Laufportrait Jürgen Theofel

von Helmut Schaake

Geboren am 30.10.1958
Beruf Bankkaufmann bei der Volksbank Mittelhessen

Seine Laufkarriere begann 1994 im Alter von 36 Jahren. Nachdem er seit seiner Jugend aktiver Tischtennisspieler beim TTC Breidenstein in der Bezirksklasse war, brachte ihn der Volkslauf in seinem Heimatort Wallau dem Laufsport näher. Als Staffelläufer einer Männermannschaft des TV04 Wallau nahm er an diesem Volkslauf teil und entdeckte dort sein Talent und die Freude am Laufen. Regelmäßiges Training brachte sehr schnell die ersten Erfolge und die nötige Motivation zum Weitermachen. Dass ihm der Ausdauersport liegt, merkte er allerdings schon in früheren Jahren bei seinen ausgedehnten Hochgebirgstouren.

Ein Schlüsselerlebnis in seiner Laufkarriere und wichtiger Faktor seiner später erzielten Erfolge war ein Laufseminar bei Herbert Steffny im Schwarzwald. Herbert Steffny, mit dem ihn seitdem eine Freundschaft verbindet, unterstützt ihn mit Trainingsplänen und Tipps zum Marathon. Im Gegenzug ist Jürgen Theofel ihm hin und wieder bei der Durchführung von Laufseminaren behilflich.

Nach den ersten Erfolgen bei heimischen Volksläufen, folgte 1998 sein erster Titel bei einer Hessischen Meisterschaft. Im gleichen Jahr, auch für ihn völlig überraschend, gewann er die Deutsche Meisterschaft über 10.000 Meter auf der Bahn in Konstanz. Seitdem ist die Anzahl der hessischen Titel auf 22 angewachsen, darunter auch die Hessenmeisterschaft gesamt im Marathon im Jahr 2001. Bei den Deutschen Meisterschaften konnte er bisher 9 Titel und zahlreiche Platzierungen auf Medaillenrängen verbuchen.

Jürgen Theofel ist dabei, ob Cross, Berg,
Straße oder wie hier beim Bahnlauf

Jüngster Erfolg ist sein Vizetitel bei den Deutschen Meisterschaften im 10 km Straßenlauf am 11. September in Otterndorf.

Seine Spezialdisziplin ist sicherlich der Marathon, obwohl sich seine Meistertitel über alle Strecken vom Cross, über 5.000 Meter, 10.000 Meter, Halbmarathon, Marathon bis hin zum Berglauf erstrecken. Diese Abwechslung ist bestimmt  auch ein wichtiger Grund für den Spaß und die Motivation am Laufen. Im Marathon konnte er 2003 nach drei Vize-Meisterschaften bei Deutschen Meisterschaften in den Jahren 1999 bis 2001 erstmals den Titel holen, den er 2005 zum dritten Mal in Folge verteidigen konnte.

Sein bisheriger sportlicher Höhepunkt war jedoch die Europameisterschaft der Senioren im Marathon im Jahre 2002 in Potsdam. Für ihn damals völlig überraschend, holte sich Jürgen Theofel hier den Titel vor den internationalen Konkurrenten aus Russland und Polen.

Von Verletzungen weitestgehend verschont geblieben, was sicherlich auch auf die guten Trainingstipps von Herbert Steffny zurückzuführen ist, schafft er, seine Zeiten bisher relativ stabil zu halten, sodass er 2004 im Alter von 46 Jahren noch eine Bestzeit im 10-Kilometer-Straßenlauf in 32:01 Min. erreichen konnte.

Hier ein kurzer Überblick über seine Bestzeiten:
3.000 m Bahn 8:58,3 Min.
5.000 m Bahn 15:17 Min.
10.000 m Bahn 32:07 Min.
10 km Straße 32:01 Min.
Halbmarathon 1:09:31 Std.
Marathon 2:26:58 Std.

Seine durchschnittliche Trainingswoche hat einen Kilometerumfang von ca. 100 Kilometern, wobei sich der Umfang in der Marathonvorbereitung auf bis zu 150 Kilometer erhöht. Der Hauptanteil besteht hier aus langsamen langen Dauerläufen, ergänzt mit Intervalltraining und Bergläufen, die sich jedoch auf je ein Mal pro Woche beschränken.

