20.6.09 - 10. Aabenraa Bjergmarathon (Dänemark)

Auf der Marathon-Windrose von Südjütland

von Ralf Klink

Es ist fast wie in der Geschichte von Hase und Igel. Wo immer man hinkommt, sie sind schon da. Egal bei welchem Marathon man irgendwo in der Welt an den Start geht, nahezu überall kann man auch Dänen antreffen. Und meist in größeren Gruppen. Ein reisefreudiges Völkchen sind die Skandinavier anscheinend, zumindest die Läufer unter ihnen.

Ob beim Mittelrhein-Marathon eine ganze Busladung von ihnen die Teilnehmerzahlen gleich um etliche Prozent erhöht oder in den Weinbergen rund um Heilbronn beim Trollinger-Marathon auf einmal eine ihrer roten Fahnen flattert, auch in Deutschland lassen sie sich oft sehen. Und Hamburg und Berlin sind ohne die vierstelligen dänischen Kontingente, die dort seit vielen Jahren an den Start gehen, kaum noch vorstellbar.

In der Hansestadt erfolgen die Durchsagen vor und nach dem Marathon aus diesem Grund sogar auf Deutsch, Englisch und - nein, nicht Französisch oder Spanisch - … Dänisch.

Auffällig sind die Dänen auf jeden Fall. Denn wenn sie nicht ohnehin im Nationaltrikot starten, tragen sie meist zumindest einen Aufnäher mit ihrer Flagge auf der Laufkleidung. Und überall sind sie ziemlich gern gesehene Gäste. Zumal nicht nur die Läufer selbst reisefreudig sind, sondern ihr Anhang es mindestens genauso ist. Dänische Marathonis haben jedenfalls insbesondere zu Rennen im Ausland in der Regel eine große Zahl von Fans dabei.

Gerade bei den beiden genannten größten deutschen Marathons scheinen oft noch viel mehr Dänen neben als auf der Strecke unterwegs zu sein. Und manchmal hat man dabei sogar den Eindruck, als seien es mehr Nordländer als Einheimische unter den Zuschauern. Was allerdings im Zweifelsfall einfach nur daran liegen kann, dass sie genau wie die Läufer zumeist in Gruppen auftauchen und in ihren Landesfarben unterwegs sind.

Und gute Stimmung bringen sie eben auch immer mit. Vom Feiern verstehen sie etwas. Das ist aber spätestens seit das kleine Land vor vielen Jahren überraschend Europameister im Fußball wurde und man das "vi er røde, vi er hvide", mit dem die skandinavischen Sportler und ihre Anhänger eben diese Farben besangen, kaum noch aus dem Ohr bekam, auch hierzulande ziemlich bekannt. Dänische Fans sind jedenfalls nicht nur kaum zu übersehen, man kann sie noch viel weniger überhören. Und das ist angesichts ihrer Fröhlichkeit und Friedfertigkeit durchaus als ein echtes Lob zu verstehen.

Wie bei den großen Bergläufen der Alpen sind die Wegweiser dauerhaft angebracht Auf dem Storetorv sind Start und Ziel aufgebaut Jeder Kilometer ist mit einem Holzpfosten ganzjährig markiert

Einige tausend Dänen sind also jedes Jahr bei deutschen Marathons unterwegs. Doch Hand aufs Herz, wer ist denn schon einmal in Dänemark gelaufen? Die Gegenfrage, wo man das denn überhaupt kann, sei gleich beantwortet, bevor sie gestellt wird. Hier also einmal ein kleiner Auszug aus dem durchaus breit gefächerten Wettkampfangebot des nördlichen Nachbarn.

Dass es in der Hauptstadt Kopenhagen, in deren Region rund ein Drittel der gut fünf Millionen Einwohner des Landes lebt, einen Marathon gibt, dürften die meisten ja geahnt haben. Er findet jedes Jahr Mitte bis Ende Mai statt und ist genauso wenig verwunderlich der größte Lauf des Landes über diese Distanz. Und - ganz im Gegensatz zum rückläufigen deutschen Markt - ist er noch im Wachstum. In den letzten Jahren steigerten sich die Teilnehmerzahlen jedenfalls von vier- auf inzwischen achttausend.

Während Kopenhagen ganz im Osten Dänemarks auf der Insel Seeland liegt und es für die Hauptstädter damit viel näher nach Südschweden als aufs eigene Festland ist, findet man die zweitgrößte dänische Stadt Århus genau dort, auf der Jütland genannten Halbinsel. Bis zum Vorjahr gab es auch dort einen Marathon, mit über dreißig Austragungen sogar einen ziemlich alten. Doch war der eher an der Peripherie beheimatet und zog gerade einmal ein Zehntel der Kopenhagener Starterzahlen an.

Nach einem letzten Versuch in einer gemeinsamen Veranstaltung mit einem Lauf über hundert Kilometer, gab der veranstaltende Klub Aarhus 1900 - im Namen lebt die alte Schreibweise der Stadt noch fort - allerdings inzwischen wohl auch mangels Zuspruchs endgültig auf und beschränkt sich nun auf die Halbmarathondistanz. Dabei sind die Läufer gerade dieses Vereins selbst überall anzutreffen. Auch in Deutschland sind dessen auffällige, blau-rote Trikots jedenfalls durchaus häufiger zu sehen.

Dafür bietet Odense auf der zentralen Insel Fünen - mit rund zweihunderttausend Bewohnern die drittgrößte Siedlung des Landes - einen echten Stadtmarathon auf einem Zwei-Runden-Kurs an. Mit etwa zweitausend Teilnehmern auf der Langdistanz würde er auch in Deutschland durchaus auf einem vorderen Platz in der Statistik landen.

Der Lauf von Viborg nennt sich zwar ebenfalls Citymarathon, doch ist man in der ziemlich genau in der Mitte von Jütland liegenden Hunderttausend-Einwohner-Stadt nach einem guten Beginn 2007 innerhalb eines Jahres auf weniger als fünfhundert Läufer zurückgefallen. Dank Nebenstrecken gibt es allerdings im September dennoch eine dritte Auflage. Wie im südlichen Nachbarland ist eben auch in Dänemark bei nahezu allen Veranstaltungen längst der mit angebotene Halbmarathon die eigentliche Hauptstrecke.

Die Bjergladies sind mit einheitlichen roten T-Shirts unübersehbar Der Marathon startet genau in die langgezogene Fußgängerzone hinein Jeder Wettbewerb hat einen Pfeil in seiner eigenen Farbe

Aber während in Deutschland der große Boom bereits vorbei zu sein scheint und langsam der Katzenjammer einsetzt, wagen sich im Süden Skandinaviens noch immer neue Marathons auf den Markt. In Aalborg, das sich mit Odense um Rang drei der dänischen Einwohnerstatistik streitet, wird Anfang September zum Beispiel der sogenannte "Fjordmarathon" neu gestartet.

Und keine hundert Kilometer entfernt kann man am gleichen Wochenende auch erstmals im bisher einzigen dänischen Nationalpark Thy - weitere Schutzgebiete sind allerdings schon in Planung - Marathon laufen. Überhaupt werben gleich mehrere Natur- und Skovmarathons - was übersetzt nichts anderes als Waldmarathon bedeutet - um Teilnehmer, landen jedoch in der Regel wie ihre deutschen Gegenstücke meist nur im Bereich von maximal ein- bis zweihundert Teilnehmern.

Auch die Inseln Laesø, Samsø - das durchgestrichene "o" ist nicht nur ein dem deutschen "ö" entsprechender Buchstabe, sondern bedeutet außerdem auch "Insel" - und Bornholm kann man auf etwas über 42 Kilometer langen Strecken belaufen. Die große Runde um das vom Mutterland ein ganzes Stück entfernt vor der schwedischen Südküste gelegene Bornholm beträgt sogar hundert Kilometer. Und auch die sind bei der gleichen Veranstaltung als Wettkampfdistanz ausgeschrieben. Unter die Füße nehmen sie allerdings nur ein paar Dutzend Ultraspezialisten.

Eine nicht allzu häufig anzutreffende Besonderheit - am anderen Ende der Welt in Neuseeland gibt es mit dem Te Houtaewa Challenge jedoch durchaus ein Pendant - ist der international als "North Sea Beach Marathon" vermarktete Lauf an der dänischen Nordseeküste. Denn er wird als Punkt-zu-Punkt-Strecke vollständig am Strand entlang der Wasserkante gelaufen. Auf Sand wohlgemerkt und nicht etwa auf befestigten Wegen. Die Achillessehne lässt bei vielen der immerhin knapp dreihundert Starter am nächsten Tag bestimmt schön grüßen.

Und dann gibt es da noch den Lauf von Aabenraa. Das wird weder vorne noch hinten mit einem langen "A" wie in "Aachen" gesprochen, sondern mit einem Laut, der fast schon näher an einem "O" ist. Und nach der dänischen Rechtschreibereform sollte es auch "Åbenrå" geschrieben werden, also mit jenem in den skandinavischen Sprachen eigenständigen Buchstaben, der genau dies wiedergibt. Doch nach zähem Widerstand der Aabenraaer gegen diese Änderung gilt nun doch die alte Schreibweise weiter.

Bjergmarathon nennt sich die Veranstaltung. Das heißt, wie man vielleicht bereits vermutet hat, ins Deutsche übersetzt tatsächlich Bergmarathon und scheint für ein Land, dessen höchste natürliche Erhebung gerade einmal 173 Meter beträgt, reichlich anmaßend. Aber manches ist eben dann doch ganz anders, als es auf die ersten Blicke erscheint. Man sollte gelegentlich besser genauer hin sehen, Dinge erst einmal hinterfragen und sich nicht so einfach von nur scheinbar offensichtlichen Tatsachen täuschen lassen.

Schon auf dem zweiten Kilometer wird klar, dass an der Bezeichnung Bjergmarathon etwas dran ist

Denn der Marathon von Aabenraa im vermeintlich flachen Dänemark kann am Ende mit weitaus mehr Höhenmetern aufwarten als so mancher Landschaftslauf in deutschen Mittelgebirgen. In der Summe gilt es dabei nämlich rund fünfhundert von ihnen zu überwinden. Und das ist noch nicht einmal der Rekordwert in Dänemark. Denn in Silkeborg kann man neuerdings auf zweiundvierzig Kilometern sogar knapp achthundert davon bewältigen.

Die überraschend vielen Steigungen sind jedoch nicht das einzige bemerkenswerte an der Veranstaltung in dem nur wenige Kilometer jenseits der deutsch-dänischen Grenze bei Flensburg gelegenen Kleinstädtchen Aabenraa. Fast noch interessanter und wirklich originell ist nämlich das Konzept, mit dem man dort den Marathon abwickelt.

Das breit gestreute Streckenangebot ist zuerst einmal für Rennen dieser Größenordnung noch ganz gewöhnlich. Bei ungefähr zweihundert Marathonis würde sich das ganze für diese alleine kaum lohnen. Also gibt es daneben auch noch einen Halbmarathon und einen Zehner im Programm.

