis ist eben wirklich sehenswert. Und über dem Wasser der Bahía de Mazatlán wird die Sicht auch durch nichts anderes gestört als den Pulverdampf der in den nachtschwarzen Himmel gejagten Raketen.

Da sich auch kaum einer der Halb- und Vollmarathonläufer das Schauspiel der "fuegos artificiales" entgehen lässt, fällt die Nachtruhe für sie nicht allzu lange aus. Denn der gemeinsame Start beider Distanzen ist am Sonntagmorgen bereits für halb sieben angesetzt. Und der Großteil der Unterkünfte befindet sich zudem in einiger Entfernung vom Stadion entfernt. Denn erst am nördlichen Ende des "Malecón" beginnt die "zona dorada", in der sich ein großes Hotel ans andere reiht.

Zwischen zwei und fünf Kilometer müssen die meisten Teilnehmer dann auch überbrücken, um zum Start zu gelangen. Da kaum jemand diese Distanz vor dem Rennen zu Fuß zurück legen möchte und nur wenige Parkplätze vorhanden sind, können die Taxifahrer zu frühester Stunde ziemlich gute Geschäfte machen. Fast alle der von ihnen gesteuerten Motordroschken haben allerdings wenig mit dem zu tun, was man aus europäischen Städten kennt.

Zum einen rollen da nämlich die "pulmonias" über die Straßen Mazatláns - offene Fahrzeuge mit zwei Sitzbänken, die ein wenig wie zu groß geratene Golfwägelchen aussehen. Zum anderen sind die "aurigas" unterwegs, bei denen man auf kleinen Lieferwägelchen am Rand der überdachten, aber offenen Pritsche zwei parallele Bänke montiert hat, die bequem acht und etwas gequetscht auch zehn Personen fassen können.

Noch ist es relativ dunkel, als die - aufgrund der bereits wieder oder noch immer gesperrten Uferstraße in der Regel über Schleichwege zum Stadion gelangten - Taxis im Startbereich ihre menschliche Fracht abladen. Der Sonnenaufgang fällt praktisch genau mit dem Startsignal zusammen. Und je näher man dem Äquator kommt, umso kürzer fällt bekanntlich die Phase der Dämmerung aus.

Am Sonntagmorgen beginnen Halb- und Vollmarathon praktisch genau bei Sonnenaufgang

Während die immerhin etwa dreitausend Läufer ihre Position in der Aufstellungszone suchen, ist vom Rhythmus der Bandas wenig zu hören. Ausgerechnet direkt an Start und Ziel ist nämlich keine der einheimischen Kapellen postiert. Aus den Boxen kommt zwischen den Ansagen vielmehr die bei solchen Gelegenheiten weltweit übliche Popmusik.

Verschiedenfarbige Luftballonbögen helfen beim Einordnen. Wenn deren Färbung mit dem Armbändchen übereinstimmt, das man je nach der bei der Meldung angegebenen Zeit zusammen mit der Startnummer ausgehändigt bekommen hat, ist man nach Ansicht der Organisatoren richtig. Kontrollen oder Absperrungen zwischen den einzelnen Blöcken gibt es aber keine. So steht mancher dann doch nicht ganz dort, wo er eigentlich hingehört. Und das Umkleben des Papierbandes hätte man sich eigentlich schenken können.

Kurz vor dem Start ertönt noch wie in Mexiko üblich die von fast allen Anwesenden aus voller Brust mitgesungene Nationalhymne. Nach der Anfangszeile des Refrains ist sie auch unter dem Namen "Mexicanos, al grito de guerra" bekannt. Schon diese ersten Worte vom "Schrei des Krieges" klingen recht martialisch. Und der Text wird auch danach nicht wirklich friedlicher. "Stahl und Zaumzeug" sollen die Mexikaner nämlich in solchen Momenten bereit halten, um "die Erde im Kanonendonner erbeben zu lassen".

Immerhin kann man dem Lied aber zu Gute halten, dass es schon über einhundertfünfzig Jahre auf dem Buckel hat und zu einer Zeit gedichtet wurde, in der Mexiko nach zwei Kriegen gerade seinen gesamten Norden an die Vereinigten Staaten verloren hatte. Und betrachtet man sich die andere Hymne etwas genauer, wimmelt es in vielen weiteren ebenfalls von ähnlich militaristischen Formulierungen. Die bekanntesten Beispiele in Europa sind die französische "Marseillaise" und das italienische "Fratelli d'Italia".

Ein wenig überraschend - weil eigentlich ein bis zwei Minuten zu früh - wird das Feld auf die Reise geschickt. Nun ist Pünktlichkeit nicht unbedingt eine der herausragenden mexikanischen Tugenden. Doch in der Regel handelt es sich dabei natürlich eher um Verspätungen. Da Sinaloa allerdings zu jener Handvoll mexikanischer Bundesstaaten gehört, die gegenüber dem Rest der Landes eine Stunde Zeitverschiebung besitzen, könnte man den Frühstart mit ein wenig Ironie auch als eine völlig übliche Verzögerung von achtundfünfzig Minuten ansehen.

Bei noch ziemlich tief stehender Sonne wird schon nach knapp einem Kilometer ein Wendepunkt umrundet

Wie schon am Vortag auf den kürzeren Distanzen führt die Strecke beim vollen und halben Marathon erst einmal nach Südosten und damit nicht nur tendenziell dem alten Stadtkern von Mazatlán sondern auch der gerade aufgehenden Sonne entgegen. Doch noch bevor die erste Kilometermarkierung erreicht ist, hat man auch schon eine Wende um hundertachtzig Grad hinter sich gebracht und läuft jenseits des die Straße teilenden Grünstreifens wieder in genau die entgegengesetzte Richtung.

Nach eineinhalb Kilometern kommen deswegen auf der anderen Seite des breiten Boulevards die Aufbauten des Start- und Zielbereiche ins Blickfeld. Nachdem auch die gegenüber stehenden Zelte der "expo deportivo" passiert sind, geht es an der nächsten Kreuzung nach links dem Malecón entgegen. Nur wenige hundert Metern sind zwischen der am Stadion vorbei führenden Straße und der Avenida del Mar zurück zu legen.

Doch zwischen den beiden erstreckt sich trotzdem die "Laguna del Camarón", die allerdings nur noch durch einen unterirdischen Kanal Verbindung zum Meer hat. Die gegenüber dem dahinter befindlichen Gelände etwa zwei Handvoll Meter höher liegende Uferstraße schiebt sich nämlich wie ein Riegel zwischen den Strandsee und den pazifischen Ozean. Diesen Höhenunterschied gilt es natürlich dann auch zu überwinden. Obwohl eher kurz, ist die Steigung trotzdem unangenehm. Denn die Straße wartet mit ihr recht lange, um dann ziemlich schnell und abrupt bergan zu ziehen.

Oben angekommen dreht der Kurs wieder nach rechts und strebt damit immer weiter weg vom Stadtzentrum auf die "goldenen Zone" der Hotels zu. Nur noch einen knappen Kilometer zieht sich die Avenida del Mar direkt am Ufer entlang. Dann endet der sich rund um die komplette Bucht erstreckende Sandstrand an einer markant ins Meer hinaus ragenden Felsennase namens "Punta Camarón", was man ungefähr als "Krabbenkap" ins Deutsche übersetzen könnte.

Das ungewöhnliche Gebäude, das auf ihr thront, ließe sich mit vielen Giebeln und Türmchen wohl am leichtesten als Mischung zwischen hypermoderner Kirche und orientalischem Märchenschloss beschreiben. Und durch die warmen Strahlen der noch ziemlich tief stehenden Sonne bekommt es zusätzlich eine spezielle Note. Der Komplex ist unter der Bezeichnung "Fiesta Land" bekannt und gilt mit seinen Diskotheken und Bars als das Zentrum des Nachtlebens von Mazatlán.

Einige anscheinend gerade erst von dort aufgebrochenen Spätheimkehrer sind dann auch ziemlich erstaunt über die kaum enden wollende Läuferwelle, die ihnen da auf der Uferpromenade entgegen schwappt. Schon zuvor auf dem Weg vom Hotel zum Start hatte sich die eine oder andere Begegnung dieser zwei in diesem Moment so völlig gegensätzlichen Gruppen ergeben - mit verständnislosem Kopfschütteln auf beiden Seiten.

Eine kurze, aber ruppige Steigung bringt das Läuferfeld hinauf zur Uferpromenade

Vor dem Nachtklub bildet ein Kreisel einen für Mazatlán relativ wichtigen Verkehrsknoten. Denn die dort einmündende Straße stellt die Verbindung zur weitgehend an der Stadt vorbei führenden Nationalroute mit der Nummer fünfzehn her, die in der Hauptstadt Ciudad de México beginnt und von dort über die Millionenmetropole Guadalajara erst zur Pazifikküste und anschließend an dieser entlang nach Norden führt, um nach mehr als zweitausend Kilometern in der Grenzstadt Nogales zu enden.

Die Marathonis drehen am Kreisverkehr dem Meer erst einmal den Rücken zu und biegen auf diese wohl bedeutendste Einfallsachse für auswärtige Touristen ein, die mit einer erneuten Begegnungsstrecke aufwartet. Ungefähr einen Kilometer lang läuft man die Straße hinaus und kehrt dann nach einer scharfen Wende zwischen den Kilometermarken vier und fünf auf der anderen Seite des baumbestandenen Mittelstreifens gleich wieder zur Avenida del Mar zurück.

Auch den kompletten Rest des Kurses wird man jeweils aus zwei entgegengesetzten Richtungen betrachten können. Denn sowohl am Samstag als auch am Sonntag sind sämtliche Distanzen - in Mexiko auch bei größeren Veranstaltungen keineswegs ungewöhnlich - vollständig mit "puntos de retorno" abgesteckt. So kommt man auch an praktisch jeder der über die Strecke verteilten Bandas zweimal vorbei. Und von der vor dem "Fiesta Land" postierten Kapelle kann man aufgrund der Routenführung sogar dreimal den Rhythmus aufnehmen.

