Die Diskussion ist alt und wird immer wieder neu aufgeworfen: Wie finanziert sich der Spitzensport? Wie finanziert man den Weg bis zum Profisport? Wie überbrückt man langwierige Verdienstausfallzeiten bei Verletzungen? Bis hin zur Frage, ob man mit Sport überhaupt Einnahmen erzielen sollte, läge doch darin ein wesentlicher Mitverursacher der Dopingproblematik. Ein bedienungsloses Grundeinkommen würde Ungerechtigkeiten und Abhängigkeiten in der Spitzensportförderung entgegen wirken. Markus Heidl greift die Idee in der Kolumne Pro & Kontra auf.

Walter Wagner, 4. Mai 2017

Das Grundeinkommen -
die bessere Spitzensportförderung?

von Markus Heidl

Wir identifizieren uns mit unseren Jobs. Ein Beispiel dafür ist immer wieder die Vorstellung der eigenen Person: "Ich heiße Markus und bin Ingenieur." - ich bin der und der und arbeite das und das. Ganz normal. Genau wie die Nachfrage beim Kennenlernen, was man denn gerade arbeitet. Es hilft uns, Menschen einzuordnen. Aber was passiert, wenn wir keinen Job mehr haben?

Denn die Technologien schreiten immer weiter voran. Mit der Verbesserung der Technik werden immer mehr Industriezweige, seien es Fließbandarbeiter, Buchverkäufer, Straßenbahnfahrer oder Piloten, automatisiert. In Zukunft wird es weniger Arbeit geben. Und dieser Fortschritt betrifft nicht nur niedrigqualifizierte Berufe: auch Finanzanalysten, Übersetzer, Versicherungsagenten sowie sogar Schauspieler werden betroffen sein - Maschinen haben in den letzten Jahren so viel gelernt.

Die Frage, wie wir damit umgehen, dass es immer weniger Arbeit gibt, stellt sich immer dringender. Werden wir alle weniger Stunden in der Woche arbeiten? Wird es Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen geben? Eine Möglichkeit, die immer ernsthafter diskutiert wird, ist das bedingungslose Grundeinkommen.

Was ist damit gemeint? Ein Einkommen für jeden Erwachsenen, das die Existenzgrundlage sichert. Gesprochen wird meist von etwa 1000 € im Monat, das aber durch den sozialen Konsens definiert werden würde. 1000 €, jeden Monat, unabhängig vom sozialen Status, dem Anstellungsverhältnis, der Qualifikation. Bedingungslos eben.

Es ist damit ein Modell, das auch den deutschen (Lauf-)Spitzensport besser fördern würde, als - vielleicht mit Ausnahme einzelner Athleten bei der Bundeswehr - jedes Sportförderprogramm es derzeit tut. Denn der Alltag eines Deutschen Spitzenläufers besteht meist aus der Doppelbelastung von Arbeit und Training. Mit der ersten Einheit im Morgengrauen und der zweiten nach der Arbeit.

Als Paradebeispiel wird meist Julian Flügel genannt, der es trotz Berufsbelastung bisher auf die äußerst beachtliche Marathonbestzeit von 2:13:57 Stunden gebracht und 2016 zu den Olympischen Spielen geschafft hat. Julian gilt aber als "harter Hund" und ist sicher nicht nur läuferisch, sondern auch organisatorisch ein Ausnahmetalent. Denn grundsätzlich ist das leistungsorientierte Marathontraining mit einem Vollzeitjob vergleichbar: zwei bis drei Trainingseinheiten am Tag, dazu Sponsorentermine, Regenerationsmaßnahmen wie Physiotherapie und Mittagsschlaf, Trainings- und Wettkampfplanung, Mentaltraining. Hinzu kommt immer die Frage, was passiert, wenn man sich verletzen sollte? Dann nämlich steht der Vollzeitläufer derzeit sehr schnell vor dem Scheitern.

So wie es jetzt ist, mit einer geringen oder nicht vorhandenen Unterstützung des DLV, mit Sponsoren, die mit Sachwerten unterstützen, aber lange nicht die Miete zahlen, mit Urlaub, der nicht für Trainingslager reicht und Stress, der bei Doppelbelastung zwangsläufig entsteht, bleibt sicher Potential auf der Strecke.
Und immer stellt sich die Frage, was danach kommt.

Das Grundeinkommen wäre für Leistungssportler sicher eine gute Basis. Die Lebens- und Trainingsqualität wird positiv beeinflusst, generell ist eine volle Fokussierung auf das Training möglich, dennoch bleibt genug Zeit für Familie, Freunde und Bekannte. Die Ortsgebundenheit fiele weg, eine angemessene Regeneration wäre einfacher, die Verletzungsangst und damit der psychische Druck geringer. Und die Frage nach dem Danach wäre nicht mehr dringend. Vielleicht würden es auch mehr Läuferinnen und Läufer im Leistungssport versuchen, was zu mehr Konkurrenz und vielleicht besseren Leistungen führen würde.

Andererseits würde die DLV-Förderung wohl komplett eingestellt. Weiterhin stellt sich die Frage, ob 1000 € monatlich überhaupt ausreichen. Wer bezahlt die Ausrüstung, die Reisen, Trainingslager und den Physio? Was ist mit einer Familie? Wie viel will man seinen Kindern bieten? Und schließlich stellt sich dann natürlich die Frage nach dem Warum. Warum überhaupt der ganze Aufwand, wenn das Einkommen unabhängig von der Leistung ist?

Dann wiederum sind wir aber am Anfang aller Diskussionen angekommen. Warum wir laufen? Weil es gut für uns ist.

Beitrag von Markus Heidl

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