Dazu bietet man noch einen Jedermannslauf über gut vier Kilometer sowie zwei Rennen für Kinder, die je nach Alter 470 oder 1500 Meter zurückzulegen haben, an. Und auch die Nordic Walker haben in Aabenraa ihre eigene Strecke. Doch wie man all diese Rennen miteinander ver- und den namensgebenden Marathon einbindet, ist eine ziemlich clevere Lösung.

Strecken, die über eine einzige große Schleife führen, bieten zwar dem Läufer viel Abwechslung und geben die Möglichkeit, ständig Neues zu entdecken. Doch verlangen sie eben auch eine Vielzahl von Helfern zur Absicherung des Kurses und zum Besetzen der Verpflegungsstellen. Kürzere, mehrfach zu absolvierende Runden, benötigen als genaues Gegenteil dazu zwar weniger organisatorischen Aufwand, können aber auch schnell ziemlich langweilig werden.

Und auf einer Wendepunktstrecke kann man zwar auch mit etwas weniger Helfern auskommen, doch ist der Rückweg auf genau denselben Wegen, die man zuvor auch hinaus gestapft war, natürlich ziemliches Gift für die Läuferpsyche.

Aabenraa bietet von allem etwas. Man hat nämlich die Marathondistanz in vier unterschiedliche kleine Schleifen zerlegt, die nacheinander absolviert werden müssen und immer wieder zum Ausgangspunkt zurück führen. Und jede dieser Etappen führt in eine andere Himmelsrichtung. Nacheinander laufen die Marathonis ziemlich genau nach Osten, Westen, Süden und Norden aus der Stadt hinaus.

Selbst auf der Streckenkarte ist die - alles andere als zufällige - Ähnlichkeit mit einer Windrose zu bemerken. Und die Bezeichnungen Østruten, Vestruten, Sydruten und Nordruten, die man als Deutscher auch ohne jede Kenntnisse im Dänischen dennoch ganz gut verstehen kann, spiegeln das absolut wider. Drei dieser "Routen" enden nach einem auf Hin- und Rückweg zu belaufenden Stück in einer kleinen Runde, die vierte - die jedoch nicht zuletzt, sondern an Position zwei gelaufene Westschleife - ist eine reine Begegnungsstrecke.

Im Wald führt das Sträßchen in leichten Wellen auf und ab Der kleine Bauernhof mit dem reetgedeckten Dach unterbricht den durchgängigen Bewuchs am Streckenrand nur kurz

Die Vorteile eines solchen Streckenkonzeptes liegen eigentlich auf der Hand. Statt zweiundvierzig gilt es für die Organisatoren nur etwa fünfundzwanzig Kilometer abzusichern. Da zudem fast alle Verpflegungspunkte doppelt genutzt werden, kann man sich einigen Aufwand sparen und bietet dennoch ein ziemlich dichtes Netz.

Doch nicht nur für die Veranstalter sondern auch für die Marathonläufer hat dieser Einfall Vorteile. Durch die mit jeweils ungefähr zehn Kilometern nicht allzu langen Schleifen ist die Distanz für die schön in überschaubare Scheibchen zu zerlegen. Selbst wenn man zumeist auf seinen eigenen Spuren wieder zurück nach Aabenraa kommt, ziehen sich diese relativ kurzen Stücke bei weitem nicht so wie der Rückweg bei einer einzigen Wende. Und da bis wenige Kilometer vor dem Ziel noch neue Wege belaufen werden, kommt selbst in der Schlussphase keine Langeweile auf.

Die kürzeren Distanzen hat man zur Entzerrung und gleichzeitig auch zur Belebung dann auf unterschiedliche "Routen" verteilt. Der Zehner wird auf der Westroute gelaufen, der Halbmarathon auf Süd- und Nordroute. Eigentlich ist es fast schon erstaunlich, dass auch im zehnten Jahr des Marathons von Aabenraa die eigentlich bestechende Idee nicht öfter in dieser oder ähnlicher Form kopiert wird.

Ob es am kleinen Jubiläum liegt, dass sich die Organisatoren um Anne Grete und Holger Jacobsen über einen neuen Teilnehmerrekord freuen können, sei einmal dahin gestellt. Mit insgesamt knapp dreitausend Meldungen ist die Veranstaltung jedenfalls in Größenordnungen angekommen, die deutlich über die eines normalen Volkslaufes hinaus gehen.

Die Läufe über zehn und vier Kilometer sind inzwischen aufgrund der doch etwas begrenzten Logistik mit einem Teilnehmerlimit versehen. Und das ist für beide Distanzen bereits zwei Wochen vor dem Lauftag erreicht. "Tilmelding er lukket" - "Anmeldung geschlossen" verkündet die Internetseite schon im Vorfeld. Und damit auch niemand auf den Gedanken kommt, doch noch zu versuchen einen Nachmeldezettel abzugeben, hängen entsprechende Schilder auch bei der Startnummernausgabe überall herum.

Ähnlich steil, wie es hinauf ging, führt der Waldweg bei Kilometer vier bergab Finn Kaczmarek hat sich schnell einen beträchtlichen Vorsprung erarbeitet Die Marathonis erreichen kurz hinter dem vierten Kilometer das Ufer des Aabenraa Fjord

Nur für die beiden langen Strecken werden diese noch entgegen genommen. Aber auch beim Marathon sind so viele Meldungen eingegangen wie nie zuvor. Bereits im Vorfeld verzeichnet die Starterliste erstmals über zweihundert Namen, während man in der Vergangenheit meist in Bereichen von hundert bis hundertfünfzig Einläufen herum dümpelte. Und im Ziel werden beim Jubiläumsrennen am Ende sogar 221 Läufer registriert sein. Beachtliche vierzig mehr als im Vorjahr.

Ausländer sind allerdings ziemlich wenige darunter. Bei ihren eigenen Veranstaltungen bleiben die selbst doch so reisefreudigen Dänen weitestgehend unter sich. Obwohl es natürlich schwierig ist zu entscheiden, ob es sich bei Läufern mit Namen wie "Michael Hansen", "Claus Larsen" oder "Sven Petersen" nicht vielleicht doch um Norddeutsche handelt. Meist lässt allerdings spätestens die Bezeichnung des Vereins dann trotzdem auf eine dänische Herkunft schließen.

Nur ganz wenige Teilnehmer aus dem eigentlich so nahen Schleswig-Holstein haben den Weg über die spätestens nach dem Beitritt Dänemarks zum Schengener Abkommen kaum noch vorhandene Grenze gefunden. Zwar ist der Internetauftritt des Bjergmarathon weitestgehend auf Dänisch gehalten, doch die wichtigsten Informationen gibt es dort durchaus auch auf Deutsch und Englisch.

Und sogar eine Kontoverbindung hat man im südlichen Nachbarland, was jedoch auch dadurch erleichtert wird, dass es sich beim Hauptsponsor um eine Bank handelt. Die Sydbank unterhält jedenfalls auch in Flensburg eine Filiale. Wer als Deutscher also mit der leider ebenfalls nur dänischen Online-Anmeldung scheitert, kann sich per Überweisung dennoch seinen Platz auf der Starterliste sichern.

Der ist für 325 dänische Kronen bzw. 45 Euro beim Marathon und 225 Kronen bzw. 31 Euro für den Halben nun nicht unbedingt wirklich ein Schnäppchen. Doch als Billigurlaubsland ist Dänemark ja genau wie seine skandinavischen Nachbarn ohnehin nicht gerade bekannt. Wer seinen Zettel am Schalter "Eftertilmelding" - was man mit etwas Kombinationsgabe und Schulenglisch durchaus als "Nachmeldung" entschlüsseln kann - abgibt, legt noch einmal fünfzig Kronen drauf.

Allerdings bekommt man für sein Geld neben einer Medaille eben auch noch ein Funktionshemd und zudem einen eingespielten, ziemlich reibungslosen Ablauf geboten. Und wer über fünfundsechzig Jahre auf dem Buckel hat, ist ohnehin nur für 150 Kronen - oder wenn er auf das T-Shirt verzichtet, sogar ganz kostenlos - dabei.

Abholen kann man Startnummer und Trikot schon am Freitagabend nahe dem mitten in der Fußgängerzone gelegenen Start- und Zielbereich in der Kantine einer Behörde. Und nicht allzu weit entfernt kann man sich dann beim Sponsor Føtex, eine dänische Supermarkt- und Warenhauskette, noch für dreißig Kronen mit Pasta versorgen. Denn der Lauf wird bereits samstags gestartet.

Nur ganz kurz bleibt der Marathonkurs an der schmalen Ostseebucht Nicht mehr durch Wald geht es zurück sondern durch sattgrüne Wiesen

Ab sieben Uhr gibt es schon wieder Startnummern. Und um zehn gehen dann die Marathonis als erste auf ihre vier Schleifen. Doch bis dann auch die letzten Kinder auf die Strecke dürfen, ist es längst Nachmittag. Der Bjergmarathon sorgt den ganzen Tag für Leben und Trubel im Zentrum des sonst eher ruhigen Aabenraa.

Auf dem Storetorv sind die beiden Bogen für Start und Ziel sowie einige kleinere Zelte aufgebaut. Und damit ist der "große Platz" - so die Übersetzung - dann auch schon ziemlich ausgeschöpft. Denn groß ist der Marktplatz nur für die Verhältnisse der schmalen, idyllischen Altstadtgassen von Aabenraa, wo - wie auch anderswo in Dänemark häufig zu sehen - noch ganze Straßenzüge mit hundert, zweihundert oder noch mehr Jahren alten Gebäuden erhalten sind. Auch rund um den Storetorv sind etliche davon in den typischen warmen und bunten Farben zu bewundern.

Bei weitem nicht so warm und bunt präsentiert sich dagegen die Witterung. Die Bedenken, bei einer Startzeit von zehn Uhr voll in der sommerlichen Mittagshitze laufen zu müssen, stellen sich als ziemlich unbegründet heraus. Kühles Schauerwetter sagen die Meteorologen für das Wochenende der Sommersonnenwende voraus, an dem die Nächte in Dänemark noch kürzer und die Tage noch länger daher kommen als im weiter südlich gelegenen Deutschland. Deutlich unter zwanzig Grad soll das Quecksilber hängen bleiben.

Ganz so unangenehm fühlt es sich erst einmal jedoch gar nicht an. Eigentlich beginnt der Morgen sogar richtig mild. Die Sonne scheint und die Temperaturen sind weder zu warm noch zu kalt. Fast könnte man von idealen Laufbedingungen sprechen. Doch ausgerechnet, als sich Storetorv und Kantine immer mehr füllen und der erste Start näher rückt, trübt sich der Himmel immer mehr ein. Grau in grau präsentiert sich die Welt auf einmal. Und eine halbe Stunde, bevor sich die Marathonis auf die Strecke begeben sollen, öffnet sich die Schleusen endgültig.