Einige der Bauten, die man entlang der breiten Asphaltbandes zu Gesicht bekommt, wirken in ihrer farbenfrohen Gestaltung und manchmal etwas ungeordneten Strukturen durchaus lateinamerikanisch. Doch das meiste ließe sich in ähnlicher Form auch an vielen anderen Orten auf der Welt an solchen Hauptverkehrsstraßen entdecken. Ein großer Supermarkt mit noch größerem Parkplatz, einige autogerechte Bankfilialen, Hotels und Schnellrestaurants sowie mehrere Autohäuser säumen die Ränder.

Natürlich gibt es da auch eine Tankstelle. Und wie stets in Mexiko ist sie in den grün-roten Farben der "Pemex" gehalten. Denn dieses Unternehmen hat seit der Verstaatlichung der Ölindustrie im Jahr 1938 das absolute Monopol für Benzin und Diesel. Die Konzessionen für den Verkauf der produzierten Treibstoffe an den Endverbraucher werden dann in einem Franchise-Verfahren an die einzelnen "estaciónes de servicio" weiter gegeben.

Obwohl hierzulande weitgehend unbekannt gehört "Petróleos Mexicanos" zu den größten Mineralölkonzernen der Welt und ist im Hinblick auf dem Umsatz die mit Abstand größte Firma des Landes. Auch findet sich Mexiko selbst in der Liste der Förderländer erstaunlich weit vorne, nämlich unter den ersten zehn. Allerdings wird nur ein gutes Drittel der nach oben geholten Petroleummenge am Ende ausgeführt, so dass man bei den Exportnationen dann doch noch einige Plätze weiter hinten rangiert.

Bei Kilometer fünf wird gleich noch ein weiteres Begegnungsstück absolviert

Fast ein Drittel des mexikanischen Staatshaushaltes wird alleine von den Erträgen der Pemex getragen. Doch da dringend neue Investitionen für deren zum Teil erheblich in die Jahre gekommenen Anlagen benötigt werden, sind inzwischen Verfassungs- und Gesetzesänderungen beschlossen, die eine Liberalisierung des Ölgeschäftes ermöglichen sollen. Im Land sind diese allerdings ziemlich umstritten, denn viele fürchten den Ausverkauf der nationalen Energiereserven an ausländische Großkonzerne insbesondere aus dem ungeliebten Nachbarland USA.

Auch nachdem man am Kreisel vor dem "Fiesta Land" schließlich doch in die "goldenen Zone" eingetaucht ist, ändert sich erst einmal nicht allzu viel am Straßenrand. Noch immer bestimmen Geschäfte das Bild - und zwar auf beiden Seiten, denn von nun an verläuft die Avenida nicht mehr direkt an der Küste entlang. Allerdings rückt die Bebauung weitaus enger zusammen und die Parkplätze an den Läden fallen - falls überhaupt noch vorhanden - um einiges kleiner aus.

Von den großen Hotels des touristischen Zentrums ist jedoch anfangs nicht viel zu sehen. Straßen- und Küstenverlauf haben sich nämlich relativ schnell, aber trotzdem unmerklich so weit voneinander entfernt, dass problemlos noch für eine zweite Häuserreihe Platz bleibt. In dieser kann man dann in etwa zweihundert Meter Abstand zur Hauptverkehrsachse jene Ferienkomplexe finden, die sich von der "Punta Camarón" in nahezu ununterbrochener Reihe den Strand nach Norden hinauf ziehen.

Etwa einen Kilometer später haben sich die beiden in unterschiedliche Richtung gekrümmten Bögen von Straße und Uferlinie einander aber wieder angenähert. Und zumindest auf der Seeseite dominieren jetzt für längere Zeit Hotelanlagen mit drei- oder zum Teil sogar vierstelligen Bettenzahlen. Insgesamt stehen den Gästen in Mazatlán rund zehntausend Zimmer zur Verfügung. Und mehr als eine Million Übernachtungen werden in ihnen pro Jahr gezählt werden, womit die Stadt zu den zehn am häufigsten aufgesuchten Reisezielen Mexikos gehört.

Recht abrupt ändert sich das Bild dann aber kurz vor der Zehn-Kilometer-Marke. Denn zum einen vollführt die bis dahin zwar keineswegs schnurgerade, aber doch eher in sanften Kurven nach Norden oder Nordwesten verlaufende Straße nun plötzlich einen scharfen Schwenk in östliche Richtung. Zum anderen führt sie aus - trotz einiger noch vorhandener Baulücken - bisher dicht bebautem Gebiet in ein zum größten Teil brach liegendes Gelände hinaus.

Nach zehn Kilometern warten an einer Brücke die nächsten Höhenmeter auf die Marathonis

Dass der zuvor durgehend asphaltierte Untergrund nun für die nächsten Kilometer auch noch aus Pflaster bestehen wird, fällt angesichts dieses ohnehin bereits erheblichen Bruches kaum weiter ins Gewicht. Im Gegensatz zu den in Altstädten, kleinen Dörfern oder kleinen Landstraßen noch ziemlich häufig anzutreffenden, sorgsam gepflegten und auch mit viel Arbeitsaufwand erneuerten Kopfsteinpflastern sind es jedoch moderne Verbundsteine, die sich unter den Füßen kaum anders anfühlen als "normaler" Teerbelag.

Die Strecke schwenkt in weitem Bogen um das vor noch nicht allzu langer Zeit errichtete Hafenbecken der Sportboot-Marina herum, dessen Wasserfläche mehr als einen vollen Kilometer ins Land hinein ragt. Langfristig ist wohl geplant das komplette Gelände mit Hotels und Ferienanlagen zu umgeben. Doch bislang ist kaum die Hälfte des zur Verfügung stehenden Areals wirklich erschlossen und bebaut.

Bewegte man sich in der Anfangsphase zumindest noch an einigen Stellen im Schatten, kann die inzwischen deutlich über den Horizont gestiegene Sonne den Marathonis nun im freien Feld noch wesentlich mehr wärmende Strahlen hinunter schicken. Wirklich nötig wäre das eigentlich überhaupt nicht gewesen. Denn die Bedingungen waren aufgrund von Temperatur und Luftfeuchtigkeit auch ohne direkte Einwirkung des Zentralgestirns schon relativ schweißtreibend.

Immerhin haben die Veranstalter entsprechend vorgesorgt und im Abstand von gerade einmal zwei Kilometern Getränke- und Erfrischungsstellen aufgebaut. Der Doppelbegriff ist trotz eher karger Auswahl durchaus zutreffen. Denn im Gegensatz zu europäischen Versorgungspunkten, bei denen man diesbezüglich recht gute Unterscheidungen treffen kann, da entweder Becher zum Trinken oder Schwämme zu Kühlung verteilt werden, sind die kleinen Wasserbeutel, die man in Mazatlán ausgibt, schließlich problemlos für beide Zwecke gut zu gebrauchen.

Die Laufstrecke schlägt einen großen Haken um die neue Sportboot-Marina, um die ein neues Stadtviertel mit weiteren Hotels und Ferienanlagen entsteht

Ein wenig sparsamer geht man jedoch mit den Elektrolytgetränken des Sponsors um. Diese werden nämlich nur an jedem zweiten Posten - also im Abstand von jeweils vier Kilometern - angeboten. Und wenn man nicht selbst dafür gesorgt hat, muss man während des Rennens auf feste Nahrung vollständig verzichten. Doch hört sich dies in der Theorie eigentlich schlimmer an als es sich in der Praxis dann anfühlt. Denn bei Temperaturen, die in der Schlussphase immer näher an dreißig Grad heran kommen, ist Flüssigkeitszufuhr das viel wichtigere Bedürfnis.

Vom sowieso schon keineswegs klein ausgefallenen, zentralen Bereich des Yacht-Hafens zweigen zusätzlich zwei große Kanalsysteme ab, die später einmal weitgehend von privaten Villen und Wohnanlagen mit jeweils eigenen Anlegeplätzen umgeben sein sollen. Fast das gesamte Gebiet im südlichen Ast gehört dabei einer einzigen, nach dem spanischen Ritter "El Cid" benannten Gesellschaft, die außerdem noch den sich zwischen den Häusern erstreckenden Golfplatz und mehrere mit der riesigen Anlage verbunden Hotels besitzt.

Da die Ringstraße irgendwie über diese Wasserwege hinweg geführt werden muss, stehen den Läufern bei der Umrundung des Hafenbeckens auch erneut einige Höhenmeter bevor. Innerhalb von eineinhalb Kilometern gilt es dazu nämlich gleich zwei Brücken zu überwinden, die trotz eines nicht unbedingt langen Anstieges den Laufrhythmus recht unangenehm brechen. Insbesondere die zweite Rampe kommt in ihren Steigungsprozenten doch eher ruppig daher.

Die Läufer des Halbmarathons müssen diese Überführung mehr oder weniger direkt danach gleich noch ein weiteres Mal bewältigen. Denn kaum hat man am Ende des jenseitigen Gefälles wieder die Ausgangshöhe knapp über dem Wasserspiegel erreicht, werden die beiden Felder auseinander sortiert. Übersehen lassen sich die dafür an Stahlrohrgerüsten über der Straße aufgehängten bunten Transparente mit den Zahlen "21" und "42" eigentlich nicht.

Und während die Marathonis von den an dieser Gabelung postierten Helfern auf der rechten Seite weiter geradeaus geleitet werden, dürfen die Teilnehmer der Halbdistanz nach zwölf absolvierten Kilometer an dieser Stelle umkehren und ohne weitere Umwege zurück zum Ziel laufen. Da am Wendepunkt jedoch eigentlich kein Durchlass im begrünten Mittelstreifen vorhanden ist, haben die Veranstalter eigens auf beiden Seiten eine kleine Rampe an die Randsteine betonieren lassen - ein kleines Detail, das aber anschaulich die Gründlichkeit der Organisation zeigt.

