Old Mutual joBerg2c (27.4. bis 5.5.12)Mountainbikers Paradise in Südafrika |
von Stefan Schlett
|
Diese Landschaft ist total irre! Unendliche Weiten, totale Einsamkeit, bizarre Tafelberge, windumtoste Hochplateaus, tiefe Schluchten, duftende Wälder und ein stahlblauer Himmel, der diese archaischen Welten in noch intensiverem Licht erscheinen lässt. Und erst die Single Trails! Gefühlte Millionen von Kilometer schlängeln sich durch ein Bikerparadies par excellence. Wir sind uns einig: Das ist das geilste MTB-Rennen der Welt, durch die galaktischsten Landschaften Afrikas!
![]() |
|
![]() |
![]() |
Eigentlich ist meine Hauptdisziplin der Langstreckenlauf und mein Partner Frank ist leidenschaftlicher Windsurfer. Doch einmal im Jahr treibt es uns zu den Pilgerstätten der internationalen Mountainbikeszene, wo wir den Adrenalinstössen federgabelgedämpfter Edelrösser verfallen. Mit dem "joBerg2c" haben wir ein echtes Juwel entdeckt. Die simple Abkürzung steht für Johannesburg, durch die Berge zur See und bedeutet 900 spannende Kilometer in 9 Tagen, von dem südlich von Johannesburg gelegenen Städtchen Heidelberg durch die Drakensberge runter nach Scottburgh am Indischen Ozean. Cape Epic war gestern - der erst zum dritten Mal ausgetragene joBerg2c setzt neue Maßstäbe, an denen sich auch zukünftige Veranstaltungen messen lassen müssen.
Südafrika, das gerne mit dem Slogan "Die ganze Welt in einem Land" wirbt, hat sich in nur einem Jahrzehnt zum Epizentrum der Mountainbiker entwickelt. In keinem anderen Land gibt es so viele Mountainbike-Etappenrennen. Die Vielfalt unglaublich schöner und mit einem gemäßigten Klima gesegneter Landschaften zwischen dem Kap der guten Hoffnung im Südwesten und dem Krüger Nationalpark im Nordosten ist nur eine Seite des Erfolgs. Eine völlig sportverrückte Nation, herzliche Gastfreundschaft und leidenschaftliche Organisatoren die mit immer neuen Innovationen ihre Visionen umsetzen, die andere Seite.
![]() |
|
![]() |
![]() |
Der joBerg2c ist das, was dabei herauskommt, wenn sich drei völlig verrückte südafrikanische Mountainbikefreaks zu einem Brainstorming treffen. Die beiden Farmer Glen Haw und Gary Green organisierten bereits seit Jahren unabhängig voneinander die kürzeren und sehr erfolgreichen Etappenrennen "sani2c" und "Berg and Bush" in der Region. Eines Tages, es war entweder während einem harten Trainingsritt, vielleicht auch danach in der Bar oder als die beiden gerade über die Milchpreise diskutierten -so genau weiß man das heute nicht mehr- trat Glen an Gary mit dem Vorschlag heran, ihr Know-how, das vorhandene Netzwerk und die Strecken zu kombinieren. Sie holten noch Craig Wapnick, ein MTB-Enthusiast und ehemaliger PR-Manager aus Johannesburg mit ins Boot. Das Resultat konnte sich sehen lassen: joBerg2c beinhaltet die besten Abschnitte der beiden schönsten und spektakulärsten MTB-Rennen im östlichen Südafrika und noch viel mehr.
![]() |
|
![]() |
![]() |
Das Ziel hat dabei weniger Bedeutung, als die Erlebnisse und Abenteuer entlang der Strecke, die zu unglaublichen 99,5% Off Road ist! Glen und Garry sind vermögende Farmer, Gary Green alleine besitzt 3000 Hektar Land und genauso viele Rinder. Das bringt sie in die glückliche Lage, ihre Leidenschaften auszuleben. joBerg2c ist weder profit- noch expansionsorientiert. 600 Teilnehmer in allen Kategorien sind und bleiben das zukünftige Limit. Das besonders familiäre Flair dieser Veranstaltung soll dabei erhalten bleiben. Topfahrer sind gerne gesehen, werden aber nicht hofiert. Die Tagessieger erhalten jeweils 10.000 Südafrikanische Rand (ZAR), was 883,- Euro entspricht und insgesamt wird ein Gesamtpreisgeld von 330.000.- ZAR (= 29.145,- Euro) ausgeschüttet. Oberstes Ziel ist es, den Fahrern ein unvergessliches Erlebnis mit "Rundum-Sorglos-Service" zu bieten.
