Kontrovers werden sie seit Jahr und Tag geführt, Diskussionen um Migranten bei nationalen und regionalen Meisterschaften im Laufsport. Hinter vorgehaltener Hand sogar mal Klartext gesprochen, also unter vermeintlich Gleichgesinnten auch mal etwas gesagt, das man so nicht sagen darf im Schatten deutscher Vergangenheit. International im Prinzip das gleiche Spiel. Nationen, die dank Zuwanderung, bzw. unterstelltem Zukauf, zu Medaillen greifen. Nun also die Idee, die nationale Titelvergabe an die deutsche Staatsangehörigkeit zu koppeln. Nur seltenen Widerspruch wird es geben, wenn man die Eignung des Vereinslebens hinsichtlich der Integration hervorhebt. Es bedarf einer Antwort, ob man im Sport die Mauer an der Landesgrenze aufbauen will, die man für Wirtschaftsinteressen ohne Rücksicht auf Verluste eingerissen hat. Das Integrationsbemühen in den Vereinen dürfte nachlassen, wenn zu Meisterschaften wieder ohne "Flüchtlinge" angetreten werden muss.

Einige 'Pro & Kontra Gedanken' haben Markus Heidl zum Folgenden inspiriert.

Walter Wagner, 24. September 2016

Wenn die anderen einfach schneller sind

von Markus Heidl

"Für mich ist das eigentlich keine Deutsche Meisterschaft, wenn vorne so ein Elitefeld Tempo macht, das verzerrt den Wettbewerb", so Florian Orth, frisch gebackener Meister über 10 km. Integriert waren die Deutschen Meisterschaften in den Alsterlauf in Hamburg, der von Kalipus Lomwai (28'14) und Antonina Kwambai (31'52) gewonnen wurde. Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg, 28'58), als deutscher Meister 8. und Melat Yisak Kejeta (PSV Grün-Weiß Kassel, 33'16) als deutsche Meisterin 9. bei den Frauen gingen dabei unter, wurden gar vom verwirrten Veranstaltungsmoderator übersehen. Was noch beim letzten Frankfurt Marathon so gut ankam, weil mehr als doppelt so viele Teilnehmer wie im Vorjahr gezählt wurden, scheint auf kürzeren Strecken gar nicht gut anzukommen. Florian wurde für seine Worte lautstark beklatscht.

Gleichzeitig wurde ein anderes Thema angeschnitten, das schon jahrelang im Hintergrund der deutschen Straßenläufe schwelt: auf Grund der bisher gültigen DLV-Ausländer-Startberechtigung wird das Meisterschaftsergebnis stark beeinflusst: Laut den allgemeinen Ausschreibungsbestimmungen für Deutsche Meisterschaften 2016 sind all diejenigen Läufer/innen startberechtigt, die Mitglied mit einem gültigen Startrecht für eine/n Verein/LG im Verbandsgebiet des DLV sind.

Weiter sind EU-Bürger startberechtigt, wenn sie seit mindestens einem Jahr ein Startrecht für eine/n deutschen Verein/LG besitzen. Nicht-EU-Staatsbürger sind laut den Ausschreibungsbestimmungen startberechtigt, wenn sie seit mindestens einem Jahr ihren ständigen Aufenthalt im DLV-Gebiet sowie zusätzlich ein Startrecht für eine/n deutschen Verein/LG besitzen und im laufenden sowie im vorigen Jahr nicht für den Heimatverband bzw. bei dessen Meisterschaften gestartet sind.

Dass andere kommen - Unbekannte, neue Namen aus fremden Landen - die einfach so schneller sind, kann sehr wohl frustrierend sein. Wenn die eigene Jugend über Jahre aufgebaut wird und schließlich einige wenige ein Niveau erreicht haben, das sie national konkurrenzfähig macht, um dann doch nur hinterher zu laufen, lässt Förderprogramme sinnlos erscheinen. Auch für die Zuschauer kann es schwierig werden, wenn die "Schwarzen" für die "deutschen" Augen alle gleich aussehen und unaussprechliche Namen haben.

Ab 2017 soll damit - laut Gerüchten - Schluss sein. Ab dem 1. Januar 2017 sollen für Deutsche Meisterschaften laut Aussage eines Mitgliedes des Verbandsrates nur noch Läufer/Innen mit deutscher Staatsangehörigkeit startberechtigt sein. Aber ist das eine gute Idee?

Denn zum einen sind Sportvereine das mit Abstand beste Mittel zur Integration. Die deutsche Sprache wird schneller erlernt, kulturelle Unterschiede nebenbei erläutert. Freundschaften entstehen und das Gefühl der Fremde weicht zumindest ein wenig. Gemeinsame Wettkämpfe stärken das Gemeinschaftsgefühl. Wird dann der/die Außenseiter/in bei Meisterschaften ausgeschlossen, kommt Unmut auf, weil die Leistung nicht gewürdigt wird. Das eigene Team kommt dann mitunter in Erklärungsnot. Keine einfache Lage.

Zum anderen stellt sich die Frage, wo sinnvoll eine Grenze gezogen werden kann. Wer wird eingebürgert, um auch international zu helfen, Medaillen zu erringen und wer wird ausgeschlossen, um die Landes- und nationalen Meisterschaften nicht zu beeinflussen. Werden bald gar Meisterschaften durch Liebe entschieden, wie schon vor vielen Jahren, als der weltbeste 800-m-Läufer plötzlich Europäer war, weil seine Heirat Wilson Kipketer zu einem Dänen machte?

Überhaupt muss sich auch auf höherer Ebene, wie den Europameisterschaften, gefragt werden, inwieweit Meisterschaften noch Sinn machen, wenn die Grenzen durch Einbürgerungen immer mehr verschwimmen. Im Endeffekt kommt es nur auf die Definition an. Wird Deutscher Meister der schnellste aus einem deutschen Verein oder der schnellste deutsche Staatsbürger? Muss gar das Deutsch-Sein über mehrere Generationen nachgewiesen werden? Das ginge dann ganz sicher zu weit.

Beitrag von Markus Heidl
Foto © LaufReport

leserbriefe@laufreport.de

Aktuelles im LaufReport HIER

© copyright
Die Verwertung von Texten und Fotos, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung auch in elektronischer Form, ist ohne Zustimmung der LaufReport.de Redaktion (Adresse im IMPRESSUM) unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt.