5. Disa Gran Canaria Marathon - (26.1.2014)

Den Kinderschuhen entwachsen

Riesige Zuwächse - auch im Marathon

Haile Gebrselassie übernimmt Patronat und sorgt für Medienwirbel

von Michael Schardt

Fast auf den Tag genau vor vier Jahren fand der erste Marathon in Las Palmas statt. Damals berichtete Ralf Klink für LaufReport über die Premiere ausführlich. Seine umfangreichen Betrachtungen, insbesondere auch zu touristischen und landeskundlichen Aspekten, haben immer noch Gültigkeit und sind hier nachzulesen. So können wir uns heute, bei der fünften Auflage, in unserem neuerlichen "Reise- und LaufReport" mehr auf den sportlichen Bereich und sein Umfeld konzentrieren, zumal viele unserer Leser schon einmal (oder öfter) auf den Kanaren Urlaub gemacht haben dürften und den Archipel aus eigener Anschauung kennen.

Kein rechtes Urlaubswetter

Dass Gran Canaria auch als Insel des ewigen Frühlings bezeichnet wird, davon war in den Tagen vor der Laufveranstaltung nur ungenügend etwas zu spüren. Die Temperaturen lagen zwar tagsüber bei achtzehn Grad und nachts bei fünfzehn, aber es blies permanent ein frischer, manchmal sogar kühler Wind, der die gefühlten Temperaturen fünf Grad kälter erscheinen ließen. Die örtlichen Zeitungen sprachen sogar von Sturmwarnungen fürs Wochenende mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 100 Kilometern pro Stunde und vergaßen nicht, die Bewohner und Urlauber auf Risiken bei Fehlverhalten hinzuweisen. Nur zu gut sei noch die Erinnerung eines Unglücks in den Köpfen, bei dem eine Frau vier Wochen zuvor von einer Welle mitgerissen worden und zu Tode gekommen sei. Auch mitteleuropäische Medien hatten seinerzeit darüber berichtet.

Am Yachthafen von Las Palmas führt die Marathonstrecke vorbei. Gelaufen wird auf der rechtsseitigen Stadtautobahn Später biegen die Läufer zum Verladehafen ein. An dieser Stelle ist die Stadt nur wenige hundert Meter breit
Ausführliche und einladend präsentierte Laufankündigungen im LaufReport HIER

So schlimm sollte es allerdings nicht kommen, doch setzte die Kälte und auch feiner Nieselregen den auf Urlaub eingestellten Menschen zu. So sah man West- und Nordeuropäer zuweilen in langer Hose und mit der Winterjacke herumlaufen, mit der sie möglicherweise das Flugzeug in Oslo, Helsinki oder Edinburgh bestiegen hatten. Auch die Deutschen, von denen einige mit den bekannten Laufreiseunternehmen für eine Woche angereist waren, dürften sich etwas gewundert haben, hatten dadurch aber auch - witterungstechnisch - geringere Anpassungsschwierigkeiten, ihren Sport hier auszuüben.

Laufinsel

Um sich schon vor dem Wettkampftag sportlich zu akklimatisieren, dafür bieten sowohl der Inselsüden, also auch die Hauptstadt Las Palmas beste Möglichkeiten. In der südlichen Urlaubshochburg Playa del Inglés, in der die meisten Sonnenhungrigen untergebracht sind, ist ein Strandlauf nach Maspalomas, wo sich die berühmten Sanddünen auftürmen, die beliebteste Trainingsstrecke. Vier bis fünf Kilometer mit dem Wind hin, einmal um den Leuchtturm, und das Gleiche gegen den Wind zurück. In Las Palmas, das aufgrund seiner Lage an der Wetterseite der Insel nicht so sonnenverwöhnt ist, bieten sich gleich mehrere Möglichkeiten zum Joggen an. Die langgezogene und breite Uferpromenade, vorbei am Yachthafen und Industriehafen bis zum Anfang der Halbinsel La Isleta, oder auf der anderen Seite der Stadt, nur wenige hundert Meter entfernt, auf der Strandpromenade der Playa de las Canteras, die etwa fünf Kilometer lang ist.