Der Start fiel dieses Jahr auf den Freedom Day, ein Nationalfeiertag an dem der Entlassung Nelson Mandelas aus dem Gefängnis gedacht wird. Die 1. Etappe ist zum Einrollen und Adaptieren gedacht und deshalb ohne Zeitwertung. Das ist vernünftig, somit kann sich der Körper ohne Stress auf den 9-tägigen Extremritt vorbereiten. Zudem ist ein Feiertag ja auch für die körperliche Erholung gedacht
![]() |
|
![]() |
![]() |
Ein Monster-Traktor von Massey Ferguson führt das 537 Teilnehmer starke Feld aus 15 Ländern an, als es auf einem riesigen Acker vor den Toren Heidelbergs auf die lange Reise geschickt wird. Der Tag ist voller Überraschungen. Nach einigen Kilometern trennen sich die Wege, die Biker haben die Wahl zwischen zwei Singletracks, die nahezu parallel verlaufen und später wieder zusammen führen. Kurz darauf rauscht mit irrer Geschwindigkeit eine Herde Springböcke über die Piste. Jawohl, wir sind in Afrika - und da gibt es Wildlife! Als ich ein paar Wochen nach dem Rennen rein zufällig auf You Tube ein Video entdecke, in dem ein Mountainbikefahrer in voller Fahrt von einem Springbock regelrecht über den Haufen gerannt wird, verblasst meine Euphorie über diese Szene
An den Verpflegungsstellen wollen uns lauter nette Menschen allerlei Leckerein förmlich aufdrängen und sind fast schon beleidigt, wenn die Athleten nur verhalten zugreifen. Klar, das üppige Frühstück am letzten morgen in der Zivilisation zeigt noch Wirkung - aber das wird sich ändern. Bei Kilometer 58 hat der lokale Dragons-Boat-Club eine Riesengaudi, die ganze Horde Radfahrer und ihr Arbeitsgerät mit Drachenbooten über den Vaal-Fluss zu bringen. Die letzte Versorgungsstation erwartet die mittlerweile etwas hungrigeren Biker mit einer Grillparty.
![]() |
|
![]() |
![]() |
Am ersten Etappenziel Frankfort gibt's dann nur noch Überraschungen: Großes, überschaubares Camp; geräumige Feldduschen ohne Warteschlange; ausreichend sanitäre Anlagen; Megazelte für jeweils zwei Teampartner; mobiler Internetservice und Handyladestationen; ein "Coffeemobil" erfreut mit kostenlosen Kaffeespezialitäten; ebenfalls kostenlose Kaltgetränke und sogar Bier; Bikereinigungs- und Über-Nacht-Wäscheservice. Und dann die absolute Krönung des Tages, ein Braai, das traditionelle Grillfest der Südafrikaner.
Ein ganzes Bataillon Grillmeister aus Frankfort brutzelte am offenen Feuer die besten Steaks der Welt. Rund 1500 Rindersteaks verdrückte die hungrige Bande an diesem Abend! Zudem wurden überall im Camp mit Holz befeuerte Tonnen platziert, um sich aufzuwärmen. Denn ein Großteil des Rennens findet in Höhen über 1500 Meter statt, und da wird es nachts ziemlich frisch.