Am Ende des mehrere Kilometer langen Bogens erzeugt eine weitere Brücke eine zweite Spitze im Streckenprofil

Eine Zeitmessmatte kontrolliert, ob auch wirklich jeder diesen Punkt passiert hat. Schaden kann es nicht. Und wie einige Kürzel "DSQ" in der Ergebnisliste zeigen, geht man im Gegensatz zu manchem hiesigem Lauf, bei dem man lieber einmal die Augen zudrückt, um seine schwindenden Läuferzahlen nicht noch weiter zu reduzieren und sich dazu vielleicht noch Ärger mit uneinsichtigen Betroffenen einzuhandeln, auch recht rigoros gegen Schummler vor.

Gerade in Mexiko hat man damit schließlich so seine Erfahrungen. Die hierzulande schon längst wieder vergessene Geschichte von Roberto Madrazo Pintado ist im Land schließlich noch ziemlich präsent. Der Politiker, der sich sogar um das Amt des mexikanischen Präsidenten beworben hatte, war nämlich 2007 beim Berlin-Marathon als erster Läufer der Klasse M55 mit sensationellen 2:40 ins Ziel gekommen. Dass ein großes, zuvor unentdecktes Lauftalent in den Reihen der "Partido Revolucionario Institucional" schlummerte, hatte kaum jemand ahnen können.

Peinlich wurde die Sache allerdings, als wenig später herauskam, dass auf der Strecke praktisch keine Zwischenzeiten für den vermeintlichen Sporthelden registriert worden waren. Und da der Hauptstadtmarathon bekannt dafür ist, diesbezüglich im Vergleich zu manchem Konkurrenten besonders genau zu sein und hart durchzugreifen, wurde Madrazo nicht nur disqualifiziert sondern zudem auch mit einem lebenslangen Startverbot belegt.

Der in Europa eher belächelte Betrugsversuch wuchs sich in Mexiko zu einem echten Skandal aus und führte zu einer heftigen Debatte über Politik und Politiker. Und nicht nur die sportlichen Ambitionen hatten sich für Madrazo durch den Ausschluss in Berlin bis auf weiteres erledigt. Bevor man nun aber über das Imponiergehabe südländischer Volksvertreter den Kopf schüttelt, sei an die gerade wieder einmal aktuellen Enthüllungen über erschlichene Doktortitel heimischer Politgrößen erinnert, die bei nüchterner Betrachtung eigentlich auch nichts anderes darstellen.

Praktisch direkt hinter dem Gefälle werden die Felder von Marathon und Halbmarathon auseinander sortiert

Praktisch gleichzeitig lösen der Mexikaner Jesus Isidro Chavez Rodriguez und der Kenianer Josphat Kibet Ngetich an dieser Stelle den Mess-Impuls aus. Doch obwohl sie als Führungsduo den Halbmarathon anführen, sind sie nicht die Ersten an der Wende. Denn zehn Minuten vor dem Hauptlauf sind die Kategorien "muletas" und "sillas" gestartet worden. Übersetzt bedeutet dies "Krücken" und "Stühle", wobei mit Letzterem natürlich "Rollstühle" gemeint sind.

Die Läufer der Klasse "invidente" - auf Deutsch "Sehbehinderte" - sind mit ihren Begleitern dabei ebenfalls auf die Strecke gegangen. Um trotz eventuellem Restsehvermögen bei einigen Athleten völlige Chancengleichheit zu schaffen, treten übrigens alle Teilnehmer dort mit einer zusätzlichen Augenbinde an. Und nicht nur die schnellsten Rollstuhlfahrer sind wie erwartet - Sieger Alfonso Zaragoza Solorio legt die einundzwanzig Kilometer in 51:37 zurück - vor den Eliteläufern am Umkehrpunkt. Auch der führende Blinde Fausto Brian Aguilar Pérez ist noch vorher da.

Erst auf dem Rückweg wird der am Ende beachtliche 1:21:47 erzielende Aguilar Pérez eingeholt. Und praktisch gleichzeitig kann sich der Afrikaner auch langsam von Chavez Rodriguez lösen: Doch vollständig abschütteln lässt dieser sich dennoch nicht. Bei einer Endzeit von 1:07:32 beträgt der Vorsprung von Josphat Kibet Ngetich auf seinen stets Sichtkontakt haltenden Konkurrenten, der am Vortag schon im Eliterennen unterwegs war, schließlich fünfundzwanzig Sekunden.

In beachtlichen 1:21:47 absolviert Fausto Brian Aguilar Pérez die Halbmarathondistanz, gewinnt damit das zehn Minuten früher gestartete Rennen der Sehbehinderten und ist schon auf dem Rückweg, als die übrigen Teilnehmer noch aus Mazatlán hinaus laufen

Der Dritte Alfredo Pascual Martinez bleibt mit 1:09:21 genauso unter siebzig Minuten wie die in dichter Folge dahinter ins Ziel kommenden Daniel Valdez Lopez (1:09:31), Arturo Cortes Piedras (1:09:39) - am Vortag über zehn Kilometer Dritter - und Moises Azotea Muciño (1:09:41). Und der wie der Gesamtsieger aus Kenia stammende Masters-Gewinner Jared Nyamora Otwori scheitert als Einlaufsiebter nach 1:10:10 nur knapp an dieser Marke.

Die Namen der zwei schnellsten Frauen sind ebenfalls schon bekannt. Denn beide haben samstags jeweils einen Fünf-Kilometer-Lauf gewonnen. Während Emily Perpetua aus Kenia nur zwölfeinhalb Stunden nach ihrem Erfolg im Einladungswettbewerb in 1:16:16 einen weiteren ersten Platz - und das dafür fällige Preisgeld - verbuchen kann, bleibt Dulce Rodriguez de la Cruz nach 1:16:39 diesmal neben Gesamtrang zwei zumindest erneut der Sieg in der Mastersklasse.

Schon deutlichen Abstand haben Melissandre Yolande Passerat de Silans, die mit 1:20:01 das Treppchen vervollständigt, sowie die 1:22:47 laufende Ursula Patricia Sanchez Garcia. Und obwohl die Leistungsdichte auch insgesamt etwas geringer ausfällt als bei den Herren, sind dennoch mehr als ein Dutzend Läuferinnen im Ziel, bevor die darüber hängende Uhr auf neunzig Minuten springen kann.

In einem noch immer stark vom "Machismo" geprägten Land wie Mexiko überrascht es zudem, dass fast ein Drittel des Feldes weiblich ist. Denn damit kann man zwar nicht an die US-amerikanischen Quoten nördlich des Rio Grande heran reichen, wo fünfzig oder mehr Prozent keine Seltenheit mehr sind, erreicht aber durchaus mitteleuropäische Werte. Im einstigen Mutterland Spanien ist der Anteil dagegen oft nicht einmal halb so hoch.

Nachdem die Halbmarathonläufer, die den Großteil des Feldes stellen, umgedreht haben, wird es auf der Straße deutlich leerer… …die Marathonis haben ihren Wendepunkt, an dem wieder einmal eine Banda aufspielt, erst einige Kilometer später

Mit dem Abdrehen der Teilnehmer des Halbmarathons, die an diesem Morgen die große Mehrheit stellen, wird es auf der nun wieder parallel zur Küste nach Norden einschwenkenden Straße deutlich leerer. Obwohl diese in jeder Richtung zwei Fahrspuren besitzt, ist sie nach wie vor vollständig für den Marathon gesperrt. Und selbst wenn sich die Läuferschlange noch viel weiter auseinander ziehen wird, so dass man sich auf den breiten Boulevards fast schon ein wenig verloren vorkommt, wird dies bis zum Ende des Rennens auch so bleiben.

Die zwei Polizisten, die deswegen die nächste Einmündung bewachen, zeichnen sich wahrlich nicht unbedingt durch Unterernährung aus. Eigentlich kommt die mexikanische Küche zwar ziemlich scharf, aber in ihrer Zusammensetzung eher leicht daher. Fleisch spielt als Bestandteil der Mahlzeiten zum Beispiel eine weit weniger wichtige Rolle als nördlich der mehr als dreitausend Kilometer langen mexikanisch-amerikanischen Grenze.

Vielmehr dominieren Maisfladen, die je nach Form, Größe, Zubereitung und Füllung als "Tortillas", "Enchiladas", "Burritos", "Fajitas", "Quesadillas", "Tostadas" oder "Tacos" firmieren können, was beim Lesen mexikanischer Speisekarten aufgrund der sich daraus noch ergebenden vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten manchmal durchaus verwirrend werden kann. Neben scharfen, entweder "Salsa" oder "Mole" genannten, oft kalt servierten Soßen gehören auch zu einem dicken Brei verkochte dunkle Bohnen zu beinahe jedem Essen.

Allerdings gewinnt wie fast überall auf der Welt inzwischen auch in Mexiko eine weit weniger ausgewogene, aus Hamburgern, Pizza und Zuckerbrausen bestehende "Esskultur" an Gewicht - und dies gleich in doppelter Hinsicht, wie jene stark übergewichtigen Einheimischen zeigen, denen man immer wieder einmal begegnen kann. Auch die beiden Ordnungshüter - ein Mann und eine Frau - lassen sich problemlos in diese Kategorie einsortieren.

In den Außenbezirken führt die Strecke an mehreren riesigen Hotelananlagen vorbei

Sie gehören zur "Policía Municipal", die auf lokaler Ebene für Ordnung sorgt, darum auch von den einzelnen Gemeinden aufgestellt wird, aber nur eine von vielen verschiedenen Polizeieinheiten des Landes ist. Als "Policía Turistica" können Beamte zum Bespiel auch in touristisch interessanten Zonen patrollieren. Oder sie regeln als "Policía de Tránsito" den Verkehr. Dabei kann man durchaus schon einmal einen Uniformierten auf einer Verkehrsinsel entdecken, der eine Ampelanlage je nach Bedarf und Länge der Warteschlangen mit der Hand schaltet.

Doch trifft man bei Reisen durch Mexiko eben durchaus auch auf weit weniger gemütlich und friedlich wirkende Polizei. Während einer Begegnung mit der "Policía Federal" die der mexikanischen Republik untersteht, oder der "Policía Estatal" der einzelnen Bundesstaaten kann man vielmehr schon alleine wegen ihrer Ausrüstung ab und zu einmal richtig Angst bekommen.