Überall hängen die Vorboten. Kanariengelbe Plakate kündigen den Disa Marathon an, dessen namensgebender Hauptsponsor ein Treibstofflieferant ist Mitten in Las Palmas gibt es diese vermessene Laufbahn mit einer Gesamtlänge von 1000 Metern. Sie wird von vielen einheimischen Läufern zum Tempotraining genutzt ... ... nicht zuletzt, weil sie viele Längenmarkierungen hat

Eine dritte und bei den heimischen Spitzenläufern sehr beliebte Gelegenheit, sich in Form zu bringen oder zu halten, bietet eine exakt vermessene 1000-Meter-Bahn, die zwischen der Stadtautobahn und der Hotelseite eigens für Läufer gebaut wurde. Sie ist mit genauen Markierungen alle hundert Meter versehen und auf den ersten 200 Metern sogar im 20-Meter-Rhythmus ausgezeichnet, was sich bestens für Tempo- und Intervalltraining eignet und auch von Sprintern genutzt wird. Nicht wenige Läufer bauen ihre Trainingsstrecke so auf, dass sie auf der Promenade ein- und auslaufen und zwischendrin Tempo auf der Bahn bolzen. Eine vorbildliche Einrichtung, die gegenüber einer 400-Meter-Rundbahn, wie wir sie aus den Stadien kennen, durchaus einige Vorteile bietet.

Solidarität beim Funrun

Auch die Marathonveranstaltung selbst bietet noch die Möglichkeit eines lockeren Aufgalopps vor den Hauptrennen. Man kann bei einem Funlauf mitzumachen, dem "Mapfre carrera Solidaria"-Run. Es handelt sich um einen reinen Wohltätigkeitslauf am Vortag des Marathons über eine Streckenlänge von zirka 2,5 km, dessen Erlöse komplett Organisationen zur Linderung notleidenden Kindern zugute kommen. Für zwei Euro Mindestspende kann jeder mitmachen, erhält dafür sogar noch ein Baumwollshirt und ein kleines, kostenloses Frühstück geschenkt.

Neu ist das Expo-Zelt neben dem Platz St. Catalina Hier ist auch die Startnummernausgabe untergebracht Ob dieses Gebäude ästhetisch gelungen ist, darüber kann man streiten. Im Athletenhotel AC-Marriott fanden im Vorfeld des Marathons viele Vorträge zum Laufen statt

Etwa 2500 Aktive konnten an diesem Samstagmorgen mobilisiert werden, die von keinem geringeren als dem 26fachen Weltrekordler, mehrfachen Weltmeister und Olympiasieger Haile Gebrselassie auf die Strecke um den Catalina Parque, ganz in der Nähe des Expozeltes und der Startnummernausgabe, geschickt wurden. Auf eine Zeitnahme wird hier sehr bewusst verzichtet, aber eine Startnummer darf sich doch jeder anheften. Für den äthiopischen Starläufer indes war das nur einer von mehreren öffentlichkeitswirksamen Auftritten am Marathonwochenende - doch dazu später mehr.

Vorboten

Auch Haile wird - wie die vielen anderen Inselbesucher - erste Anzeichen der heraufziehenden Marathonveranstaltung schon am Flughafen wahrgenommen haben, später aber auch in Las Palmas und - eingeschränkt - in den Haupturlaubsregionen. Es hingen allerorten - nomen est omen - kanariengelbe Plakate mit der Ankündigung des 5. Disa Gran Canaria Marathons aus. In der Hauptstadt Las Palmas im Grunde auf Schritt und Tritt, besonders in der Altstadt um die St. Ana Catedrale im Stadtteil Vegueta, mehr noch allerdings im touristisch hochfrequentierten Stadtteil St. Catalina und um das insulare Sportzentrum "Centro insular de deportes", in dessen Nähe der Start und Zielbereich liegt.

Hohen Besuch erhielt der Gran Canaria Marathon von Lauflegende Haile Gebrselassie, dessen Auftritt einen regelrechten Medienrummel auslöste Geduldig erfüllte Haile die Autogrammwünsche seiner Fans ... ... doch seine Hauptangelegenheit in der 380.000 Einwohner zählenden Metropole waren karitativer Art. So besuchte er u. a. auch diesen Stand seines Heimatlandes Äthiopien

Ferner berichteten das Inselfernsehen und die örtlichen Zeitungen in umfangreichen Reportagen gerne über die Veranstaltung, denn es zeichneten sich Teilnehmerrekorde und andere positive Aspekte ab. Immerhin konnten die Vormeldezahlen von etwa 3600 im Jahr 2013 auf über 6200 Läufer gesteigert werden, die sich auf die drei Hauptstrecken begeben wollen. Über 700 hatten für den Marathon gemeldet, 2600 Läufer wollten über 10 km starten, und knapp 3000 hatten sich für den Medio Marathon, den Halbmarathon, entschieden. Doch oft operieren die Veranstalter nur mit den Meldezahlen, während die schwächeren Finisherzahlen aus "gutem" Grund vernachlässigt werden, weil sie den Erfolg nach außen hin schmälern.

