"Das sind die schlimmsten Olympischen Spiele aller Zeiten!" Solches hört man derzeit und man neigt zur Zustimmung. Den wesentlichen Anteil an dieser besonderen Olympia-Kultur allein Athletinnen und Athleten aufzuhalsen, wäre aber falsch. Die Olympischen Spiele 2016 sind wieder zum willkommenen Spielball der 'Weltpolitiker' geworden und werden für einen sonderbar anmutenden Anti-Dopingkampf benutzt, bei dem die Wahrheitsfindung mediengemachtem Aktionismus untergeordnet wird. Fakten schaffen, dort wo vermeintlich Aufgedecktes noch Lücken aufweist. Auf diese Marschroute scheint man sich geeinigt zu haben und findet damit die Unterstützung selbsternannter Fachleute und weiß die breite Öffentlichkeit hinter sich, die lieber einer griffig formulierten Überschrift folgt, als sich durch seitenlange Gutachten mit einem komplizierten Problem auseinanderzusetzen. Mit dem Ergebnis beschäftigt sich Markus Heidl.

Walter Wagner, 16. August 2016

Olympia ohne Fair Play:

Was nicht verloren gehen darf

von Markus Heidl

Wenn eine Athletin weinend am Beckenrand steht, alleingelassen, ignoriert und ausgepfiffen, dann hat die Sportlichkeit versagt. Wenn selbst die "Guten" kein Fair Play mehr kennen, was hat Olympia dann noch für einen Sinn?

Ja, es geht um Julija Jefimowa, die russische Schwimmerin, der jeder wünschte, dass sie nicht gewinne. Ja, sie war gedopt und überführt. Aber ebenso war sie offiziell startberechtigt. Laut Sportgerichtsurteil durfte sie starten und war damit eine Gegnerin, die fair zu behandeln ist.

Natürlich mag es richtig erscheinen, Dopingsünder auf diese Weise zu bestrafen. Es ist aber auch Selbstjustiz, und damit falsch. Die Begründung liegt beim Internationalen Sportgerichtshof, der bisher jeden Versuch unterband, Dopingsünder lebenslang oder auch für die kommenden Spiele (z. B. die "Osaka-Regel") zu sperren. Doping ist immer falsch - dies durchzusetzen muss aber an anderer Stelle erfolgen als durch Pfiffe an der Sportstätte.

Sportlich fair ist es, denen die Daumen zu drücken, die man für sauber hält. Unfair dagegen, die anderen auszupfeifen oder gar den Handschlag zu verweigern. Wir, die sauberen, müssen die Sportlichkeit hochhalten. Fair Play durch ehrliche Worte, Fair Play durch Respekt, Fair Play durch Haltung und Fair Play durch Frieden.

Schuld sind natürlich die Dopingsünder und alle, die sie dazu gemacht haben. Einfach und schön für die wahren Sportler wäre es, es sagten alle die Wahrheit. Ebenso utopisch! Und Schuld ist ebenso das IOC: die Entscheidungen zu weich, noch nie konsequent. Dem Sport täte es gut, wenn man wirklich das Gefühl hätte, dass Doping bei den Olympischen Spielen nichts verloren hat.

Denn die Liste derer, die weder in Rio noch auf einer anderen Sportstätte etwas zu suchen haben, ist lang. Aber Justin Gatlin sprintet, Alejandro Valverde fährt Rad, Sun Yang schwimmt, Iwan Tichon wirft den Hammer. Liu Hong geht, auch Fränk Schleck fährt Rad und Sandra Perkovic wirft den Diskus. Sie alle haben ein Recht dazu. Und natürlich sind und bleiben weitere unerkannt.

(Mit)Schuld sind in gewisser Weise aber alle, die das Fair Play verletzen. Angefangen beim pfeifenden Zuschauer über manchen, der nicht mit anderen im Bus fahren will. Von verweigerten Handschlägen bis zum Umweltschutz, der nicht stattfindet. Und Funktionäre, die A sagen und für B stimmen. Wo ist sie geblieben, die Olympische Idee?

In der Bibel heißt es: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Ich wünsche mir viele Steine, geworfen von denen, die ohne Doping sind!

Beitrag von Markus Heidl
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