![]() |
|
![]() |
![]() |
Hey - befinden wir uns hier eigentlich im Urlaub? Mitnichten, denn täglich 100 Kilometer durch anspruchsvolles Terrain können ganz schön an die Substanz gehen! Dazu kommen noch rund zwei Stunden Nachbereitungen im Camp. Da tut ein bisschen Luxus ganz gut. Außerdem wollen all die faszinierenden Eindrücke auch psychisch verarbeitet werden. Berauschende Landschaften sowieso, aber auch die jubelnden Kinder in den wenigen Siedlungen die durchquert werden und unzählige Helfer, die sich, täglich neu aus regionalen Vereinen und Hilfsorganisationen rekrutiert, rührend um uns kümmerten. Alles scheint eine große harmonische Familie zu sein, die nichts anderes im Sinn hat, als eine halbe Tausendschaft Bikeverrückter sicher durch ihr Land - eines der schönsten der Welt - zu führen. In 9 Tagen gab's kein einziges unfreundliches Gesicht, jede Frage wurde akkurat beantwortet, Hilfestellung jederzeit gegeben - einfach ein tolles "Betriebsklima" und ein klasse Ambiente, das sich auch sofort auf die Stimmung der Teilnehmer übertrug!
![]() |
|
![]() |
![]() |
Wir fragten uns täglich: geht das überhaupt noch zu toppen? Ja, es ging! Nach zwei Reisetagen die auf Schotterpisten und Singletrails durch unendliche Agrar- und Weideflächen mit horizontalem Weitblick führten, kündigte sich ein dramatischer Szenenwechsel in die Vertikale an. Die Drakensberge, ein Höhenzug der sich durch den gesamten Osten des Landes zieht, bot von nun an die Bühne für ein gigantisches Naturspektakel. Eine unglaublich schöne Landschaft, pure Einsamkeit, ein eigenes Universum. Ist dies das Paradies, gar des Bikers Walhalla? Egal, auf jeden Fall fühlten wir uns sauwohl hier! Dazu passte auch das abendliche Entertainment. In Form einer Comedy-Show präsentierten die drei Renndirektoren zusammen mit dem Moderator das Briefing und die Tagessieger. Besonderen Spaß bereitete ihnen die tägliche Präsentation des "Crash of the Day". Bei der "Sleep Easy Competition" wurde für ein glückliches Team jeden Tag ein Luxuszelt verlost. Daneben gab es Showeinlagen und Interviews und als Betthupferl die tägliche Fernsehreportage, exklusiv und nur für die Aktiven eine Stunde vor der offiziellen Ausstrahlung, mit faszinierenden Bildern aus dem begleitenden Minihelikopter. Das machte Laune!
![]() |
|
![]() |
![]() |
Die 3. Etappe brachte den Übergang von der Ebene in die Bergwelt und endete an den Ufern des Sterkfontein Dam, eine der größten Staumauern Afrikas, in 1700 Metern Höhe. Das höchste Camp des Rennens, eiskalte glasklare Fluten mit Trinkwasserqualität, eine majestätische Gebirgskulisse, Ruhe, Stille, Einsamkeit und in der Nacht ein Sternenhimmel, so intensiv wie man ihn nur in der Wüste oder in den Bergen erfahren kann - das waren fast schon zu viele Superlative. Eigentlich wollte man hier gar nicht mehr weg! Eine Naturarena, die keinen der rollenden Nomaden unberührt ließ und jeden in ihren Bann zog.
Scharf an der Grenze zum Königreich Lesotho entlang ging es am sechsten Tag über den Snow Top Pass, mit 1864 Metern der höchste Punkt der Tour. Die 12 km lange Abfahrt läutete den nächsten Kulissenwechsel ein. Die Landschaft wurde lieblicher, ein Mix aus Schwarzwald und Voralpenland, mit vereinzelten Farmen, die wie Farbtupfer in der großen weiten Einsamkeit lagen.
Auf der gesamten Tour gab es keine einzige Stadt, kleine Ortschaften und Siedlungen wurden lediglich gestreift, die Camps befanden sich in der Regel weit außerhalb, meist auf Privatgelände von großen Farmen.So wie auch ein großer Teil der Strecke über Privatgelände führte, das offiziell nicht zugänglich ist. Ein nicht unerheblicher Anteil der Singletrails wurde von Farmern angelegt und wird extra für das Rennen von vielen freiwilligen Helfern alljährlich runderneuert und gepflegt. Die Vision der Organisatoren ist es, in ca. 10 Jahren eine komplette Off Road Strecke von Johannesburg bis an den Indischen Ozean zur Verfügung zu haben.