Eine Kolonne aus mehreren Pickups, auf deren Pritsche jeweils drei bis vier schusssicheren Westen und Helmen ausgerüstete sowie mit Maschinepistolen bewaffnete Beamte stehen, die manchmal sogar noch mit Skimasken vermummt sind, wirkt schließlich alles andere als friedlich. Und wenn dann auf einem der Fahrzeuge sogar noch ein schweres Maschinegewehr montiert ist, wähnt man sich fast in einem Kriegsgebiet.

Völlig aus der Luft gegriffen ist diese Annahme auch nicht. Denn selbstverständlich gibt es für dieses ziemlich militärische Auftreten einen ernsten Grund. Auf praktisch der kompletten Länger der Grenze zu den USA blüht nämlich der Drogenschmuggel. Das Nebeneinander der unzähligen verschiedenen Polizeieinheiten erleichtert den Banden ihr Geschäft genauso wie die schlechte Bezahlung der Beamten, die sie extrem anfällig für Korruption macht.

Insbesondere im Norden des Landes haben sich die Kartelle deswegen zu einem enormen Machtfaktor entwickelt. Sie können mit mindestens genauso schwerer Bewaffnung aufwarten wie die Polizei oder das - inzwischen ebenfalls gegen sie eingesetzte - mexikanische Militär. Regelmäßig gibt es Schießereien mit den Ordnungskräften. Und ebenso häufig bekämpfen sich die einzelnen Gangs auch untereinander, was Mexiko regelmäßig einen vorderen Platz in den Kriminalitätsstatistiken einbringt.

Angesichts der steigenden Temperaturen sind die schattenspendende Palmen am Straßenrand ziemlich willkommen

Trotzdem sollte man natürlich nicht der Meinung sein, dass deswegen überall im Land ständig Kugeln durch die Luft fliegen. Die Auseinandersetzungen konzentrieren sich auf ganz bestimmte Regionen, die meist in Grenznähe liegen. Traurige Berühmtheit hat diesbezüglich aber auch der südwestliche Bundesstaat Michoacán. Touristische Gebiete sind dabei jedoch ebenso wenig betroffen wie die Zentren der großen Städte. In diesen ist die Gefahr, von einem Auto überfahren zu werden, jedenfalls um ein Vielfaches höher.

Absolut unberührt von diesem blutigen Konflikt bleibt man allerdings trotzdem nicht. Bei Fahrten über Land ist es nahezu unvermeidlich, regelmäßig auf große Kontrollstellen der Polizei oder der Armee zu stoßen, an denen Dutzende gut bewaffnete Ordnungshüter jedes vorbeikommende Fahrzeug anhalten und die Insassen zumindest grob begutachten. Was man hierzulande alle Jubeljahre einmal erlebt, wird in Mexiko schnell zur täglichen Routine.

Einige dieser Punkte hat man auf freier Strecke zufällig aufgebaut. Andere sind - insbesondere an Autobahnen und Hauptverkehrsachsen - sogar dauerhaft eingerichtet und besitzen zum Beispiel Laufgräben, in denen man im Zweifelsfall auch unter die Autos sehen kann. Doch obwohl man angesichts der grimmig drein blickenden Uniformierten jedes Mal ein ungutes Gefühl in der Magengegend bekommt, ist die Prozedur meist recht schnell absolviert.

Denn in vielen Fällen wird man als europäisch aussehender Besucher nach einem kurzen Blick durchs Fenster einfach durchgewinkt. Und falls einer der Kontrolleure doch einmal nachhakt und wirklich die Papiere sehen will, erfahren "turistas alemanes" - ein Begriff den man auf jeden Fall recht bald hervor holen sollte, um nicht für einen "Gringo" aus den USA gehalten zu werden - trotz oder gerade wegen begrenzter Kenntnisse im Spanischen, eine ziemlich freundliche Behandlung, die durchaus auch einmal mit einem Handschlag zum Abschied enden kann.

Nach etwa zwei Drittel der Distanz erreicht man wieder die Hotelzone und etwas später auch die Strandpromenade

Auch an der Zufahrtsstraße nach Mazatlán befindet sich etwa fünfundzwanzig Kilometer vor dem Stadtzentrum ein solcher "puesto de control". Da sich "banda" nicht nur mit "Musikkapelle" sondern unter gewissen Voraussetzungen auch mit "Gangsterbande" übersetzen lässt, bekommt der Werbespruch des Marathons in diesem Moment plötzlich eine ganz andere, aber sicher von den Veranstaltern völlig unbeabsichtigte zweite Bedeutung.

Und nicht nur die Polizei überprüft Fahrzeuge. Es gibt zudem an den Straßenrändern immer wieder Stationen der Ämter für Agrar- oder Transportwesen. Meist werden dabei Maße und Gewicht der Ladungen von Lastwagen begutachtet. Oder auch der Gesundheitszustand des auf ihnen beförderten Viehs. Doch gibt es eben auch Bundesstaten, die mit solchen Kontrollen an ihren Grenzen versuchen, in Privatwagen mitgeführte Früchte abzufangen, um die Einschleppung von Pflanzenkrankheiten oder Schädlingen aus anderen Regionen des Landes zu verhindern.

Schnurgerade zieht sich die Straße im Abstand von wenigen hundert Metern zur Küstenlinie durch eine Umgebung ist, die sich nicht entscheiden zu können scheint, ob sie überhaupt noch zur Stadt gehören möchte. Während die Seeseite zumindest anfangs noch fast durchgängig mit Hotels und Ferienhausanlagen bestückt ist, klaffen gegenüber schon erhebliche Lücken. Und selbst da, wo sich östlich der Laufstrecke von Investoren komplett durchgeplanten Siedlungen als Bebauung findet, ist das wenig urban. Denn auch dort beginnt direkt dahinter das Brachland.

Alles ist weit großflächiger angelegt. Selbst der Mittelstreifen, der die beiden Fahrbahnen trennt, ist auf eine Breite von rund zwei Dutzend Meter angewachsen und hat eher den Charakter eines Parks. Manchmal verhindert die Grünanlage sogar die Sicht auf die Gegenspur. Dabei könnten die dort in umgekehrter Richtung Laufenden auf den scheinbar endlosen Geraden für etwas Ablenkung sorgen. So wirkt dieser ohnehin nicht gerade abwechslungsreiche, immerhin rund zehn Kilometer lange Wendepunktabschnitt noch ein wenig länger.

Da freut man sich über einen Gesprächspartner. Und so ist auch Carlos Galarza Gonzalez einer kleinen Unterhaltung keineswegs abgeneigt. Er spricht einigermaßen akzeptables, wenn auch nicht wirklich flüssiges Englisch, das er nach dem obligatorischen "soy de Alemania y hablo solo un poco español" ziemlich schnell hervor zaubert. Für einen Mexikaner seiner Generation - Galarza ist dreiundfünfzig Jahre alt - sind allerdings schon solche Kenntnisse nicht unbedingt selbstverständlich.

Noch viel Spaß hat Carlos Galarza Gonzalez nach den ersten dreißig Kilometern seiner Marathonpremiere

Mit einigen von beiden Seiten zusätzlich eingestreuten spanischen Wortfetzen kommt jedenfalls eine ziemlich problemlose Verständigung zustande. Er würde seinen allerersten Marathon laufen, berichtet Carlos Galarza, habe aber schon eine ganze Reihe von Rennen auf der Halbdistanz in den Beinen. Da er dabei bereits unter zwei Stunden geblieben war, rechnet er sich nun eine Zeit zwischen vier und viereinhalb Stunden aus.

Die ziemlich massive Medaille für die Bewältigung der Distanz wird Carlos bei seiner Premiere am Ende zwar um den Hals gehängt bekommen. Doch die angepeilte Marschroute ist dann doch deutlich zu ambitioniert. Denn zum einen wird der Marathon-Novize anerkennen müssen, dass zweiundvierzig Kilometer eben doch mehr sind als nur zweimal einundzwanzig. Und zum anderen muss er den keineswegs läuferfreundlichen klimatischen Bedingungen weitaus stärker Tribut zollen als erwartet.

Wirklich gewohnt ist Carlos diese Verhältnisse nicht. Er kommt nämlich aus der rund fünfhundert Kilometer entfernten Metropole Guadalajara, die auf einer Höhe von sechszehnhundert Metern jenseits der Berge liegt und deswegen mit etwas geringeren Temperatuten sowie einer deutlich geringeren Luftfeuchtigkeit aufwartet. Trotz aller Quälerei kann er allerdings auch später noch lachen und strahlt zum Schluss trotz einer nicht ganz den Hoffnungen entsprechenden 5:39:51 über das ganze Gesicht.

Die Banda, die unter ihrem Pavillon ein bisschen für Stimmung sorgt, scheint ideal zu passen, als Carlos Galarza Gonzalez im Laufe des Gespräches die Verbindung von seinem Wohnort zu seinen Beruf herstellt. Denn auch er ist professioneller Musiker. Doch mit den Banda-Rhythmen aus Sinaloa hat er nicht unbedingt zu tun. Vielmehr spielt er in einer Gruppe, die aus europäischer Sicht die "typisch mexikanische Musik" macht - nämlich in einer Mariachi-Kapelle.

Es ist weniger ein besonderer Stil - das Repertoire beinhaltet eine Vielzahl von Melodien völlig unterschiedlicher Taktung und Herkunft - als vielmehr die ganz spezielle Instrumentierung mit Gitarren, Geigen und Trompeten, der die Musik der Mariachis auszeichnet. Carlos spielt dabei nach eigener Aussage ein Guitarrón. Diese große und dickbauchige Gitarre, die den Bass-Part übernimmt, bekommt man eigentlich nur bei Mariachis zu Gesicht.

Bei knapp dreißig Grad umrundet der Marathonkurs fast ohne jeden Schatten die Bucht

Typisch für die Gruppen ist aber auch ihre auffällige Tracht, die sich an die Kleidung der "Charros", der mexikanischen Viehhirten anlehnt. Neben Cowboy-Stiefeln, einer kurzen Jacke und dunklen Hosen, die mit silbernen Knöpfen und Stickereien reich verziert sind, gehört dazu auch der unverwechselbare Sombrero, an dem man zumindest in Western immer die Mexikaner erkennt. In der Realität trägt man zwar in Mexiko insbesondere auf dem Land tatsächlich ziemlich häufig Hüte, die viel zu großen und unpraktischen Sombreros sieht man dabei aber eigentlich nie.

