Steht der Vogel der Weisheit Pate bei der Erneuerung der Leichtathletik? Man mag es hoffen - oder auch nicht. Ja, nicht wenigen Laufsportbegeisterten ist es vollkommen egal, was Verbände leisten bzw. sich leisten. Was ist bei der Leichtathletik zu ändern? Oder sollte alles bleiben wie es ist? Markus Heidl sieht keinesfalls nur Verbesserungen in einer neuen Weltrangliste.

Walter Wagner, 10. November 2017

"World rankings" zur Qualifikation für große Meisterschaften

von Markus Heidl

Einen ersten Schritt in Richtung "fundamentaler Änderungen in der Leichtathletik" wurde es von der International Association of Athletics Federations (IAAF) genannt: für die Weltmeisterschaften in Doha 2019 sowie die Olympischen Spiele 2020 in Tokio wird es einen komplett neuen Qualifikationsstandard geben. Von der Norm zur Rangliste, wenn man so will. Ab dem ersten Quartal 2018 wird eine Weltrangliste eingeführt.

Laut Präsident Sebastian Coe, der die Änderungen schon Ende letzten Jahres angestoßen hatte, dient die neue Weltrangliste "to help athletes and fans better compete and follow the sport they love". Aus Sicht der Verantwortlichen sorgt sie also für eine bessere Übersichtlichkeit.

Und natürlich ist es toll, eine Rangliste zu haben, auf der klar ersichtlich ist, wer derzeit der bzw. die Weltbeste der jeweiligen Disziplin ist - wenn denn die Punktewerte auch nachvollziehbar sind. Und hier liegt die große Schwierigkeit einer solchen Rangliste für die Leichtathletik: Zählen 8,60 m bei Weitsprung-Landesmeisterschaften weniger als 7,95 m in der Diamond League? Was ist besser: 2h03 beim München-Marathon oder Sieg in 2h14 in New York? Ist ein Speerwurf beim heimischen Abendsportfest überhaupt noch etwas wert?

Laut der IAAF ergeben sich die Punkte für die Weltrangliste aus einer Kombination aus Leistung, Platzierung und Wichtigkeit der Veranstaltung. Damit einher geht zwar eine klare Hierarchie der Wettkämpfe, die wiederum aber nur durch die IAAF beeinflusst wird. An den wichtigsten Veranstaltungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach viele der Weltbesten teilnehmen, um Punkte für die Rangliste zu sammeln. Das hat den Vorteil, dass von Veranstalterseite her gegenüber Sponsoren damit gerechnet werden kann, dass Weltklasseleistungen geboten werden. Auf der anderen Seite wird dadurch die Lücke zwischen den als hoch und niedrig eingestuften Wettkämpfen größer. Denkt man dabei an die Vergangenheit in der IAAF, muss man sich gar sorgen machen, dass bezahlt wird, um in der Wichtigkeit zu steigen.

Grundsätzlich ist es eine Frage, wie die drei Faktoren (Leistung, Platzierung, Veranstaltung) für die Punkte der Rangliste gewichtet werden. Wie entsteht die beste Vergleichbarkeit? Und welche Auswirkungen hat das auf unseren Sport?
Angenommen, die Leistung zählt nur wenig, es käme nur auf die Platzierung bei großen Veranstaltungen an. Dann stünde vor allem der Wettbewerb im Vordergrund. Die Bedingungen interessierten dann genau so wenig wie die Zeiten bzw. Weiten und Höhen. Das wäre in dem Sinne gut, dass weniger Grund zu Doping bestünde - es geht "nur" um den Kampf zwischen Konkurrenten. Dann aber hätten kleine Meetings gar keine Chance mehr. Für die Stars wären sie dann höchstens noch Trainingswettkämpfe.

Und so schön auch Wettkämpfe sind - wegen der taktischen Spielchen - bei denen es nur um die Platzierung geht, sie haben einen weiteren Nachteil: den der Gleichberechtigung. Nicht allen Ländern und Athleten stehen die gleichen Mittel für Reisen zur Verfügung. Wenn ein Athlet nicht zu den am höchsten eingestuften Veranstaltungen reisen kann, kann er auch nicht so viele Punkte sammeln wie die Konkurrenz. In jüngster Zeit ist es sogar für einige Nationalitäten zum Problem geworden, in gewisse Länder einreisen zu dürfen. Wenn nun aber gerade in Amerika einige wichtige Wettkämpfe ausgetragen werden?

Und wie sähe es ferner mit dem Umgang miteinander aus? Gibt es mehr Rivalität zwischen den Wettkämpfenden, wenn es nur noch um Platzierungen geht? Wenn es keine gemeinschaftlichen Tempohatzen mehr gibt, bei denen man sich gegenseitig unterstützt?

Schließlich ist es schade, dass trotz der neuen Qualifizierungsregelung für die großen Meisterschaften dem Nominierungs-"Hickhack" kein Riegel vorgeschoben wird, denn die Nationalverbände entscheiden am Ende noch immer über die Nominierung der in Frage kommenden Athleten.

Wir können gespannt sein, wie genau die Punkte für die Weltrangliste zustande kommen und welche Auswirkungen eine Tabelle auf unseren Sport hat.

Beitrag von Markus Heidl
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