![]() |
|
![]() |
![]() |
Tag acht bot einen speziellen Höhepunkt, dem vor allem die Techniker unter den Bikern entgegen fieberten: Der Absturz in die legendäre Umkomaas-Schlucht. Fünf-Sterne-Trails führten uns über 700 Höhenmeter runter bis auf die tropische Talsohle, die nur noch 500 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Nachdem die Räder auf Dutzenden von Flussdurchquerungen und Schlammpassagen ordentlich eingesaut waren, ging es auf der anderen Seite der Schlucht wieder nach oben. Der letzte und kürzeste Tag war pure Freude. Im stetigen Auf- und Ab ging es durch riesige Zuckerrohrplantagen und plötzlich tauchte am Horizont silbrig glänzend der Ozean auf. Das Traumziel der vergangenen 9 Tage! Denn so ein Rennen geht nicht nur an die Substanz, es kann auch viel passieren unterwegs. Eine lästige Erkältung und ein schwerer Sturz mit Rippenprellung war der Preis, denn ich selbst zu bezahlen hatte. Er wurde akzeptiert, denn ohne Blessuren kommt hier kaum einer davon. Das Paradies gibt's nicht umsonst Die Zieleinfahrt am Strand von Scottburgh, der sich kilometerlang an den Gestaden des Indischen Ozeans erstreckt, hätte spektakulärer nicht sein können. Südafrika hat viele gut gehütete Geheimnisse - joBerg2c lüftet einige davon. Eine Teilnahme bedeutet nicht nur harte Arbeit, sondern auch das Privileg, tief in die Schatzkiste eines der schönsten Länder der Erde vorzudringen.
![]() |
|
![]() |
![]() |
JoBerg2c hat bei den Südafrikanern zwar schon fast Kultstatus erreicht, ist aber außerhalb des Landes noch immer ein Geheimtipp. Noch müssen die 600 Startplätze nicht verlost werden. Einfach frühzeitig auf www.joberg2c.co.za für die 4. Austragung vom 26.04. - 04.05.2013 anmelden und rechtzeitig ein Ticket bei SAA (South African Airways) buchen, die seit kurzem neben dem 23 kg Freigepäck auch kostenlos ein Sportgepäck mitnimmt. Priorität genießen 2er-Teams, es gibt aber auch die Möglichkeit als Einzelfahrer die gesamte Tour zu bestreiten. Die Kategorie "Berg2c" vom 4. - 9. Tag, welche 2012 probeweise integriert wurde, soll es 2013 nur dann geben, wenn genügend freie Plätze übrig bleiben. Solorider bezahlen 14.400.- ZAR (=1271,- Euro) und ein Team ist mit 27.000.- ZAR (= 2384,- Euro) dabei. Das Startgeld beinhaltet Campunterkunft in geräumigen Zelten, Matratzen, eine 100-Liter-Tasche für den gesamten Bikerhaushalt, 3 tägliche Mahlzeiten, reichhaltige Verpflegung an den Versorgungsstationen, hochwertige Präsente, Nutzung der gesamten Infrastruktur im Camp, die Wettkampforganisation und viele Überraschungen. Dazu gehören auch nützliche Goodies, die täglich im Zelt ausliegen und die Überquerung eines Sumpfgebietes auf einer Pontonbrücke am achten Tag. Zubuchbar sind die Transfers von Johannesburg zum 70 km entfernten Start und vom Zielort zum King Shaka International Airport in Durban. Das Protea Fire & Ice Hotel im Johannesburger Stadtteil Melrose Arch, wo Registrierung und Pre-Race-Briefing stattfinden offeriert unverschämt günstige Spezialtarife für die Teilnehmer. Unersättliche können 10 Tage später gleich noch am sani2c teilnehmen (www.sani2c.co.za), was übrigens nicht wenige Südafrikaner tun.
![]() |
Bericht von Stefan Schlett - Fotos von Kevin Trautmann Ergebnisse und Infos www.joberg2c.co.za Zurück zu REISEN + LAUFEN - aktuell im LaufReport HIER |
© copyright
Die Verwertung von Texten und Fotos, insbesondere durch Vervielfältigung
oder Verbreitung auch in elektronischer Form, ist ohne Zustimmung der LaufReport.de
Redaktion (Adresse im IMPRESSUM)
unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes
ergibt.