Ursprünglich stammt die Mariachi-Musik aus dem Bundesstaat Jalisco, dessen Hauptstadt Guadalajara ist. Und obwohl man sie aus der Ferne mit Mexiko ganz allgemein gleichsetzt, hat sie dort auch weiterhin ihren Schwerpunkt. In der Altstadt von Guadalajara - insbesondere rund um die "Plaza de los Mariachis" - spielen die Kapellen genauso in unzähligen Restaurants oder Kneipen für Touristen und Einheimische wie im durch seine vielen Kunsthandwerkgeschäfte bekannten Vorort Tlaquepaque.

Oft ziehen sie dabei auch von Tisch zu Tisch und singen die von den Gästen jeweils gewünschten Lieder. Und es gibt durchaus Lokale, in denen Neuankömmlinge nach ihrer Herkunft gefragt werden. Anschließend platziert man dann vor ihnen entweder eine kleine Nationalfahne oder aber die Flagge des mexikanischen Bundesstaates, die meist einfach nur aus dem jeweiligen Wappen - recht überraschend zeigen diese als Elemente oft mittelalterliche Ritterhelme oder -burgen - auf einfarbigem Hintergrund bestehen.

Auf der breiten "Avenida del Mar" verliert sich das inzwischen weit auseinander gezogen Feld noch ein wenig mehr

Die Mariachis können sich ihre Gesangsstücke so von vorne herein passend zurechtlegen. Schließlich haben sie nicht nur "música tradicional" aus vielen mexikanischer Regionen parat sondern sind auch in der Lage, typische Melodien aus nahezu allen anderen lateinamerikanischen Ländern auf ihre Art zu interpretieren. Da ertönen dann durchaus einmal brasilianische Samba-, argentinische Tango- oder kubanische Mambo-Hits im Mariachi-Stil. Und für US-Amerikaner spielt man zum Beispiel eine recht ungewöhnliche Variante von "New York, New York".

Durch seinen Beruf war Carlos schon mehrmals auf Konzerttour in Europa. Und seine Tochter will demnächst sogar in Deutschland studieren. So hat er durchaus über Mexiko hinaus reichende Vergleichsmöglichkeiten. Umgekehrt interessiert ihn natürlich auch brennend, wie man jenseits des Atlantiks über seine Heimat denkt und berichtet. Um das Thema "Gewaltverbrechen" kommt man dabei kaum herum.

Doch der Einheimische bestätigt dabei durchaus den in wenigen Tagen gewonnen oberflächlichen Eindruck des Gastes aus Übersee. Selbstverständlich blieben auch ihm durch die Berichte in Zeitungen und Fernsehnachrichten die Bandenkriege der Drogenkartelle nicht verborgen. Doch persönlich hätte er in dieser Hinsicht noch keine einzige schlimme Erfahrung machen müssen. Als kleine Anekdote gibt er vielmehr zum Besten, dass sein bisher einzige Kontakt mit Kriminalität ausgerechnet in Venedig gewesen sei, wo ihm ein Taschendieb den Geldbeutel gestohlen hätte.

Hinter Kilometer fünfzehn wird das Gelände noch ein wenig offener. Denn nun tauchen auch seeseitig mehrere unbebaute Freiflächen auf. Und gegenüber breitet sich praktisch nur noch weitgehend unberührtes Buschland aus. Umso markanter ragt deshalb auch ein gigantischer, zwanzigstöckiger Hotelkomplex aus der Landschaft heraus, der in seinen Ausmaßen fernab der Stadt allerdings ein wenig deplatziert wirkt.

Carlos Galarza Gonzalez (774) und Enrique Flores Rodriguez (1565) sind zwei der vielen Marathonneulinge in Mazatlán In der Nähe des alten Stadtzentrums werden die Häuser am Straßenrand ziemlich bunt

Inzwischen ist Enrique Flores Rodriguez zum Grüppchen hinzu gestoßen. Da er sich mit dem Englischen weit schwerer tut als Galarza Gonzalez und eigentlich fast nur Spanisch spricht, wird die Kommunikation nun weitgehend in dieser Sprache geführt. Im Zweifelsfall muss der Musiker dann die eine oder andere nicht verstandene Formulierung übersetzen. Dass auch Enrique seinen ersten Marathon läuft, lässt sich aber noch aus der Unterhaltung der beiden Mexikaner heraus hören.

Es stamme aus Mérida, erzählt der Enddreißiger. Und Carlos schickt als Erläuterung gleich noch hinterher, das sei dort, wo man die Ruinen der Maya finden könne. Fast zweitausend Kilometer Luftlinie sind es von der Hauptstadt des Bundesstaates Yucatan auf der gleichnamigen Halbinsel bis nach Mazatlán. Trotzdem hat sich Flores Rodriguez für seine Premiere diesen Marathon ausgesucht und nicht den am gleichen Wochenende ausgerichteten Lauf im viel näheren Cancun oder das im Januar stattfindende Rennen in einer Heimatstadt.

Enrique hat durchaus ähnliche Zeitvorstellungen wie Carlos. Und auch die taktischen Pläne, die sich die beiden Novizen zurecht gelegt habe, stimmen einigermaßen überein. So tut man sich für die nächsten Kilometer erst einmal zusammen. Doch auf dem Rückweg ins Stadtzentrum wird das Duo irgendwann auseinander platzen. Am Ende hat der "Meridano" sogar noch größere Schwierigkeiten und kann erst nach 5:42:12 die "felicidades" der die Medaillen verteilenden Helfer im Ziel entgegen nehmen.

Einen Kilometer hinter dem an ein um einige Etagen zu hoch ausgefallenes Schloss erinnernden Hotelklotz, nachdem man siebzehn Kilometer insgesamt in den Beinen hat, bildet ein Kreisverkehr den immer stärker herbei gesehnten Wendepunkt. Auch an dieser Stelle ist eine Banda platziert. Diese bekommt man natürlich aufgrund ihrer Position wirklich nur einmal zu Gesicht. Im Gegensatz zu den Läufern, die in der nur von leichten Schönwetterwolken verdeckten Sonne schwitzen, können sich die Musiker aber im Schatten eines Zeltdaches aufhalten.

Längst nicht überall läuft man in Mazatlán vor großem Publikum, auf vielen Abschnitten sind die Marathonis vielmehr weitgehend alleine unterwegs

Das auf allen Seiten ganz leicht ansteigende Terrain lässt es zwar nicht unbedingt erkennen. Doch viel weiter hätte man an dieser Stelle ohnehin nicht mehr laufen können. Denn man befindet sich auf einer kleinen Halbinsel und ist deswegen gleich in drei Richtungen von Wasser umgeben. Und die beiden Straßen, die dort noch abzweigen, enden bereits nach ein- bis zweihundert Metern in einer Sackgasse.

Einige Zuschauer haben es sich am Streckenrand in Klappsesseln bequem gemacht. Sie sind vom Campingplatz, der die Spitze des Kaps besetzt, heraus gekommen. Ganz ähnliches erlebt man auch vor fast allen anderen Einfahrten zu den Hotel- oder Ferienanlagen. Doch mehr als ein oder zwei Dutzend Köpfe zählt das Publikum eigentlich nirgendwo. Dass etliche der Anfeuerungsrufe zudem auf Englisch ertönen, lässt viele amerikanischen Urlauber unter ihnen erahnen.

Im Bereich der "goldenen Zone" wird dies später kaum anders sein. Größere Teile der Strecke bleiben die Marathonis weitgehend unter sich. Es mag ein wenig an der frühen Uhrzeit liegen, dass sich so wenige "Mazatlecos" aus Neugier an die Strecke begeben. Doch führt die Strecke eben auch größtenteils in deutlichem Abstand an den Wohngebieten der einheimischen Bevölkerung vorbei.

Und wenn es wie später auf der Avenida del Mar ein wenig voller wird, stehen neben den eigentlich immer üblichen Angehörigen vor allem viele Halbmarathonläufer, die ihr Rennen schon hinter sich gebracht haben, an der Straße. Zwar ballen sich die Menschen hauptsächlich dort, wo die - in diesem Bereich noch ein wenig dichter gestaffelten - Bandas aufspielen. Doch mit den von den ganz großen Marathons hierzulande bekannten Straßenpartys können diese Zuschauerschwerpunkte trotzdem nicht wirklich mithalten.

Die Halbmarathonmarke ist bereits passiert, als am Ende der langen Geraden ein Laden mit dem Schriftzug "Oxxo" den zweiten großen Schwenk um das Marina-Becken einleitet. Nach ein paar Tagen in Mexiko erkennt man das gelb-rote Logo längst problemlos auch aus größerer Distanz. Denn bei einer Reise durchs Land kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass es neben der Pemex noch ein zweites Monopol gibt. Wo immer man auch hinkommt, "Oxxo" ist schon da.

Mutterseelenalleine, dafür aber mit Begeisterung und fliegender Fahne feuert diese kleine Zuschauerin die Läufer an… …und gibt damit ein wenig Schwung für die auch nach dem Passieren der Altstadt noch anstehenden Meter auf der Küstenstraße

Noch über ein halbes Dutzend weitere Male wird man im Laufe des Marathons an einem Oxxo vorbei kommen - und zwar ohne sie auf Hin- und Rückweg doppelt zu zählen. Wirklich verwundern kann dies bei weit mehr als zehntausend Filialen, mit denen das Unternehmen in allen mexikanischen Bundesstaaten und praktisch jedem größeren Dorf vertreten ist, eigentlich nicht. Im Schnitt betritt schließlich fast jeder zehnte Mexikaner einmal am Tag einen der Läden der Kette.

Selbst wenn diese einmal nicht - wie ziemlich häufig - an einer "estación de servicio" zu finden sind, haben sie trotzdem alle den Charakter eines Tankstellenshops. Eine überschaubare Auswahl von Essen und Getränken wird dort angeboten. Man kann in der Regel einige Zeitungen und Magazine kaufen oder sein Handy aufladen. Und viele Kunden verlassen das Geschäft außerdem auch mit einem großen Pappbecher Kaffee.