Falsche Bescheidenheit

Ganz anders in Las Palmas. Gleich nach dem Veranstaltungsschluss wurde die Gesamtfinisherzahl von knapp 5000 Läufern verkündet, davon 616 Marathonis, während der Zehner und der Halbe exakt je 2162 Läufer im Ziel sah. 5000 Finisher, das ist fast eine Verdopplung der letztjährigen Zahl, was überproportional auch für die Königsstrecke gilt. Also ein voller Erfolg, den sich andere Organisatoren nur wünschen können. Tatsächlich aber sind die kanarischen Veranstalter noch viel zu bescheiden mit ihren Zahlen umgegangen, denn 280 Schüler hatten bei der Halbmarathon-Vierer-Staffel mitgemacht, Startgeld entrichtet, waren ins Ziel gekommen und hatten eine Wertung erhalten.

Auch beim Solidaritätslaufs am Vortag, an dem 2500 Läufer teilnahmen, war Haile im Einsatz und gab das Startsignal

Außerdem gab es die schon erwähnten Funrunner (2500 Läufer) und - nicht zu vergessen - die Kinder- und Schülerläufe vom Samstag ("La Caixa Carrera infantil"). Da fanden am Samstagnachmittag insgesamt zwölf Wertungsläufe zwischen 250 und 2000 Metern statt, je sechs für Mädchen und sechs für Jungs, und gestaffelt für Doppeljahrgänge von Bambini bis Schüler A. Zusammengenommen waren hier noch einmal mindestens 1500 Läufer unterwegs, von denen allerdings nur immer die ersten fünf in der Ergebnisliste stehen. Rechnet man das alles zusammen, so kommt man locker auf eine Gesamtteilnehmerzahl von deutlich über 9000 Finisher.

Aus Fehlern gelernt

Dass die Veranstaltung in den Anfangsjahren nicht immer glatt gelaufen war, daraus machten die Organisatoren auf der eigenen Homepage keinen Hehl. Im Gegenteil. Sie machten aus der Not eine Tugend, und äußerten selbstbewusst, aus Fehlern zu lernen und so zu einer immer besseren Qualität zu kommen. Frühere Probleme gab es bei der Startnummernausgabe, wo sich lange Schlangen bildeten und insbesondere Starter mit ausländischem Namen in den ausgedruckten Listen nicht gefunden werden konnten. Mangelnde Englischkenntnisse der Volonteers taten ihr übriges.

Der Funrun führte durch die engen Gassen des Stadtteils St. Catalina und war 2,5 km lang Zwar ohne Zeitmessung durchgeführt, aber mit Startnummern dekoriert, hatten die Spaßläufer einen echten Zieleinlauf

Eng wurde es zudem im Sportzentrum der Insel, wenn die Startnummernausgabe, die Pastaparty und die Expo ihren Platz beanspruchten, aber der tägliche Sportbetrieb (Basketball, Kraftraum, Tanz, Turnen usw.) auch noch weiterlaufen mussten. Da gab es nerviges Gedränge. Zudem war der gemeinsame Start der drei Hauptläufe in den Jahren 2010 bis 2012 ein Problem. Es wurde einfach zu eng. Der Versuch 2013, mit der Nachverlegung des Zehners (9:45 Uhr) hinter die Startzeiten der anderen beiden Hauptläufe (9:00 Uhr) eine Verbesserung zu erzielen, brachte die gewünschte Entlastung nicht, sondern machte die Situation noch prekärer. Denn dort, wo die Zehner nach drei Kilometern auf die Strecke der Hauptläufer trafen, sind die Straßen besonders eng. Und genau da vermischten sich durch die zeitliche Verschiebung die Hauptpulks beider Starterfelder. Es gab kaum noch ein Durchkommen.

"Eifrige" Kampfrichter

Kritisiert wurde zudem das Verhalten der Kampfrichter. Denn Ärger verursachte 2012 die Disqualifikation der beiden ersten im Männerrennen des Marathons, aber nicht zum Zeitpunkt, als der mutmaßliche Disqualifikationsgrund bemerkt wurde, sondern als sie schon auf dem Podest standen. Der Spanier Miguel Ángel Vaquero aus Madrid und der Tscheche Servessa, ein Arzt, wurden bestraft, weil sie angeblich eine Trinkflasche außerhalb der dafür vorgesehenen Zonen in Empfang genommen hatten. Darauf hatte Vaquero mit deutlicher Ansage geantwortet: "Ich bestreite es! Ich habe ein Getränk weder entgegen genommen, noch getrunken! Das ist sehr klar. Wenn die Preisrichter glaubten, dass ich etwas genommen hätte, warum haben sie mich dann noch 20 km weiter laufen und auf das Podest steigen lassen? Für mich war dies extrem hart, und ich verstehe das ganze Durcheinander nicht", sagte der disqualifizierte Erstplatzierte.

Zum Rahmenprogramm gehörten am Samstag auch 12 Schülerläufe. Hier sausen die Benjamin-Mädchen vor dem Kreuzfahrtriesen "AIDA" über die Bahn Der Lauf der 9- und 10-jährigen Jungs, Cadetten genannt, war mit knapp 200 Teilnehmern besonders gut besetzt

Auch der Tscheche war verärgert gewesen ob der kleinkarierten und überhaupt fraglichen Regelauslegung: "Es war sehr unangenehm", meinte dieser. "Natürlich war es nicht gut für mich, aber genau so wenig für die Organisation des Gran Canaria Marathons und für die Läufer, die eine große Belastung auf sich nehmen, um aus der ganzen Welt hierherzukommen. Ich habe an mehr als 100 Marathons auf der ganzen Welt teilgenommen, die meisten auf demselben Niveau, aber so etwas ist mir noch nie untergekommen. Die Richter sagten, wir hätten Wasser außerhalb der erlaubten Zonen entgegen genommen, aber das stimmt überhaupt nicht! Bei vielen Läufen darf man eine eigene Wasserflasche mithaben, und keiner kümmert sich darum. Ich habe viel Geld ausgegeben, um hier teilnehmen zu können, aber jetzt fühle ich mich betrogen!" Die Siegprämien von 700 und 400 Euro durften sich andere Athleten einstreichen.

Änderungen

Um solche Probleme auszuschließen, sollen die Wertungsrichter sensibilisiert werden. 2013 gab es solche Vorfälle dann nicht mehr, denn der Ruf des noch jungen Marathons hatte gelitten, zumal in vielen Medien, auch deutschsprachigen, über den Vorfall berichtet worden war. Bei der Wiederauflage wurden weitere wichtige Neuerungen umgesetzt. Die zwei bedeutendsten waren einerseits die Verlagerung der Startnummernausgabe, der Expo und der Pastaparty vom Sportzentrum hinüber zum St. Catalina Parque, wo ein riesiges Zelt aufgebaut wurde und ein großer, offener Bereich zur Verfügung steht für die gastronomische Versorgung, und andererseits die Vorverlegung des Zehners auf 8:40 Uhr, zwanzig Minuten vor den Marathon und den Halben, die nach wie vor um neun Uhr angeschossen werden.

Souveräner Sieger des Juvenil-Laufs (2 km), der A-Schüler bis 15 Jahre also, wurde der starke Daniel Cabrera Betancourt
Kanariengelb ist auch beim 10 km Lauf, der vor dem Centro Insular de Deportes gestartet wurde, die dominante Farbe

Die Verlegung nach St. Catalina ist auch insofern eine gelungene Aktion, als dass hier vortags die Kinderrennen und der Funrun stattfinden und gleich daneben das Athletenhotel "Merriott AC" liegt, wo an drei Tagen mehr als ein Dutzend Vorträge rund ums Laufen gehalten werden. Während dieser drei Tage ist auch das Zelt von morgens neun bis 21 Uhr geöffnet, also viel länger als früher, was auch gleich fruchtete, weshalb sich keine langen Schlangen mehr bildeten. Man hat auch ein Trouble-Desk mit englischsprachigem Personal eingerichtet. Außerdem steht ein separater, aber überdachter Außenbereich für die Nudelparty zur Verfügung, und auf der eigens aufgebauten Bühne finden abends Rockkonzerte für die Läufer statt.

Da es bei den Hauptläufen keine Stockungen mehr gab und alle Akteure freie Bahn hatten, kann man dem neuen Konzept Erfolg auf der ganzen Linie bescheinigen. Der Lauf ist offenbar seinen Kinderschuhen nun endgültig entwachsen und blickt wohl in eine rosige Zukunft.

Am Ziel des Zehners warten die Angehörigen. Hier darf die Tochter des Hauses "mitfinishen"
Der Zieleinlauf aus Läufersicht

Piekfeine Strecke

Erster Garant allerdings, um sich als rechter Neuling auf dem hart umkämpften Markt des Marathontourismus' seinen festen Platz zu sichern, dürfte in Las Palmas die Strecke selbst sein, ein echtes Juwel und ein kleiner Geniestreich der Streckenplanung, denn den Machern ist es gelungen, alle nötigen Parameter eines attraktiven Kurses unter einen Hut zu bekommen: der Start-Zielbereich ist großzügig und die Strecke sehr schnell und flach, sie ist abwechslungsreich, zuschauerfreundlich und hat einige kurzweilige Gegenlaufpassagen, bindet die komplette Kernmetropole und beide Wasserseiten ein und führt an allen wichtigen Sehenswürdigkeiten vorbei. Mehr als die Hälfte des Halbmarathonkurses, den die Marathonis zweimal durchqueren müssen, führt, immer mit Meerblick, an Yachthafen, Verladehafen und Sandstrand vorbei. Nur die Zehner, die die ersten drei und letzten sieben Kilometer des HM-Kurses belaufen, kriegen den Atlantik nicht zu sehen.

Bestens ausgeschildert ist die Strecke für die Marathonis, die einen schönen HM-Kurs zweimal absolvieren. Lange Geraden warten auf die Läufer vor allem im zweiten Teil der Runde

Los geht es am Plaza de los Derechos Humanos, ganz in der Nähe des Inselsportzentrum, in dem auch Weltmeisterschaftsspiele im Basketball ausgetragen werden und in dessen Keller heuer die Kleiderbeutel aufbewahrt werden. Nach einem Kilometer biegt die Strecke auf die Stadtautobahn ein, die zur Hälfte für die Autofahrer gesperrt ist. Hier bewegt man sich in Ufernähe rund fünf Kilometer Richtung Norden, vorbei am St. Catalina Parque und der riesigen Verkaufsmole "El Muelle" bis hin zum Verladehafen, wo auch der erste Staffelwechsel stattfindet. Am äußeren Ende befindet sich ein großzügiger Wendepunkt, wo sich die Sportler entgegenlaufen. An der schmalsten Stelle der Stadt, der Straße Luis Morote, führt der Kurs bei km 9 zur Playa Canteras hinüber.

Viele Zuschauer

Hier gibt es erste größere Zuschaueraufkommen, besonders bei einer zweiten Passage, wo sich die Läufer auf der Promenade begegnen. Auf der Uferseite führt der Weg nun drei Kilometer bis hin zum "Auditorium Alfredo Kraus", das palastähnlich über dem Meer thront und schon weithin sichtbar ist. In diesem imposanten Gebäude findet alljährlich das Canteras Filmfestival statt, das in der Vergangenheit durch medienwirksame Auftritte etwa von Sophia Loren oder Alain Delon geadelt wurde, und auch Sitz der bekannten Canaria Philharmonie ist.

Gegenlaufpassagen gibt es mehrfach. Hier befinden sich die einen bei km 20, die anderen bei km 17 Die Strecke bietet viel Wasser, aber auch einiges Grün. Hier führt sie an einem der Parks vorbei

Die Läuferschar umrundet das Auditorium als einen der Eckpunkte der Strecke bei km 12. Dann folgen einige engere Gässchen, bevor es am Spanischen Platz vorbei geht und die Strecke in den Prachtboulevard Avenida José Mesa y López einbiegt, der "KÖ" von Las Palmas. Auch hier stehen viele Zuschauer, wie überhaupt zu sagen ist, dass der Marathon recht viel Publikum an die Laufstrecke zieht. Jetzt ist km 16 erreicht und damit die schier endlos scheinende Calle León y Castillo, die in die autofreie Haupteinkaufsstraße Calle Triana einmündet. Dann folgt das Zuckerstück der Strecke, der Einzug der Läufer in die Altstadt und die Besichtigung des städtischen Wahrzeichens: der Catedrale de Santa Ana. (Dieser Teil war bei Begründung des Marathons 2010 wegen Baumaßnahmen noch nicht inbegriffen.)

Gerade hier zeigt sich, dass die Planer keine Kosten und Mühen gescheut haben, die Strecke möglichst attraktiv zu machen, denn um zur Kathedrale zu kommen, muss eine Schnellstraße gleich zweimal überquert werden, die die Stadtteile Triana und Vegueta trennt. Zahlreiche Sicherungskräfte sorgen für volle fünf Stunden für eine problemlose Überquerung, denn so lange dauert es, bis die letzten Marathonis den neuralgischen zwanzigsten (resp. 41.) Kilometer hinter sich haben. Auf direktem und leicht abschüssigem Weg geht es nun noch einmal der langsameren Läuferschar entgegen, hin Richtung Ziel, das schon viele hundert Meter vorher sichtbar wird und letzte Kräfte mobilisiert. Auf der finalen Geraden stehen die jubelnden Zuschauer in mehreren Reihen oder auf mobilen Tribünen.

