Albert Olbrechts

Hundertjährige Ausnahmesportler

Albert Olbrechts ist am 27. Dezember 2018 im Alter von 103 Jahren verstorben

100 Jahre, jede Menge Gäste und Grüße von der Kanzlerin

Albert Olbrechts feierte am Mittwoch den 4. Februar 2015 einen runden Geburtstag: Die Lauflegende aus dem badischen Ettlingen wurde 100 Jahre alt. Das erreichen "der zweiten Null" ist nur wenigen gegönnt. Schaut man auf den letzten Zensus des statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2011, gab es zum damaligen Stand in ganz Deutschland 13.445 Hochbetagte, die in der Spalte 100+ aufgeführt werden und diesen fast schon biblischen Geburtstag feiern durften.

Ettlingens OB Johannes Arnold, Albert Olbrechts und der katholische Ortsgeistliche Dr. Roland Merz

Die Grüße des Ministerpräsidenten überbrachte Ettlingens Oberbürgermeister Johannes Arnold, das verlesen des höchst individuellen Briefes der Bundeskanzlerin an das langjährige CDU-Mitglied oblag Bruchhausens Ortsvorsteher Wolfgang Noller, der dabei nicht unerwähnt ließ, dass seines Wissens Albert Olbrechts der erste Bruchhausener sei, der dieses hohe Alter erreicht hat. Insgesamt 11mal wurde der mehrfache Senioren-Welt und Europameister mit dem Silbernen Lauerturm, der höchsten sportlichen Auszeichnung der Stadt, geehrt.

Bis 2013 war Olbrechts auch als Pressewart für den Lauftreff Ettlingen aktiv und half, den Halbmarathon (http://www.ssv-ettlingen.de) durch sämtliche Stadtteile von Ettlingen mit ins Leben zu rufen. LaufReport hat über dieses Urgestein der badischen Laufszene schon zu seinem 90. Geburtstag ein ausführliches Portrait erstellt.

Seinen letzten internationalen Wettkampf bestritt Olbrechts bei den Europameisterschaften der Senioren 2012 in Zittau, wo er, mittlerweile der M95 zugehörig, sich noch einmal auf die Sprintstrecke über 100 Meter begab und konkurrenzlos in 34:04 Sekunden als Europa-Champion gefeiert wurde.

Text und Foto © Johann Till (im Februar 2015)

Albert Olbrechts

„Neunzig“ und kein bisschen müde

„Der lange Blonde aus Mechelen“ feierte am 4.2.2005 seinen 90. Geburtstag!

„Er läuft und läuft“ ... was würde besser zu diesem Urgestein der mittelbadischen Laufszene passen, als dieser uralte, einst auf den VW-Käfer gemünzte Werbeslogan. Schon zu seinem 75. wurde Albert Olbrechts im früheren „LAUFmit“, dem Print-Vorläufer von LaufReport, vorgestellt und seine außergewöhnliche Persönlichkeit, sein Sportsgeist gepaart mit immerwährendem Elan gewürdigt. Und Olbrechts läuft noch immer!

Olbrechts Chronik beginnt in den Wirren des I. Weltkrieges. Beim Einmarsch der Deutschen im Jahre 1914 flüchtete sein Vater, ein belgischer Friedensrichter und Rechtsanwalt, mit der Familie nach England. Als siebtes Kind seiner Eltern wurde Albert Olbrechts am 4. Februar 1915 in Croydon/London geboren. Seinen Namen „Albert-Georges“ erhielt er nach den beiden damaligen Regenten, dem König von Belgien, Albert I. und König Georg von England. Großvater Alphonse Olbrechts avancierte zum Präsident des belgischen Flüchtlingskomitees in London.

Albert Olbrechts beim Osterlauf So sieht ihn sein Haus-Grafiker

Nach Kriegsende 1919 kehrte die Familie nach Belgien zurück. Die Kinderschar war zwischenzeitlich auf 9 angewachsen; 5 Jungen und vier Mädchen. Nach seinem Abitur 1935 besuchte Albert von 1936 bis 1939 die Höhere Gartenbauschule mit Abschluss als Gartenbauarchitekt. Diese Ausbildung war 1939 jedoch wenig gefragt. Der II. Weltkrieg drohte und die jungen Männer wurden auch in Belgien zum Militärdienst eingezogen. So fand sich der junge Albert-Georges bald in der Artillerie-Unteroffiziersschule in Mechelen ein. Während der deutschen Invasion diente er als Artillerie-Wachtmeister in der belgischen Armee und kam nach deren Kapitulation nahe Dünkirchen in deutsche Gefangenschaft. Als Flame wurde Olbrechts nach nur 3 Wochen Gefangenschaft in die Heimat entlassen und war danach für einige Zeit, seiner Berufsausbildung entsprechend, beim belgischen Landwirtschaftsministerium tätig.