Hier 14 Tage vor einem 10 000 Meter Bahnlauf:
Mo.: Dauerlauf = DL 70 Min. (Km/4:20) ca. 18 Km
Di.: Bahn 10 x 400m in 72 sek. Ps. 200m Traben ca. 14 Km
Mi.: lockerer DL mit Lauftreff  ca.20 Km
Do.: DL (Km/4:30) 60 Min. ca. 13 km
Fr.: DL (Km/ 4:10) 70 Min.  ca. 16 Km
Sa.: Berglauf ca. 1:50 Std. ca. 24 km
So.: Jogging 1:30 Std. (Km/5:00) ca. 18 Km
Mo.: DL (Km/4:20) 70 Min 16 Km
Di.: Bahn 5 x 1000 Meter in 3:10 Min/km Trabpause 400 Meter ca. 14 Km
Mi.: lockerer DL 60 Minuten mit Lauftreff  (km/5Min/Km) ca.20 Km
Do.: DL  (Km/4:15) 60 Min. ca. 14 Km
Fr.: RUHETAG
Sa.: Jogging 30 Min. mit Steigerungen ca. 6 Km
So.: Wettkampf 10 Km Ziel 32:30 min.

Seinen Trainingsplan für Marathon unter 2:30 Std., den Herbert Steffny speziell für Jürgen erstellt hat und der von ihm auch mit gutem Erfolg praktiziert wird, kann man in den von Herbert Steffny geschriebenen Büchern „Perfektes Marathontraining“ und „Das große Laufbuch“ nachlesen.

Abschließend ist vielleicht noch zu bemerken, dass er in den heimischen Wäldern rund um Wallau (Biedenkopf) Kreis Marburg ein ideales Trainingsgelände vorfindet, das ihm durch seine abwechslungsreichen und landschaftlich reizvollen Strecken die Motivation zum Training und den Spaß am Laufen erheblich erleichtert.

Jürgen Theofel (46):

Mit positiven Gedanken zum Traumziel Senioren-Europameister im Marathon!

„10 harte Trainingswochen mit 150 bis 160 Kilometern pro Woche liegen hinter mir. Der Tagesablauf bestand aus Laufen, Arbeiten, Essen, wieder Laufen und Schlafen. Nun stehe ich hier am Start zur Senioren-Europameisterschaft im Marathon in Potsdam (2002). Die Augustsonne brennt und es ist kein Wölkchen zu sehen. Wird ein Hitzerennen! Jeder stöhnt! Ich erinnere mich an meine längste Einheit bei über 30 Grad.

Dann werde ich das heute auch schaffen. Hat schließlich jeder damit zu kämpfen.

Mit einem Donnerschlag aus einer mittelalterlichen Kanone wird das Rennen eröffnet. Zunächst mal vorsichtig. Nur mitlaufen und mal schauen, was die Konkurrenz so macht. Nicht am Anfang schon die Körner verbrauchen! Komme ganz gut ins Rennen. Halte mich in der Spitzengruppe auf, die aus circa elf Läufern besteht. So: nun schön auf die erste Verpflegungsstation konzentrieren.

„Finde sofort meine Eigenverpflegung. Super! Läuft, wie geplant.“

Könnte eigentlich schneller. Aber bei der Hitze jetzt schon einen Angriff starten? Wäre sicher unklug. Also weiter abwarten! Die Spitzengruppe bleibt schön zusammen. Ich überlege mir meine Strategie.

„Bis Kilometer 18 wartest du noch ab. Das Rennen besteht aus zwei Runden. Bis
dahin siehst du schon mal, ob der Kurs der Sonne ausgesetzt ist oder eher schattig ist. Fühlst du dich dann noch gut, na dann Attacke!“

Die Kilometer fließen dahin und es wird immer wärmer. Das Tempo verlangsamt sich von anfangs 3:35 auf 3:40 min/km. So langsam wollte ich eigentlich nicht. Aber bei der Hitze?! Wir sind immer noch zu elft in der Spitzengruppe. Nach einer Verpflegungsstelle bei Kilometer 17,5 und einem Kilometer über 3:40 treffe ich die Entscheidung und erhöhe das Tempo auf meine ursprünglich geplanten 3:30/km.

Kurzer Zweifel? Ist das nicht etwas zu früh??
Quatsch, du hast auf 3:25 min/km trainiert. Also trau dich, du kannst das!

Und siehe da, die Spitzengruppe zerfällt. Bei Kilometer 21 sind es noch sechs Mann, und zwei Kilometer später sind wir nur noch zu dritt. Der Dritte fällt bei Kilometer 24 ab. Nun sind wir nur noch zu zweit! Meinen Gegner, der sich geschickt in meinem Windschatten aufhält, kenne ich nicht.

Mist: „Der ruht sich schön hinter mir aus und nachher zieht er an mir vorbei“, sind meine Gedanken.

Doch nach zwei kleinen Hügeln bei Kilometer 26 sehe ich in meinen Augenwinkeln, dass er ungefähr fünf Meter hinter mir läuft. Nun ist es mit meiner Ruhe aus.