Die beiden Brücken an der Marina scheinen in der Zwischenzeit ein wenig gewachsen zu sein. Denn obwohl am Ende der Runde um den Yachthafen gerade erst Kilometer fünfundzwanzig erreicht ist, zeigen die Temperaturen langsam bereits erste Wirkung. Dass die meisten Einheimischen nicht nur ein T-Shirt tragen sondern einige von diesen sogar lange Ärmel haben, ist angesichts der schweißtreibenden Witterung umso erstaunlicher.

Sergio Sanchez Lopez hat sich zumindest für die kurzärmlige Variante entschieden. Doch mit Kompressionstrümpfen und Schlabbershorts könnte sein Laufdress auch bei zwanzig Grad weniger noch brauchbare Dienste leisten. Die Kappe mit Nackenschutztuch und der umgeschnallte Gürtel mit Getränkeflachen erwecken fast den Eindruck, als sei er zu einer Hochgebirgs- oder Wüstenexpedition aufgebrochen und nicht zu einem mit Verpflegungsstellen reichlich bestückten Stadtmarathon.

Ein wenig von einem Abenteuer hat er aber tatsächlich vor sich. Denn Sergio läuft ebenfalls zum ersten Mal über eine so lange Distanz. Selbst wenn die zufällige Läufer-Stichprobe aus wissenschaftlicher Sicht natürlich viel zu klein ausgefallen ist, um ernstzunehmende Schlüsse daraus ziehen zu können, scheint Mazatlán trotzdem irgendwie eine gewisse Anziehungskraft auf mexikanische Marathonnovizen auszuüben.

Auch Federico Melgar Calderon, der aus Tepic, der dreihundert Kilometer südlich gelegenen Hauptstadt der Bundesstaates Nayarit stammt, hatte schließlich kurz zuvor versucht, dem Gast aus Europa mit möglichst einfachen und deswegen besser verständlichem Spanisch zu erklären, dass es sich um seine Premiere handelt.

Federico Melgar Calderon aus Tépic läuft genauso seinen ersten Marathon wie … … Sergio Sanchez Lopez (in orange), der auf der Strandpromenade Begleitung von Eduardo Ivan Salmón Gonzalez und Nayeli Isabel Mora Magaña hat

Da er beruflich immer wieder einmal in den USA unterwegs ist und deswegen recht gut Englisch spricht, fällt die Unterhaltung mit Sergio ein wenig leichter. Es stammt aus Durango, der Hauptstadt des sich östlich an Sinaloa anschließenden gleichnamigen Bundesstaates. In der Luftlinie sind es bis dorthin nur zweihundert Kilometer. Doch muss man für die Fahrt trotzdem mindestens drei bis vier Stunden einkalkulieren.

Denn zwischen der Hafenstadt Mazatlán und dem auf einer weiten Hochebene auf rund neunzehnhundert Meter Höhe gelegenen Durango gilt es eben die Sierra Madre Occidental mit ihren schroffen Schluchten zu überwinden. Gleich zwei absolut spektakuläre Varianten gibt es für diese Strecke. Zum einen ist da die "alte" Straße, die sich in wirklich Tausenden von Kurven und Serpentinen entlang der steilen Hänge bis in die Nähe der Dreitausend-Meter-Marke nach oben schraubt und dabei an manchen Stellen wirklich überwältigende Aussichten bietet.

Insbesondere für Lastwagen war sie allerdings eine echte Herausforderung und stellte fast eine Tagesreise dar. Mit der nagelneuen vierspurigen "Autopista Durango-Mazatlán" konnten nun die Fahrzeiten um mehrere Stunden verkürzt werden. Und während sich die "ruta vieja" in ihrem Verlauf nahezu perfekt an der vorhandenen Topologie orientiert, hat man für die neue Autobahn eher die Landschaft an die Trasse angepasst. Ingenieurtechnisch ist diese eine echte Meisterleistung.

Mit unzähligen Kurven und herrlichen Aussichten schraubt sich die alte Straße zwischen Mazatlán und Durango durch die Sierra Madre

Für ihre Fertigstellung mussten rund sechzig Tunnel gegraben und weit mehr als hundert Brücken gebaut werden, von denen gleich ein halbes Dutzend eine Höhe von über hundert Meter haben. Zwei von ihnen ragen dabei noch einmal besonders heraus. Die Fahrbahn des "Puente el Carrizo" befindet sich nämlich sogar volle zweihundert Meter über dem Talboden. Und besonders eindrucksvoll ist der "Puente Baluarte", der diesbezüglich sogar vierhundert Meter bieten kann und deswegen zu den höchsten Brücken der Welt gehört.

Während die alte Strecke zwar länger ist, dafür aber frei befahren werden kann, muss man auf der neuen Piste an mehreren Mautstellen den Geldbeutel heraus holen. Das System ist in Mexiko insbesondere überall dort, wo schnellere Autobahnen und langsame Landstraße parallel geführt werden, üblich. Wer nicht will, ist so nicht gezwungen, für die kürzere Fahrzeit in die Tasche zu greifen. Es gibt stets auch eine kostenlose Alternative.

Im Normalfall ist wie bei dieser "Carretera Federal 40", die auf von Mazatlán nur nach Durango sondern auf insgesamt mehr als tausend Kilometern über Torreón, Saltillo und Monterrey weiter bis Reynosa in der Nähe der mexikanischen Ostküste führt, die Nummerierung für beide Strecken identisch. Sie unterscheiden sich in der Beschilderung allerdings durch die Zusätze "libre" oder "cuota" - auf Deutsch etwa "Gebühr" - eindeutig.

Aber auch die neue Autobahn hat eine spektakuläre erregende Streckenführung, die unter anderem den mehr als zweihundert Meter hohen "Puente el Carrizo" umfasst

Zurück durch die zona dorada führt die Marathonstrecke dem Ausgangspunkt entgegen und stößt an der "Punta Camarón" wieder auf den Pazifik, wo man nun dank der umgekehrten Laufrichtung den Blick über die gesamte Bucht genießen kann. Von dort wäre es nur noch die Länge zweier Stadionrunden bis zum Abzweig und die doppelte Entfernung, also etwa eine englische Meile bis zum Ziel am "estadio".

Doch mit einer kurzen Überschlagrechnung sollte eigentlich klar sein, dass die Marathonis im Gegensatz zu den Läufern der Halbdistanz ihr Rennen noch längst nicht beenden dürfen. Schließlich haben sie durch den weiter nach Norden gezogenen Wendepunkt bisher nur etwa zehn zusätzliche Kilometer gewonnen haben. Gut zehn weitere müssen noch irgendwo heraus gekitzelt werden.

Und so findet sich nicht nur die Marke mit der "29" direkt vor dem Fiesta Land. Einige hundert Meter später tauchen auch wieder jene schon von der ersten Streckenteilung bekannten Torbögen mit Nummern und Pfeilen auf, an denen die Teilnehmer der beiden Wettbewerbe ein zweites Mal in unterschiedliche Richtungen geleitet werden. Das Symbol zwischen den beiden Zahlen "42" zeigt dabei geradeaus, denn der Marathonkurs führt weiter entlang des Malecóns auf die Altstadt zu.

Sergio Sanchez Lopez - dessen "appelidos" gleich alle zwei zu den zehn häufigsten Nachnamen im Land gehören - hat inzwischen seinen Trainingskameraden Eduardo Ivan Salmón Gonzalez aufgesammelt. Beide starten für "Aquiles Durango". Wobei es sich hinter diesem Namen keineswegs ein Verein verbirgt sondern einer der auch in Mexiko immer beliebter werdenden kommerziellen Fitnessclubs, die zum Teil eben auch Ausdauersportprogramme für ihre zahlende Kundschaft anbieten.

Und auch Nayeli Isabel Mora Magaña hat sich zu ihnen gesellt. Allerdings behauptet sie steif und fest, eigentlich nur beim Halbmarathon gestartet zu sein und nun zum Anfeuern der Langstreckler noch ein bisschen mitlaufen zu wollen. Anscheinend macht dem ihr diese Motivationshilfe jedoch so viel Spaß, dass sie am Ende die komplette Strecke bis zum Wendepunkt und wieder zurück absolvieren wird.

Hinter dem Stadtzentrum gewinnt das bisher meist ebene Geläuf auf einmal spürbar Profi ... …was in Kombination mit der Hitze so manchen zu Gehpausen zwingt

Den beiden langsam erkennbar müde werdenden Durangueños können die Anfeuerungen des aus Mazatlán stammenden Temperamentbündels - der ungewöhnliche Vorname "Nayeli" stammt aus den Zapotekischen und ist in Mexiko durchaus weit verbreitet - ganz sicher nicht schaden. Sergio wird sich bei seiner Premiere schließlich mit 5:17:26 ins Ziel kämpfen. Sein schon beim Erreichen der Avenida del Mar etwas schwächelnder Kumpel Eduardo wird sogar 5:24:39 benötigen.

Während sich auf der Landseite einige vereinzelte Hochhäuser mit niedrigeren Zweckbauten abwechseln, kann man auf der sich rechter Hand erstreckende Uferpromenade immer wieder einmal eine interessante Skulptur entdecken. Da sitzen dann zum Beispiel lebensgroße Robben -auf einem künstlichen Felsen. Die auf Spanisch "lobos marinos" - also "Seewölfe" - genannten Meeressäuger kann man nicht nur entlang der Küste in freier Wildbahn sondern auch im nur einen Steinwurf von ihren reglosen Kopien entfernten Aquarium erleben.

Wenig später erinnert ein großer Braukessel an die lange Tradition der Bierherstellung in Mazatlán. Und besonders beliebt bei Touristen ist selbstverständlich der "Monumento a la Pulmonía" zu Ehren der für die Stadt so typischen offenen Taxis. Für ein Foto am Steuer dieser Nachbildung in Originalgröße muss man sich manchmal sogar regelrecht in eine Warteschlange einreihen.