Allerdings sollen die Wetterfrösche auch in anderer Hinsicht Recht behalten. Denn in ihren Ankündigungen war von Schauern die Rede und nicht von Dauerregen. Und so lassen die dicken Tränen, die von den Wolken vergossen werden, pünktlich zum sportlichen Auftakt wieder nach. Petrus meint es gut mit Organisatoren und Läufern. Bis zum Nachmittag wird es nämlich der letzte Guss gewesen sein. Zeitweilig wird sogar die Sonne durchkommen. Und die wenigen Tropfen, die nach vier Stunden noch einmal fallen werden, können dann auch keinen echten Schaden anrichten.

Wie es sich für eine Hafenstadt gehört, schickt nicht etwa ein Schuss sondern eine Glocke das Feld, an dessen Ende sich auch gut drei Dutzend der zeitgleich gestarteten Nordic Walker eingefunden haben, auf die Reise. Beim Hamburg Marathon hat sich diese Art des Startsignals zum Beispiel ja ebenfalls schon seit einigen Jahren etabliert.

Zwar startet man genau in die langgezogene Fußgängerzone hinein, doch allzu lange darf man nicht in ihr bleiben. Das ist angesichts der historischen Bausubstanz, die es dort zu betrachten gäbe, zwar schade, aber wohl kaum zu ändern. Denn die Häuser sind eben nicht nur nahezu alle ziemlich alt, sondern haben im Erdgeschoss zudem zumeist ein Geschäft.

An einem Bauernhofe ist der Pfosten mit der "5" eingelassen Rund vierzig Höhenmeter sind es bis zur Kuppe und nur wenige hundert Meter lang ist die Steigung

Und diese sind natürlich auch in Dänemark am Samstagmorgen alle geöffnet. Die Besitzer würden sich vermutlich ziemlich "bedanken", wenn ihnen an diesem Tag die ganze Kundschaft wegbliebe, nur weil für paar Läufer die komplette Haupteinkaufsstraße gesperrt werden müsste. Einzig die beiden Schülerläufe, die erst gestartet werden, nachdem um vierzehn Uhr die meisten Läden geschlossen sind, führen den zwar durchgängigen, aber an jeder Ecke anders heißenden Straßenzug entlang.

Schon nach hundert Metern - direkt vor dem ebenfalls schon etwas betagteren Rathaus - schwenkt der Marathonkurs nach rechts ab und strebt zuerst einmal dem Hafen zu. Der ist zumindest in seinem nördlichen Teil, den man auf dem ersten Kilometer der Marathonstrecke durchläuft, alles andere als idyllisch, sondern eher industriell geprägt. Schließlich zählt Aabenraa zu den größeren Häfen des Landes. Was - obwohl sich die Dänen sehr wohl als Seefahrernation sehen und eine gegenüber Deutschland kaum kleinere Handelsflotte unterhalten - allerdings nun auch nicht wirklich übermäßig viel zu bedeuten hat.

Doch schnell ist das Hafengelände auch wieder verlassen. Das Schild mit der "1" ist gerade passiert, da biegt man bereits in ein Wohngebiet ein. Und hinter der nächsten Kurve ist dann auch endgültig klar, dass die Höhenmeterangaben doch nicht so völlig aus der Luft gegriffen sind und an der Bezeichnung Bjergmarathon vielleicht doch etwas dran sein könnte.

Natürlich ist es kein richtiger Berg, den sich die Straße da hinauf zieht. Die höchste Erhebung in der Umgebung von Aabenraa beträgt keine hundert Meter. Doch die wird von der Marathonstrecke nicht einmal passiert. Höchstens die Hälfte davon hat die Rampe bei Kilometer zwei. Die Steigungsprozente nähern sich dabei allerdings sehr wohl zweistelligen Werten. Viel heftiger geht es bei Landschaftsläufen - zumindest die nichtalpinen unter ihnen - auch außerhalb Dänemarks selten bergan.

Flach ist das Land nämlich wirklich nur in westlichen Teil. Jütland ist topographisch zweigeteilt. An das Marsch- und Dünengelände im Bereich der Nordseeküste schließt sich ziemlich genau in der Mitte nämlich eine Hügellandschaft an, die aus Endmoränen der Eiszeit besteht. Wie an vielen Stellen kann man auch im Osten Dänemarks noch sehr wohl die enormen Spuren entdecken, die von der Kälte der Gletscher hinterlassen wurden, als sie tiefe Narben in das von ihnen überdeckte Umfeld gruben und anderswo, oft weit entfernt den entstandenen Schutt abluden, bevor sie sich wieder zurück zogen.

Dabei unterscheidet sich Jütland in seinem geologischen Aufbau auch kaum vom deutschen Bundesland Schleswig-Holstein - dort nennt man diesen Höhenrücken Geest -, das den Südteil des zwischen Nord- und Ostsee liegenden Landstreifens einnimmt. Doch obwohl sie auf der Karte eigentlich eine kaum zu übersehende markante Form hat, wird diese sogenannte Kimbrische Halbinsel dennoch ziemlich selten als echte Einheit wahrgenommen. Die Bezeichnung jedenfalls ist praktisch nur Geographen bekannt.

Noch immer sind auch im vereinten Europa die politischen Grenzen viel entscheidender. So ist Jütland - oder Jylland, wie es auf Dänisch heißt - in der Regel der wesentlich üblichere Begriff. Allerdings umfasst er, auch wenn aufgrund der in der Geschichte mehrfach wechselnder Grenzziehungen die genaue Ausdehnung nicht wirklich eindeutig definiert ist, eben doch nur die nördliche Hälfte.

Neben allen Zufahrtsstraßen sind Fahnenmasten aufgestellt In den Altstadtgässchen von Aabenraa gibt es viel historische Bausubstanz Durch den Trubel am Storetorv geht es auf Schleife zwei

Übrigens wird Dänemark mit der Zeit sogar noch hügliger. Denn auch weiterhin hebt sich das von den Eismassen befreite Land im Norden und Osten leicht nach oben, jedes Jahr um einige Milli- oder sogar Zentimeter. Im Süden und Westen sinkt es im Gegenzug dafür ab. Quer durch Jütland verläuft eine regelrechte Kippachse. Doch selbst wenn das immer so weiter ginge, bis der Bjergmarathon einmal in "richtige" Berge führen würde, müsste er auf jeden Fall noch einige tausend Male ausgetragen werden.

Es sind nicht einmal zwei Kilometer vergangen, da haben die Marathonis schon das Ortsschild von Aabenraa passiert, die letzten Häuser hinter sich gelassen und sind in ein Waldgebiet hinein gelaufen. Selbst wenn in Dänemark deutlich weniger Fläche davon bedeckt wird als im deutschsprachigen Raum, ist gerade die Gegend um Aabenraa dennoch ziemlich bewaldet. Gut die Hälfte der Ostroute führt durch einen zumeist mit Buchen und Eichen bewachsenen Forst. Und auch auf jeder der übrigen drei Schleifen wird man zumindest für ein paar Meter im Wald verschwinden.

Obwohl die größte Steigung erst einmal überwunden ist, führt das Sträßchen noch immer in leichten Wellen auf und ab. Der kleine Bauernhof mit den reetgedeckten Gebäuden auf der nicht viel größeren Lichtung unterbricht den durchgängigen Bewuchs am Streckenrand auch nur kurz, bevor man wieder auf beiden Seiten vom hohen Baumbestand begleitet wird.

Einen Kilometer später zeigen die Wegweiser nach rechts in einen Waldweg hinein. Wie bei den großen Bergläufe der Alpen sind diese auch beim kleinen Bruder in Dänemark seit diesem Jahr dauerhaft angebracht. An jedem Abzweig hat man kleine Täfelchen mit der Richtung, in der es weiter geht, aufgestellt. Jeder Wettbewerb hat dabei angesichts der Vielzahl von Streckenlängen und -führungen einen Pfeil in seiner eigenen Farbe. Der Marathon ist blau, der Halbmarathon rot. Die Zehner folgen den grünen Symbolen, die Jedermänner den gelben.

Auch jeder Kilometer ist zumindest abseits des Innenstadtbereiches mit einem Holzpfosten und der entsprechenden Zahlenkombination ganzjährig markiert. Und auf den Storetorv steht sogar eine fest installierte Infotafel, die den Streckenverlauf auf einer Karte sowie mit Bildern und einem mehrsprachigen Text erläutert.

Ähnlich steil, wie es vorhin hinauf ging, führt der Waldweg nun bergab. Zwar ist der größte Teil des Kurses dann doch asphaltiert. Aber immer wieder macht er auch einmal Ausflüge auf andere Beläge. Geschotterte Forststraßen, Altstadt- und Verbundpflaster oder auch einmal ein kurzes Stück Trampelpfad gibt es da zwischendurch als Untergrund. In wirklich vieler Hinsicht setzt man in Aabenraa auf Abwechslung.

Die Westroute führt hauptsächlich durch landwirtschaftlich genutzte Flächen Die Laufstrecke wird rechts und links von Læhegn begleitet Lars Merrald auf Rang drei geht das Rennen deutlich defensiver an

All die Höhenmeter, die sie sich kaum zwei Kilometer zuvor mühsam erarbeitet haben, sind wieder verloren, als die Marathonis kurz hinter dem vierten Kilometer das Ufer des Aabenraa Fjord erreichen. Gleich etliche dieser "Fjorde" gibt es entlang der Ostseeküste. Geologen würden zwischen der dänischen Variante und den viel berühmteren norwegischen Brüdern aufgrund ihrer verschiedenen Entstehungsgeschichte - die allerdings beide mit Gletschern und herum wandernden Eis zusammen hängen - zwar einen grundlegenden Unterschied machen. Das Wort ist allerdings das gleiche.

Dem deutschen Gegenstück "Förde" sieht man auch ohne tiefer gehende linguistische Ausbildung die gemeinsame Herkunft an. Überhaupt ist so manche dänische Formulierung auch dann einigermaßen zu verstehen, wenn man die Sprache nicht wirklich gelernt hat, sondern sich nur mit Deutsch und Englisch ein wenig auskennt. An die wichtigsten Informationen kommt man als Läufer auch aus einer nur in Dänisch gehaltenen Ausschreibung heran. Hat man sich erst einmal an den melodischen Klang gewöhnt, versteht man sogar den einen oder anderen gesprochenen Satz.

Grundvoraussetzung ist jedoch eine langsame und deutliche Aussprache. Und an beidem mangelt es im normalen Umgang oft doch ein wenig. Da hat man durchaus das Gefühl, dass es im Dänischen überhaupt keine langen, sondern nur kurze Vokale gibt. Und auch die eine oder andere Silbe scheint gerne einmal einfach verschluckt zu werden.

So kann man dann, selbst wenn man von den Fernsehnachrichten noch einiges mitbekommt, im Falle einer Frage auf Dänisch, oft nur die Hände heben und etwas von "Jeg er Tysker" - also "ich bin Deutscher" - murmeln, weil man kein einziges Wort auch nur im Entferntesten verstanden hat. Der Wechsel der Sprache wird dann in der Regel sofort erfolgen.

Denn die Dänen sind es angesichts ihres gerade einmal fünf Millionen zählenden Völkchens auch gar nicht wirklich gewohnt, dass Ausländer ihre Sprache beherrschen. Schon der Versuch wird meist dankbar zur Kenntnis genommen. Entweder wird dann das Gespräch gleich auf Deutsch fortgeführt, dessen viele Dänen recht gut mächtig sind, denn dem größten Teil von ihnen ist es als zweite Fremdsprache in der Schule begegnet.