Ein Höhepunkt des Kurses, die Umrundung des Konzertsaals "Auditorium Alfredo Kraus" bei km 12 bzw. 33

Haile mit Weile

Auch die Hauptrennen wurden von Haile Gebrselassie angeschossen, der auf dem Moderatorenpodest durch Tanz- und Klatscheinlagen für gute Laune sorgte. Der Äthiopier hatte an den drei Tagen seiner Anwesenheit ein wahres Mammutprogramm öffentlicher Auftritte zu absolvieren, allein zu einem eigenen Start war er nicht zu bewegen gewesen, denn sein Arzt hatte ein Rennen für nicht ratsam erachtet, um den Heilprozess der zurückliegenden Knieverletzung nicht zu gefährden - so zumindest die offiziell kund getane Begründung. Gebrselassie war in karitativer Mission unterwegs und besuchte unter anderem auch den äthiopischen Messestand, der sich um finanzielle Hilfe für afrikanische Kinderprojekte bemüht. Der Starläufer selbst engagiert sich vielfältig in dieser Hinsicht und ist Botschafter mehrerer humanitärer Stiftung. Er ging immer wieder auf anwesende Kinder zu, unterhielt sich mit ihnen und ließ sich gerne mit ihnen ablichten. Später, bei einer Autogrammstunde, zeigte er große Geduld, signierte unentwegt auf Karten, Trikots oder auf der blanken Haut und stand für gemeinsame Fotos zur Verfügung, bis der Cheforganisator die Reißleine zog, zumal die Schlange einfach nicht kürzer wurde.

Die größte ausländische Fraktion war wieder die dänisch in traditionellem rot ... ... und die Italiener sind am Stiefel auf dem Trikot bestens auszumachen Dieser Spanier zeigt sich besonders bunt

Bei der Pressekonferenz im Expozelt war das Medieninteresse an Gebrselassie enorm. Fünfzehn Filmteams waren anwesend, rund hundertzwanzig Journalisten akkreditiert und auch sonst viele Schaulustige dabei. So inszeniert sein Auftritt durch die Organisatoreninitiative auch zu sein schien, der Läufer zeigte sich durchweg bescheiden, zurückhaltend und humorvoll ("Diese wunderschöne Insel liegt so nahe an Afrika, dass ich fast herüberschwimmen hätte können." - "Meine Bodyguards machen wirklich einen prima Job, nur wenn ich trainieren möchte, mögen sie nicht so gerne mitkommen"). Für die Veranstalter war der Stargast aber Garant für größtmögliche Präsenz im Medienwald. Die Zeitungen berichteten seitenweise und machten Gebrselassie zur Titelstory, das kanarische Fernsehen landete mit der Liveübertragung des Marathons Dank Seiner einen Quotenhit. Mehr als zehn Prozent aller eingeschalteten Fernseher sahen das Laufspektakel.

Bei der Vorstellung der Spitzenläufer, die sonst nur von wenigen Dutzend Interessenten besucht wurde, reichte der riesige Film- und Vortragssaal im Technikmuseum bei weitem nicht aus. Mehrere hundert Menschen wollten hören, was Gebrselassie als Laufexperte zu sagen hatte und wie er sich läuferisch seine Zukunft vorstellt. Bei seinen Einlassungen ging er bald über das rein Sportliche hinaus (Meine Lieblingsbahnstrecke ist Hengelo, mein Lieblingsmarathon Berlin"), forderte immer wieder mehr Engagement in allen Bereichen des Lebens und der Politik, um die Welt lebenswerter zu machen. Jeder sollte sich in seinem Heimatland engagieren, weshalb er sein Geld auch in Äthiopien anlege, um dort Arbeitsplätze zu schaffen, Schulen zu finanzieren und Kranken zu helfen.