Dort wo die Laufstrecke den felsigen Hügel "Cerro de la Neveria" umkurvt, flattert eine riesige Fahne - die "bandera monumental" - im Wind

Viel weniger einsichtig ist dagegen, wie die in einem Wasserbecken stehende Säule des "Monumento al Pescador" zu interpretieren ist. Den namensgebenden Fischer kann man daneben noch an seinem Netz erkennen. Ob zu seinen Füßen ein großer Fisch oder ein Delfin abgebildet ist dagegen schon weniger klar. Und die Bedeutung der übrigen Elemente des Denkmals - zum Beispiel die sich auf einem seltsam geschraubten Gebilde räkelnde Schönheit - bleibt ohne irgendeine weitergehende Erklärung erst einmal völlig schleierhaft.

Ungefähr am Fischerdenkmal, in dessen Nähe natürlich auch eine Banda flotte Rhythmen aus ihren Instrumenten heraus zaubert, bekommt der bis dahin nur ganz leicht gebogene Bucht eine deutlich stärkere Krümmung. Und dort beginnt auch die Altstadt auf der etwa drei Kilometer langen aber selten viel mehr als einen Kilometer breiten Halbinsel zwischen dem Hafen und dem offenem Pazifik.

Fast genau in deren Mitte befindet sich die "Catedral Basílica de Mazatlán" mit leuchtend gelben Türmen und einer ebensolchen Kuppel. Ganz verschiedene Baustile hat man für die Ende des neunzehnten Jahrhunderts fertig gestellte Bischofskirche vermischt. Neben architektonischen Ideen aus Gotik, Renaissance und Barock hat man sich dabei auch einige maurische Elemente verwendet. Insbesondere das mit hohen Säulen aufwartende Eingangsportal hat deswegen durchaus etwas Orientalisches.

Neben der Plaza de la República vor der Kathedrale bildet die einige Häuserblöcke entfernte Plaza Machado die zweite zentrale Anlaufstelle der Innenstadt. Einige der in bunten Farben gestrichenen historischen Bauten, von denen dieser mit tropischen Bäumen bewachsene Platz ringsherum umgeben ist, stammen vermutlich noch aus jener Zeit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, in der Mazatlán Hauptstadt des Staates Sinaloa war.

Dann gab es allerdings einen Erlass des mexikanischen Präsidenten, der verlangte, dass der Regierungssitz eines Bundesstaates nicht am Meer liegen dürfte. Und so bekam das zweihundert Kilometer nördlich und etwas weiter landeinwärts gelegene Culiacán diese Ehre zugesprochen. Inzwischen gibt es in Mexiko zwar wieder einige Hauptstädte am Meer, doch in Sinaloa hat sich das inzwischen ohnehin weitaus größere Culiacán als Kapitale längst fest etabliert.

In der Mitte der Plaza Machado findet sich wie auf unzähligen anderen Freiflächen in Mexiko ein Musikpavillon. Auch den "Platz der Republik" ziert zum Beispiel eine solche "glorieta". Und es ist im Land absolut nichts ungewöhnliches, wenn man dort einmal eine kostenlos aufspielende Kapelle oder gar ein ganzes Orchester antrifft. Die Bandas hätten also auch noch etwas stabilere Unterstände als die leichten Zelte an der Marathonstrecke.

Etliche Skulpturen wie der "Monumento al Pescador" oder der "Fuente de los Delfines" säumen die Küstenstraße

Allerdings führt der Kurs nicht in die Innenstadt hinein sondern immer weiter an der Küste entlang um diese herum. Vorbei an den kleinen Fischerbooten, die am Südende der Bucht auf dem Strand liegen, geht es nun auf der nicht mehr "Avenida del Mar" sondern "Paseo Claussen" heißenden Fahrbahn erst einmal nach Westen. Georg - oder Jorge, wie er mit seinem ins Spanische übertragen Vornamen in Mazatlán meist genannt wird - Claussen war einer der Gründer der Pacifico-Brauerei und zudem maßgeblich für den Bau dieser Straße verantwortlich.

Das - abgesehen von den Brücken - bisher so ebene Geläuf gewinnt dort auf einmal spürbar Profil. Denn ausgerechnet am äußersten Rand schwingt sich die ansonsten meist recht flache Küstenlinie zu mehreren felsigen Hügeln auf. Und selbst wenn man während des Rennens keineswegs bis zu deren Gipfel hinauf klettern muss, nimmt die Straße eben trotzdem einige leichte Wellen in ihrem unteren Teil mit.

Einer dieser "cerros", der "Cerro de la Neveria" diente - auch dank der auf ihm errichteten hohen Funkantennen - den Marathonis schon seit längerer Zeit über das Wasser der Bucht hinweg als unübersehbare Wegmarke. Dass diesem im Norden eigentlich noch eine weitere, wesentlich niedrigere Kuppe vorgelagert ist, wird erst klar, als man ihm nach deren Umrundung einen knappen Kilometer später erneut entgegen läuft.

Hatte man seit dem Erreichen des Malecón einen fast endlos erscheinenden Sandstrand an der Seite gehabt, ist die Küste ganz im Westen dann doch ein wenig schroffer. Felsen greifen mit bizarren Formen ins Meer hinaus und verlieren sich dort in unzähligen winzigen Inselchen. An mehreren Stellen wagen sich kleine Kaps noch ein wenig weiter vor. Und erstmals seit einer kompletten Handvoll Kilometer verdecken die auf einigen von ihnen stehenden Gebäude wieder einmal kurzeitig die freie Sicht auf den Pazifik.

Einen anderen dieser etwas breiteren Landstreifen besetzt die "Fuente de los Delfines", die größte der Skulpturen entlang der sich auch die diesem Abschnitt fortsetzenden und weiterhin meist gut ausgebauten Promenade. Offiziell trägt der Brunnen mit mehr als halben Dutzend springender Delfine zwar den Namen "Monumento a la Continuidad de la Vida". Doch wirklich so genannt wird er eigentlich von niemandem.

Dahinter rückt der auf dieser Seite fast senkrecht abfallende "Cerro de la Neveria" noch enger an die Strecke heran. Für die Straße bleibt zwischen blanken Felswand und den Wellen des Pazifiks nun nicht mehr allzu viel Platz. Das reicht zwar nicht, um dem Marathon den Charakter eines Landschaftslaufes zu verleihen. Dafür ist der Abschnitt entlang des Steilhanges viel zu kurz. Doch imposant wirkt er eben trotzdem.

Keine zweihundert Meter vom Delfinbrunnen entfernt flattert an einem riesigen Fahnenmast eine noch riesigere mexikanische Flagge im Wind. Wenn dieser einmal nicht richtig zupackt und das Tuch etwas schlaffer herunter hängt, ließe sie sich durchaus auch für eine italienische halten. Schließlich sind beide in ihrer Farbgestaltung völlig identisch. Den Unterschied macht das Wappen in der Mitte - ein auf einem Kaktus sitzender Adler, der eine Schlange in den Fängen hat.

Nach der Umrundung der Felsspitze nähert man sich noch einmal von der anderen Seite der Altstadt, die im Hintergrund vom "Cerro del Crestón" mit dem Leuchtturm überragt wird

In praktisch allen größeren Städten des Landes gibt es eine dieser "banderas monumentales". Die Fahne von Mazatlán zählt dabei sogar noch zu den "kleineren" ihrer Art. Die Rekordhalter erreichen nämlich sogar die gigantische Länge von fünfzig Metern. Doch auch ohne diese Mega-Exemplare ist die Fahne in Mexiko fast allgegenwärtig. Schließlich wird sie nicht nur vor öffentlichen Gebäuden sondern auch an Unternehmen und Privathäusern gezeigt.

An das kleine Mädchen, das die Marathonis einen Kilometer zuvor am Rande der Innenstadt mutterseelenalleine, dafür aber mit fliegender Fahne angefeuert hat, dürften sich die meisten auch noch erinnern. Und ohnehin gibt es kaum ein mexikanisches Lauftrikot, auf dem nicht entweder der Schriftzug "México" oder eben irgendwo eine kleine Flagge angebracht ist. Dabei dürfte die wenigsten von ihnen genau wie ihre Träger das Land jemals zu einem internationalen Start verlassen.

Direkt neben der riesigen Fahne ist auf einen besonders hoch aufragenden Felsen eine Plattform betoniert, die über eine Freitreppe zu erreichen ist. Von ihr stürzen sich mutige Klippenspringer aus etwas zwanzig Metern Höhe in den Ozean. Denn diese Touristenattraktion gibt es nicht nur in Acapulco. Allerdings sind die dortigen "clavadistas" weitaus berühmter sind und zudem wohl auch die Erfinder dieser inzwischen sogar zum Wettkampfsport gewordenen Disziplin.

Ziemlich exakt an der Frauenstatue des "Monumento a la Mujer Mazatleca" - also das "Denkmal für die mazatlánische Frau" - steht die fünfunddreißigste Kilometermarke. Und davor spielt wieder einmal eine der Bandas auf, die in diesem Bereich mit einem Abstand von weniger als einem Kilometer entlang der Strecke verteilt sind. Die vor Kurzem passierte große Werbetafel, die als identisches Gegenstück zum Schild bei Kilometer dreißig erneut behauptet, das man zum Rhythmus der Blaskapellen laufen würde, hat nicht unbedingt etwas Falsche versprochen.

Die Felswand weicht zurück und in der Lücke zwischen "Cerro de la Neveria" und dem nächsten, Hügel "Cerro del Vigía" öffnet sich eine kleine Bucht. Der "Wachhügel" ist deutlich niedriger ausgefallen als sein Nachbar. Und so wird er im Hintergrund auch von der höchsten dieser Kuppen überragt, die mit ihrem scharfen Grat den Namen "Cerro del Crestón" - übersetzt "Kammhügel" - völlig zu recht führt. Nur durch einen schmalen Damm ist dieser äußerste Punkt der "península de la ciudad" mit dem Festland verbunden.