Oder es geht in Englisch weiter. Das können die meisten Dänen sogar ziemlich fließend. Schließlich lernen sie das nicht nur schon früh in der Schule, sondern auf dänischen Sendern laufen auch sämtliche amerikanischen oder britischen Filme nur im Original mit Untertiteln. Und sogar einige komplett englischsprachige Programme - zum Beispiel von der BBC - werden mit den übersetzenden Textzeilen direkt ins dänische Kabelnetz einspeist.

Oben auf der Höhe geht die Steigung in ein leicht welliges Auf und Ab über Der Zweitplatzierte Søren Søby Jørgensen mit Søren Steffensen, der später auf Rang 9 zurück fällt Oben auf der Höhe geht die Steigung in ein leicht welliges Auf und Ab über

Eine dritte Fremdsprache - in der Regel Spanisch oder Französisch - wird zudem oft auch noch in Grundzügen während der Schulzeit erlernt. Die Dänen besitzen - wie eigentlich alle Skandinavier - jedenfalls ziemlich gute Sprachkenntnisse, was einen Besuch in ihrer Heimat nun nicht unbedingt erschwert.

Nur ganz kurz bleibt der Marathonkurs an der schmalen, rund zehn Kilometer ins Land hinein ragenden Ostseebucht und dreht danach gleich wieder ab. Es wird bei dieser einen Stippvisite am Fjord bleiben. Noch einmal direkt ans Meer führt keine andere der noch folgenden Schleifen rund um die Hafenstadt Aabenraa.

Nicht mehr durch den Wald geht es fürs Erste zurück, sondern durch sattgrüne Wiesen, die das wellige Gelände nun deutlich sichtbar machen. Den gegenüberliegenden Hang ziehen sich die Häuser des kleinen Örtchens Avbæk hinauf. Daneben grasen schwarzbunte Kühe. Dazwischen liegen verstreut einzelne Höfe unterschiedlicher Größe. Eine richtige Postkartenidylle aus dem "hyggeligen" Dänemark.

Doch wer jetzt aus der vorhin beschriebenen Verständlichkeit vieler dänischer Worte meint, es gehe bei diesem Begriff um die wellige Landschaft, liegt diesmal voll daneben. Nicht immer funktioniert die Übersetzung wirklich so einfach. Unter dem direkt nur schwer ins Deutsche zu übertragenden "hyggelig" ist vielmehr so etwas wie "gemütlich", "anheimelnd", "behaglich", "malerisch" und - im absolut positiven Sinn gemeint - "verschlafen" zu verstehen. Und viele dänische Städtchen und Dörfer sind das tatsächlich. Kein Wunder, dass die Tourismusmanager schon länger mit diesem Wort hausieren gehen.

An einem dieser Bauernhöfe, vor dem der Pfosten mit der "5" in den Boden eingelassen ist, kommt der nächste Linkschwenk zurück vom Schotterweg auf das kleine Sträßchen. Dumm nur, dass sich da auf der linken Seite auch ein ziemlich hoher Hügel erhebt. Rund vierzig Höhenmeter sind es bis zur Kuppe und nur wenige hundert Meter lang ist die Steigung. Bereits die zweite zweistellige Rampe der Ostrunde.

Und obwohl gerade einmal ein Achtel der Gesamtstrecke bewältigt ist, fangen deshalb auch schon einige an zu gehen. Die erste Route ist mit "nur" rund 9,3 Kilometern die kürzeste, doch hat sie trotzdem die meisten Höhenmeter. Allerdings sind die Unterschiede eigentlich nur minimal. Über hundert Meter gilt es nämlich auf jedem der vier Äste der Windrose zu überwinden.

Kaum hat man die Kuppe erreicht, taucht auch schon wieder die Ecke auf, an der es vorhin in den Waldweg hinein ging. Die Wendeschleife ist bereits beendet. Nun geht es wieder gut drei Kilometer auf schon bekannten Wegen zurück zum Storetorv in Aabenraa. Zuerst wellig durch den Wald, dann den Hügel am Stadtrand hinunter ins Wohngebiet und schließlich flach durch den Hafen, bevor man zum ein wenig höher gelegenen Altstadtplatz dann doch noch einmal ein paar Meter bergauf muss.

Die Laufstrecke wird rechts und links von Læhegn begleitet Zweikampf zwischen Tyge Rasmussen und Christoffer Brusen Barsøe (re.) um den Sieg über zehn Kilometer Unter der Autobahn, die Flensburg mit Århus verbindet, müssen die Marathonis hindurch

Der Trubel der dort bereits beim Marathonstart herrschte, hat fast noch zugenommen. Zwar sind die dreißig Minuten nach den Langstreckler gestarteten Halbdistanzler schon auf der Strecke. Doch der für elf Uhr angesetzte Start des Zehners rückt näher. Und alleine dort werden über achthundert Läufer antreten.

Eigentlich ist das Zeitfenster groß genug, um - vielleicht abgesehen von ein paar Nachzüglern - das längst in die Länge gezogene Marathonfeld dazwischen über den Platz auf die Westschleife zu bugsieren. Dennoch hat man dafür einen eigenen schmalen Kanal am Rand aufgebaut. Die freie Fläche in der Mitte wird für die weiteren Starts, die Zieleinläufe und die daran anschließende Versorgung gebraucht.

Auch in den beiden noch folgenden Passagen wird man jeweils außen entlang schlüpfen. Ordner - wie der Rest der vielköpfigen Helferschar mit auffälligen orangefarbenen T-Shirts gekleidet - sortieren allerdings die Felder anhand der verschieden farbigen Startnummern stets rechtzeitig auseinander und schicken die Läufer in die jeweils richtige Richtung weiter.

An den ausgelegten Chipmatten laufen die Teilnehmer des Marathons deshalb auch jedes Mal vorbei. Zwischenergebnisse gibt es nicht. Weder vom Queren des Marktplatzes noch als Kontrolle auf den einzelnen Schleifen. Nur das Überlaufen der Start und Zielmatte wird registriert, Brutto- und Nettowerte in der Liste ausgewiesen.

Die Zeitmess-Chips hat man kostenlos mit der Startnummer ausgehändigt bekommen. Doch ähneln sie keineswegs den international bekannten Championchips, selbst wenn sie ebenfalls am Schuh befestigt werden. Vielmehr handelt es sich um ein wenig größere viereckige Plättchen, die man mittels zweier Kabelbinder durch vier Löcher oben auf der Schnürung befestigt. Auch wenn das im ersten Moment etwas starr aussieht, stört es die Bewegung dennoch eigentlich nicht.

Nur kurz ist der Trubel, der auf dem Marktplatz herrscht, dann ist man auch schon wieder auf der anderen Seite aus dem Stadtzentrum wieder hinaus gelaufen. Eine wirkliche Großstadt ist Aabenraa nicht unbedingt. Wie groß das Städtchen nun aber tatsächlich ist, kann man gar nicht so leicht sagen. Denn die kleinste administrative Einheit Dänemarks ist die sogenannte "Kommune".

Und diese hat - wie in allen skandinavischen Ländern - trotz des gleichen Namens keineswegs die Bedeutung einer deutschen Gemeinde, sondern entspricht spätestens seit der dänischen Gebietsreform des Jahres 2007 in ihren Ausmaßen eher einem Landkreis. Die Zahl der ohnehin oft schon recht großflächigen Kommunen wurde dabei nämlich noch einmal von knapp dreihundert auf ungefähr einhundert verringert.

Seit der Fusion mit mehreren Nachbargemeinden hat "Aabenraa Kommune", die schon vorher mehr Areal als zum Beispiel die deutschen Landeshauptstädte Kiel oder Mainz einnahm, nun jedenfalls eine größere Ausdehnung als die deutschen Stadtstaaten und Millionenmetropolen Berlin oder Hamburg. Abzugrenzen, welche der vielen kleinen Dörfer, Weiler und Höfe im Umland man also noch dazu rechnet und welche nicht mehr, ist gar nicht so einfach.

Überhaupt ist Dänemark in dieser Hinsicht nicht wirklich leicht zu greifen. Denn es gibt da einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Staat "Dänemark" und dem "Königreich Dänemark". Dieses umfasst nämlich neben dem eigentlichen Staatsgebiet, also dem was man gemeinhin unter Dänemark versteht, auch die innenpolitisch weitgehend autonomen Gebiete Grönland - das genau am Wochenende des Bjergmarathons noch weitergehende Selbstverwaltungsrechte erhält - und Färöer.

Zwischen zwei Höfen wird gewendet Die Marathofünfte Pilgaard läuft für "AMOK", den "Aalborg Motions Klub" Bjerglady Anette Hansen wird Siebte

Diese haben eigene Amtssprachen, eigene Flaggen, eigene Hymnen, eigene Briefmarken und in vielen Sportarten auch eigenen Nationalmannschaften. Die Grönländer konnten sich sogar - allerdings in der eher schwach einzustufenden Amerika-Gruppe - bereits einmal für eine Handball-Weltmeisterschaft qualifizieren. Nur außenpolitisch werden diese beiden Nationen noch von Dänemark vertreten. Bezahlt wird dort ganz normal mit dänischen Kronen - auch wenn die Färöer ihre eigenen Motive auf den Geldscheinen haben. Doch zur EU gehören sie im Gegensatz zum Mutterland nicht.

Die zwei Gebiete sind der Restbestand eines dänischen Großreiches, das viele Jahrhunderte in Norden Europas existierte. Über vierhundert Jahre wurde zum Beispiel auch Norwegen durch den König von Dänemark regiert. Dadurch kamen zudem die von Norwegen aus besiedelten Inseln Island, Grönland und Färöer - die im Deutschen oft zu hörende Bezeichnung "Färöer-Inseln" ist übrigens völliger Blödsinn, denn die Endung "-öer" beinhaltet genau diese geographische Bezeichnung bereits - unter die Oberhoheit des dänischen Monarchen. Und sie blieben auch dort, als nach den Napoleonischen Kriegen dieser Verbund aufgelöst und Norwegen dem schwedischen König zugeschlagen wurde.

Der Süden und Westen Schwedens gehörten ebenfalls einst zu Dänemark. Erst im siebzehnten Jahrhundert gelangten diese zwischen den beiden nordischen Staaten lange umkämpften Gebiete endgültig unter schwedische Herrschaft. Ja, in der Kalmarer Union war im späten Mittelalter sogar ein gutes Jahrhundert lang einmal ganz Skandinavien unter einer einzigen Krone vereint. Eine Union, in der Dänemark ziemlich dominierte. Die deshalb entstandenen schwedischen Unabhängigkeitsbestrebungen ließen sie Anfang des sechzehnten Jahrhunderts dann wieder zerfallen.