Debütant und Wahlkanarier Eoin Flynn, ein waschechter Ire, gewinnt den 5. Marathon von Las Palmas ... ... er ist nicht nur schneller als der Zweitplatzierte Agama ..., ... sondern auch als der Rolli-Gewinner

Deshalb sei sein Tagesrhythmus wesentlich bestimmt durch die Arbeit in seiner Firma. "Ich trainiere zwischen 6 und 9 Uhr in der Früh, und von 17 bis 19 Uhr am Nachmittag, und dazwischen gehe ich meinem normalen Bürojob nach." Oft erhielt Haile Gebrselassie für seine Äußerungen Spontanbeifall, besonders als er sein persönliches Vorbild nannte: Nelson Mandela. "Wir brauchen mehr solche Friedensführer, solange die Armut so groß ist und Gewalt zu unserem Alltag gehört, egal ob in Syrien, Ägypten oder sonstwo auf der Welt."

Eleni Gebrehiwot behält Streckenrekord
Anita Ehrhardt verpasst Podest

In den ersten beiden Jahren, 2010 und 2011, hatte der Gran Canaria Marathon noch Sieger aus Ostafrika gesehen. Bei den Männern hatten James Kipkosgei aus Kenia (2:17:40 h, 2010) und Abraham Amare aus Äthiopien (2:21:23 h, 2011) gewonnen, bei den Frauen die beiden Äthiopierinnen Chatumoha Ture (2:40:31 h, 2010) und Eleni Gebremedhin Gebrehiwot (2:40:30 h, 2011). Danach hatten die Veranstalter keine Läufer mehr aus Afrika eingeladen, so dass sich die nachfolgenden Siegzeiten bei den Männern auf 2:28 h (2012) bzw. 2:35 h (2013) und bei den Frauen auf 3:00 h und 2:59 h verlangsamten. Damit standen die Zeiten von Kipkosgei und Gebrehiwot vor dem diesjährigen Lauf als Streckenrekorde zu Buche. Eleni, die bekanntlich zwischenzeitlich für den TV Wattenscheid startet, auf ihre deutsche Einbürgerung wartet und 2013 ihre Bestzeit auf unter 2:30 h steigern konnte (Münster Marathon), lief seinerzeit auf der Insel ihr Debüt, genau eine Sekunde schneller als ihre Vorgängerin. Dass ihr Streckenrekord auch 2014 nicht in Gefahr geriet, kann nur eine Randnotiz der allgemeinen Feststellung sein, dass der Marathon in Las Palmas sportlich keine Glanzleistungen hervorgebracht hat und auch nur wenige der besten spanischen Läufer vom Festland auf die Insel lockte, so dass die zahlreichen "Ausländer" so manchen Podestplatz eroberten.

Klarer Sieg für die Britin Philippa Taylor, hier bei km 41. Sie blieb als einzige Frau unter drei Stunden
Mit Müh und Not kann die Finnin Heidi Papinsaari den zweiten Platz ins Ziel retten Ihr auf den Fersen mehrere Frauen, auch die Oldenburgerin und Vorjahreszweite Anita Ehrhardt (in grün), die diesmal 4. wird

Allen voran die Gäste im Marathonlauf der Frauen, denn offenbar erreichte nur eine Spanierin einen Top-Ten-Platz ("offenbar" deshalb, weil die Ergebnisliste keine Länderkennung enthält und nicht immer klar ist, woher der Läufer stammt). Sicher aber ist, dass die Siegerin Philippa Taylor eine Britin ist und sie ihr Rennen klar in 2:54:31 nach Hause lief. Sie war die einzige, die unter drei Stunden blieb. Interessant war dann der Kampf um die nachfolgenden Plätze, auch aus deutscher Sicht. Denn fünf Kilometer vor dem Ziel schleppte sich die an zweiter Stelle liegende Finnin Heini Papinsaari nur noch so dahin, und knapp hinter ihr kämpften ein halbes Dutzend Läuferinnen um die Ränge, unter ihnen auch Anita Ehrhardt (W35, VFL Oldenburg) aus Niedersachsen, die Vorjahreszweite. Zwar konnte sie sich auf den letzten Kilometern noch nach vorne arbeiten und sich gegenüber ihrer Vorjahreszeit leicht verbessern, verfehlte aber als vierte in 3:21:03 das Treppchen. Die Finnin wurde in 3:18:29 schließlich zweite vor einer Österreicherin, Ehrhardt und einer weiteren Britin.