Oben auf der Spitze des Felsens sitzt in einer Höhe von hundertfünfzig Metern ein Leuchtfeuer, das bei guter Sicht selbst Schiffen in mehr als fünfzig Kilometer Entfernung noch den Weg zur Hafeneinfahrt zeigen kann. Der "faro" von Mazatlán ist einer der am höchsten gelegenen dieser Türme weltweit und natürlich eines der Wahrzeichen der Stadt. Und auch das Logo der Pacifico-Brauerei besteht aus einem Rettungsring in dessen Mitte ein Berg zu sehen ist, den man durchaus für den Leuchtturmhügel halten könnte.

An der kleinen Bucht im Westen des Stadtkernes wird zum letzten Mal gewendet

Viel näher kommen die Marathonis ihm während ihres Rennens allerdings nicht mehr. Denn am Ende des schmalen Sandstrandes wird, kurz bevor die Straße beginnt, den "Cerro del Vigía" hinauf zu streben, mit einer Runde um einen Kreisverkehr gewendet. Und neben der Chipmatte, mit der die Organisatoren ein weiteres Mal überprüfen, ob auch niemand vorzeitig den Rückweg angetreten hat, ist natürlich auch an dieser Stelle wieder ein Pavillon für eine Banda aufgebaut.

In der Mitte des Kreisels sitzt eine Betonsäule mit den Wappen von Sinaloa und Mazatlán. Und wenige hundert Meter später kommt man zum zweiten Mal an jener ebenfalls auf einer Verkehrsinsel errichteten Skulptur des Hirsches vorbei, von dem die Stadt ihren Namen hat. Dass diese ausgerechnet an dieser Stelle finden ist durchaus erklärbar. Denn nirgendwo ist man dem historischen Zentrum Mazaláns näher. Bis zur Plaza Machado hätte man nur wenig mehr als einen Viertelkilometer zurück zu legen.

Entlang der Straße reihen sich gleich mehrere Restaurants und Cafés auf, in denen es sich unter schattigen Vordächern etliche Zaungäste bequem gemacht haben. Frenetische Anfeuerungen bleiben zwar aus, die meisten sind schließlich eher zufällig an die Marathonstrecke geraten. Doch spenden sie den Läufern, die sich in wenigen Meter Entfernung auf ihre letzten sechs Kilometer begeben, durchaus freundlichen Applaus.

Wobei zu diesem Zeitpunkt jedoch längst nicht mehr alle Marathonis im Mittel und Hinterfeld auch wirklich noch ständig im Laufschritt unterwegs sind. Die Gehpausen werden zunehmend länger, die Intervallfrequenzen dagegen immer kürzer. Und obwohl die Abstände zwischen den in der Regel beidseitig benutzten Verpflegungsstellen in der Gegenrichtung natürlich gleich bleiben, scheinen sie auf dem Rückweg aus subjektiver Sicht irgendwie deutlich größer geworden zu sein.

Selbst die jeweils nächste Blaskapelle lässt nun stets ziemlich lange auf sich warten. Und dass sich schon gleich nach der Umrundung des Felsens über die Bucht hinweg wieder jenes Hochhaus erkennbar ist, an dem die Laufstrecke später die Avenida del Mar verlassen wird, dieses allerdings erst mehrere Kilometer später erreicht werden kann, macht die ganze Angelegenheit mental auch nicht gerade einfacher.

Die Situation ist fast schon paradox. Denn man kommt dem Abzweig erst in dem Moment wirklich näher, in dem man ihn nicht mehr sieht, weil nach etwa vierzig Kilometern die Krümmung von Straße und Bucht nachlässt. Auch Kilometer einundvierzig passiert man noch auf der Uferpromenade. Bei der zweiundvierzigsten Markierung hat man dagegen das Ziel auf der schnurgeraden Straße am Stadion schon im Blick.

Die dort aufgebauten Tribünen sind prall gefüllt, als sich Benjamin Kiplimo Meto auf der für die schnellen Marathonläufer mit Hütchen vom zu diesem Zeitpunkt noch immer dichten Feld der Halbdistanzler abgetrennten Spur nähert. Der Kenianer ist als Letzter aus einer anfangs mehr als ein halbes Dutzend Läufer umfassenden Spitzengruppe übrig geblieben und kann die Linie in 2:19:18 als Erster überqueren.

Bei der Frauenstatue des "Monumento a la Mujer Mazatleca" - also das "Denkmal für die mazatlánische Frau" - finden sich die fünfunddreißigste und die siebenunddreißigste Kilometermarke

Den Namen des Zweiten hat man schon einmal gehört. Denn Stephen Mburi Njoroge war wie einige andere, die an diesem Sonntag am Start stehen, bereits am Vortag auf vorderen Plätzen vertreten. Nach Rang drei im Elite-Fünfer steht er diesmal mit 2:20:28 auf der zweithöchsten Stufe des Treppchens. Auch der Drittplatzierte Festus Kioko Kikumo kommt aus der ostafrikanischen Läufernation. Doch muss er sich schon ziemlich lang machen, um mit einer Zeit von 2:24:13 den zehn Sekunden langsameren Abraham Vargas Quijas auf Distanz zu halten.

Der schnellste Einheimische ist gleichzeitig auch der Sieger der Mastersklasse. Bevor mit Peter Kemboi in 2:27:21 der nächste Kenianer einläuft, kommen noch Roman Arroyo Trejo (2:25:21), Edilberto Mendez Hernandez (2:25:39) und Pedro Espinoza Perez (2:26:32) ins Ziel. Stephen Kibet Chelal aus Kenia bleibt nach 2:28:26 gerade einmal eine einzige Sekunde vor dem M40er Jose Asencio Arredondo Espericueta.

Und auch Edward Kipkorir Kiptum (2:28:51), sein Landsmann Sammy Cheruiyot Mutai (2:29:03), Cesar Javier Jimenez Ruiz (2:29:50) und Wilson Nyakamba Omwoyo (2:29:55) bleiben noch unter zweieinhalb Stunden. Insgesamt vierzehn Ergebnisse in diesem Zeitbereich bedeuten ungefähr zwei Prozent des gesamten Marathonfeldes und damit eine Größenordnung, die hierzulande manchmal gerade einmal unterhalb der Drei-Stunden-Marke erreicht wird.

Man kann angesichts der vielen guten Leistungen an der Spitze aber natürlich das Argument der relativ hohen Preisgelder hervor holen. Tatsächlich zeigt eine insgesamt gerade einmal die dreifache Prozentzahl betragende Drei-Stunden-Quote, dass hinter den Eliteathleten die Einlaufdichte schnell wieder abnimmt. Und die fünf schnellsten Frauen, die ebenfalls Sieg- und Platzprämien bekommen, sind in diesem Zahlenwert ja außerdem noch enthalten.

Den höchsten Betrag kann dabei Karina Perez Delgado mit nach Hause - der kleinste mexikanische Bundesstaat mit dem für Nichtmexikaner im ersten Moment ziemlich unaussprechlichen Namen "Tlaxcala" - nehmen. Denn in 2:40:55 lässt sie ihre Konkurrentinnen recht deutlich hinter sich. Ruth Chepckoech aus Kenia folgt mit 2:44:51 erst knapp vier Minuten später als Zweite.

Das Siegerpodest wird von Misha Elena Ruiz Fernandez komplettiert, die nach 2:46:14 die 2:46:52 laufende Kanadierin Caitlin Schindel Warkentin hinter sich lassen kann. Nach diesem in relativ dichter Folge einlaufenden Dreierpack muss sich Patricia Rétiz Gutiérrez dagegen wenig Gedanken über ihre Platzierung machen. Denn die Gewinnerin der Kategorie "Masters Femeinil" hat mit ihrer 2:55:07 in beide Richtungen rund zwei Kilometer Abstand zur nächsten Läuferin.

Die aus Saskatoon in der Provinz Saskatchewan stammende Kanadierin ist die große Ausnahme in der von Mexikanern und Kenianern dominierten oberen Plätzen der Ranglisten. Und obwohl der Marathon von Mazatlán auch als Mitglied der Laufveranstalter-Vereinigung AIMS durchaus auf internationalen Zuspruch hofft, muss man auch weiter hinten in der Liste schon ziemlich eifrig suchen, um in der Rubrik "Procedencia" - ins Deutsche am besten mit "Herkunft" übersetzbar - etwas anderes als mexikanische Bundesstaaten zu entdecken.

Das Laufwochenende an der mexikanischen Pazifikküste verbindet eine Organisation, die internationale Vergleiche absolut nicht scheuen muss, in faszinierender Form mit typisch mexikanischer Lebensart und lokalen Traditionen. "En Mazatlán se corre a ritmo de banda"
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Die wenigen dort notierten "USA" oder "Canada" kann man eigentlich schon an zwei Händen abzählen. Aus Übersee findet abgesehen von den ostafrikanischen Laufprofis, die aber ohnehin fast alle eine feste Basis in Mexiko haben, praktisch überhaupt niemand den Weg zum "Gran Maratón Pacífico". Und das liegt wohl nur sehr bedingt daran, dass der Flughafen des Hafen- und Ferienortes von Europa aus nicht direkt angeflogen wird.

Vielmehr dürften hierzulande die wenigsten bisher je von Mazatlán gehört haben - geschweige denn davon, dass man dort einen Marathon laufen kann. Das Alleinstellungsmerkmal der unterwegs zu hörenden Banda-Rhythmen - eine Musik, die zudem außerhalb von Mexiko und dem von der mexikanischen Kultur beeinflussten Südwesten der USA sowieso nahezu niemand kennt - kann unter solchen Voraussetzungen natürlich keine Wirkung entfalten.

Ein bisschen bedauern darf man dies schon. Das Laufwochenende an der Pazifikküste von Sinaloa verbindet schließlich eine Organisation, die internationale Vergleiche absolut nicht scheuen muss und praktisch keine Ansätze zur Kritik bietet, in faszinierender Form mit typisch mexikanischer Lebensart und lokalen Traditionen. "En Mazatlán se corre a ritmo de banda". Und vielleicht sind es ja irgendwann demnächst doch nicht mehr nur Einheimische, die sich vom Rhythmus der Blaskapellen über die Strecke leiten lassen.

Bericht und Fotos von Ralf Klink

Info & Ergebnisse www.maraton.org/maraton

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