Mit jeder Querstraße, die man sich von der Innenstadt entfernt, wird die Bebauung neuer. Um den alten Stadtkern von Aabenraa sind nach und nach immer weitere Wohngebiete gewachsen. Doch auch auf der zweiten Schleife haben die Marathonis nach zwei Kilometern wieder den Ortsrand und ein kleines Wäldchen erreicht. Die Westroute hat aber trotzdem einen etwas anderen Charakter. Denn sie führt nicht durch ein größeres Forstgebiet sondern verläuft hauptsächlich in landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Ohne Schatten spendendes Gehölz muss man dennoch keineswegs auskommen. Mal links, mal rechts und oft auch auf beiden Seiten ist der als Laufstrecke dienende asphaltierte Feldweg durch einen schmalen mit Hecken und Bäumen bewachsenen Streifen von den Äckern und Wiesen getrennt. Weiter südlich in Schleswig-Holstein nennt man diesen für die Region typischen Bewuchs "Knick", die Dänen sprechen dagegen von "Læhegn".

Und wie kaum anders zu erwarten - schließlich läuft man ja vom Meer weg und in die Hügel hinein - lauern auch auf der Weststrecke kurze aber knackige Steigungen. Wieder sind es vierzig bis fünfzig Höhenmeter, die es mit Steilheitsgraden um die zehn Prozent zu überwinden gilt. Doch durch die Wallhecken und die kurvige Wegführung kann man die zwischen den Kilometern zwölf und dreizehn wartende heftigste Rampe nie voll überblicken.

Dort, wo sie dann etwas verflacht und oben auf der Höhe in ein leicht welliges Auf und Ab übergeht, warten die orange gekleideten Helfer mit der bereits vierten Verpflegungsstelle. Maximal gute drei Kilometer liegen zwischen den Versorgungsposten, gelegentlich sind es aber auch nur zwei. Ein dichtes Netz, das durch die Streckenführung natürlich erleichtert wird und selbst bei Mitte Juni durchaus denkbarer Hitze eigentlich völlig ausreichen sollte.

Vereinzelte kleine Höfe machen Dänemark "hyggelig" Oder auch ein Frühstück am Streckenrand

Auch das Angebot ist durchaus vielfältig. Wasser und Elektrolytgetränke gibt es zum Beispiel zu trinken. Und zwar in unterschiedlich farbigen Bechern. Vielleicht nicht ganz zufällig in den Landesfarben. Dass die roten davon die mineralhaltige Flüssigkeit enthält, hat man jedenfalls schnell heraus. Organisator Holger Jacobsen hatte das in seiner Ansprache vor dem Start zwar vermutlich auch verkündet - zumindest hatte er beim Reden die verschiedenen Becher hochgehalten - aber leider nur auf Dänisch und zudem bei im nervösen Vor-Marathon-Stimmengewirr ziemlich schlechter Akustik.

Die Auswahl an Obst ist noch etwas größer. Denn neben den unvermeidbaren Bananen, kann man zur Abwechslung auch Apfel- oder Orangenstücke greifen. Und auch in eine Schüssel mit Rosinen lässt sich bei Bedarf hinein langen. Besonders Verwöhnte werden jetzt zwar beklagen, dass dieses und jenes, was sie außerdem unbedingt benötigen, und insbesondere ihre ganz spezielle Getränkemischung sowie ihr Lieblings-Energieriegel nun gerade nicht auf den Tischen zur Verfügung steht. Aber eigentlich ist es mehr als ausreichend und wesentlich mehr als die meisten Großveranstaltungen bieten können.

Der reine Wendepunktcharakter der mit 11,8 Kilometern auch längsten zweiten Runde lässt praktisch allen Marathonis die Möglichkeit einen Blick auf die Führenden zu werfen. Und da haben sich sowohl bei den Männern wie auch bei den Frauen fast schon so etwas wie Vorentscheidungen ergeben. Denn Finn Kaczmarek und Henriette Jakobsen haben sich jeweils schon einen beträchtlichen Vorsprung erarbeitet.

Von Beginn an hat der aus Aabenraa stammende, nun aber in Odense ansässige Kaczmarek im Alleingang aufs Tempo gedrückt. Und niemand kann dem Triathleten, der auf der Langdistanz bereits unter neun Stunden ins Ziel kam, auch nur annähernd folgen. Bereits 2004, also beim kleinen Jubiläum der fünften Austragung, hatte er den Bjergmarathon gewonnen. Zum großen Zehnjährigen scheint nun ebenfalls kein Weg an ihm vorbei zu führen.

Henriette Jakobsen aus Holstebro ist mit einer 3:13:58 erzielt bei ihren Erfolg 2006 sogar die Streckenrekordhalterin. Im Vorjahr musste sie sich allerdings um eine Minute geschlagen mit Platz zwei begnügen. Diesmal sieht es jedoch wie bei Kaczmarek auch schon vor der Halbzeitmarke nach einem zweiten Erfolg aus.

Mit achthundert Läufern über zehn Kilometer ist die Strecke ordentlich ausgelastet Die Westroute führt hauptsächlich durch landwirtschaftlich genutzten Flächen

Mit Kilometer vierzehn kommt eine Unterführung in Sichtweite. Unter der Autobahn, die Flensburg mit Århus verbindet, müssen die Marathonis hindurch, um auf der anderen Seite den Wendepunkt anzusteuern. Da die Geestrücken zwar oft ziemlich steile Flanken haben, in der Regel weiter oben aber wesentlich abgeflachter sind, folgen die Hauptverkehrswege häufig ihren Verlauf, um sich kurvige Streckenführung und kostspielige Brückenbauten zu ersparen. Auch die Fernzüge der parallelen Hauptlinie der Dänischen Staatsbahn fahren deshalb einige Kilometer an Aabenraa vorbei.

Jenseits der Autobahn ändert sich das Bild ein wenig. Denn nun schirmen keine Læhegn mehr die Felder vom schmalen Sträßchen ab. Der Blick kann deutlich weiter wandern. Und mehrere größere Bauernhöfe geben dem Streckenrand irgendwie wieder einen bewohnteren Anstrich. Zwischen zweien dieser Höfe wird dann auch gewendet. Jedoch nicht ohne erneut Essen und Getränke fassen zu können.

Die von hinten heran eilenden Zehn-Kilometer-Läufer drehen dagegen schon direkt an der Brücke um. Eine von der Logistik nicht unbedingt einfache Stelle, denn die Ordner müssen Lang- und Kurzstreckler auseinander sortieren. Anfangs ist das nicht allzu schwer. Doch wenn der dichte Pulk der Zehner erst einmal den Schwanz des Marathonfeldes erreicht und aufgesogen hat, wird das Ganze zur Schwerarbeit.

Rechts ist der Wendepunkt, am linken Rand die Durchgangsspur und in der Mitte geht es für beide Distanzen wieder zurück. Auch für die Läufer selbst heißt es wachsam sein. Denn dass dabei auch einmal eine Kreuzung des Gegenverkehrs oder ein abruptes Abbremsen beim Einfädeln nötig wird, kann man sich vorstellen.

Zumal die Strecke mit achthundert Läufern schon in einer Richtung ordentlich ausgelastet wäre. Durch den Begegnungsverkehr nähert sie sich dann teilweise sogar der Belastungsgrenze. Das Meldelimit hat sehr wohl seinen Sinn. Freies Laufen ist jedenfalls nicht immer möglich. Und bei manchem Überholvorgang muss man auch einmal auf die passende Lücke warten. Doch den meisten Läufern dürfte es egal sein. Der Zehner ist ein echter Volkslauf, bei dem nur die ersten drei überhaupt unter der Marke von vierzig Minuten bleiben.

Das aber dann doch ziemlich deutlich. Und spannend ist es zudem. Denn erst recht spät kann sich der Sieger Tyge Rasmussen vom Zweiten Christoffer Brusen Barsøe lösen, um in 36:06 über die Ziellinie zu laufen. Barsøe, der für den Sportverein des nicht allzu weit vom Wendepunkt entfernten Rødekro läuft, hat mit 36:23 seinerseits nicht einmal eine halbe Minute Vorsprung vor dem Dritten Hans Jensen, für den die Uhren nach 36:51 stehenbleiben und hinter dem dann eine fast vier Minuten große Lücke klafft. Bei den Damen hat am Ende Dorthea Jørgensen in 45:29 die Nase vor Bodil Nielsen (46:16) und der 47:28 benötigenden Nina Thøgersen.

In der Slotsgade beginnt so manches Baujahr mit einer "17" Die Zweitplatzierte Liselotte Kristoffersen

Am Ortseingang empfängt ein Gestell mit mehreren Fahnenmasten die Läufer zurück in Aabenraa. Neben allen Zufahrtsstraßen - egal ob klein oder groß - sind sie aufgestellt. Auch vor etlichen Häusern flattert die dänische Fahne im nicht wirklich heftigen, aber doch manchmal für die Läufer spürbaren Wind. Schließlich ist es im Land durchaus üblich, sie auch ohne speziellen Anlass - ein Beflaggungskalender regelt jedoch die Termine, an denen man das auf jeden Fall tun sollte - täglich zu hissen. Und das in manchmal durchaus beachtlichen Ausmaßen. Zwei bis drei Meter in der Länge sind da absolut keine Seltenheit.

Der Dannebrog, das "dänische Tuch" gilt als die älteste noch immer benutzte Nationalflagge der Welt. Der Legende nach fiel es vor fast achthundert Jahren - nämlich am 15. Juni 1219 - während der Schlacht von Lyndanisse, in der die Dänen gegen die Esten kämpften und siegten, vom Himmel und beeinflusste maßgeblich den Ausgang des Gefechtes. Doch spätestens im vierzehnten Jahrhundert lässt sich die Verwendung tatsächlich auch in alten Dokumenten belegen.

Und die Flaggen aller anderen skandinavischen Länder wurden der dänischen nachempfunden. Zuerst die schwedische, die das typische aus der Mitte heraus nach links verschobene Kreuz in gelb auf blauem Grund zeigt. Später auch die von Norwegen, die von Finnland und die von Island, das sich im zweiten Weltkrieg vom besetzten Mutterland Dänemark gelöst hatte. Auch die weitgehend autonomen Inselgruppen Faröer und Åland, das zwar zu Finnland gehört, aber fast nur von Menschen schwedischer Abstammung bewohnt wird, zeigen das skandinavische Kreuz in jeweils anderen Farbvariationen.

Nur diese Flaggen, die der in der Nordischen Union zusammen arbeitenden Länder, dürfen übrigens nach einem schon etwas angegrauten Gesetz in Dänemark von Privatleuten gehisst werden. Deutsche Urlauber, die am Mast vor ihrem gemieteten Ferienhaus Schwarz-Rot-Gold aufziehen, machen sich eigentlich strafbar und sollten sich nicht wundern, wenn die Polizei bei ihnen anklopft.