Beim Ausbruch des Krieges gegen Russland, am 22. Juni 1941, meldete sich Olbrechts tatendurstig noch am selben Tag bei der Ortskommandantur, um als „Freiwilliger gegen den Bolschewismus“ zu kämpfen. Ein dunkles Kapitel in Olbrechts Vita. Wie viele seiner Kameraden auch, merkte Olbrechts erst im Verlauf des Krieges, vor welchen braunen Karren er sich spannen ließ. Den Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ erlebte er versteckt auf einem Bauernhof in der Nähe von Freising. Für seine Teilnahme bei der „Freiwillige Legion Flandern“ wurde Olbrechts 1946 in Belgien in Abwesenheit zum Tode verurteilt und ihm wurde die belgische Nationalität aberkannt. Zwanzig Jahre später, am 16.Mai 1966, wurde das Todesurteil aufgehoben. Erst jetzt konnte Olbrechts wieder seine alte Heimat und seine Familie besuchen.

Die ersten Monate nach Ende des Krieges verdingte sich Olbrechts als Stallknecht in einem Frauenkloster. Die sich zufällig ergebende Bekanntschaft mit einem amerikanischen Militärpfarrer verhalf ihm wenig später zum schon leicht höherwertigen Dienst eines Hausmeisters. Dank seiner hervorragenden englischen Sprachkenntnisse hatte Olbrechts in kurzer Zeit drei Häuser der neuen „Besatzungsmacht“ zu betreuen. Die Verbindungen zum neuen Brötchengeber waren geknüpft. Olbrechts fand Anstellung bei einer Luftbrücken-Einheit in Frankfurt und wurde nach Beendigung der Luftbrücke beim „Labor Service“ eingegliedert. Dort landete er - was lag näher für einen ausgebildeten Gartenbauarchitekten - in einer Baukompanie, die zuerst in Mannheim, später in Ettlingen stationiert war.

Albert Olbrechts als Stafettenläufer ... als Leierkastenmann für Gatschina ... und als rasender Nikolaus

Diese Einheit hatte sich unter dem Namen „Dickhäuter“ einen guten Ruf erworben. Bis 1964 war Olbrechts, zuletzt als Bauleiter im Range eines Oberleutnants, bei unterschiedlichen Projekten der amerikanischen Armee tätig. Als Sport- und Betreuungsoffizier war er u.a. zuständig für die sportlichen Veranstaltungen in der Rheinlandkaserne. Ein erster Fingerzeig für seinen weiteren Lebensweg. Olbrechts organisierte für die Einheit mehrere Omnibusfahrten nach Paris, Brüssel, nach Holland u.a.m. Diese Tätigkeit gefiel ihm dann so, dass er sich Mitte der 60er Jahre selbständig machte und ein eigenes, noch heute existierendes  Reiseunternehmen gründete. Es darf mit Fug und Recht unterstellt werden, dass Olbrechts mit seinen „Jumbo Reisen“ Deutschlands ältester noch immer aktiver Reiseveranstalter ist.

Olbrechts Läuferkarriere begann recht spät. 1972 stand er, bereits 57jährig, am Straßenrand seiner Heimatgemeinde und schaute dem Treiben der Volksläufer beim örtlichen Straßenrennen zu. „Schau die alten Knacker, die da noch mitlaufen“, so die Worte zu seiner Frau. Olbrechts, schon immer ein Mann der Tat, fackelte nicht lange und der noch junge Lauftreff Ettlingen hatte ein weiteres, schon etwas älteres Mitglied in seinen Reihen. Noch heute ist der Lauftreff Ettlingen Olbrechts sportliche Heimat. Unzählige Reisen zu den verschiedensten Wettkämpfen hat Olbrechts für „seinen“ Lauftreff organisiert und mehrere eigene Veranstaltungen initiiert. Unvergessen die Stafettenläufe zu den Ettlinger Partnerstädten in Frankreich (Epernay), Belgien (Middelkerke), England (Clevedon) und zuletzt, als der „Eiserne Vorhang“ gefallen war, nach Gatschina in Russland. Viele weitere Engagements, so als Drehorgelspieler für die Aktion Sorgenkind oder als laufender Nikolaus bei verschiedenen Volksläufen in der Umgebung, machten ihn bekannt und beliebt.

Albert Olbrechts erbaute das Albgaustadion ... und lief auf der Chinesischen Mauer

Besonders hervorzuheben, seine Initiative zum Bau des Ettlinger Albgaustadions. Seit 1953, nach Fertigstellung der Erdarbeiten und Aufschüttung des Stadionovals durch die Amerikaner, war dieses in einen Dornröschenschlaf am Rande der Alb-Metropole versunken. Auf Olbrechts Initiative, so verlegte er in seiner Freizeit eigenhändig und völlig allein über 6.000 Stehstufen im Stadionrund, wurden die Arbeiten wieder aufgenommen. 1981 konnte das Ettlinger „Albgau-Stadion“ mit Aschenbahn und über 30.000 Plätzen feierlich eingeweiht werden. Als Dank verlieh ihm die Stadt Ettlingen den Ehrenbrief und den goldenen Sibylla-Taler, die höchste städtische Auszeichnung für sportliche Leistungen.

Olbrechts Wettkampfbilanz ist inzwischen auf 932 Teilnahmen angewachsen. Penibel führt er über jeden einzelnen seiner Wettkämpfe Buch. Jede Ergebnisliste, jede Urkunde wird sorgfältig und mit viel Hingabe abgeheftet. Die Reihe der Ordner hat zwischenzeitlich mehrere Meter erreicht. Dabei ist Albrecht Olbrechts ein wahres Multitalent. Von 100 Meter bis zum Marathon wird jede olympische Laufdisziplin abgedeckt. Selbst auf Ultra-Distanzen ist der rüstige Jubilar vertreten. So war er schon zehnmal in Biel, dem Mekka aller Langstreckler, dabei. Seine Bestzeit über den Hunderter steht bei 12:22 Std., gelaufen mit 70 Jahren in Vogelgrün (F). Allein am Hindernislauf hat sich Olbrechts noch nicht versucht, dafür aber schon zweimal beim Triathlon reingeschnuppert.

Albert Olbrechts finishte in Biel ... stellte sich der Herausforderung Triathlon ... und kommt immer noch ins Ziel

Klar, dass bei soviel Wettkampfeifer auch eine Menge an Erfolgen zusammenkommt. Dabei bezeichnet sich Olbrechts als äußerst trainingsfaul. „Trainieren, das brauch ich in meinem Alter nicht mehr“, so schon vor Jahren die Worte zum Chronisten. Dennoch ist Olbrechts in seiner Altersklasse seit langem eine feste Größe auf nationalen wie internationalen Meisterschaften. So hat sich „der lange Blonde“ auf Weltmeisterschaften bis dato 6 Gold-, 3 Silber- und 2 Bronze-Medaillen erlaufen. Weiteres Edelmetall gab es bei Europameisterschaften in Form von 2mal Gold, 4mal Silber und 1mal Bronze. Unzählige Titel auf Kreis- und Landesebene kommen hinzu. In der M75 ist er Badischer Rekordhalter über 200m, 1.000m und 1.500m, in der M80 über 3.000m und 10.000m. Dieses Jahr darf Olbrechts erstmals in der Altersklasse 90+ starten und hat sich auch schon mal die Seniorenweltmeisterschaften in San Sebastian im Kalender dick angestrichen. Wo das alles enden wird? Seine Mutter wurde 102 Jahre alt und von seinen 4 noch lebenden Geschwistern haben zwei die 90 bereits überschritten. Auf die Frage nach der Herkunft seiner Fitness: „Ich habe nie geraucht und auch nie übermäßig Alkohohl getrunken, dazu hält mich meine Frau ganz schön in Trab.“ Sie ist 33 Jahre jünger. Die beiden haben sich auf einer Urlaubsreise in Spanien kennen gelernt.

Sind es jetzt die Gene oder die jugendliche Partnerin Albert-Georges Marie Ghislain Olbrechts?

Das Porträt zum 90. Geburtstag von Albert Olbrechts erstellte: Johann Till

Fotos: Privat und Johann Till

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