Der Marathon bei km 36 Auch die "KÖ" von Las Palmas wird durchlaufen

Sieg beim Debüt: Der Ire Eoin Flynn auf der Insel nun berühmt

Einen Marathon war er zuvor noch nie gelaufen, in seiner Jugend hatte er in seiner irischen Heimat nur Fußball gespielt. Dann hatte er Naturwissenschaften studiert und war zum Professor für die Didaktik der Physik avanciert. Im College zu Dublin hatte er dann seine große Liebe kennengelernt und sie auch geheiratet: eine Studienkollegen aus Gran Canaria. Der Liebe wegen siedelte er dann auf die spanische Insel über und nahm eine Stelle als Lehrer für Physik und Englisch an. Das alles und noch viel mehr konnte man in den heimischen Gazetten "La provincia" und "Canarias" über den 32jährigen Iren Eoin Flynn lesen, nachdem er bei seinem Marathondebüt in 2:29:15 als erster die Ziellinie überquert hatte. Binnen zweier Tage wurde der Mann, der bisher auf der Insel ein vollkommen unauffälliges Leben geführt hatte, bekannt wie ein Popstar und Titelheld der Frontseiten. Eine Welle von Home- und Fotostories wurde über ihn gedruckt, so dass er auf Gran Canaria jetzt weltberühmt ist. Die beiden Spanier Agama (2:30:43) und Arago (2:34:07) hatte er ebenso auf die Plätze verwiesen wie den Vorjahressieger Doroteo Martinez, der diesmal mit Rang vier Vorlieb nehmen musste.

Das Literaturkabinett ... ... viele Jugendstilhäuser

Der Canaria Marathon sei nur eine Zwischenstadion gewesen auf dem Weg zum Rotterdam Marathon im April, ließ Flynn verlauten, wo er hoffe, eine Zeit von unter 2:25 h zu laufen. Bei guten Bedingungen halte er aber auch eine Zeit von unter 2:20 für möglich. Was er danach läuferisch plane, stehe noch nicht fest, aber ein weiterer Start im Herbst wäre denkbar.

Publikumsliebling Cabrera unter 1:05 h

Die wertvollste sportliche Leistung der gesamten Veranstaltung wurde im Halbmarathon der Männer erbracht. Hier hatte Jose Carlos Hernández Cabrera sogar einen neuen Streckenrekord für möglich gehalten, doch verfehlt er diesen in einem einsamen Rennen knapp. Der M35-Mann vom Lanzarote Sands Beach Club überquerte die Zielmatte in 1:04:49, fast sechs Minuten vor zwei weiteren Spaniern. Einen guten neunten Platz erlief der Triathlet Per Bittner aus Osterburg in 1:13:11. - Bei den Frauen siegte die Holländerin Yvonne van Vierken in 1:18:39 h, während Kerstin Corinna Engelmann-Pilger in 1:27:55 h schnellste Deutsche wurde. Der Halbmarathon gab es auf der Insel schon vor dem Marathon. Er erlebte jetzt schon seine 13. Auflage.

Über zehn Kilometer gab es bei den Männern gleichfalls einen ausländischen Sieg. Dem Norweger Tore Dybdahl, noch der Juniorenklasse angehörig, reichten 32:14 zum knappen Sieg vor zwei Spaniern. Schnellste Frau wurde Beatriz Esteban Moleiro in 37:11. Damit verwies sie die Triathletin Alexandra Schaller aus Baden knapp auf den zweiten Platz (37:30).

Und die Catedrale St. Ana warten am Ende einer mit Sehenswürdigkeiten gespickten Strecke auf die Läufer
Ausführliche und einladend präsentierte Laufankündigungen im LaufReport HIER

Abrundung

Wenn wir schon mit Einlassungen zum Wetter diesen Laufreport eröffnet haben, dann spricht nichts dagegen, diesen damit auch zu beschließen. Denn das für kanarische Verhältnisse unfreundliche Wetter hielt recht genau bis zum Startschuss der Hauptwettbewerbe an. Kurz vor dem Rennen über zehn Kilometer hatte es sogar noch für Minuten zu nieseln begonnen.

Doch dann brach die Sonne hervor, und zwar mit Macht. Denn kaum waren die Marathonis auf der Strecke, wurde es warm, sehr warm sogar. Und manche der Ausdauerstrategen hätten sich ein kühlendes Windchen gewünscht, denn um die Mittagszeit - auf der zweiten Runde - war es richtig heiß geworden. Die gewünschte Kühlung kam dann auch, recht genau gegen 14:30 Uhr, weshalb die Läufer rein gar nichts mehr davon hatten. Denn nach fünfeinhalb Stunden ist Zielschluss, und auf die Strecke war man pünktlich um neun Uhr gegangen ...

Bericht und Fotos von Michael Schardt

Info & Ergebnisse grancanariamaraton.com

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