Natürlich spielt bei diesem Gesetz auch die eine oder andere in der Vergangenheit gemachte unangenehme Erfahrung mit dem südlichen Nachbarn eine Rolle. Doch alleine gegen die Deutschen richtet es sich definitiv nicht. Französische, italienische oder amerikanische Flaggen wären und sind genauso wenig zulässig. Wer dennoch nicht ohne Fahne auskommen will, kann ja als Kompromiss die blaue mit den gelben Sternen der Europäischen Union benutzen. Denn die ist im EU-Land Dänemark selbstverständlich ebenfalls erlaubt

Das Kreuzmotiv des Dannebrog hat sich jedoch noch weiter verbreitet. Die früher einmal von Skandinavien aus besiedelten, inzwischen aber längst schottischen Shetland- und Orkney-Inseln haben sich in ihren offiziellen Fahnen zum Beispiel genauso darauf festgelegt. Dass in der einst von Wikingern eroberten französischen Normandie - der Name ist hier sehr wohl einen geschichtlichen Hintergrund - eine Regionalbewegung ebenfalls eine, allerdings noch nicht anerkannte Kreuzflagge kreiert hat, scheint da fast schon logisch. Denkbare Farbkombinationen gibt es noch genug.

An der Schlossmühle muss man scharf abbiegen Brundlund Slot wird nur umlaufen

Ja, sogar die mit den Finnen eng verwandten Esten dachten nach ihrer Unabhängigkeit von der zusammengebrochenen Sowjetunion ernsthaft über die Einführung einer Nationalfahne mit dem skandinavischen Kreuz nach, um ihre Zugehörigkeit zu den nordischen Völkern zum Ausdruck zu bringen. Am Ende beließ man es dann aber doch bei drei Querstreifen.

Und dennoch ist das Verbreitungsgebiet dieses Flaggentyps zuletzt deutlich zurückgegangen. Verantwortlich dafür ist ausgerechnet der Urahne Dannebrog. Denn als sich das von Dänemark in die Autonomie entlassene Grönland auch eine eigene Fahne gab, wählte die dortige Bevölkerung ganz bewusst ein anderes Symbol, nämlich einen Kreis, genauer gesagt zwei unterschiedlich farbige Halbkreise.

Die dort ansässigen Inuit sehen sich nämlich absolut nicht als Skandinavier. Und Geographen rechnen die größte Insel der Welt auch zu Amerika, nicht zu Europa. Von einem Tag zum anderen hatte die älteste Flagge der Welt auf einmal achtundneunzig Prozent ihres Gültigkeitsbereiches eingebüßt. Immerhin behielten die Grönländer jedoch die dänischen Farben bei. Und auch ihr Kreis ist nicht zentral positioniert, sondern wie das Kreuz des Mutterlandes nach links hin verschoben.

Ziemlich genau umgekehrt verhält es sich allerdings mit der Zahl der Bürger, die dem Dannebrog dabei verloren gingen. Die ist nämlich mit etwa einem Prozent der Bevölkerung Dänemarks nicht wirklich übermäßig groß. Da kann die neue, bei der Gebietsreform entstandene Großkommune Aabenraa durchaus ähnliches bieten.

Als die Marathonis auf die dritte, südliche Schleife einbiegen, haben die Läufer des Halvmarathons diese zumeist schon wieder verlassen. Die Bedeutung des "Halv" kann man sich ja nun wirklich recht leicht erklären. Aber auch bei "Helmarathon" findet man über die Verbindung "heil" und "ganz" den Sinn schnell heraus. Doch merken sollte man sich das vielleicht ohnehin. Denn nicht nur in den skandinavischen Sprachen heißt das so. Die Niederländer reden ebenfalls vom "halve" und "hele marathon".

"Sydruten" - was übersetzt "die Südrute" bedeutet, denn wie überall im Norden wird auch im Dänischen der Artikel hinten angehängt - beginnt mit einem optischen Leckerbissen. Es geht über Kopfsteinpflaster durch die Slotsgade, die Schlossgasse. Und die besitzt von allen Altstadtgässchen in Aabenraa vielleicht die geschlossenste historische Bausubstanz. Unter so manchem Giebel und über so mancher Tür stehen Jahreszahlen, die mit einer "17" beginnen. Ausnahmsweise einmal flach ist die Slotsgade, aber eben ziemlich hyggelig.

Und wie der Name schon sagt, führt sie zu einem Schloss. Brundlund Slot mit der markanten Torhalle wird zwar nicht durch- aber zumindest zum Teil umlaufen. Das von einem breiten Graben umgebene, zwar schon im fünfzehnten Jahrhundert begonnene, allerdings erst vierhundert Jahre später in seiner jetzigen Form endgültig fertiggestellte Gebäude beherbergt heute ein Kunstmuseum.

Ein wenig heftig ist der Bruch schon, als man den Schlosspark entlang an dieser Stelle des zu einem kleinen See geweiteten Burggrabens wieder verlässt. Denn man läuft direkt in ein modernes Gewerbegebiet hinein. Zwischen Autohäusern und Elektrobetrieben entdeckt man auch die Logos und jeweils vier Buchstaben der beiden größten deutschen Discount-Märkte.

Auch für die dritte Schleife hat man kurze, knackigen Stiche gefunden Ein Stück Trampelpfad bringt die Läufer in den Wald Henriette Jakobsen allein in Front

Dass damit wieder einmal Deutsche ins Land drängen, macht den Dänen zwei Generationen nach der Besetzung im zweiten Weltkrieg nicht mehr wirklich viel aus, wie auch die ganz gut besetzten Parkplätze vor den Geschäften belegen. Längst ist das Verhältnis freundschaftlich und entspannt. An den bekannt niedrigen Sozialstandards der Großfilialisten reibt man sich dann allerdings doch noch etwas heftiger als hierzulande, wo man sich längst daran gewöhnt hat.

Nicht immer waren die Beziehungen der beiden Nachbarländer aber so gut. Noch Mitte des neunzehnten Jahrhunderts führte man zweimal Krieg gegeneinander. Die Ursache dafür liegt weit zurück im Jahr 1460, als der dänischen König Christian zum Herzog der Länder Schleswig und Holstein gewählt wurde. Dafür musste er versprechen, dass beide "auf ewig ungeteilt" bleiben würden. Das Problem dabei war allerdings, dass der nördliche Landesteil Schleswig dänisches Lehen war, Holstein im Süden jedoch zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte.

Nach und nach weitete sich der Einfluss Dänemarks aus. Und schließlich stand ganz Schleswig-Holstein de facto unter dänischer Oberhoheit. Der heutige Hamburger Stadtteil Altona war damals nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt des Landes. Und deshalb gibt es eben auch in der schon seit dem Mittelalter unabhängigen Hansestadt dennoch eine Königsstraße.

Die formale Lage war jedoch ziemlich umstritten, vor allen Dingen eben in Schleswig, wo es sowohl einen dänischen wie auch einen deutschen Bevölkerungsanteil gab. Und als sich nach dem Napoleonischen Zeitalter überall in Europa nationalstaatliche Ideen entwickelten, wurde das Herzogtum endgültig zum Zankapfel.

Während man in Dänemark die Abtrennung Schleswigs und die Eingliederung ins dänische Reich forderte, verlangte man auf deutscher Seite im Gegenzug die Anbindung von ganz Schleswig-Holstein an den Deutschen Bund. Der Widerspruch zwischen Unteilbarkeit und unterschiedlichen Zugehörigkeiten war endgültig aufgebrochen.

Den ersten Krieg von 1848 bis 1851 fochten die deutschen Schleswig-Holsteiner noch mehr oder weniger alleine gegen die Dänen aus. Ziemlich begrenzt und auch erfolglos. Das Ergebnis war am Ende der auch vorher schon bestehende Zustand. Sinnloser kann ein Krieg mit Tausenden von Opfern wohl kaum sein.

Als die neue dänische Verfassung im Jahr 1863 auch auf Schleswig ausgedehnt werden sollte, kam es erneut zum Konflikt. Und diesmal schalteten sich Preußen und Österreich ein. Deshalb heißt er im Gegensatz zum ersten, dem "Schleswig-Holsteinischen Krieg" dann auch "Deutsch-Dänischer Krieg". Auf Dänisch spricht man dagegen beides Mal vom "Slesvigske Krig" und versieht ihn zur Unterscheidung nur mit einer Nummer.

Der Sechste Per Buchhave und der Vierte Poul Petersen auch bei Kilometer dreißig noch zusammen Entlang des Burggrabens geht es durch den Schlosspark Brundlund Slot mit der markanten Torhalle wird nur umlaufen

Gegen die überlegene Militärmaschinerie der beiden Großmächte, die rund doppelt so viele Mannen aufboten, hatten die Dänen kaum eine Chance. Sie verschanzten sich schließlich im südöstlich von Aabenraa gelegenen Dybbøl. Das Gefecht an den Düppeler Schanzen am 18. April 1864, bei der gegen eine dreifache Übermacht innerhalb kürzester Zeit ein Drittel der elftausend dänischen Soldaten fiel, entschied den Krieg, beendete ihn aber noch nicht.

Doch im Sommer musste Dänemark dann im Friedensvertrag ganz Schleswig an den Deutschen Bund abtreten. Zuerst gemeinsam verwaltet, wurde nachdem sich die beiden Gewinner zwei Jahre später gegenseitig bekriegten, aus Schleswig-Holstein eine Provinz des siegreichen Preußen. Und fünf Jahre später Bestandteil des neugegründeten Deutschen Reiches.

Die deutsch-dänische Grenze verlief jedoch rund fünfzig Kilometer nördlich der aktuellen Linie. So hieß die heute dänische Stadt Sønderborg, nahe der das entscheidende Gefecht geschlagen worden war, damals Sonderburg. Und das jetzige Aabenraa war das deutsche Städtchen Apenrade, in dem zum Beispiel der spätere Berliner Bürgermeister Ernst Reuter als Sohn eines preußischen Beamten auf die Welt kam. Schon die Namen für die Region sind bezeichnend. Denn während man auf deutscher Seite von "Nordschleswig" spricht, wird der gleiche Landstrich im dänischen in der Regel "Sønderjylland" also "Südjütland" genannt.

Erst nach dem Ende des ersten Weltkrieges wurde der neue Grenzverlauf durch zwei aufeinander folgende Volksabstimmungen in den betroffenen Gemeinden festgelegt. Während die erste Zone, die mehrheitlich von Dänen besiedelt war, sich für eine Zugehörigkeit zu Dänemark entschied, stimmte man südlich davon einige Wochen später für einen Verbleib bei Deutschland.

Nach fast hundert Jahren ist diese Grenzziehung längst akzeptiert und wird nun wirklich nur noch von ein paar unverbesserlichen Ewiggestrigen in Frage gestellt, die sich an den Modalitäten der Abstimmung stören. Denn in Apenrade selbst gab es zum Beispiel eine Mehrheit für den Verbleib bei Deutschland. Doch durch die Auszählung nach Zonen wurde es dennoch Dänemark zugeschlagen. Hätte man umgekehrt alle Stimmen gemeinsam ausgezählt, wären aufgrund der insgesamt betrachteten Mehrheit heute auch Flensburg und Sylt dänisch.