„Fällt der jetzt etwa auch zurück? Mensch, du kannst ja heute Europameister werden“, schießt es mir durch den Kopf. Nur schön ruhig bleiben.

„Einfach das Tempo so weiterlaufen und nur nicht überziehen. Das hast du im Training x-mal geübt!“

Ich merke, dass der Vorsprung größer wird. „Jetzt positiv denken!“ Meine Gedanken gehen nach Tunesien, wo meine Tochter gerade im Urlaub ist. Vor ihrer Abreise habe ich noch im Spaß zu ihr gesagt: „Wenn du zurückkommst, bin ich Europameister.“ Ich habe den Eindruck, dass die Beine fast von alleine laufen. Immer schön gleichmäßig weiter.

Kilometer 32: Ich laufe alleine hinter dem Führungsfahrzeug. Neben mir das Motorrad. Vor zwei Wochen bei der EM in München gab es eine ähnliche Situation. Der Finne Janne Holmen lief alleine vorne weg, und ich habe noch so bei mir gedacht: „Das machst du in Potsdam auch.“ Und jetzt ist es so.

„Wahnsinn! Nur schön ruhig bleiben. Nur nicht überziehen. Die Hitze ist schon brutal, aber irgendwie macht sie mir heute gar nicht so viel aus.“

Mein Vorsprung wächst, ohne dass ich weiß, wie weit die Konkurrenz zurück liegt. Bei Kilometer 38 spüre ich auf einmal eine unheimliche Müdigkeit in den Beinen.

„Sollte ich etwa jetzt noch einbrechen und das Ding hier noch vergeigen?“ Schießt es mir durch den Kopf.

Nur schön ruhig bleiben. Zum Glück kommt gerade eine Verpflegungsstelle und mein Kohlehydratgetränk hilft mir wieder auf die Beine. Den nächsten Kilometer lege ich wieder in 3:30 Minuten zurück.

„So, das lasse ich mir hier nicht mehr nehmen!“

Das Stadion nähert sich und die Zuschauer werden zahlreicher. Man läuft wie im Traum. Ich genieße die letzte Runde im Stadion. Es ist wie eine Ehrenrunde. Ich kann es noch gar nicht richtig realisieren.

„Du bist Senioren-Europameister im Marathon. Einfach genial!“

Die Zeit 2:31 Stunden. Na ja, bin schon schneller gelaufen. Aber bei der Hitze?! Und siehe da, die zweite Hälfte war doch glatt eine Minute schneller als die erste und das im Alleingang! Bin schon ein bisschen stolz auf mich. Haben sich das Training und die Entbehrungen doch gelohnt…

Da erinnere ich mich wieder an den Kanonenschlag zum Start des Rennens!
Europameister! Das ist der Knaller!

Freud und Leid eines Langstrecklers!

Aus der Sicht von Jürgen Theofel

Dass auch im Langstreckenbereich manchmal nur hundertstel Sekunden oder sogar ein Zielfoto entscheiden, konnte ich bei zwei Meisterschaftsrennen am eigenen Leib erfahren. 1993 wurden die deutschen Halbmarathon-Meisterschaften in Burghaslach ausgetragen. Gut vorbereitet ging ich dort hoch motiviert an den Start. Die Strecke war relativ eben, aber ein starker Wind machte uns Läufern doch sehr zu schaffen. Natürlich wollte keiner alleine gegen den Wind laufen und so bildete sich eine größere Spitzengruppe, in der auch mein härtester Konkurrent Alexander Schatz und ich liefen. Das Tempo wurde nicht allzu hoch gehalten, sodass ich schon mal mit einer Tempoverschärfung liebäugelte, aber irgendwie mich nicht so richtig absetzen konnte.

Na ja, abwarten dachte ich und legte mir meine Taktik zurecht. Bis km 19 mitrollen und dann einen langen Spurt ziehen (bin ja nicht gerade der Sprintertyp, also vorher die Sache entscheiden). Gesagt, getan! Nachdem mir im Pulk einige Male in die Haken getreten wurde und ich fast gestrauchelt wäre, versuchte ich ab km 19 die Flucht nach vorne. Und siehe da, Alexander, der vorher immer in meiner Nähe gelaufen war, ließ etwas abreißen. Ich verschärfte nochmals das Tempo, wobei ich jedoch merkte, dass die Beine langsam schwer wurden. Aber die Taktik schien aufzugehen. Noch ca. 500 Meter, in einer Kurve konnte ich aus den Augenwinkeln erkennen, dass Alexander ca. 20 Meter Rückstand hatte. Dann ging es auf die Zielgerade, oje Kopfsteinpflaster und die Beine immer schwerer. Aber das reicht, dachte ich, da vorne ist ja schon das Ziel.

