Facettenreich ist es, das Laufangebot. Und es wird immer vielfältiger. Schlammschlachten und Kletterparcours entfernen sich vom eigentlichen Laufen. Dabei ist unverfälschtes Überwinden von Strecken im Laufschritt nicht eintönig oder an Meisterschaftsdistanzen gebunden. Sich anders zu vergleichen, besondere Ziele stecken, wo andere Tugenden und Talente gefragt sind und ein Schnelligkeitsdefizit in den Hintergrund treten lassen, hat seine Reize. Das beginnt bereits bei den Laufcups und bei klassischen Serienläufen, wo auch die Geselligkeit zählt und sogar ein Gemeinschaftsgefühl aufkommen kann.

Etappenrennen kennen keine Grenzen. Ganze Kontinente werden in Läufen gequert. Die bessere Ausdauer und die höhere Belastbarkeit entscheiden über den Sieg. Doch selbst das Siegen ändert seinen Charakter. Die Distanz ist es, die es zu bewältigen gilt, der Gegner wird dabei zum Kamerad, zum Leidensgenossen, zum Partner.

Doch wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten, den Markus Heidl ausleuchtet.

Walter Wagner, 16. September 2016

Der Etappenlauf als alte Faszination

von Markus Heidl

Die allseits bekannte, freie online-Enzyklopädie weiß, dass die Strecke beim Etappenlauf in Teilstücken zurückgelegt wird, wobei deren Ergebnisse einzeln erfasst und als Zeiten in einer Gesamtwertung addiert und zusammengefasst werden. Dem Rennen haftet dadurch eine ganz besondere Faszination an, weil im täglichen Rhythmus aufs Neue eine Spannungskurve aufgebaut wird. Favoriten kristallisieren sich heraus und können zwar noch nicht gewinnen, aber bei jeder Etappe alles verlieren.

Das bekannteste Etappenrennen ist wohl die Tour de France. Und obwohl der Radsport scheinbar noch tiefer im Dopingsumpf versank als die Leichtathletik aktuell, begeistert die Tour ein ganzes Land sowie Radsportfans weltweit.
Im Laufsport sind die Zeiträume kürzer, weil die Erholung noch schwieriger ist. Nur die Ausnahmen unter den Etappenrennen dauern länger als eine Woche. Die Faszination ist dennoch riesig. Erst Anfang dieses Monats zog uns der Transalpinelauf in seinen Bann, schon früher im Jahr wurde beispielsweise der Brüder-Grimm-Lauf oder der Marathon des Sables in Marokko ausgetragen. Und bald schon wartet die Tour de Tirol, um nur wenige bekannte Namen zu nennen. Veranstaltungsnamen, die bei vielen auf der "Bucket List" stehen.

Denn gleich, ob als Einzelkämpfer oder im Zweierteam gelaufen wird, es schwingt immer auch die Frage mit, ob die Etappen überhaupt zu schaffen sind. Ein normaler Wettkampf stellt bereits eine große Belastung dar, die optimal vor- und nachbereitet werden will. Beim Etappenlauf fällt die Regeneration weg. Es geht einfach immer weiter. Zurückhaltung ist angesagt, von Tag zu Tag, auch wenn es am Anfang noch gut geht. Und natürlich ist psychische Stärke gefragt, Durchhaltewillen. Denn beim Etappenlauf kommt die Erschöpfung schneller, je weiter der Wettkampf voranschreitet, die Tiefs werden tiefer und tiefer.

Gesund ist das wohl nicht, wenn malträtierte Muskeln immer wieder anlaufen müssen, Schürfwunden nur notdürftig verbunden werden, die Dehydrierung immer weiter voranschreitet und anhaltend ausschließlich Sporternährung konsumiert wird. Und dennoch sind Etappenläufe irgendwie heroisch, wenn Grenzen überwunden werden und Unmögliches möglich wird. Wenn aus Konkurrenten Unterstützer und Freundschaften geschlossen werden. Weil man sich kennenlernt, wenn man sich nicht vorher schon kannte. Zwangsläufig, weil man tagelang auf denselben Routen unterwegs und im selben Ort untergebracht ist.

Und weil das Ergebnis, die sonst so wichtige Zeit oder Platzierung, zur absoluten Nebensächlichkeit wird, auch wenn natürlich stets die Zwischenstände ausgewertet und Führungstrikots vergeben werden. Nirgends sonst gilt die Hochachtung der Ersten so sehr den Letzten, wie beim Etappenlauf. Weil die Qualen ungefähr gleich sind.

Als Alternative zum Etappenlauf könnte die Cup-Wertung herangezogen werden. Auch hier werden die Einzelergebnisse erfasst und ausgewertet, auch hier werden die Teilstrecken und -ergebnisse aufsummiert. Der organisatorische Aufwand ist geringer, weil die Unterbringung wegfällt, die Regeneration vorhanden. Ebenso gibt es bei vielen Laufcups das Zusammenhörigkeitsgefühl sowie das gegenseitige Kennenlernen, weil auch hier die immer gleichen Gesichter aufeinandertreffen. Dennoch ist es eine ganz andere Herangehensweise, allein durch die Abfolge der Wettkämpfe. Auch die Form kann deutlich mehr schwanken und Tiefs sind weitaus unwahrscheinlicher. Und natürlich ist auch das Ergebnis wieder deutlich wichtiger.

Also einmal einen Etappenlauf versuchen? Man kann es ja mal ausprobieren.

Beitrag von Markus Heidl
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