Die Slotsgade, in die die Jedermänner starten, ist flach aber eben ziemlich hyggelig

Aber auch heute noch spricht man in Norddeutschland sehr wohl von "Apenrade". Und zwar völlig ohne Hintergedanken. Schließlich sagt man ja auch "Kopenhagen" und nicht etwa "København", wie es auf Dänisch heißen würde. Umgekehrt zeigen dänische Straßenschilder genauso ohne Hintergedanken nach "Flensborg". Und die vierstellige Zahl dänischer Marathonis würde auch selbstverständlich stets davon erzählen, in "Hamborg" gelaufen zu sein

Aus dem preußischen Nordschleswig wurde jedenfalls im Jahr 1920 "Sønderjyllands Amt", eine Verwaltungseinheit mit Hauptstadt Aabenraa, die erst bei der Reform 2007 verschwand, als sie mit der Insel Fünen und einigen anderen jütlandischen Gebieten zur Region Syddanmark zusammengelegt wurde.

Die beiderseits der Grenze verbliebenen Minderheiten der jeweils anderen Volksgruppe haben besondere Rechte, von denen man im Rest von Deutschland jedoch immer nur dann Notiz nimmt, wenn bei einer Landtagswahl in Schleswig-Holstein einmal wieder der Südschleswigsche Wählerverband, der die Vertretung der Dänen darstellt, ins Parlament einzieht, ohne die Fünf-Prozent-Klausel zu erfüllen.

Umgekehrt ist Aabenraa noch immer ein Zentrum der deutschen Minderheit in Dänemark. Hier wird zum Beispiel die deutschsprachige Zeitung "Der Nordschleswiger" heraus gegeben. Auch deshalb kommt man beim Bjergmarathon selbst ohne Kenntnisse des Dänischen mit Deutsch sogar noch wesentlich besser durch als im Rest von Dänemark.

Der macht hinter dem Gewerbegebiet seinem Namen wieder alle Ehre. Auch für die dritte Schleife hat man natürlich jene kurzen, knackigen Stiche gesucht und gefunden. Ein anfangs eher sanfter Anstieg in einer relativ neuen Wohnsiedlung knickt hinter einer Kurve plötzlich nach oben weg. Wieder so ein Zehnprozenter, den die Organisatoren in ihrem Streckenplan sicherheitshalber mit einem Warndreieck gekennzeichnet haben. Gleich doppelt muss man sogar diesen Hügel hinauf, denn noch befindet man sich auf dem Begegnungsteil. Doch von der anderen Seite ist das ganze trotz eigentlich identischer Höhenmeter bei weitem nicht so ruppig.

Weiterhin läuft man in bebautem Gelände. Und man wird es auch noch einen ganzen Kilometer lang tun. Die Südroute verlässt die Stadt bei weitem nicht so schnell wie ihre westlichen und östlichen Entsprechungen. Doch ist deren Nord-Süd-Ausdehnung auch wesentlich größer. Es gäbe vielleicht sogar grünere Alternativen für weitere Schleifen, aber eben nicht in genau südlicher sondern eher in südwestlicher Richtung.

Auch wenn die Geschmäcker vielleicht durchaus verschieden sind, werden die meisten wohl doch bestätigen, dass die ersten beiden Teilstücke mehr hyggeliges Dänemark zeigen, als es die letzten beiden tun. Aber langweilig sind auch sie bestimmt nicht. Und man muss den Organisatoren vielleicht sogar zugute halten, dass sie den Läufern nichts vormacht, sondern wirklich fast die ganze Palette zeigen, die Aabenraa zu bieten hat.

Zumindest die gut drei Kilometer lange Wendeschleife wird dann aber doch wieder im Wald absolviert. Doch um dahin zu gelangen muss erst einmal die Umgehungsstraße gequert werden. Die Sicherung übernehmen wie auch an anderen kritischen Kreuzungen Reservisten der dänischen Armee. Das funktioniert ziemlich problemlos und ohne die Aufregung, der man im Süden Europas gelegentlich begegnen kann, wenn der Verkehr wegen eines Marathons gestoppt wird. Aber da das nicht allzu große Feld inzwischen recht vereinzelt eintrudelt, müssen die angehaltenen Autofahrer nun auch wirklich nicht lange warten.

Für sechzig Höhenmeter sind beim vierunddreißigsten gerade einmal sechshundert Streckenmeter übrig "Det sorte hul" - "das schwarze Loch" ist die letzte, gemeine Schikane der Kursarchitekten Die letzten Meter durch Aabenraa

Ein Stück Trampelpfad neben der Richtung Flensburg führenden Hauptstraße bringt die Läufer zur doppelt nutzbaren Verpflegungsstelle am Waldrand. Bevor man zwischen den Kilometern 25 und 28 zwischen den Schatten spendenden Bäumen verschwindet, kann man noch einmal Flüssigkeit nachfüllen. Die ist auch durchaus nicht von Schaden, denn auch im Årup Skov geht es wieder spürbar bergan. Eigentlich ist es von den Höhenmetern gesehen sogar die größte Steigung der ganzen Strecke. Doch weil sie ziemlich gleichmäßig und keineswegs steil verläuft, fällt sie nicht wirklich schwer.

Beim Verlassen des Waldes kann man über die Stadt hinweg schon einmal den letzten großen Hügel anvisieren, der sich für die Nordschleife auf der gegenüberliegenden Seite von Aabenraa aufbaut. Doch erst einmal geht es durch Wohn- und Gewerbegebiet zurück zum Schlosspark. Scharf rechts muss man an der alten Mühle abbiegen, um zurück zum Start- und Zielbereich zu gelangen.

Geradeaus käme man zum Ringreiter-Festplatz. Diese Pferdesportdisziplin ist beiderseits der Grenze verbreitet und erinnert entfernt an mittelalterliche Turniere. Mit einer kurzen Lanze gilt es dabei nämlich in vollem Galopp möglichst viele der aufgehängten kleinen Ringe zu sammeln. Jedes Wochenende gibt es den Sommer über irgendwo ein Turnier. Und das von Aabenraa gilt als das größte überhaupt.

Nur zwei Wochen nach dem Marathon steht der Stadt ein für die Region noch viel wichtigeres Sportereignis bevor. Zwar gibt es dort dann doch nicht ganz so viele Teilnehmer, aber immerhin mehrere Hundert Reiter sind trotzdem dabei. Und die Zahl der Zuschauer ist auf jeden Fall deutlich höher. Wobei natürlich auch das zeitgleich stattfindende Militärmusikfestival eine Rolle spielt. Vor dem Brundland Slot abgehalten erinnert es dabei in der Hintergrundkulisse nicht nur zufällig an das große Vorbild des Edinburgh Tattoo.

Nicht nur den Weg zurück zum Storetorv sondern auch den Weg in die vierte und abschließende Runde kennen die Marathonis schon. Zumindest einige hundert Meter davon. Denn der erste Abschnitt von West- und Nordrute ist identisch. Doch dort, wo vorhin noch ein Schild stand, dass den vollen Marathon nach links und den halben nach rechts wies, zeigt es nun auch für die Langdistanzler einen anderen Weg. Sogar an diesen Austausch haben die Veranstalter gedacht.

Wobei es allerdings zu diesem Zeitpunkt kaum noch Halbmarathonläufer geben dürfte, die es benötigen. Denn außer dem noch immer mit großem Vorsprung führenden Finn Kaczmarek gelingt es praktisch keinem anderen Marathoni das vor ihnen herlaufende Feld - einmal abgesehen von den letzten Nachzüglern - noch wirklich zu erreichen.

Und Kaczmarek hat kaum die letzte Schleife in Angriff genommen, da kommt ihm auf der Gegenspur auch schon Ronni Hansen entgegen. Der hat nicht nur schon zweimal den Bjergmarathon gewonnen, sondern ebenfalls zweimal den Halben - unter anderem in Vorjahr. Und niemand war bisher über die 42,195 Kilometer schneller als Hansen bei seinen beiden Siegen 2005 und 2007. Trotz fünfhundert Höhenmetern steht sein Streckenrekord bei 2:37:31.

Auch 2009 siegt er wieder mit klarem Vorsprung. Die Bestzeit über die halb so lange Strecke, die sein Namensvetter Claus Bugge Hansen in 1:12:23 hält, verpasst er jedoch um gerade einmal achtzehn Sekunden. Und dennoch ist seine 1:12:41 die bisher schlechteste Leistung. Die beiden anderen Erfolge erlief er sich nämlich in 1:12:38 und 1:12:39. Konstanter kann man über die Jahre wohl kaum noch seine Form halten.

Über Seitenstraßen führt die letzte Schleife anfangs durch die Stadt Die letzten Meter durch Aabenraa

Denn zweiten Platz unter immerhin 587 im Ziel registrierten Teilnehmern sichert sich nach 1:15:23 Hans Mårtensen. Dritter wird mit Esben Kaczmarek der jüngere Bruder des Marathonführenden. Und ähnlich wie beim Zehner können sich die Zeitnehmer nach seiner 1:16:01 erst einmal zurück lehnen. Denn erst mehr als fünf Minuten später geht es mit Rang vier weiter.

Zeitgleich überlaufen bei den Frauen Kirsten Engsig und Marlene Andersen die hellblaue Zielmatte, die nach 1:33:28 auslöst, aber im Gegensatz zur orangefarbenen Konkurrenz nicht piept. Annemette Valant lässt sich als Dritte mit 1:37:39 vier Minuten mehr Zeit. Dahinter kommt mit Dorte Aarøe Damsgaard (1:38:57) eine Läuferin des ausrichtenden Vereins AAIG ins Ziel.

Doch nicht nur für die Aabenraa Idræts- og Gymnastikforening startet Damsgaard sondern auch für die Bjergladies. Diese Gruppe von Frauen aus Aabenraa und Umgebung, die sich gemeinsam für die Teilnahme am Marathon vorbereiten, sind mit einheitlichen roten T-Shirts und grauen Jacken unübersehbar. Auch beim Halben gibt es ein gutes Dutzend Bjergladies, doch stellen sie nicht einmal zehn Prozent der 157 im Ziel registrierten Damen. Beim Marathon tritt jedoch gerade einmal ein Drittel der weiblichen Teilnehmer nicht in ihrem Trikot an. Und immerhin heben sie den Frauenanteil über die Langdistanz auf knapp zwanzig Prozent.

Nahezu eben ist der erste Kilometer der Schlussschleife. Über Seitenstraßen führt er durch die Stadt. Einfamilienhäuser, zumeist in typischen Backsteinstil, und größere Wohnblocks wechseln sich am Streckenrand ab. Den schmalen Durchlass an einem zusätzlich auch noch kurvigen Fußgängerweg sichert ein Ordner ab, um Zusammenstöße mit entgegenkommenden Läufern zu verhindern. An der direkt anschließenden Kreuzung sind dann wieder die Reservisten gefragt.

Völlig unbewacht ist dagegen der Bahnübergang, den man wenig später erreicht. Doch ein Blick auf die zugewachsenen Schienen belegt, dass an diesem auch kein Zugverkehr mehr zu erwarten ist. Die Strecke ist schon länger für den normalen Betrieb stillgelegt. Bis vor ein paar Jahren wurde sie noch für Fahrten mit einer Museumsbahn genutzt. Doch aufgrund des immer schlechter werdenden Zustandes mussten auch diese irgendwann eingestellt werden.

Statt per Eisenbahn ist Aabenraa nun durch regelmäßige Busse mit dem ein halbes Dutzend Kilometer westlich der Stadt gelegenen Bahnhof in Rødekro verbunden. Von Rothenkrug, wie die Station ziemlich wörtlich übersetzt auf Deutsch heißt, verkehren durchgängig Fernzüge bis Kopenhagen.

Auch nach Süden fahren Züge von dem eigentlich erst durch die Bahnlinie überhaupt zu einem richtigen Ort gewordenen, inzwischen aber fast schon zur Kleinstadt herangewachsenen Rødekro. Allerdings enden diese alle im Grenzbahnhof Padborg, wo es dann jedoch wieder einen Anschluss nach Flensburg und Hamburg gibt. Ein wenig umständlich ist es zugegebenermaßen schon Aabenraa von Deutschland aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

Die besten Schmankerl aus dem Anstiegssortiment rund um Apenrade haben sich die Kurssetzer, obwohl sie unterwegs ja schon einiges geboten hatten, für den Schluss aufgehoben. Denn nachdem nach der stillgelegten Stichbahn auch noch die Straße überquert ist, die nun endgültig deren Rolle übernommen hat, wird es noch einmal richtig heftig. Sechzig Höhenmeter sind es hinauf zur vierunddreißigsten Kilometermarke. Und gerade einmal sechshundert Streckenmeter hat man dafür übrig. Da wird selbst so mancher, der bisher alle Rampen im Laufschritt bewältigt hatte, am Ende dann doch noch zum Geher.

Es geht vorbei an Häusern im typischen Backsteinstil Wichtige Kreuzungen werden von Reservisten abgesichert Sogar das Richtungsschild wird zwischendurch ausgewechselt

Zuschauermassen, die den Marathonis den Berg hinauf helfen, stehen keine am Straßenrand, auch wenn der eine oder andere Anwohner das Treiben doch interessiert beobachtet und freundlichen Applaus spendet. Wirklichen Trubel gibt es in Aabenraa aber eben hauptsächlich am Storetorv. Musikkappellen, hämmernde Lautsprecherboxen oder ähnliches braucht man unterwegs nicht zu erwarten. Der Bjergmarathon ist halt kein "Event", bei dem man dabei sein muss, um gesehen und bejubelt zu werden, sondern in erster Linie eine solide organisierte Sportveranstaltung.

Doch viele Häuser und Grundstücke an der Strecke sind geschmückt. Kleine dänische Fähnchen stecken entlang der Straße im Boden. Die sind in der Regel aus Plastik und werden nach dem Lauf für die nächste Gelegenheit, an denen man sie verwenden kann, wieder eingesammelt. So etwas hat man in Dänemark halt einfach im Haus.

Wie das Auftreten im Nationaltrikot ein Zeichen für den dänischen Patriotismus, der jedoch durchaus sympathisch und bescheiden herüberkommt. Jedenfalls ist er keineswegs von dem Sendungsbewusstsein geprägt, den andere größere Nationen in dieser Hinsicht oft an den Tag legen. Man ist durchaus Stolz, Däne zu sein. Aber bestimmt nicht, weil man glaubt, besser zu sein als andere und nur die dänische Art zu leben die einzig selig machende wäre.

Die Sorgen als kleines Volk, einen eigenen Charakter immer schwerer bewahren zu können, sind jedoch sehr wohl vorhanden. Vielleicht auch deshalb hat man sich gegen die Einführung des Euro entschieden, obwohl man alle Aufnahmekriterien erfüllen würde. In einer Volksabstimmung gab es jedoch eine knappe Ablehnung.

Doch ein ähnliches Votum - vermutlich sogar noch viel deutlicher - hätte es allerdings wohl auch in Deutschland gegeben, wo viele anfangs der "guten alten Mark" hinterher trauerten. Nachdem man zum Beispiel als Urlauber die Vorteile der Einheitswährung kennen und schätzen gelernt hat, sehen die Umfrageergebnisse inzwischen jedoch ganz anders aus. Für Marathonläufer sind Auslandsstarts zumindest in der Eurozone jedenfalls noch etwas einfacher geworden.

Auch in Dänemark strebt man inzwischen eine erneute Abstimmung an. Zum einen wird nämlich der Euro vor allen in touristischen Regionen längst häufig als ganz normales Zahlungsmittel akzeptiert. Zum anderen ist der Wechselkurs zur Dänischen Krone ohnehin genau festgelegt, so dass sich nüchtern betrachtet außer anderen Münzen und Scheinen eigentlich wenig ändern würde. Auf die originellen Ein-, Zwei- und Fünf-Kronen-Stücke mit dem typischen Loch in der Mitte müsste man dann allerdings verzichten.

Dänische Fähnchen stecken vor vielen Häusern an der Strecke

Im Hinblick auf die optischen Reize fällt die letzte Schleife aber ein wenig ab. Weder viel Natur noch viel Historische oder Hyggeliges hat sie zu bieten. Auf einem Radweg wird eine auf der Höhe errichtete Neubausiedlung vollständig umrundet. Einige Anwohner betrachten von ihrer Terrasse oder ihrem - eher selten durch einen Zaun vom Weg abgetrennten - Garten aus das Treiben. Ein paar Kinder reichen an einer privaten Wasserstelle Becher. Zugreifen und ein freundliches "tak" - also "danke" - reicht wie überall auf der Welt schon, um die Augen leuchten zu lassen.

Kilometer fünfunddreißig, sechsunddreißig, siebenunddreißig werden passiert. Und bei dem Schild mit der "38" denkt man wirklich, dass es nun bald abwärts geht. Tut es auch, doch ganz anders als erwartet. Denn anstatt nun langsam wieder der weiter unten gelegenen Stadt zuzustreben, führt die Strecke kurz vor dem Ende doch noch einmal schnell in den Wald.

Nach links in einen kleinen Pfad deuten die Ordner an der Verpflegungsstelle. Und der dort herrschende Gegenverkehr belegt, dass man genau diesen Pfad auch wieder zurück kommt. Es sind ohnehin nur ein paar hundert Meter, bis man wieder auf dem Radweg angekommen sein wird. Aber die haben es ein letztes Mal in sich.

Steil - zumindest für dänischen Standard - geht es zu einem Wendepunkt hinunter. Und natürlich genauso steil wieder bergauf. Vielleicht dreißig Höhenmeter, nicht mehr, zu diesem Zeitpunkt allerdings absolutes Gift. Eine letzte, gemeine Schikane der Kursarchitekten. "Det sorte hul" - "das schwarze Loch" - nennen sie es. Doch im Gegensatz zu dem astronomischen Namensgeber, verschluckt es die Läufer nicht völlig, sondern spuckt sie wenig später auch mit noch etwas schwereren Beinen wieder aus.

Die haben dann auch einige Mühe den nun folgenden Abstieg noch abzudämpfen. Denn nachdem man bei Kilometer neununddreißig auch die letzte Schleife beendet hat und auf bekannten Wegen dem Ziel entgegen steuert, muss eben genau jene zehnprozentige Steigung von vorhin in der Gegenrichtung bewältigt werden. Und zwar jenseits der Marke, an der in der Zahl zum ersten Mal vorne eine vier aufgetaucht ist.

Während andere wie der einundsiebzigjährige, inzwischen in Florida wohnende Däne Al Grigull, der das Rennen nach 5:50 als Letzter abschließen wird, sich die Steigung noch hinaufarbeiten und andere ihre Mühe damit haben sie wieder herunter zu kommen, kann Finn Kaczmarek schon lange seinen Sieg feiern. Den Streckenrekord verfehlt er zwar mit 2:41:20 doch recht deutlich. Aber wie überlegen der Erfolg des Triathleten war, zeigt der Abstand zum Zweiten. Der beträgt nämlich satte achtzehn Minuten.

Der einundsiebzigjährige, in Florida wohnende Däne Al Grigull schließt das Rennen ab Hinter der Ziellinie wartet eine reichhaltige Versorgungsstraße Bis man seine Medaille in Empfang nehmen kann, gilt es noch einmal eine Rampe zu bewältigen

Søren Søby Jørgensen schafft es genau zwölf Sekunden unter die Drei-Stunden-Marke, die Lars Merrald auf Rang drei mit 3:01:56 dann doch klar verfehlt. Im Gegensatz zu dem schon früh auf Rang zwei liegenden Jørgensen ist er das Rennen auch deutlich defensiver angegangen und erst später zu diesem aufgelaufen. Auf der letzten Runde hat der für die AAIG startende Jørgensen dann aber doch die größeren Reserven. Und Poul Petersen kommt mit 3:02:11 ebenfalls fast noch heran.

Auch die ersten beiden Treppchenpositionen bei den Damen sind relativ früh verteilt. Henriette Jakobsen lässt in 3:14:38 die Zweitplatzierte Liselotte Kristoffersen (3:22:58) immerhin acht Minuten hinter sich. Doch um Platz drei wird es eng. Im Ziel hat schließlich Dorrit Hørlyck nach 3:39:11 die Nase eine Minute vor Marianne Schøler Nielsen, die mit gleich dreifacher Teambezeichnung - nämlich Bjergladies / Aabenraa Kommune / Rødekro IF - nach 3:40:22 gestoppt wird. Für Mette Pilgaard bleibt in 3:40:44 "nur" Rang fünf. Auf ihrem Trikot steht übrigens "AMOK". Doch eigentlich ist das recht harmlos, denn mehr als "Aalborg Motions Klub" - auf Deutsch ungefähr "Aalborger Sportclub" - steckt nicht dahinter.

Gleich hinter der Ziellinie wartet eine Versorgungsstraße, die noch etwas reichhaltiger ist als die Verpflegungsstellen unterwegs. Doch bis man seine wohlverdiente Medaille in Empfang nehmen kann, gilt es - irgendwie durchaus passend für einen Bjergmarathon - noch einmal eine Rampe zu bewältigen. Aber wirklich nur eine kleine. Denn damit die Helfer leichter den Leihchip vom Schuh entfernen können, werden die Läufer über ein kleines Gerüst geleitet. Auch an solchen Details erkennt man durchdachte die Organisation.

Und die hat man in Aabenraa definitiv, wie die Jubiläumsauflage erneut belegt. Wirklich spektakulär ist das ganze vielleicht nicht unbedingt, aber eben eine mit viel Blick fürs Detail gemachte durchaus laufenswerte Veranstaltung. Eventuell kann sich ja doch der eine oder andere einmal aufraffen und den doch so reisefreudigen Dänen einen Gegenbesuch abstatten. Egal ob man die Jyske halvø, die Inseln Fyn, Sjælland, Samsø, Laesø, Bornholm oder, wie sie auch alle heißen mögen, wählt, Startgelegenheiten sollten sich finden lassen. Doch Vorsicht, Dänemark ist nicht nur hyggelig sondern kann wider Erwarten auch ganz schön hügelig sein.

Bericht und Fotos von Ralf Klink

Ergebnisse und Infos unter www.bjergmarathon.dk

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