Noch 10 Meter bis zum Ziel und ich führe immer noch. Super, du hast den Titel. Falsch gedacht! Auf einmal sehe ich Alexander aus den Augenwinkeln kurz hinter mir. Nochmals kurz anziehen, schießt es mir durch den Kopf. Noch zwei Meter und ich bin immer noch vorne. Dann die Schrecksekunde, auf der Ziellinie kommt Alexander von hinten angeschossen, ich versuche noch den Oberkörper nach vorne zu werfen und wir überqueren Schulter an Schulter die Ziellinie. Wer hat nun gewonnen? Ich, denke ich so bei mir, war ja zwei Meter vorm Ziel noch vorne, wird schon gereicht haben. Einige gratulieren mir zum Sieg, aber es gibt auch andere, die Alexander gratulieren. Also abwarten. Irgendwie komische Situation. Eigentlich war meine Taktik richtig, im Gefühl des sicheren Sieges habe ich wohl auf den letzten Metern nicht alles aus mir rausgeholt!?! Als ich mich nach dem Lauf mit Alexander unterhalte, und keiner so richtig weiß, wer denn nun vorne war, erklären wir uns dem DLV gegenüber einverstanden, dass sie beide zum Sieger erklären. Doch die Funktionäre lassen sich nicht darauf ein und berufen sich auf das vorhandene Zielfoto. Hierauf war wohl zu erkennen, dass ich zwar einen Meter vorm Ziel noch vorne war, aber auf der Ziellinie die rechte Schulter von Alexander knapp vor meiner war. Und das nach 21,1 km !! Na ja, die Enttäuschung war zwar groß, aber ich akzeptiere die Entscheidung. (Dass wir allerdings in der Ergebnisliste mit einer Sekunde Unterschied geführt werden, verstehe ich nicht ganz). Meine Moral wurde dann ca. 3 Wochen später mit dem Titel des Deutschen Berglaufmeisters in der M45 wieder hergestellt.

So ähnlich wie ich nach dem Halbmarathon, muss sich bei den diesjährigen Deutschen Marathon-Meisterschaften in Regensburg wohl auch Anton Gröschl gefühlt haben. Nach hartem Kampf konnte ich mit ca. 2 Meter Vorsprung den Titel in der M45 in 2:29:58 Std. vor Anton gewinnen, der zeitgleich die Linie überquerte. Das ganze Rennen über hatten wir uns belauert. Da unser härtester Mitkonkurrent Uwe Hartmann ausgestiegen war, würde der Titel wohl unter uns Beiden ausgemacht. Seite an Seite liefen wir ca. 38 km. Dann versuchte ich mich, als es in die Stadt ging, durch eine kleine Temposteigerung von Anton abzusetzen. Es schien mir auch kurzzeitig zu gelingen, doch er kam wieder heran und verschärfte seinerseits.

Nun musste ich ca. 5 Meter abreißen lassen. Wir waren inzwischen schon bei ca. km 40. Bis km 38 hatte ich mich super gefühlt, aber nun ging es doch langsam an die Substanz. Los, noch mal alles geben, der kann auch nicht mehr, schoss es mir durch den Kopf. (Schließlich hast du dich 10 Wochen im Training hart gequält und einige Entbehrungen auf dich genommen). Und ich kam tatsächlich noch mal an ihn heran. Als ich neben Anton lief, klopfte er mir auf die Schulter und sagte: „Du kämpfst ja immer noch, na dann Lauf." Er sagte mir später, dass er in diesem Moment das Rennen verloren gegeben hatte. Doch es war ja immer noch 1 Kilometer zu Laufen. Aus der Erfahrung des Halbmarathons sagte ich mir: "Lauf was Du kannst, nicht mehr umdrehen und alles geben." Der Wille war da, nur die Beine wollten auf einmal nicht mehr. So kam Anton auf den letzten Metern, nachdem ich doch schon einigen Vorsprung heraus gelaufen hatte, unter dem Jubel der Zuschauer noch einmal näher heran. Doch unter Aufbringung der letzten Kräfte rettete ich mich mit dem genannten Vorsprung ins Ziel. Die Freude über den gewonnenen Titel war natürlich groß, doch ich konnte mich auch gut in die Gemütslage von Anton Gröschl versetzen, war es mir doch nicht viel anders ergangen, damals in Burghaslach!

Das Porträt von Jürgen Theofel erstellte: Helmut Schaake

Fotos: Helmut Schaake

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